Heute war mal wieder richtig schönes Wetter, welches wir zu einem Ausflug über die Insel genutzt haben.















Eigentlich stimmt das nicht – so freundlich wurden wir gar nicht verabschiedet. Um 20:30 beginnt der Wirt, sehr subtile Signale zu senden, dass er jetzt gerne zumachen würde. Er schaltet das Außenlicht aus, unter dem wir auf der Terrasse sitzen. Er macht die Fensterläden der Kneipe zu (dazu müssen Frank und ich jeweils ein wenig vorrücken, damit der Laden hinter unserem Rücken geschlossen werden kann. Er kommt vorbei, und fragt ob er unsere (halbvollen) Weingläser mitnehmen kann. Wir bieten an, dass wir sie einfach stehen lassen, aber er murmelt etwas von Wind, und so verhandeln wir 7,5 Minuten (Als Durchschnitt von unserem Angebot von 10 Minuten und seinem von 5 Minuten). Um kurz vor neun sind unsere Gläser leer, er räumt sie ab, sperrt den Laden ab, und springt in seinen Truck. Wir sind alleine in der größten Ortschaft der Insel, Puerto Cabrera, fünf Außenlaternen an irgendwelchen Häusern beleuchten die Kulisse. Wir laufen noch 10 Minuten umher, dann machen wir unser Dinghy klar und fahren wieder zu Seestern.
Wir sind auf Cabrera, für Boaties jeder Art eines der Highlights beim Urlaub in Mallorquinischen Gewässern. Der Parque Nacional del Archipelago de Cabrera befolgt im Sommer die Regel „willst Du gelten, mach Dich selten“. ‚Wildes‘ Ankern ist verboten, man kann eine der wenigen ausgelegten Bojen in der großen Bucht der Hauptinsel online reservieren. In der Saison kommen Ausflugsboote aus Mallorca, es gibt eine blaue Grotte, und die Insel ist ansonsten wirklich relativ unberührt. Man kann dann die Bojen maximal für einen Tag reservieren. In 200x war ich hier schonmal, mit einem Charterschiff, da hatten wir uns glücklich geschätzt, dass wir auch für eine zweite Nacht nochmal spontan reservieren. Aktuell ist die Lage etwas entspannter. Bei geschätzten 30 ausgelegten Bojen sind wir nun alleine.
Am Dienstagmorgen haben wir Cala Figuera verlassen. Der Hafen ist nach Osten offen, der Wind für die nächsten Tage ist aus Osten angesagt, da würde es mit einlaufenden Wellen dort sehr ungemütlich. Wir verziehen uns auf die andere Seite des Südzipfels von Mallorca. Nahe der Colonia di Sant Jordi ist eine riesigen Strandbucht mit geschlossenem Hotel. Das Wetter ist leider etwas trüb geworden, und deutlich kühler. Wir hatten kurz überlegt, eine Marina aufzusuchen, aber warum eigentlich? Wir haben genug zu Essen und Trinken, Strom erzeugen wir auch selbst, und Wasser ist auch noch genug da (in Flaschen und im Tank). In der Bucht haben wir noch gutes Internet, und das ist heute und vielleicht noch morgen essenziell. In den USA wird gewählt, und wir wollen live erleben, wie die amerikanische Bevölkerung Deppen-Donald in hohem Bogen aus dem Amt wählt. Da auch Ihr nicht unter einem Stein lebt, seht Ihr das Problem: a) es dauert viel länger und von b) hohen Bogen ist nichts zu spüren. So bleiben wir bis Freitagmorgen in der Bucht, aktualisieren in regelmäßigen Abständen die Wahlprognosen, und sind ansonsten etwas antriebslos. Draußen ist es nicht einladend, und bei dem kühlen Wind ins Wasser gehen? Brrrr. Die US Wahl bringt mich auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich bleibe am Dienstag (also dann Mittwochmorgen) bis nach 4:00 wach; keine Entscheidung. Um 7:30 am Morgen gucke ich wieder ins Schlaukasterl: Die aktuelle Prognose zeigt zwar mehr Wahlleute für Biden, aber bei den aktuellen Zwischenergebnissen in den anderen Staaten wird er es nicht schaffen. Echt jetzt?!? Ich such mir schon mal ein paar Memes mit dem Zitat von Max Liebermann „Ick kann gar nicht so viel fressen, wie ick kotzen möchte“, die passen zu der Situation und meiner Stimmung, dann drehe ich mich nochmal um und schlafe weiter. So geht es den Mittwoch und Donnerstag weiter. Aktuell (während ich das schreibe, Freitagabend MEZ) wird Biden in genügend Staaten mit jeweils hauchdünnen Mehrheiten gewinnen, um im Electoral College mit einem komfortablen Vorsprung zu gewinnen, und Trump wütet vor sich hin. Meine Gedanken (und sie sind nicht originell): Krass wie unglaublich gespalten diese vereinigten Staaten weiterhin sind; und knapp die Hälfte der Wähler in den USA finden die Performance von Donald in den letzten vier Jahren nicht so unterirdisch, dass sie ihn tatsächlich wieder wählen. 20.000 Lügen – that’s my man? Wer weiß, vielleicht sind zwei Monate einfach nicht genug Abstand. Immerhin – sowohl Colorado als auch Arizona werden für Biden gezählt – ich habe nicht bei den größten Deppen gewohnt.
Anyway, für Freitagmorgen haben wir uns dann vorgenommen – unabhängig von der US-Wahl – die Bucht zu verlassen, und nach Cabrera zu fahren. Vielleicht morgen ein wenig auf der Insel umherlaufen, mal sehen, und irgendwann weiter nach Westen, erst Ibiza und Formentera, dann Festland-Spanien – wenn’s bis dahin erlaubt ist. Der Wind ist ideal dafür, direkt von der Seite, wir fahren mit über sieben Knoten Richtung Cabrera. Kurz nach 13:00 legen wir an der Boje an, trinken ein Bier, kochen Spaghetti mit Thunfisch, und machen ein kleines Nickerchen. Der Nationalpark hat mir auf Anfrage erklärt, dass eine Kantina/Bar im Hafen aufhätte, also machen wir unser Beiboot (Dinghy) klar, und fahren so um 18:30 rüber. Aus Gründen, die ich selber nicht genau erklären kann, liebe ich dieses ‚End of the world‘ feeling. Der Hafenkai eher verlassen. Ein paar Schautafeln, und Gebäude, die in der Saison sicher eine Funktion hätten – aber nur hinter einer Tür ist etwas Licht zu vermuten, als wir ankommen. In der Bar sind Anfangs vier Gäste; wie stören deutlich, weil sie sich nicht sicher sind, ob wir die Masken tragen, weil es die Regel ist, oder weil wir überzeugt sind, und schlimmer noch – würden wir petzen? Ein einsames Ankerlicht in der Bucht markiert die Seestern, ein rot blinkendes Licht das Ende der Mole, fünf Außenlichter die Gebäude des Ortes, und die Beleuchtung der Hafekneipe – aber die ist nun ja aus.
