Ein kulinarischer Abschied von Indonesien

Nach der erfolglosen Umbuchung meines Fluges bleibe ich faul im Hotel. Ich nutze die Zeit, ein paar Fotos der vergangenen Woche zur Veröffentlichung auszuwählen. Nun brauche ich nur noch eine vernünftige Internetverbindung. Obwohl weder mein Hotel, Jogjakarta, Java noch Indonesien mehrheitlich Buddhistisch sind, so scheint es das Internet hier zu sein. Es lehrt einem Geduld und Ruhe, und die meisten Bits und Bytes verschwinden offensichtlich im Nirvana. Außerdem springe ich ein wenig in den Hotelpool, und mache ein entspanntes Nickerchen.
Am Abend besuche ich meinen Kochkurs. Da ich der erste Teilnehmer war, durfte ich die zwei Gerichte aussuchen, und Sophie und Michael aus England müssen das halt jetzt auch kochen. Für Michael wäre wohl Wasser kochen eine Herausforderung, und Sophie scheint auch keine passionierte Hobbyköchin zu sein. Auch sonst gibt es kleine Unterschiede: Als Madé fragt, ob wir gerne scharf essen, nicke ich begeistert, und Sophie schüttelt genau so heftig den Kopf. Wir finden einen Kompromiss: Die Lehrerin bringt mir noch ein Sambal bei, mit dem ich mein Essen nachschärfen kann. Es ist kein Sambal Oelek, aber ich weiß nimmer was es davon unterscheidet. Möglicherweise die etwas streng riechende Shrimppaste. Auch allgemein lernen wir mehr als die beiden avisierten Gerichte, um das Menü abzurunden. Madé hält sich nicht unbedingt an ihre eigenen Rezepte, und gibt viele Tipps neben dem, was auf den drei Blättern geschrieben war. Deshalb muss ich dringend – solange die Erinnerung noch frisch ist – die Rezepte von den dahingekritzelten, fettbefleckten Zetteln abtippen. Nebenbei kommt Ihr so in den Genuss, sie hier zu lesen und ggf. auszuprobieren. Übrigens hat das Hühnchen, welches der entscheidende Anstoß zu dem Kurs war, selbstgemacht in keinster Weise so gut geschmeckt wie am Tag zuvor. Aber ich glaube zu wissen, woran das liegt (das knusprige Huhn zu grob geschnitten, zu lange danach in der Sauce weich geworden, und viel zu wenig Sauce per se) – bei mir wird’s wieder lecker.
Ayam Goreng Mentega
500g Hühnchen in Nuggetgröße schneiden (ketzerischer Gedanke: kommerziell erhältliche Nuggets nehmen, wenn man keine Lust zum frittieren hat), mit Salz u Pfeffer würzen, in Eiweiß wenden, und dann in Mehl. Goldbraun rausfrittieren und beiseite stellen.
½ Zwiebel, insgesamt 1 ½ Paprika (bunt), (wir haben statt dessen milde Chilis genommen) in Ringe / Julienne schneiden.
2 Knoblauchzehen und gleiche Menge Ingwer anquetschen.
Sauce: Je 1 EL Worchester, Sesamöl, Austernsauce, Ketjap Manis, Tomatenketchup (evtl. mehr Ketjap Manis, und nmE ungefähr die dreifache Menge von der ganzen Sauce für das Gericht)
Knoblauch und Ingwer in Butter andünsten, Gemüse dazu, evtl. etwas Wasser oder Hühnerbrühe, garen. Dann die Hühnchenstücke und die Sauce zugeben, mischen, mit Salz und Pfeffer nach Geschmack würzen und servieren.
Sambal irgendwas (selbstgemacht)
2 Schalotten, 1 Knoblauchzehe, 1 große (milde) Chili, viele kleine scharfe Chilis (sieben bei mir), 1 kleine Tomate, eine Messerspitze Shrimppaste. Alles außer den kleinen Chilis grob zerkleinern, alles zusammen braten. Das gebratene im Mörser zermanschen, wenn’s haltbar sein soll, nochmal kräftig erhitzen.
Nasi Goreng
250gr. Short-grain Reis, etwas al dente gekocht (hier: 1,5 Tassen Reis, waschen, mit 2,5 Tassen Wasser, nicht gesalzen, offen 10 Minuten kochen, bedeckt 10 Minuten über niedrigster Hitze), abgekühlt (oder halt übriggebliebener Reis von irgendwann, dafür ist das Gericht ja ursprünglich da)
Gemüse: kleine Mengen buntes Gemüse wie Karotte, Bohnen, Paprika, milde Chili: klein schneiden.
½ Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, Frühlingszwiebel, Selleriegrün (das so aussieht wie Petersilie): klein schneiden.
Sauce: Jeweils Teelöffel – 2 Ketjap Manis, 1 Tomatenketchup, 1 Austernsauce, 1 Sesamöl.
Zwiebel und Knoblauch anbraten, Frühlingszwiebel und Selleriegrün dazu (in meiner Erinnerung hat sie dann noch ein gerührtes Ei in die Pfanne getan, welches nach meiner Logik alle bisherige Zutaten zu recht kompakten würzigen Rühreiklumpen binden müsste – das muss ich nochmal selber ausprobieren)
Nach Wunsch: ein paar Krabben gebratenes Fleisch hinzugeben.
Das geschnittene Gemüse hinzufügen, etwa halb fertig garen.
Reis und Sauce dazugeben, mischen, Salz und Pfeffer nach Geschmack, fertig.
Ggf. mit einem Spiegelei und etwas Krupuk garnieren.
Tempe in Karamell
Ca. 200gr Tempe (gibt’s das in Deutschland? Sojabohnen zusammenfermentiert, ergeben einen relativ festen Kuchen, werden im Ritter Sport Format verkauft – sonst meint die Lehrerin, könne man auch Kartoffel oder Süßkartoffel nehmen) in dünne (2mm) Scheiben schneiden, knusprig braten (o. frittieren)
2 Schalotten, 1 Knoblauchzehe in Scheiben, auch knusprig braten.
Ein paar geröstete, nicht gesalzene Erdnüsse bereitstellen.
2 EL Palmzucker (oder brauner Zucker) mit Chilistreifen und etwas Wasser (Limettensaft für süß-saure Note) erhitzen, wenn der Zucker karamellisiert, allen Krempel von oben rein und umrühren.
Sambal Goreng Sayur (Gemüsecurry)
Je 100gr. Bohnen, Karotten, Kartoffel, Blumenkohl (oder beliebiges anderes Gemüse – zB geschälte Aubergine) in Würfel mit ca. 1cm Kantenlänge schneiden.
500g Kokosmilch bereitstellen (Kokosmilch = 1 Teil Kokoscreme + 4 Teile Wasser)
Currypaste: 5 Schallotten, 5 Knoblauchzehen, 5 Chilis, 5 Makadamia-Nüsse (o. Mandel o. Cashews), 1 cm frischer Kurkuma
‚Kräuter‘: Lorbeerblatt, 2 Stängel Zitronengras, etwas Galangal (eine Art Ingwer, aber doch anders), Kaffir-Limettenblätter, alles gequetscht um das Aroma abzugeben, wird danach aber rausgefischt.
Currypasten-Zutaten im Mörser zerkleinern, dann mit den ‚Kräutern‘ und 3 EL Öl anbraten, etwas Wasser dazu. Wenn die Aromen frei sind (also die Küche stinkt), das Gemüse hinzufügen, weiterbraten. Dann Kokosmilch hinzufügen, ca. 10 Minuten weiterköchlen, mit etwas Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken.
Guten Appetit!
Am Freitag verabschiede ich mich von Jogjakarta und ein paar Stunden später von Indonesien. Ich habe am Ende die 30 Tage meines Visas fast ausgenutzt, welches mich überrascht. Indonesien, so stelle ich fest, wäre eine eigene Reise wert. Zwar habe ich besonders in Bali viel Zeit mit Entspannen verbracht, aber es gibt noch viel zu sehen. Riesige Inseln wie Sumatra fehlen gänzlich, und wurden in Erzählungen anderer Reisende wortreich gelobt. Dabei ist die Bandbreite das aufregende: Mondän-touristisches Bali, und Flores, welches noch eindeutig dritte Welt ist. Als Kontrast dazu dann wieder wuselige Städte wie Jogja oder Jakarta (wo ich nur den Flughafen gesehen habe). Die Insel Borneo sehe ich ja bald in der Form von Brunei und später Malaysien.
Die drei Segmente des Fluges bieten sogar einige kleine Neuigkeiten: Über Java sehe ich das erste Mal bewusst, wie unser Flugzeug einer Wolke ausweicht – gut verständlich bei der riesigen Gewitterwolke, die ich dann aus dem Seitenfenster sehe. Nach der recht harten Landung in Kuala Lumpur entschuldigt sich der Pilot mit dem Hinweis, dass die kurzen Landeabstände hier zu Turbulenzen geführt haben. Nach der Landung in KL wartet ein freundlicher Herr beim ankommenden Gate und drückt mir meine Bordkarte für den nächsten Flug in die Hand – das Boarding hat laut der Karte vor einer halben Stunde begonnen. Ich haste durch das Terminal, doch so heiß wird die Suppe nicht gegessen. Boarding ist hier eher ein Pre-Boarding, man wird also ein Wartezimmer weiter vor gelassen, und da sitzen noch alle entspannt rum.
Next Stop: Bandar Seri Begawan in Brunei Darussalam. Ich bin gespannt. Das Land ist streng muslimisch, ein gutes Training für den Reiseabschluss im Iran. Schon im Flugzeug erkennt man einige Details. So ist neben den üblichen Details auf dem Bordmonitor wie Flughöhe und diversen Landkarten auch immer wieder angezeigt, in welcher relativen Richtung zum Flugzeug Mekka liegt. Ich bin ja gespannt, was hier zu Gebetszeiten los wäre – Mekka liegt schräg hinter uns, recht unpraktisch, sich im Flugzeug in die Richtung blickend hinzuknien.

Tod am Prambanan

Ramayana Ballet, Prambanan, 19:53. Der Todeskampf ist im vollen Gange. Eine alte Geschichte, ein Großer gegen viele Kleine. Immer wieder bäumt sich der Große auf, schlägt wild um sich, und lässt die Kleinen hinter sich. Doch die sind unerbittlich, folgen ihm, greifen wieder an, bedrängen ihn immer weiter. Die Gamelan Musik aus Gongs und Metallxylophonen nähert sich einem Höhepunkt, und ich widme meine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen auf der Bühne. Hier hat Rahwana eben den Vogel Jatayu besiegt, der ihn an der Entführung von Shinta hindern wollte. Rama findet den sterbenden Vogel, denkt erst dass er die Prinzessin Dewa Shinta entführt hat, will ihn demnach töten, wird aber durch Leksmana daran gehindert und erfährt die wahren Hintergründe der Entführung, und trifft dann den weißen Affen Hanuman. Zwar kann ich diesmal der völlig wirren Geschichte etwas besser folgen, aber so richtig packt es mich nicht. Neben der Bühne hingegen, da geht es wirklich um Leben und Tod, und so wie es aussieht wird der Falter verlieren. Immer kürzer werden seine geflatterten Flugstrecken, und sofort folgen ihm die kleinen Ameisen, die höchstens ein Zehntel so lang sind wie das Fluginsekt. Es ist wie der Stoff für einen zweit- oder drittklassigen Horrorfilm, Angriff der Killerameisen. So habe ich das noch nie beobachtet, wie Ameisen ein wesentlich größeres Tier jagen. Mittlerweile zappelt der Falter nur noch ein wenig, und wird von immer mehr Ameisen umringt, die ihn dann säuberlich zerlegen, und in ihr ein Meter entferntes Nest unter den Bühnenbrettern transportieren. Das Geschehen auf der Bühne wird unterbrochen, kurze Pause. Als ich nach zehn Minuten auf meinen Platz zurückkehre, ist der Falter restlos verschwunden. Ich denke, das waren die Ameisen, aber vielleicht hat auch ein Raumpfleger die verdiente Beute einfach weggekehrt. Das Ramayana Ballet geht weiter. Shinta widersetzt sich den Avancen von Rahmana, der Affe Hanuman wird gefangen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, kann aber dank Magie das Feuer umkehren und damit den Palast von Alenka abbrennen. Das ist meine dritte Indonesische Tanzaufführung, und sie gefällt mir nicht so gut. Der Jegog Tanz hatte mehr anmutigere Tänzerinnen, und der Kecak faszinierte durch sein tschack tschack Acapella Untermalung. Mittlerweile hat Rama Hanuman, Hanggada, Hanila und Jembawan befohlen, Alenka anzugreifen, und Kumbakana, der jüngere Bruder von Rahwana stirbt als Held. Ich schaue neben mich – Jeanine schläft seelenruhig und Steve folgt tapfer dem Geschehen auf der Bühne, obwohl auch er völlig am Ende ist. Die beiden sind am Tag zuvor aus Chicago angereist, und geben sich mit mir das fünfzehn-Stunden Power Besichtigungsprogramm. Am Ende kommt es völlig überraschenderweise zum Happy-End, Shinta und Rama sind wieder vereinigt, und Jeanine und Steve dürfen ins Bett. Sie drücken mir zum Abschied gerade noch ihre Visitenkarten in die Hand und stolpern dann in Richtung Zimmer.