Seefahrer waren schon immer abergläubisch – klar, dass wir uns in diese Tradition einreihen müssen. Bekannte Aberglauben sind: „wenn man eine Zigarette an einer Kerze anmacht, dann stirbt ein Seemann“ oder „Ein Schiff umzubenennen bringt Unglück“. Woher kommen diese Aberglauben? Das mit der Kerze liegt daran, dass Seeleute in ihrer Freizeit Streichhölzer herstellten, nutzte man zum Anzünden der Kippe eine Kerze dann machte der Seemann keinen Umsatz und verhungerte irgendwann. Der Schnack mit dem Umbenennen kommt davon, dass ein Seemann immer wissen wollte, wo er anheuerte. Wenn die letzte Fahrt der „SY Unglück“ unter Käptn Prügelpeitsch das Leben der Hälfte der Mannschaft gefordert hatte, wollte da niemand mehr mitfahren, so lag der Gedanke nah, das Schiff in „SY Alles Super“ umzubenennen, und so das Arbeitgeberstanding auf dem HR-Markt für Matrosen zu verbessern. Wenn der Matrose den Namenswechsel aber spitz bekam, so war er sofort misstrauisch. Beides trifft auf uns nicht zu – wir schnitzen Abends keine Zündhölzer, und unsere Namensänderung ist nachvollziehbar und mit allen Voodoo-Tricks begleitet worden.
Wo wir langsam abergläubisch werden, das sind andere Sachen:
Ich war vorher baden, jetzt kommt Frank zurück. Es ist Sonntag, der 1. November – ein ungerader Tag – da ist Frank Skipper. Als er sich fast abgetrocknet hat, fragt er wie spät es ist. Oh oh, denke ich mir, jetzt ist Aktivität gefordert, wahrscheinlich müssen wir weg. Dennoch antworte ich wahrheitsgemäß mit 12:03. Ahhhh, gut, meint Frank, dann können wir ja ein Bier trinken. Whoosh – schnell bin ich beim Kühlschrank, dos Cervezas San Miguel, voilá. Wieder ein harter Tag.
Wir sind noch immer in Cala Mitjana. Wir überlegen – waren wir in all unseren Segeljahren jemals in einer schöneren Bucht? Frank und mir fällt nichts ein. Die Cala hat uns ein SUP-paddelnder Engländer empfohlen, in unserer ersten Bucht auf Mallorca. Er meinte, die eine Hälfte der Bucht gehörte dem reichsten/drittreichsten Mann von Mallorca/Spanien. Das mag sein – auf einer Seite gepflegter Rasen und Beete, und ein ebenfalls gepflegtes aber aktuell wohl ungenutztes Ferienhaus. Auch die andere Seite der Bucht (dann vielleicht nicht im Privateigentum) scheint sich der Pflege eines Gärtners zu erfreuen. Vielleicht hat der Mäzen auf der anderen Seite hier etwas springen lassen, damit sein Blick auch schön ist. Nennen wir die Bucht also natürlich sehr schön, mit etwas Disney Politur die es dennoch vermeidet kitschig zu sein. Allerdings – trotz ausgeprägter Nebensaison füllt sich die Bucht ab späten Vormittag mit allen möglichen Booten. Gut, es ist auch Wochenende, und das Wetter gigantisch. Offensichtlich erreicht man die Bucht auch von Land, immer wieder tauchen Leute an dem kleinen Strand auf. Einige baden textilfrei. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie’s hier in der Hauptsaison abgeht – da ist man wahrscheinlich am besten mit einem Stahlschiff bedient, vielleicht ein altes Schlachtschiff?
Übernachtet haben wir hier wieder alleine, vor Anker und mit einer Landleine an einen der beiden Poller, die irgendjemand mal ans Ufer betoniert hat. Leider wird’s nachts schon eher zapfig, also kein gemütlicher Wein im Cockpit, sondern Niedergang zu und Socken an. Mit einigen Fotos habe ich euch ja schon in „ohne Worte“ erfreut/gequält, alle mit dem iphone gemacht. Vielleicht lohnt sich die große Kamera? Aber ehrlich gesagt, bei der habe ich Schiss, sie in einem hoffentlich wasserdichten Beutel an Land zu schwimmen. Am Ende lassen wir etwas Ankerkette raus, verkürzen die Landleine, und ich kann trockenen Fußes an Land. Allerdings – das Schiff liegt nun zu nah am Land um die ’schwebenden‘ Fotos des letzten Tages zu wiederholen. Oh well. Nach der Fotosession gebe ich die Kamera zurück ans Schiff, und mache die Landleine los, muss dem Schiff hinterherschwimmen, aber vorher noch ein paar Runden in der Bucht. Nach dem Bier kochen wir – heute probieren wir eine Fleisch-Paella, aber ich glaube, da wäre die große Küche daheim doch zuträglich. So wird’s halt einfach Reis mit Sch****, Paella Style. Lecker, aber nicht authentisch.
Am Vorabend hat uns ein großes Unglück ereilt. Unsere italienische unlimited Data SIM Karte glaubt offensichtlich nicht so an’s EU roaming, quittiert den Dienst mit einer beleidigten SMS über die zusätzlichen Kosten. (Frank hat einen Router gebaut/angepasst, der unser Schiff mit WLAN aus mobilen Daten versorgt, damit kann man auch in der Bucht abends einen Tatort streamen) (konnte). So reifte der Entschluss – egal wie schön’s hier ist, wir brauchen einen Mobilfunk-Shop, um uns eine neue SIM-Karte zu organisieren. Also verlassen wir um 15:30 die Cala Mitjana, und machen uns auf den Weg in die Cala d’Or Marina.