Ich habe insgesamt drei Tage in Jogjakarta eingeplant, einen für jede der sehenswürdigen Highlights hier. Angekommen bin ich am Montag, nach einem Tag Zwangspause in Kuta Beach auf Bali, dem Ballermann der Insel, da es keinen direkten Flug gab. In Kuta habe ich Agnes aus Labuanbajo wiedergetroffen (also eigentlich wohnt sie in Hamburg), und mit der vernünftigen Internetverbindung im Hotel einige Sachen organisiert. Montag Abend habe ich mich hier in Jogja um meine Touren gekümmert, in einem von Femke aus Ende (eigentlich Holländerin aus Jakarta) empfohlenen Reisebüro. Für den nächsten Tag sind zwei Ausflüge mit dem Auto nach Borobodur geplant, einem lange verschollenen Buddhistischen Tempel der Unesco Kulturerbe ist. Beide Autos sind mit zwei Pax besetzt, wahrscheinlich könnte ich mitfahren, aber wir erreichen die Teilnehmer nicht. Also bleibt nur die Risiko Lösung – um 3:30 am Morgen einfach auftauchen, und selber mit den Gebuchten verhandeln. So stelle ich meinen Wecker wieder auf 2:45, und stehe in finsterster Nacht vor dem Hotel, wo die vier Reisenden abgeholt werden. Als erstes tauchen Jeanine und Steve auf, sind etwas überfahren, aber ja, klar kann ich mitfahren. Danach tauchen noch zwei Frauen mit praktischen Kurzhaarfrisuren auf, und ich bin mit meiner Wahl zufrieden. Mit den beiden Amerikanern verstehe ich mich prima, und um 5:00 stehen wir auf der obersten Terrasse des Borobudur Tempels. Es ist die teurere Variante, der Eintritt durch ein an den Tempel angeschlossenes Hotel kostet umgerechnet 25 Euro. Dafür ist aber Taschenlampe und Leihsarong enthalten. Trotzdem ist man nicht einsam, mehrere der dreißigsekündigen Langzeitbelichtungen werden durch Touristen gestört, die mit ihrer Taschenlampe durchs Bild laufen. Am Ende mache ich aus den Pannen eine Kunst: Langzeitbelichtung mit Taschenlampengekritzel. Leider ist uns das Wetter nicht besonders gnädig, kaum farbenreiche Morgenröte, und auch wenig spektakuläre Schlagschatten in der Morgensonne. Die wahre Geduldsprobe ist es, menschenleere Fotos zu erzeugen, und nicht alle bestehen diese Probe. Steve und ich amüsieren uns über ‚Mr. Tripod Man‘, ein dynamischer Franzose mit einer mehreren tausend Euro teuren Kameraausrüstung. Sein Stativ ist allerdings nicht groß genug, so steht er meist affig breitbeinig hinter seiner Kamera und schaut empört verärgert, wenn einige Asiaten seelenruhig mitten in seinem Motiv Selfies machen. Irgendwann gibt er kurz auf, stürmt an einen anderen Standort, und fotografiert erst ein anderes Motiv. Borobodur lässt sich allgemein schwer fotografieren, der Tempel liegt auf einem relativ steilen Hügel, und besteht aus einigen Terrassen, wobei die obersten deutlich zurückgesetzt sind. Dadurch erkennt man vom Fuße des Tempels und des Hügels nur die breiten unteren Ebenen, und erahnt dann in der Mitte die abschließende Stupa. So fürchte ich gemeinsam mit Steve, dass der heutige Tag keine fünf Sterne Fotos produzieren wird.
Wie bekommen noch einen Tee und etwas Gebäck, und fahren dann nach Jogja zurück. Die beiden haben am Nachmittag noch eine Tour zum Prambanan Tempel geplant, mit anschließender Tanzaufführung – ich wäre willkommen. Der hinduistischen Prambanan Tempel ist ein weiteres Weltkulturerbe, ich hatte ihm eigentlich einen eigenen Tag gewidmet, aber jetzt ist es erst 9:30 – vielleicht wäre ich sonst jetzt aufgestanden – und wenn einem die Gelegenheit so in den Schoß gelegt wird… Der Prambanan-Tempel erinnert deutlich an den Haupttempel von Angkor Wat, aber ist halt nicht ganz so groß und beeindruckend. Noch immer spielt das Wetter nicht richtig mit, so wirkt der Sakralbau dunkel und bedrohlich, aber eben ohne WOW, und auch der Sonnenuntergang wird daran nichts ändern. Auch meine beiden Begleiter kennen Angkor, und während wir durch die Anlage spazieren, philosophieren wir ein wenig über unsere persönliche Sehenswürdigkeitenübersättigung. Offensichtlich sind wir alle ein wenig ausgetempelt – und so lassen wir uns in ein nettes Touristenfallen-Restaurant fahren, wo wir die Übertempelung und Unterhopfung entsprechend bekämpfen. Während Steve in Prambanan ein wenig schwächelte, und teils Tempelbesteigungen verweigerte, schlägt der harte Tag nun bei Jeanine durch – von dem Tanz wird sie nicht sehr viel mitbekommen.
Am nächsten Tag besuche ich – nach ausgiebigem Ausschlafen – noch den Kraton, den Sultanspalast in Jogjakarta, und schlendere ein wenig durch die Stadt. Da mein Versuch, meinen Weiterflug einen Tag nach vorne zu verlegen an meinem Billig-Tarif scheitert, werde ich auch morgen nicht viel tun. Etwas am Pool liegen, und mal wieder einen kleinen Kochkurs machen. Das Hühnchen heute Mittag war so lecker, das will ich lernen. Dann geht’s weiter nach Bandar Seri Begawan in Brunei, auf der Insel Borneo.

Eine Geschichte, und die „Ich freue mich auf…“ Liste

Ganz ungewöhnlich, ich bin mit meinem Blog fast aktuell. Deshalb heute mal ein etwas anderer Eintrag:
Wings Air, die in der EU nicht zugelassene Fluggesellschaft, hat eine ungewöhnliche Grenze für aufgegebenes Gepäck: zehn Kilo. Dafür sind die Strafen für Übergepäck aber noch zu verkraften. Dementsprechend habe ich zwar ein paar der schwereren Gegenstände aus meiner großen Tasche/Rucksack ins Handgepäck verfrachtet, aber auf zehn komme ich damit nicht – und um fünf Euro zu sparen ist mir der Aufwand auch zu viel. So überrascht es mich nicht, als mir die Check-In Dame erklärt, dass meine Tasche zu schwer ist. Sie liegt teilweise auf der Seite der Waage, und deshalb werden nur 15,6 kg angezeigt. OK, sage ich, und zücke meinen Geldbeutel. Jaaa, das Problem ist, dass der Empfangsberechtigte für Zahlungen noch nicht da sei. Vielleicht könnte ich ja was aus der Tasche nehmen? Dazu wäre ich zwar bereit, aber auf zehn Kilo komme ich damit dennoch nicht. Hmmm, ja dann müssen wir jetzt warten. Es sieht so aus, als könnte das länger dauern. Da beschließe ich, es doch zu versuchen. Ich bekomme meine Tasche wieder, entnehme den Kulturbeutel (ca. 600 Gramm), und packe den in mein Handgepäck. Wegen Flüssigkeiten im Handgepäck hat hier noch niemand rumgeschissen. Die somit erleichterte Tasche gebe ich ohne Umweg über die Waage zurück und lächle. Die Check-In Dame lächelt auch, protokolliert zehn Kilo Gepäck, und hat ein Problem weniger. Ich auch.