Ein unangenehmer Nebeneffekt der Nachsaison – die Büros in Marinas sind nur noch Wochentags besetzt. So scheitern wir damit, telefonisch einen Preis zu erfragen. Wir fahren also in die Marina, fragen per Funk, werden aber immer hingehalten – jetzt legt halt erstmal an. Als wir dann in Rufweite des Stegs sind, rückt der Marinero mit dem Übernachtungspreis raus – 91, äh, doch nur 69€. Hust, hust, wie bitte – es ist doch Nachsaison? Es ist jetzt zwar nicht so, dass wir uns das nach zwei kostenlosen Nächten in der Bucht nicht leisten könnten, aber es geht ums Prinzip. Ich rufe dem Marinero zu „lo siento, es demasiado“, was hoffentlich ‚tut mir leid, das ist zu viel‘ bedeutet. Wir verlassen den Hafen wieder. Langsam erkennen wir ein Muster: es gibt mehrere Betreiber von Marinas, einmal der „Club Nautico“ (wie in Cala d’Or), der offensichtlich zu jederzeit eine Exklusivität durch hohe Preise herstellen möchte, und auf der anderen Seite „Ports IB“ (die scheinbar der Regierung der ‚Islas Baleares‘ gehören), die noch etwas öffentlichen Auftrag haben. Schon in Porto Christo ist uns das aufgefallen, sehr moderate 25€ die Nacht, während Club Nautico einen Hafen weiter auch 60€ haben wollte. Wir tuckern aus dem Hafen, überlegen Alternativen (das Wetter würde ohne weiteres eine kostenlose Buchtübernachtung erlauben, aber eben ohne Mobilfunkladen am nächsten Morgen). Irgendwann gucken wir auf die Website von Ports IB – Cala Figuera wird von denen betrieben. Sieh an, da geht sogar jemand ans Telefon, Sonntagnachmittag um 17:00. Auch hier kostet es nur 25€, und wir ergattern einen der fünf Gästeplätze in dem winzigen Hafen. NB: Es hätte auch noch Platz für weitere vier Yachten, wir liegen Solitär an der „Moll Transit“.
Cala Figuera ist eine kleine Stadt, ein ehemaliger Fischerort. Er versucht den Charakter zu erhalten, in dem auf der Hafenmole Netze geflickt werden, was der ganzen Umgebung einen deutlich fischigen Geruch gibt – very authentic.
Abends streifen wir noch durch die Stadt, wollen etwas zu Essen erlegen. Mittlerweile wissen wir, dass die ganzen ‚aktuell geöffnet‘ oder ’schließt bald‘ oder auch ‚zur Zeit geschlossen‘ auf Google oder Trip Advisor nicht viel zu bedeuten haben. Als erstes versuchen wir’s in der ‚Bon Bar‘. Der angenehmste Nebeneffekt wäre: WLAN, welches es auf’s Schiff schafft. Alle Schilder sagen, geöffnet täglich außer Montag bis 24:00, die Absperrketten und geschlossenen Türen behaupten das Gegenteil. Am Ende winkt am Ende der Straße, in dem das fälschlicherweise als geöffnet geführte französische Restaurant liegt, das fälschlicherweise als geschlossen geführte „El Momento“. Vorsichtig frage ich, ob sie wirklich auf haben, und die Wirtin meint ‚Nein, wieso? Ich stehe hier, die Musik läuft, wie kommen wir drauf?‘ Sarkasmus – schon lange nicht mehr außerhalb der Seestern gehört. Eine Karte hat sie nicht, aber meine Frage nach Essen wird mit Schnitzel oder Currywurst mit Pommes beantwortet – auf Deutsch; offensichtlich ist mein Spanisch nicht so überzeugend. Mandy, die Wirtin, erklärt sich dann aber doch bereit, auch spanische Tapas in beschränkter Auswahl für uns zu machen, aber die meisten Leute kämen halt wegen Fußball und ihrer Schnitzel her.
Am Ende ein Kompromiss – ein geteiltes Schnitzel für uns beide, und Pimentos al Padron und Kartoffelecken mit Aijoli als spanische Komponente. Das mit dem Schnitzel auf Mallorca ist mir zwar peinlich, aber es war sehr lecker. Als die anderen beiden Gäste neben uns sich auf den Weg machen, laden wir Mandy ein, sich zu uns zu setzen. Mal aus erster Hand hören, wie sich Corona in einer klassischen Tourismus-Destination auswirkt. Wir schnacken bis 23:30 (die Ausgangssperre auf den Balearen wurde von 23:00 auf 24:00 verlängert, aber Mandy muss noch aufräumen und heimfahren). Cala de Figuera ist touristisch eher von Deutschen geprägt, aber von denen mit FeWo Eigentum – Mandy’s Stammkundschaft, die auch normalerweise zum Rudelgucken kommen. Sie erzählt von Wirten, denen es richtig beschissen geht, aber auch von gegenseitiger Kooperation. Sie wirkt nicht total deprimiert, sie wünscht uns ein schönes Segeljahr und wir ihr ein gutes nächstes Geschäftsjahr. Und eine Botschaft an die Welt: „El Momento“ hat offen, egal was Trip-Advisor sagt, und ihr könnt kommen.
Am Tag drauf, ein Montag, leihen wir uns mal wieder ein Auto. Vordringlich um die Insel anzusehen, aber eigentlich brauchen wir die Mobilfunk-Datenkarte. Am Ende landen wir in einer fetten Shopping Mall zwischen Palma und dem Flughafen. Der Parkplatz ist rammelvoll – Leute, ihr habt Nachsaison. Am Ende ergattern wir die Karte direkt vor dem Carrefour. Praktisch: wir wollten eh noch ein paar Lebensmittel kaufen, Zwiebeln fallen uns ein. Beim Streifzug durch den Markt (ein paar andere Sachen sind uns noch eingefallen) werde ich vom Traktor-Strahl der Schinken-Theke eingefangen: bestimmt 10 Regalmeter, nur spanische Schweinebeine. Der Bediener erklärt ein wenig, er kann ‚Castellano‘, also Hochspanisch, oder ‚Catalan‘, welches sehr zu meinem Leidwesen hier gerne gesprochen und geschrieben wird – ich kann halt kein Katalanisch aus meiner Kindheit. Die preiswerten Beine sind so um die 100€ zu haben, die höchste Qualität kostet 600€. Leider reicht mein Spanisch noch nicht dafür, was denn genau die Unterschiede an Qualität wären. Mei – wenn Ihr uns nur besuchen kommen würdet, ich wäre da sofort dabei. Aber alleine, da siegt selbst bei mir die Vernunft. Geschäftsidee: Makeln zwischen den Tapas-Bars und Kleinverbrauchern wie uns zum Verkauf von 2/3 ausgezehrten Schweinebeinen – die Bars haben immer einen frischen, attraktiven Schinken, und wir hätten unser Bein mit nur 1,5kg zum Vertilgen…
Den Rest des Tages verbringen wir bei einem Burgerladen in Palma, und dann mit einer schnellen Tour von der Nordseite der Insel – Port Sóller, Passstrasse in Richtung Pollenca, am Ende Kap Formentor (da war’s aber leider schon seeeeehr dunkel). Rückkehr über Santanyi, wo wir am Ende nur ein einziges offenes Restaurant finden (Google spuckte mindesten zehn aus), und dann zurück zum Schiff. Mandy hat Montag Ruhetag – wirklich! – deshalb gibt es nur ein Wein am Schiff.
Beobachtungen:
Café Mistral, 9:45 morgens: Frank und ich gönnen uns in der warmen Morgensonne einen Café con Leche und ein Croissant. Dabei merken wir, dass wir in Sachen „relaxed“ noch Anfänger sind. Zwischen den Café Cortados der Arbeiter steht eine halbleere Flasche Whisky, und später kommen noch Oma und Opa und bestellen sich erstmal ganz gepflegt ein Glas Rotwein und ein Bier.
Mallorca – Image und Wirklichkeit: Reflexartig denke ich bei „Malle“ an den Ballermann – schlimmster deutscher Pauschaltourismus (im nächsten Ort das gleiche für Engländer). Natürlich wissen wir alle, müssen es uns aber bewusstmachen, dass das nicht Mallorca ist. Die Insel ist vielfältig und in vielen Ecken traumhaft schön. Die Fahrt durch die Berge, die etwas stilleren Buchten ohne Hotelburgen – ich könnte es hier auch länger aushalten. Aber was schon krass ist: wie Deutsch die Insel teilweise ist. Komisch, ist mir total unangenehm – wenn ich im Ausland auf eine ‚Lingua Franca‘ umsteige, dann hat das Englisch zu sein. Hier wird man immer wieder auf Deutsch angesprochen. Dabei reißt es mich jedesmal. Das Plakat an der Autobahn, das Umzugsunternehmen („Umzüge in Mallorca leicht gemacht“), der Kellner im Burgerladen, die Frau vom Mietwagen, offensichtlich sind meine Spanischversuche von einem deutschen Akzent geprägt. Aber dass unser Peugeot 208 als Menüsprache Deutsch hat, der eingestellte Radiosender „Inselradio Mallorca – mit den neuesten Nachrichten“ ist, und man an Läden vorbeikommt, wo die Werbung NUR auf Deutsch ist –das finde ich verstörend.
Praktischer Tipp:
Frank meint, dass ich mehr Traffic für meinen Blog generieren könnte, wenn ich praktische Tipps gaben würde, also versuche ich das jetzt umzusetzen: die linke Männerdusche in Cala Figuera ist besser – besserer Wasserdruck.
Einigen von Euch ist bewusst, dass ich als Kind mal vier Jahre zwischen Marbella und Málaga gewohnt habe. Durch die Wunder moderner Technik (Fratzenbuch) bin ich wieder ein wenig in Kontakt mit meinen Freunden von damals, allen voran Erhard, meinem besten Freund aus der Grundschule. Erhard ist in Málaga geblieben, dort Rechtsanwalt mit Familie. Klar, dass ich den besuchen will, und zufälligerweise ist die Marina von Benalmadena (wo wir damals wohnten) eine der günstigeren in der Gegend. Also ein paar Tage an der Costa del Sol verbringen, ein oder zwei Pakete aus Deutschland empfangen, vielleicht ein paar Sachen am Schiff machen lassen, wo man irgendjemand kennt, der jemanden kennt, der sich vielleicht damit auskennt. Erhard versorgt mich seit dem Sommer regelmäßig mit Informationen zu Corona / Einreiseregeln usw. Bislang konnte er immer beruhigen, ‚uns in Spanien geht’s doch am schlechtesten von ganz Europa, warum sollte Spanien da die Einreise beschränken?‘
Vor ein paar Tagen hat Spanien wieder einen Alarmzustand ausgerufen, Ausgangsbeschränkungen und andere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sind damit möglich. Es sind noch zwei Tage Flaute angesagt, danach wollten wir uns mit günstigeren Winden erst nach Ibiza und dann ans spanische Festland begeben. Heute ab 0:00 hat Andalusien (dort liegt Málaga) ein Einreiseverbot bis zum 9.11. erlassen. Das ist jetzt ein kleiner Haken in unserem Plan. Auch die anderen Festlandsprovinzen wie Valencia und Murcia haben Beschränkungen (Haben wahrscheinlich Angst vor den hochinfektiösen Madrilenos, die das lange Wochenende an der Küste verbringen wollten). Ich telefoniere mit Erhard, die vorgesehenen Ausnahmen im Gesetz könnten schwierig für uns zu erfüllen sein, meint der Anwalt. So gehen wir davon aus, dass wir bis zum 9.11. auf den Balearen bleiben müssen. Dann sehen wir weiter. Aber ich will nicht meckern. Für social distancing haben wir keinen so schlechten Platz…
Jetzt habe ich wohl aus Versehen einen Cliff-Hanger produziert. Ihr fragt Euch sicherlich, ob wir es nun endlich nach Mallorca geschafft haben. Spannend, oder? Leider kann man die Frage nicht so klar beantworten. Wir sind tatsächlich am Tag nach dem Post „Mallorca?“ losgefahren – ordentlich Wind bis wir es schon halb nach Malle geschafft hatten. Eigentlich war der Wind gar nicht so viel, aber es war noch wirklich viel Welle wegen des Windes der letzten Tage. Das wirkt dann dramatischer. Auf halber Strecke ist der Wind dann aber leider eingeschlafen, Diesel & Autopilot an; die Seestern ist per Navi programmiert, in eine Bucht an der Westküste Mallorcas einzuschlagen. Es wird die nächsten Tage fast nur Flaute haben – da können wir auch in die Bucht, wir haben noch genug zu essen an Bord. Außerdem ist das Ankern in einer großen, leeren Bucht eher unproblematisch, das Einlaufen in einen unbekannten Hafen kann Tücken haben. Also kommen wir um 21:30 in Font de la Cala an (so zumindest auf Google Maps zu finden), werfen den Anker, und verziehen uns unter Deck.