Mit einigen meiner Leser bin ich ja auch per Mail oder sonstwie in Kontakt. Dabei werde ich öfters gefragt, ob ich denn Heimweh habe. Die Antwort immer: Ja, etwas schon, aber nicht genug um den Flug zu buchen. Auch ist es ein Thema, welches unter Reisenden immer wieder thematisiert wird. Man sitzt mit der Tauchergruppe beisammen, ca. die Hälfte sind mindestens drei Monate unterwegs. Meist fängt es mit Essen an, und weitet sich dann auf andere Aspekte der Kultur aus: Anna möchte mal wieder französischen Weichkäse, Sophie eine Wiener Mehlspeise, Sara den Kartoffelbrei, wie ihn ihr Vater zubereitet, und Felix freut sich auf klare Regeln im Straßenverkehr. Gemeinsam reden wir uns in einen Heißhunger, und bestellen danach Nasi Goreng. Auch lecker. So habe ich mal zusammengestellt, worauf ich mich freue. Die Liste ist nicht komplett, vielleicht gibt’s mal eine Version 2.0 von diesem Beitrag. Die Reihenfolge stellt übrigens keine Wertung dar.
• Das ich mich auf Familie und Freunde freue ist klar, dass muss ich wohl nicht extra ausführen.
• Duschen, ohne das Klo nass wird: Die meisten Unterkünfte der von mir gewählten Preisklasse haben ein Bad, welches letztendlich ein gekachelter Raum ist, in dem ein Klo und meist ein Waschbecken montiert ist. Irgendwo an der Wand hängt die Dusche, und in der Ecke des Raumes ist ein Ablauf. Die morgendliche Dusche spritzt somit das ganze Bad voll, ich versuche vorher das Klo zu nutzen, lagere das Klopapier außerhalb, und hoffe dass der Sitz bis zum nächsten Bedürfnis wieder trocken ist.
• Klopapier nicht im Extraeimer entsorgen: Die südostasiatische Kanalisation ist etwas schwächer dimensioniert, und verträgt laut der vielen Schilder kein Klopapier. Das sei bitte in dem zur Verfügung gestellten Abfalleimer zu entsorgen. Bäh, finde ich, und häufig vergisst man es einfach, weil man in seinem Hygieneablauf doch eingefahren ist.
• Elektroinstallationen, die man einfach benutzen kann: Ein Loblied auf deutsche Handwerksqualität – Lichtschalter und Steckdosen kann man bei uns einfach benutzen, eigentlich blind. Hier ist das nicht selbstverständlich, immer wieder kommen einem Kabel entgegen, oder man zieht am Stecker und hat die ganze Steckdose in der Hand. Bei Wasserhähnen ist es ähnlich – die meisten sind nicht mehr fest mit dem Waschbecken verbunden, dreht man am Griff, bewegt sich der ganze Hahn. Das haben übrigens auch die Australier nicht hinbekommen.
• Sich wieder mit Leitungswasser die Zähne putzen.
• Luftfeuchtigkeit unter 90% bei Temperaturen über 30°: Mal wieder zehn Minuten durch die Stadt schlendern, ohne komplett durchgeschwitzt zu sein.
• Einen Schrank für Hemden, eine Schublade für Unterwäsche: ich werde das morgendliche Wäsche aus der Tasche kramen und auch das ständige Packen nicht vermissen.
• Meine eigene Küche und Kühlschrank: Bis auf bei den Kochkursen habe ich nichts eigenes zubereitet, das geht mir ab.
• Überhaupt meine eigene Wohnung: Man kennt alle Lichtschalter, hat einen Platz für fast alles, man kann sich auf alles fläzen, ohne zu gucken, ob der Fleck in dem Polster nicht was sehr unappetitliches ist, hat ein sicheres Gefühl wenn man absperrt. Ich freue mich auch, diverse Verbesserungen an der Wohnung zu machen – mal wieder weißeln, Macken im Parkett beheben, und so einiges anderes.
• Laufen, ohne ständig auf den Boden gucken zu müssen: Das kann hier in Südostasien zu schlimmeren Verletzungen führen, wenn plötzlich ein Stück Bürgersteig fehlt.
• Mein eigenes Auto bzw. die problemlose persönliche Mobilität. Kein Handeln mit dem Taxifahrer, oder überhaupt mal einen finden. Auch die Mietwägen waren da nicht perfekt: Immer wird einem suggeriert, dass man noch die Zusatzversicherung braucht. Auch auf Straßenverkehr wie ich ihn gewohnt bin, mit etwas weniger Chaos, freue ich mich.
• Funktionierendes Internet und PCs: Ich will ja nicht zu sehr über das Netbook (Danke, Frank, für’s leihen!) schimpfen, immerhin sind alle bisherigen Artikel dieses Blogs darauf entstanden, aber es ist auch so frustrierend langsam und unterdimensioniert. Und dann noch das Internet hier – klappt’s gerade, geht was durch, verbindet sich das Gerät überhaupt…
• Zu wissen, wo man alles bekommt: Nicht zu unterschätzen – das Wissen, wo man Ersatz für alles Mögliche bekäme. Die Suche nach einem preiswerten USB-Stick kann hier Stunden dauern.
• Kein Kultur- und Besichtigungsstress: in München mal einen Tag nichts zu machen verursacht wesentlich weniger schlechtes Gewissen, als in einer exotischen Location mit weiter Anreise – habe ich einen wertvollen, sehenswerten Tempel verpasst?
• Selber aktiv zu werden, wenn man etwas haben will: Ich habe es satt, die Straße entlangzulaufen, und ständig gefragt zu werden: „Hello my friend, how are you? Where are you from? Do you want a taxi/massage/ecstasy/souvenirs/to eat here?“
• Das Thema Essen: Bergkäse, guter Käse überhaupt, geräucherter Schinken und Wurst, Wienerschnitzel, Kasspatzn, Spargel. Wahrscheinlich sollte ich anfangs nur unter Aufsicht einkaufen gehen.
• Das Thema Gastronomie: Ein Obatzda und eine Mass in der Forschung, überhaupt ein Münchner Biergarten, ein Ausflug zum Tegernseer Bräustüberl oder zum Kloster Reutberg, eine spanische Tapas-Bar, andere Spezialitätenlokale wie ein guter Italiener oder ein guter Grieche.
• Die Alpen und das Voralpenland allgemein. Nichts gegen paradiesische Inseln, aber München und Umgebung sind einfach schön.
• Das Verdauen und Aufbereiten der verschiedenen Erinnerungen: Bislang habe ich ca. 20.000 Fotos gemacht, und sortiere eigentlich nicht aus, weil das Beurteilen auf Kameramonitor oder dem kleinen Bildschirm hier echt mühsam ist. Aber daraus soll ja mal was werden, was ein Zuhörer auch verkraften kann. Ich freue mich auch schon auf das stöbern im Asia-Shop, um die Zutaten für die verschiedenen gelernten Rezepte aufzutreiben.
Zur Vollständigkeit: es gibt auch ein paar Sachen, auf die ich mich nicht so freue:
• Socken, Schuhe, lange Hosen u Hemden: Ich genieße Shorts und Flip Flops unheimlich.
• Hauptgerichte, die über fünf Euro kosten: Auswärts Essen in Deutschland wird ein kleiner Kulturschock.
• Einen geregelten Tagesablauf und Arbeiten: Ganz ehrlich: an das Lotterleben kann man sich gewöhnen. Ich hoffe, dass meine arbeitstechnischen Zukunftspläne sich erfüllen, und mir das wieder richtig Spaß macht, sonst… Aber ich habe von einigen gehört, dass man sich daran schneller gewöhnt, als man denkt.