Für die meisten Leser, die ich in Deutschland unterstelle, mag das wie Hohn klingen, aber es wird draußen langsam wirklich frisch, besonders nachts. Unsere Diesel-Standheizung müssen wir erst wieder in Betrieb nehmen, bis dahin heißt es improvisieren. Konkret: Den Niedergang (die Haustür) zugemacht, und den Motorenraum geöffnet. Da sind 250kg Metall mit ca. 70°C drin, die wärmen die gute Stube noch ordentlich. Auch eine Konsequenz des Herbstes: man versucht das Baden in der Bucht auf die perfekte Zeit abzupassen – zu früh am Morgen oder zu spät am Nachmittag, und es ist nicht mehr einladend. Gut – wann wart Ihr zuletzt in der Isar?
Die für die nächsten Tage angesagte Flaute wird Realität. Wir schlafen am Mittwoch aus, und machen… wenig… so schwimmen wir auch nicht an Land, sind deshalb also noch nicht AUF Mallorca, sondern nur 60 Meter davor. Frank hat unsere Kurzwellen-Antenne wieder angeschlossen, ich habe versucht das Funkgerät zu kapieren. Das Grenzwellen/Kurzwellen Funkgerät ist theoretisch in der Lage, um die ganze Welt zu funken. Es scheint auch zu funktionieren, wir hören BBC News aus dem Oman. Hatte auch schon was aus Madagaskar und Indonesien. Witzig – mit Internet ist es ja kein Problem mehr, sich jede beliebige Website aus Indonesien auf den Rechner zu ziehen. Wer die Technik versteht, ist davon nicht überrascht. Aber mit der Funke – das ist unmittelbar. Die Radiowellen werden tatsächlich an der Ionosphäre reflektiert, und kommen direkt aus Indonesien in unsere Bucht vor Mallorca. Ist dafür noch wirklich so, wie Funker in alten Filmen dargestellt werden. Mal laut, mal leise, mal pfeifen im Hintergrund. Ob das ganze heute noch eine praktische Anwendung hat – mal sehen. Bislang haben wir jedenfalls noch keinen Wetterbericht empfangen können, auch weil’s keine vernünftige Suchmaschine im 30 Meter Band gibt. Und die Pressemeldungen vom DWD – dreimal tägliche Aussendungen auf 5905 und 6180 KHz – sind schon drei Jahre alt.
Am Donnerstag stehen wir vergleichsweise früh auf – schon um 9:30 morgens. Frank hat das Problem unserer Tankanzeige analysiert, auch – ganz unsportlich – die Einbauanleitung angesehen. Dabei ist die Rede von einer Transportsicherung die unbedingt vor dem Einbau zu entfernen sei. Hmmmm. Chris zieht sich das Mechaniker T-Shirt an, liegt bäuchlings über unserer Bilge, lässt nur eine Schraube in die Bilge fallen, und – tatsächlich – da ist noch der Aufkleber „remove before installation“ und der fünf Millimeter lange Stift, der als Transportsicherung fungierte. Die Anzeige der Tankanzeige fällt von voll auf halb. Wir wollen unseren Griechen nicht böse sein – es stand nicht auf Griechisch drauf. Jetzt kann sich der Geber immerhin bewegen, und wir stehen nur noch vor der Frage, wie wir die Tankuhr kalibrieren können (geht nur bei leerem Tank, und eigentlich versuchen wir den zu vermeiden).
Dann noch kurz in die Bucht gesprungen, mit Meerwasserseife gewaschen, und auf geht’s. Wir dieseln die Küste zwei Stunden runter, nach Porto Christo. Beim Anlegen etwas Spannung im Hafenbecken. Just als wir einlaufen wollen, legt eine große blaue Segelyacht ab. 15 Meter vom Steg geht etwas schief. Hektisch springt jemand zum Anker, die Yacht steht wie bestellt und nicht abgeholt in der Mitte des Hafenbeckens. Wir kringeln ein wenig vor dem Hafen, die sollen das erstmal klären. Der Eigner hat sich die Badehose angezogen, springt schnell ins Hafenbecken – Bäh. Offensichtlich bringt er erstmal eine Landleine aus, und hängt dann zwischen Anker und Kai immerhin stabil. Es hilft auch, dass es keinen Wind hat. Der Marinero funkt uns an, das dauert noch, aber wir könnten jetzt reinfahren. Wir legen (kein Wind) ganz entspannt an, und schauen gespannt zu der blauen Yacht. Offensichtlich haben sie sich eine Muring um den Propeller gewickelt, bibbernd springt der Eigner mit Schnorchel immer wieder ins Wasser, bis er endlich alles geklärt hat. Pech. Wir ziehen unserer Lehre: immer schön warten, bis die Muring im Wasser versunken ist, bevor man losfährt. Segeln hat seine Tücken, insbesonders das An- und Ablegen.
Somit haben wir in Porto Christo endlich Mallorca betreten, mehr als 48 Stunden nach Verlassen von Maó – und das bei einer vorhergesagten Reisezeit von ca. acht Stunden.
Heute fahren wir nach Mallorca. Wecker um kurz vor acht gestellt. Plan: duschen, schnell Supermarkt, Mietwagen zurückgeben, ablegen, GO! Wecker um kurz vor acht. Es hätte ihn nicht gebraucht. Der Regen auf meiner Luke hätte mich auch so geweckt. Och neee. Ich prüfe unsere Planungswerkzeuge: Windfinder meint, dass wir so ca. 23 Knoten Wind hätten (und das hat in der Realität schon immer Böen bis 35 Knoten bedeutet), zwar nicht direkt von vorne, aber doch mehr aus Westen als gut ist. „Windy“ (von den gleichlautenden Apps die mit dem roten Hintergrund) hat auch eine Wellenvorhersage: 2 Meter oder mehr, eher direkt von vorne. Also fast schon zuviel Wind mit ordentlich Welle, und dabei noch im Regen stehen? Wir sind hart, aber keine Masochisten. Dennoch will ich den Plan nicht vor der Tatsache torpedieren, deshalb gehe ich auch Duschen; Frank ist vor mir gegangen. Wir überlegen – porque suffrir? Die Hektik verschwindet. Heute fahren wir nicht nach Mallorca.
Deshalb heute auch keine zusammenhängende Geschichte – ein paar Schnipsel von Gedanken die ihren Weg nicht in die vorherigen Beiträge gefunden haben. Keine besondere Reihenfolge, übrigens.
Der Hafen von Mahon ist eigentlich ein langer Fjord, mit langer Küstenlinie. Jetzt in der Nebensaison sind die ganzen Entlastungsmaßnahmen (Anlege-Pontons in der Mitte des Hafens) nicht notwendig, wir liegen also an einem Stück Hafenmauer, welches aktuell an den Club Maritimo de Mahon verpachtet ist. Wir liegen also direkt an der Hafenpromenade, und erkennen, dass es in Mahon lauter Perverse gibt. Ständig joggen irgendwelche Sportbegeisterten vorbei – manche als ob sie auf der Flucht vor den ganzen Kriminellen wären (Ihr erinnert Euch, durch die Ausgangssperre hat’s hier jetzt recht viele)
Ich konnte ja mal ganz gut Spanisch. Von meinem fünften Lebensjahr bis zum neunten habe ich hier gewohnt, sprach Spanisch wie ein Fisch im Wasser (Passt die Metapher?!?). Da ist noch viel im Hirn verbuddelt, wird dann plötzlich wieder aktiviert. Ich erkläre der Bedienung, dass wir ein Problem haben. Sie: „Di me“ – stimmt, das war ‚Sag mir‘. Das Problem – ein leeres Glas Wein – bekommen wir dann auch gelöst. Einfach so beim Zuhören werden wieder Floskeln aktiviert – als wäre es gestern. Aber dann trete ich an den Tresen der Marina Rezeption – 90% des Satzes liegen schon in Spanisch auf der Zunge – aber was war jetzt der Begriff für ‚Liegeplatz‘? Frustriert gebe ich ein „Hablan usted Ingles?“ von mir, und ja – sie spricht auch Englisch. Versaut sind auch Frank und ich von unseren letzten Wochen in Italien. Wir watschen uns selber, wenn wir nach erfolgter Kaffeelieferung mit ‚Grazie mille‘ antworten, oder due Capucchini bestellen.
Auf der anderen Seite der Hafenpromenade ist das Restaurant Wepi – New Age bis Thai Cooking. Geht doch gar nicht, hier im Heimatland der Tapas. Immerhin, sie bieten auch Kaffee mit Croissants zum Frühstück, aber sonst? Gestern Abend sind wir auf ein paar Drinks reingegangen – wir wollten die menorquinische Spezialität „Pomada“ probieren – Gin mit Zitronenlimonade; nicht überzeugend. Danach wollten wir wieder zum Alchemisten, der hatte zu; gut: dann zu einer anderen Kneipe. Auch dort ist die „Pomada“ nicht überzeugend. Dabei laufen wir mehrmals an dem Laden vorbei – unsere 12 € für die Pomadas waren fast deren gesamter Umsatz. Am Ende gehen wir Indisch essen. Damit ist der Bann gebrochen – heute Abend haben wir uns von der Happy Hour ab 18:00 locken lassen, und sind dann bis 22:00 hocken geblieben.
Was aber eigentlich der Punkt ist: wie prekär hier die Lage für manchen Wirte ist. Vorgestern waren wir in einer Tapas-Bar, die am Tag davor halbwegs gefüllt war. Wir waren die einzigen Gäste. Die Tapas waren etwas verkünstelt – der Alchemist konnte es besser – am Ende lassen wir 43 Euro liegen. Aber während wir da saßen, kamen zwei Jungs rein – einer mit Skateboard, der andern mit einem Roller, und es wurde klar dass das hier eine Familie ist – Papa in der Küche, Mutter bedient, mindestens zwei Kinder – ich hoffe nur, dass die sich in den vergangenen Jahren etwas Vor-Corona-Polster anfressen konnten. Mei, aber Frank und ich können uns auch nicht so viel Speck anfressen, um die ganzen Kneipen hier zu retten.
Spanien, oder zumindest Menorca, scheint musikalisch irgendwie etwas zurückgeblieben – in den meisten Kneipen läuft Musik die ich kenne und gut finde, der eingestellte Radiosender spielt genau meine Musik – wie Scheiße muss das für junge Leute sein?
Wir haben heute im Supermarkt – nach intensiver Beratung – ein Stück Jamon Iberico gekauft. Scheiße, ist der genial. Schon zum dritten Mal haben wir ein paar fein gemaserten Scheiben runtergesäbelt, noch etwas sardischer Rotwein dazu – Life is good.
Wie geht’s der Seestern eigentlich so? So ein Schiff, das ist schon ein komplexes Gebilde. Selbst bei neuen Charter-Yachten gab es immer etwas zu optimieren/reparieren, bei unserer 32 Jahre alten Dame erkennen wir den Wahrheitsgehalt des Spruchs: „Eine lange Segelreise, das ist das Reparieren seines Schiffes an den schönsten Orten der Welt“. Wenn ich nur mit Frank unterwegs bin, merkt man es nicht so sehr, aber als Tatjana hier war, musste man die täglichen Mucken der Technik erklären. Unsere aktuell wichtigsten Probleme: Der Navigationsplotter im Cockpit hat offensichtlich etwas unter dem Regen gelitten. Frank hat ihn mittlerweile in über fünfzig Teile zerlegt, an ein paar Stellen Korrosionsschäden durch Wassereintritt mit WD-40 bekämpft, mal sehen wie lange es hält. Vor ein paar Tagen klemmte der Schalter ‚Anker aufholen‘, als wir beim Anlegen aus Versehen drauf getreten sind. Kabel-Röst-Aromen waren die Konsequenz; das müssen wir auch reparieren. Immerhin – wie für vieles gibt es hierbei ein Back-Up System im Cockpit – es wird etwas komplizierter, aber Anker lichten wird auch die nächsten Male funktionieren.