Ende gut, alles gut

Mit einer leichten Linkskurve nimmt die ATR 72-600 von Wings Air Kurs auf den Flughafen von Ende auf Flores. Neben dem Bürzel der Landebahn, welches ins Meer ragt, liegt malerisch ein Schiffswrack am Strand, ein schönes Symbol der Hybris der Menschheit, sich beim Reisen die Erde Untertan zu machen. Von meinem Fensterplatz aus sieht die Landebahn verdammt kurz aus. Sicher nur eine perspektivische Täuschung, und dass der Pilot nach der Landung sehr kräftig bremst bilde ich mir sicher auch nur ein. Aber dennoch, wir sind sicher hier angekommen.
Ende, bzw. Mt Kelimutu in der Nähe der Ortschaft Moni, ist das Ziel dieser Etappe, ein klassischer spontaner Entschluss. Lara und Adam hatten davon was erzählt, und ich erinnere mich dunkel, von dem Berg und seinen drei unterschiedlich farbigen Seen mal im Internet was gesehen zu haben. Durch Buchungszwänge habe ich hier nur zwei Nächte und einen Tag, bin aber dennoch frohen Mutes, das ganze organisiert zu bekommen (Moni liegt ca. 90 Minuten von Ende entfernt). Dementsprechend fange ich beim Aussteigen aus dem Flugzeug an, mich nach anderen Reisenden umzusehen, mit denen man zB ein Taxi teilen könnte. Ich sehe ein französisch sprechendes Paar, und frage sie – ganz der Weltbürger – in ihrer Landessprache ob sie auch Englisch könnten. Sie können, und mit Anna und Matthias mache ich einen Glücksgriff – Anna wohnt auf Flores, kann Indonesisch, und wird abgeholt, um nach Moni zu fahren. Klar, im Bemo (ein Kleinbus) ist noch Platz, auch wenn sie schon ein paar Andere eingesammelt hat, die die gleiche Idee wie ich hatten. Am Ende ist es zwar nur ein Auto statt des Buses, aber magisch gesellt sich ein zweites dazu, und so bricht eine Gruppe Reisende Richtung Moni auf. Es gibt Gerüchte, dass ein Erdrutsch die Straße blockiert hat, aber erstmal losfahren, dann weitersehen. Moni ist ein Bergdorf im Landesinneren, die kurvige Straße geht steil bergauf durch ein imposantes Tal. Nebelschwaden steigen aus dem Dschungel auf, das ist Wildnis. Links neben der Straße geht’s steil bergauf, ein Gipfel ist nicht zu sehen, rechts neben der Straße erkenne ich weit unten einen tosenden Fluss. Mit Haarnadelkurven fahren wir in seitliche Einschnitte des Tals. Dann sehe ich den Erdrutsch, die Hälfte der Straße ist blockiert, aber der Fahrer navigiert problemlos durch das Hindernis. Einen Kilometer weiter ein Erdrutsch mit Baum, aber es geht ohne zu zögern weiter. Es wird halt doch nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird. Ein paar Kurven weiter stehen einige Autos am Straßenrand, unser Fahrer fährt an ihnen vorbei, hält dann aber an, um sich mit einem entgegenkommenden Mopedfahrer zu unterhalten. Dann parkt er das Auto in der kleinen Siedlung. Hier ist wohl DER Erdrutsch. Anna resümiert, was an Informationen erhältlich sind. Die Straße da vorne ist definitiv blockiert, nicht nur ein bisschen, wann sie geräumt wird ist unklar, aber zur Zeit arbeitet jedenfalls niemand, es ist Karfreitag auf einer katholischen Insel, und wir sollten erstmal warten. Es versammeln sich die ganzen Touristen aus dem Flieger, einige erkennen die Sinnlosigkeit der Lage und kehren nach Ende zurück, welches wohl stinklangweilig ist. Wir warten, essen ein paar Kekse. Die Kiosk-Besitzerin macht das Geschäft ihres Lebens. Offensichtlich kennt Anna die meisten Fahrer und hat gute Connections. Es kristallisiert sich die Möglichkeit heraus, dass ein weiteres Auto von Moni aus zum Erdrutsch kommt, und wir zu Fuß das Hindernis passieren. Offensichtlich wird das gerade organisiert. Langsam dämmert es. Neben uns steht noch ein weiteres Auto, mit zwei älteren Italienern. Wir stellen fest, dass ich tolle Fotos von Komododrachen habe, die ich ihnen mailen kann, und dass sie am Sonntag den gleichen Flug wie ich haben, und ein Auto für die Rückfahrt organisiert haben. Wir einigen uns. Win-Win. Anna erklärt, dass wir am besten nur mit leichtem Gepäck weiterfahren, und das schwere Zeug hier im Auto lassen, meines gleich bei Marisa und Pio im Auto. Ich packe Zahnbürste und frische Wäsche in meinen Rucksack, verabschiede mich von meinem großen Gepäck, und im letzten Tageslicht klettern wir auf dem Trampelpfad über den Erdrutsch. Immer wieder bröckeln Steine herab, vielleicht ist der Erdrutsch noch nicht fertig? Jedenfalls beeilen wir uns, versuchen nicht zu viel Krach zu machen. Indonesier kommen uns entgegen, auch sie etwas angespannt. Es erinnert mich an Filme, wo ein geduckter Flüchtlingstrek im Schutze der Dunkelheit hofft, nicht entdeckt zu werden. Auf der anderen Seite entspannen wir deutlich, und nach zehn Minuten kommt unser Bemo, bunt LED-blinkend. Anna organisiert noch für die Italiener und mich, dass uns der Bemo am nächsten Morgen zum Berg fährt, und am Nachmittag wieder zum Erdrutsch in Richtung Ende. Dann empfiehlt sie mir eine Unterkunft und wo man noch etwas zu essen bekommen könnte. Glück muss man haben. Ich bekomme tatsächlich noch ein paar Nudeln und ein Bier, unterhalte mich länger mit Sophie, einer Architektin aus Wien, über alte Porsche und falle dann erschöpft ins Bett.
Wie offensichtlich hier üblich muss auch dieser Berg zum Sonnenaufgang genossen werden. Um kurz nach 4:30 werde ich abgeholt, Marisa und Pio steigen zu, und wir fahren ca. 45 Minuten auf den Berg. Dort beginnt der ‚Trek‘, ca. zwanzig Minuten Spazierweg über Stufen. Auf dem Gipfel des Kelimutu treffen wir die Hälfte der Gruppe aus dem Flugzeug wieder, wir kommen gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang. Ich bin zwar stolz auf mich, mal wieder einen Sonnenaufgang zu erleben, aber eigentlich ist er nicht außergewöhnlich. Die Attraktion in dem Nationalpark sind die drei Kraterseen, die man vom Gipfel aus sieht: einen mit braunen Wasser, einen mit türkisem Wasser und einen weiteren mit dunkelgrünem/blauem Wasser. Die Seen bekommen erst eine Stunde später Sonne ab, vorher sehen zwei davon eher schwarz aus, der dritte ist in seinem Krater völlig vernebelt, was aber auch toll aussieht. Ich unterhalte mich mit Sophie, Femke und Sjoerd aus Holland. Auch die beiden fliegen mit mir wieder zurück Bali, wir können dort ein Taxi teilen. Um halb acht einige ich mit Marisa und Pio auf „Andiamo“, und wir machen uns auf den Rückweg, sehen dabei noch einige Affen. Zurück in meiner Lodge dusche ich, es gibt den typischen Bananen Pfannkuchen, und ich schreibe ein paar Zeilen – auch wenn’s mit dem veröffentlichen noch bis zum Internet dauern wird – da ist hier eher schwach ausgeprägt.