Wir sitzen in Ciutadella de Menorca im Restaurante Aquarium beim Mittagessen, als sich eine interessante Szene entwickelt, an der ich Euch teilhaben lassen möchte. Am Tisch schräg neben uns sitzt ein interessantes Paar. Wäre ich jetzt kein moderner Mann, mit allen Wassern des Genderings und der Gleichberechtigung gewaschen, hätte ich vielleicht andere Schlüsse gezogen, aus dem älteren Mann mit der attraktiven jungen Frau, aber nein – das würde ich nie tun. Politisch korrekt trug sich alles sicherlich wie folgt zu:
Telania ist erfolgreiche Unternehmerin, und stellt nachhaltige Funktionskleidung her. Sie ist sich auch nicht zu schade, als Markenbotschafterin aufzutreten, und ist deshalb entsprechend gekleidet. Sie trägt ein weißes Kleid, dessen Hauptfunktion es ist – ähnlich wie eine neon-gelbe Warnweste – Aufmerksamkeit zu erzeugen. Neben der wärmenden Funktion, die sicherlich im Vordergrund steht, ist es eine weitere Funktion, einen Blick auf die anderen Teile der Kollektion durchschimmern zu lassen, in diesem Fall dem nachhaltigen (weil ressourcenschonenden) Bikini. Die Arme ist offensichtlich von Stechinsekten geplagt worden, beide Lippen sind geschwollen. Sie begleitet heute ihren Vater ins Restaurant, der seiner Tochter beweisen möchte, wie cool er ist – Bermudas und Wildlederslipper. Ganz schafft er es nicht (cool zu sein), er wird etwas hektisch als der Ober nicht SOFORT seinem Zahlungswunsch nachkommt. Telania ist es nicht gewohnt, auf Lakaien zu warten, und schlendert (bzw. catwalks) schon mal los. Papa trinkt noch fix ihr Weinglas aus. Telania geht an Bord ihrer – selbstbewusst nach sich selber benannten – Yacht, einer Princess V50 (wer’s Googlen möchte – eine protzige Motorhölle deren Reiz sich uns nicht erschließt). Normalerweise hat Telania sicherlich eine Crew von fünf Leuten, muss sich nicht um die Details kümmern, aber heute (sie ist eine gute Arbeitgeberin) hat sie denen frei gegeben und verbringt etwas Quality Time mit Papa, der vor vierzig Jahren bestimmt mal einen Tretbootführerschein gemacht hat. Papa gibt der Tochter noch ein paar gute Ratschläge zum Ablegen, und geht dann selber vor, um die Murings loszumachen. Ist leider nicht mehr so flink, der Papa, deshalb federt die Yacht in ihre Achterleinen ein, sobald die Murings nach vorne weg sind. Das Schiff treibt auf den Betonkai zu. Telania (die Frau) übernimmt eine tragende Rolle – sie trägt einen der Fender und hält ihn dorthin, wo das Schiff an Land einschlagen würde. Papa hat mittlerweile das Steuer übernommen, über 1000 PS und Bug- und Heckstrahlruder halten Telania (die Yacht) nun in Position. Deshalb ist es auch nicht weiter tragisch, dass sie die falsche Achterleine zuerst lösen – das Hafenwasser wird lautstark aufgequirlt, aber dann zieht sie auch die zweite Leine an Bord. Uns fällt auf, dass die Funktionswäsche für solche Aktivitäten nur bedingt geeignet ist. Wir (und die fünf anderen Tische im Restaurant) stellen die Beobachtung wieder ein, während die Yacht aus dem Hafen tuckert.
Ein wenig wundern uns Frank und ich – wir sind heute im Hafen geblieben, weil der Wind durchaus etwas heftig sein sollte, und aus der falschen Richtung, nämlich direkt aus Westen. Ciutadella liegt im Westen von Menorca, das heißt vor dem Hafen wird sich die Welle gut aufgebaut haben, und so eine Motoryacht mit ihrem flachen, auf Geschwindigkeit optimierten Rumpf dürfte da ganz hässlich schaukeln. Aber offensichtlich ist etwas Vater-Tochter-Bonding halt wichtiger.
Fünfzehn Minuten später – wir haben gerade unseren Kaffee bekommen – taucht eine bekannt aussehende Yacht wieder am Kai auf. Papa ist offensichtlich frustriert, wird später dem Marinero gestenreich erklären, dass es zu wellig war. Das einzige, was Papa beim Anlegen vernünftig macht, ist sich nur langsam auf das festgemachte Segelschiff, die Hermine, neben seinem Platz treiben zu lassen. Seine Tochter übernimmt wieder eine tragende Rolle, trägt den Fender dorthin, wo der größte Schaden zu erwarten sei. Der Marinero kommt, wäre bereit die Achterleinen zu übernehmen, doch welche Achterleinen? Die liegen irgendwo auf dem Boden des Steuerstandes. Papa sammelt den Knäuel, geht damit auf die Badeplattform, gibt dem Marinero ein Ende, und macht dann das andere an seiner Klampe fest. Seelenruhig ist er nicht mehr, fünf Tische freuen sich über’s Entertainment. Der Marinero hat – wie üblich – eine der Muringleinen gehoben, Papa nimmt sie, und macht sie persönlich vorne fest. Schade, dass es die Seite ist, die ihn nicht von der Hermine wegzieht. Der Marinero ist mittlerweile auf die Yacht gesprungen, um die Achterleine selber zu befestigen, zieht damit das Heck der beiden knutschenden Schiffe auseinander. Dass der Marinero an Bord kommt, um zu helfen, ist eher selten, dass er es aus Eigeninitiative macht schon fast ein Affront. Egal. Die zweite Muring (weg von der Hermine) wird übergeben, Papa macht sie fest, und bittet dann den Marinero, ob er ihm helfen kann. Leider nicht zu erkennen, ob es ihm an Kraft mangelt, das Ding anzuziehen, oder ob er den Knoten nicht kann. Telania – die als Unternehmensführerin den Wert begreift, Untergebene aus Fehlern lernen zu lassen – steht etwas teilnahmslos am Heck und hält den Fender dorthin, wo die Yacht zwischendrin droht, an die Hafenmauer zu dotzen. Hafenkino – das Highlight eines jeden Segelurlaubs.