In Anbetracht der möglichen Komplikationen bei der Rückreise haben wir entschieden, nach dem Mittagessen wieder nach Ende zu fahren. Bei einem Abflug um 7:00 morgens (schon wieder nicht ausschlafen) fühle ich mich in der Nähe des Flughafens sicherer, besonders bei den Unwägbarkeiten der indonesischen Infrastruktur. Erstmals sehe ich Moni bei Tag: ein Straßendorf mit ein paar Wellblechhütten, und dazwischen Lodges für die Besucher des Kelimutu Bergs. Wir machen uns auf den Weg, und nach zwanzig Minuten fängt es an zu schütten – das kann ja heiter werden, in dem Schlamm des Erdrutsches auf die Haut durchnässt zu werden. Aber überraschenderweise – für mich – ist die Straße geräumt, und wir kommen in neunzig Minuten in Ende an. Ich miete mich einfach in dem Hotel von Marisa und Pio ein, mit 33€ zwar doppelt so teuer wie meine üblichen Unterkünfte, aber nicht doppelt so gut. Mit den beiden gehe ich noch Essen, Pio kann leidlich Indonesisch und erweitert meine eh schon weit gesteckte Komfortzone um ein paar seltsame Speisen. Nun ja, denke ich mir für diesen Ausflug: Ende gut, alles gut, auch wenn die Stadt sonst wirklich langweilig ist.

Von Rochen und Drachen

Gary ist Gefahrensucher. Jedenfalls führt er sich so auf – er möchte unbedingt ein Foto von dem Komodowaran und sich, und turnt dabei dem Viech vor der Nase rum. Unterstützt wird er dabei von seinen Reisebegleitern (vielleicht geht er ihnen so auf den Keks wie uns?) und einem Ranger. Diese Rieseneidechse ist ungefähr drei Meter lang, und wir haben sie zuerst gesehen. Uns hat sie angegähnt, aber auf den Fotos sieht das offene Maul mit dem tiefen Schlund bösartig und aggressiv aus. Dann fing der Waran langsam an sich zu bewegen, und andere Touristengruppen, jede mit ihrem eigenen bewaffneten (zwei Meter langer Stock) Ranger, kamen hinzu. Der Komodo-Drache (so heißt das Viech auf Englisch) nimmt den Wanderweg, zwingt die Touristen in den Busch, wobei sie natürlich versuchen vor ihm zu bleiben, damit die Fotos besser aussehen. Mit gespaltener Zunge wittert der Drache seine Umgebung – ob verschwitze Touristen wie gute Beute riechen? Die Tiere sind wirklich gefährlich, zwar haben sie keine besonders scharfen Zähne, und sind auch nicht an sich giftig, aber offensichtlich haben sie durch mangelnde Mundhygiene ein solches Cocktail an giftigen Bakterien im Maul, dass einmal gebissene Opfer zügig an Blutvergiftung sterben. Zwischen vierzig Minuten und drei Wochen wird alles kolportiert, der Ranger meint, dass wir Erwachsene ungefähr 24 Stunden haben, um ins Krankenhaus zu kommen. Das nächste sei allerdings 25 Stunden entfernt, Hahaha, Spässle gemacht. Als Ergebnis einer wissenschaftlichen Erhebung ist dieser Waran auf der rechten Flanke mit der Buchstabenkombination AOV in gelb gekennzeichnet, wir können ihn aber meistens von der linken Seite fotografieren. Es ist der aufregendste von den insgesamt sieben Waranen, die wir auf den Inseln Rinca und Komodo sehen. Fünf Warane trieben sich in der Nähe der Küche am Besucherzentrum herum, die Fotos wirken weniger wild, wenn das Tier auf gemähtem Rasen oder vor einer ausrangierten Kloschüssel liegt. Der sechste war so vollgefressen, dass er uns nicht einmal eines Blickes gewürdigt hat, aber dieses ist der echter Poser des Komodo Nationalparks, der Anlass meiner Reise zur Insel Flores.
Die Reise fing am Tag zuvor an, mit einer Taxifahrt von Ubud nach Denpasar. Ich verabschiede mich von Caroline – gespannt ob und wann wir uns mal wieder sehen, und checke bei Wings Air ein. Wings Air ist aufgrund von Sicherheitsbedenken auf der schwarzen Liste der Europäischen Union, das ist immer beruhigend. Es fängt auch etwas komisch an. Beim Check-In teilt mir die Dame mit, dass ich Übergepäck habe. Verdutzt gucke ich auf die Waage, 16kg. Tja, Freigepäck ist hier nur zehn Kilo. Ich versuche gequält zu lächeln – und was bedeutet das? 76.000 Indonesische Rupiah, knapp fünf Euro. Na gut, ist mir auch wurscht, auch die Flughafensteuer von 20.000 zahle ich klaglos. Im Wartebereich sitzt mir ein Ehepaar gegenüber, er musste vor mir Übergepäck zahlen, und ist offensichtlich recht sauer. Wir unterhalten uns, sie kommen aus München, und er hat die Währung noch nicht durchschaut. Als er kapiert, dass er eben nicht zweihundert Dollar, sondern nur zwanzig, für das Tauchgepäck gezahlt hat, regt er sich sichtlich ab. Mit einem uralten Mercedes Bus fahren wir über’s Rollfeld – das kann ja heiter werden, doch dann kommen wir an dem Flieger an: ein recht neuer ATR 72, Turbopropmaschinen wie ich sie hier überall in Asien gesehen habe. Der Flieger ist so neu, dass er kein „No Smoking“ Symbol mehr hat, was ja schon seit ein paar Jahren eher sinnlos ist, sondern neben dem Gurt-Anlegen-Symbol ein No-Laptop-or-Iphone-Symbol. Was mich auch beruhigt: In meiner Sitztasche finde ich eine “Invocation Card“, hier sind für sechs Religionen in mehreren Sprachen Fürbitten aufgeführt:
We seek the help of Allah, the most Gracious, the Most Merciful, who has bestowed upon us the will and ability to use this aircraft, without Whom we are helpless […] shower us with your blessings and protect us on this journey from any hardship or danger.
Da bekommt der alte englische Spruch ‚flying on a wing and a prayer‘ wieder neuen Sinn. Egal ob’s jetzt Gott (ev), Gott (rk), Allah, Om Sanghyang Widhi Wasa the Greatest, the Blessed One, oder Tian und sein Prophet Zi waren – oder doch Ingenieure und Wartungspersonal – wir landen sicher in Labuan Bajo. Das Flughafenterminal ist sehr modern – geschwungene Strukturen, mit Alu verkleidet – und noch nicht eröffnet. So werden wir in einer alten Hütte abgefertigt, der Hotelabholdienst trägt in strömenden Regen meine Tasche über den schlammigen Parkplatz, und auf einer Rumpelpiste machen wir uns auf Richtung Stadt. Ich beziehe ein nettes Zimmer mit Blick über den Hafen, und mache mich dann auf den Weg durch die Stadt, um den Ausflug in den Nationalpark zu buchen. Ich fange bei Perama an, einen der besten Veranstalter in Indonesien. Er verlangt auch für zwei Tage und eine Nacht dreieinhalb Millionen Rupiah (230€) – wenn ich noch eine andere Person finde. Da kommen auf einmal vier Personen, die alle aussehen, als ob ihr Budget unter meinem wäre. Ich fange sie ab, als sie kopfschüttelnd den Laden verlassen. Wir sind uns schnell einig, dass wir morgen das gleiche machen wollen, und lassen eines der Mädels im nächsten Laden verhandeln. Fünf Minuten später haben wir den Ausflug am nächsten Morgen für 50€ pro Person, und stellen uns erstmal vor: Róisín und Andy, Lara und Adam alle aus England bzw. Schottland. Róisín und Andy sind schon länger ein Paar, sie reist längere Zeit, und er besucht sie hier für drei Wochen, Lara und Adam scheinen eher Friends with Benefits zu sein, und sie besucht ihn auf seiner längeren Reise. Vorher waren die beiden am Mount Kelimutu, das hört sich interessant an. Untereinander kennen sie sich seit zwanzig Minuten. Treffpunkt am nächsten Morgen um acht, und wir müssen alle noch etwas organisieren. Ich reserviere mein Hotel für die übernächsten Tage, klappere vier Geldautomaten ab, um am Ende 160€ zu bekommen. Das könnte genug Geld für die nächsten Flüge sein, ich scheitere aber bei der Buchung daran, dass das Internet beim Agenten nicht funktioniert. Ich treffe mich mit Lara und Adam noch auf ein Bier und etwas zu essen, wir erzählen ein wenig. Lara ist Compliance-Beauftragte, the fun police, wie sie sich selber nennt; trotzdem sympathisch.
Am nächsten Morgen klappt die Buchung für den Flug nach Ende, für den weiteren habe ich doch nicht genug Geld. Wir werden zum Boot geführt: Ein vielleicht zwanzig Meter langes indonesisches Holzboot ohne Rückwärtsgang. Es hat zwei Kabinen für Gäste, wir erkennen, dass in einer Doppelstock-Doppelbetten sind, das wäre ordentlich eng. Ro und Andy melden sich als erstes, dass sie auf dem Dach schlafen. Die meiste Zeit verbringen wir sowieso auf dem Dach des Schiffes, wobei ein Teil davon von einer Plane Schatten hat. Die Engländer arbeiten verbissen an ihrer Bräune, erst am zweiten Tag kommen Lara und Adam ein wenig in den Schatten, der mir sofort am liebsten ist. Wir tuckern in knapp drei Stunden auf die Insel Rinca, Dracheninsel die Erste. Hier ein 90 minütiger Trek auf der Insel, zwei Drachen direkt an der Küche. Der Ranger bedauert, aber es wären halt Wildtiere, da gäbe es keine Garantie. Aber morgen früh auf Komodo, da wären unsere Chancen viel besser. Dann geht’s weiter, es gibt Mittagessen, ziemlich lecker, auch wenn der Koch eher vier verschiedene Rezepte immer wieder variiert. Dann fahren wir weiter zum Pink Beach, hier wird geschnorchelt, aber nach meinen Tauchausflügen der letzten Wochen vermag mich das nicht überzeugen, und weiter in eine Bucht der Insel Komodo, wo wir übernachten. Am Ufer lauter ‚Flying Foxes‘ riesige Fledermäuse, wie ich sie auch schon in Cairns gesehen hatte. Leider geht nachts der Wind komplett aus, in meiner Kabine schwitze ich die Nacht vor mich hin. Toll geschlafen hat keiner, und Adam erzählt wie er nachts in einer Wachphase beobachtet hat wie viel Müll hier trotz Nationalpark rumschwimmt. Bei genauerer Betrachtung erkennt er die Verpackung der Chips wieder, die er am Vortag ordentlich im Abfalleimer entsorgt hat. Wir überlegen, mit der Crew hierrüber ein Fass aufzumachen, aber verwerfen den Gedanken dann wieder. Die drei sprechen alle kaum Englisch, insgesamt ist die Kommunikation sehr minimal (So auch immer nach dem Anhalten – irgendwann fragen wir dann, ob wir jetzt vielleicht schnorcheln gehen sollten).
Um sieben sind wir dann an der Pier von Komodo Island – diese scheint eher für große Kreuzfahrtschiffe gedacht zu sein, der Tourismusrubel muss rollen. Hier begegnen wir dem wilden, aktiven Komodowaran und seinem Gegenspieler, Gary. Danach fahren wir weiter Richtung Heimat, aber mit Stopps an zwei Schnorchel-Beauty-Spots. Der erste heißt vielversprechend Manta Point, hier sieht man oft die riesigen Mantarochen, mit bis zu 3m Spannweite. Die Strategie ist hier offensichtlich, erst einmal einen der Rochen zu finden, und dann zu schnorcheln. Wir sehen ein paar Schatten im Meer, es braucht noch viel Fantasie, aber dann sind auf Steuerbord klar zwei Mantas direkt unter der Wasseroberfläche zu sehen. Andy und ich hupfen ins Wasser, ich schaffe ein paar Fotos von hinten, und dann halten wir uns an der seitlichen Badeleiter ein, während das Schiff nach weiteren Tieren sucht. Das habe ich als Skipper auch nicht so gelernt, wenn man jetzt loslässt könnte man in die Schraube kommen (OK, man müsste sich dabei auch noch extra doof anstellen, aber trotzdem…). Zuletzt noch etwas tauchen an einem entspannten Riff vor einer Insel mit Resort – hier werden Lara und Adam am nächsten Tag drei Tage Langweile antreten – und fahren dann wieder nach Labuanbajo. Dort plündere ich wieder ein paar Geldautomaten, buchen meinen Flug von Ende wieder weg, und finde einen Tauchausflug für den nächsten Tag. Dann wieder Essen mit den Leuten vom Boot – hier ist das attraktivste Restaurant ein Italiener, der recht vernünftige Pizzen im Steinofen macht.