Wie schon angekündigt – heute ist Mietwagen-Tag, wir haben uns Menorca angesehen. Mir gefällt die Insel, eher ruhig und entspannt. Wir besuchen ein paar der Buchten, die wir uns am Vortag vom Meer aus angesehen haben, in der Südostecke der Insel. Als erstes Binibequer Vell – ein 1972 erbautes Feriendorf, welches absichtlich auf ältlich gemacht wurde – und das tatsächlich gelungen. Verwinkelte kleine Gassen zwischen den Ferienwohnungen, absichtlich etwas krumm und schiefe Wände – das ganze vermittelt tatsächlich etwas authentisch historischen Flair. Hat offensichtlich damals auch ein paar Preise eingeheimst. Dann noch die Calas Binisafua und Binidali – in beide haben wir gestern mit der Seestern reingespechtet, heute hätten wir dieses mit der heftigen Brandung nicht gewagt. Es tut auch gut, einfach mal ein wenig herumzukraxeln.
Nach Ciutadella fahren wir noch in das Naturreservat Es Grau im Nordosten der Insel – ein paar Fotos in den letzten Sonnenstrahlen gemacht, und dann wieder nach Mahon zu unserem Schiff zurück. Heute sind wir wegen des Abendessens unentschlossen – erst ein Cocktail im Wepi – direkt gegenüber vom Schiff, dann wollen wir das gleiche im Alquimista probieren – hier gab’s die letzten beiden Abende lecker Tapas und Wein in einem Laden, den man nicht wirklich als stylisch bezeichnen kann. Leider hat der am Sonntag zu. Also wieder am Hafen in die andere Richtung. Im Latitude 40 probieren wir auch den lokalen Traditionscocktail, Pomada, eine (theoretisch 50:50 Mischung aus Gin und Zitronenlimonade), aber sind nicht beeindruckt. Entweder enthält unser Glas erheblich weniger Gin als im Führer beschrieben, oder das ist ein teuflisches Getränk, mit dem Frauen Männer unbemerkt betrunken machen könnten. Gut, dass wir die Seestern direkt neben einem rot blinkenden Seezeichen geparkt haben, da findet man sie auch Nachts schnell wieder. Morgen noch fix in den Supermercado, und dann geht’s auf nach Mallorca.
Übrigens – Menorca ist nachts ganz schön gefährlich geworden: Ab 23:00 sind nur noch Kriminelle und Polizisten unterwegs. Da wir nun mal keine Polizisten sind, wären wir wohl Kriminelle, würden wir uns auf die Straße wagen. Spanien hat als Reaktion auf die zweite Corona-Welle eine Ausgangssperre von 23:00 bis 06:00 erlassen. Es bleibt spannend.
Wir sind am Freitag um neun Uhr morgens in Mahon eingelaufen – eigentlich wie geplant. Auch wenn das jetzt keine Puh! Überfahrt war, es tut schon gut, wieder still zu liegen. So auch gleich ein Anlegebier (die Tradition fordert das, egal dass es jetzt morgens ist). Aber insgesamt machen wir an dem Freitag nicht viel, außer Nickerchen und Essen. Immerhin schaffen wir’s noch, die Pläne für die nächsten Tage zu schmieden.
Was macht man so auf Menorca? Ich hab einen Blog einer attraktiven jungen Damen gefunden, die uns die schönsten Sehenswürdigkeiten der Insel anpreist. Dort sind einige Buchten auf der Südostseite der Insel fotografiert, jeweils mit der jungen Dame. Am Ende bedankt sie sich allerdings für die Einladung des menorquinischen Tourismusverbandes – vielleicht isse jetzt nicht ganz objektiv. Wir haben die Windprognose für die Tage angeschaut – Samstag Flaute, Sonntag viel Wind aus genau der falschen Richtung, aber ab Montag dann vernünftige Winde um weiter nach Mallorca zu fahren. Dann könnten wir Sonntag einen Mietwagen nehmen, um die Insel zu erkunden, und Samstag…
Wenn man am Hafenkai langläuft sieht man immer wieder Werbung für Bootsausflüge zu den schönen Buchten der Inseln – Calas genannt. Das wäre doch die Idee – ein Bootsausflug. Nein, wir buchen nicht bei einem der Anbietern, wir machen das im Do-it-yourself Verfahren. So legen wir Samstag vormittag ab, tuckern um die Südostspitze, und fahren zu den ausgesuchten Buchten. Als erstes Cala Covas (auch Cales Coves bezeichnet) – die ist Frank noch von einem vorherigen Segeltörn in Erinnerung (schlechter, weil ihnen da in der Einfahrt der Motor ausgefallen war), und wird im Revierführer als „most spectacular“ beschrieben. Für spectacular sind wir immer zu haben. Langsam tuckern wir in Bucht, die von hohen Klippen umgeben ist. Wir hatten auch überlegt, hier nur ein drive-by shooting zu machen, aber wir finden ein Stück sandigen Grund in dem der Anker gut halten sollte. Lass fallen Anker. Was die Bucht so beeindruckend macht, ist die Tatsache, dass man auf fast allen Seiten von den Klippen umgeben ist. Geht schwer auf ein Foto zu bannen. In den Klippen auch viele Höhlen – scheinbar Gräber von vor langer Zeit. Leider ist die Bucht nach Süden offen, und von den Winden der letzten Tage steht noch etwas Schwell an – es schaukelt. Wir schwimmen ein wenig durch die Bucht, die wir auch mit anderen Touristen teilen (Landeier ? ). Dann machen wir uns auf, gucken uns noch ein paar der Buchten von der Bloggerin an, aber die haben für uns keinen so großen Reiz. Also zurück nach Mahon, ein einzigartiger Naturhafen – lange Zeit ein britischer Flottenstützpunkt. Dadurch sind die Häuser der Altstadt auch knuffig. An den Hängen eher modernere Villen. Man sieht deutlich die soziale Not – an vielen der privaten Anlegestegen der Anwesen liegen keine Yachten.
Zurück in der Marina schaffen wir mal ein Anlegemanöver ohne große Fremdhilfe, da die Marina nicht besetzt ist – es hat auch fast so geklappt wie geplant, wenn nicht Chris an einer Stelle vergessen hätte, den Gang rauszunehmen. Oh well, aber am Ende liegen wir gut. Jetzt mal sehen, dass wir noch ein paar Tapas erlegen.