Der Tauchtrip am nächsten Morgen um 7:20 wird auch gut: nach einem langweiligen Einführungstauchgang an einem mittelmäßigen Riff (immerhin ein Höhepunkt: ein großer Calamari, der seine Farbe ändert, wenn man ihn etwas bedrängt – nicht nur auf dem Teller gut) steigern wir uns zu einem sehr spannenden Tauchgang am Manta Point. Die Strategie für Taucher ist hier: man lässt sich von der zügigen Strömung über den eher langweiligen Boden spülen, irgendwann klopft der Tauchführer an seinen Tank, man lässt sich auf den Boden sinken und hält sich an einem Stein fest (leichter gesagt als getan, es gibt kaum große, unbewachsene Steine) und beobachtet die Mantas wie sie gegen die Strömung an einem Fleck schwimmen. Ich habe einmal großes Glück, etwas getrennt von den anderen umkreist mich das Riesenviech, ich schaffe Fotos von vorne, von hinten, von der Seite, als Close-Up – Alleine dafür hat sich das Tauchen gelohnt. Leider muss ich feststellen, dass mir die Unterwasserkamera das Überschreiten ihrer Garantietauchtiefe vielleicht doch übelgenommen hat. Zurzeit reagiert sie jedenfalls nur auf sehr wenige Knöpfe. Nun ja, wie gewonnen, so zerronnen, und immerhin haben ein paar der gelungenen Fotos mich überzeugt, dass eine vernünftige Kamera unter Wasser vielleicht doch eine sinnvolle Investition ist; sollte ich jemals wieder in ein Gebiet mit größerem Tauchpotenzial kommen, schaffe ich mir vorher eine an. Der letzte Tauchgang wird dann aber der Korallenhöhepunkt. Ein Drift-Dive (technischer Ausdruck dafür, dass die Taucher zu faul zum Flossenschwingen sind, sich einfach treiben lassen, und das Schiff sie woanders aufsammeln muss) entlang eines wunderschönen Korallenriffs, abertausende bunte Fische, ein Hai, eine Schildkröte, einfach eine zusammenfassende Werbung für den Tauchsport an sich. Die starke Strömung hier ist ein Resultat der Flut, die hier vom Indischen in den Stillen Ozean fließt, dadurch ergeben sich auch witzige Temperaturschichtungen – ständig sieht man Schlieren im Wasser wo sich warmes und kaltes Wasser vermischen, wenn man die verschiedenen Strömungen durchschwimmt kommt man sich vor wie in der Dusche eines Hotels mit schwacher Wasserversorgung. Ständig macht der Nachbar sein Wasser an und aus, und man bekommt abwechselnd kaltes und tropisch warmes Wasser ab. Als Gruppe haben wir Taucher uns auch gut verstanden, so folgen wir Sam’s Empfehlung, am Abend ins Tree Top Café zu gehen. Von dort ist der Ausblick auf den Sonnenuntergang genial, leider sind heute zu viele Leute da, und die Küche braucht bis zu 90 Minuten, um unser Essen zu servieren. Eine schöne Zeit hier in/vor Labuanbajo, mit vielen neuen Bekanntschaften.

Ubud für Fortgeschrittene

„Tschack tschack tschack tschack …“ intonieren die ca. sechzig halbnackten Männer, die um den Kerzenständer im Kreis sitzen. Zu dem Tschack tschack kommen weitere Töne, eine Stimme hebt zum Gesang an, einige Männer geben den Chor, andere klatschen. Manchmal stellen sie Wind dar indem sie zischen und sich auf die Seite legen. Die Musik bei diesem balinesischem Tanz – Kecak genannt -ist komplett Acapella. In den Kreis der tanzenden Männer kommen prächtig verkleidete Figuren. Ein Blick ins Programmheft offenbart die Geschichte – ein Auszug gefällig?
„Upon the Completion of the Situbanda Bridge, Rama and Laksamana acoompanied (sic) by his monkey army under the leader of Sugriwa and Hanuman, march to Alenka. In the Middle of austerity, Rahwana come to the palace garden Asoka to bewitch Sita with an illusion of Rama’s head as if her beloved husband has been destroyed. Feeling hopeless and grieve (sic). Sita draws a dagger to stub (sic) herself but Trijata stops her…“
Alles klar? Ich kenne die ganzen Typen auch nicht, und da ich auch die verschiedenen Symbole oder Masken nicht einordnen kann, geht die weitere Geschichte an mir vorbei. Aber das rhythmische tschack tschack im flackernden Kerzenschein gibt dem ganzen dennoch eine tolle Atmosphäre. Danach wird schnell ein Feuer aus Kokosschalen entfacht, und ein barfüßiger Typ auf einem Art Steckenpferd läuft immer wieder hindurch, dass die Funken nur so spritzen. Zwei andere Typen schieben die Kohlen wieder zusammen, damit Mr. Steckenpferd wieder was zum zertrampeln hat. Der Kecak mit anschließendem Feuertanz ist mein zweiter balinesischer Tanz. Der erste – ein Jegog mit Bambus Gambelan Orchester war komplett anders. Hier prügeln ca. zehn Musiker wie wild auf Bambusxylophone ein, ein paar spielen Quietscheflöte und einer fiedelt auf einem Saiteninstrument herum. Dazu nacheinander neun Tänze, die ich auch nicht auseinander halten kann. Anmutige balinesische Frauen, prächtige Kostüme, faszinierende Choreographie, aber am meisten fesseln mich zwei Details: Es wird mit weitaufgerissenen Augen getanzt, und die Augen blicken im Takt der Musik immer wieder woanders hin. Sieht interessant aus, und ich denke mir, dass es auch die Koordination mit den anderen Tänzern erschwert -man kann nicht mal schnell rüberschielen, was die Kollegen gerade macht. Und dann die Hände – die Tänzerinnen scheinen jeden Finger einzeln und unabhängig von den anderen bewegen zu können – ich, der kaum einen Mr. Spock Gruß hinbekomme bin fasziniert.
Ich bin wieder in Ubud, Caroline übrigens auch, beide wieder „In da Lodge“. Ich hatte mir schon bei der Abfahrt in Lovina gedacht, nochmal ein-zwei Tage hier zu verbringen, ich hatte mir beim ersten Mal gar nicht pflichtbewusst die Sehenswürdigkeiten angesehen, und Caroline hat es in Sanur nicht gefallen; sie hat hier eine Beschäftigung als freiwillige Englischlehrerin gefunden, für eine Woche. Nein, zusammen sind wir nicht hier, obwohl wir immer wieder gemeinsam etwas unternehmen. „Es ist kompliziert“ ist wohl eine gute Zusammenfassung.
So hole ich neben den balinesischen Tänzen noch eine Vulkanbesteigung nach, die Caroline schon zuvor gemacht hat. Abholung um zwei Uhr morgens (kein Scherz), Aufstiegsbeginn um vier Uhr morgens nach einer kurzen Frühstückspause mit Pfannkuchen und Kaffee (maybe you come back later, try some coffee? Der Fahrer wird schon dafür sorgen). Es sind ca. 630 Höhenmeter auf Mount Batur, wir brauchen vielleicht 1:45, mit unserem eigenen Führer. Ich bin mit einer belgischen Familie unterwegs, mit drei erwachsenen Kindern: Antoine, Florence, Caroline (wieder eine), Claire und Claude. Belgisch-Wallonisch, also reden alle französisch, aber bei Bedarf auch englisch. Trotzdem verstehen wir uns gut. Am Gipfel angekommen gibt es im Vulkandampf gegarte Eier, und etwas zermanschte Banane auf lapprigem Toast. Ich hege zwar den Verdacht, dass unsere Eier ganz schnöde auf einem Holzfeuer hartgekocht wurden, aber der Führer zeigt uns danach eine Stelle am Kraterrand, wo tatsächlich Eier gegart werden, aber das dürfte kaum für die Menschenmassen gereicht haben, die hier am Gipfel den Sonnenaufgang erwartet haben. Mit meinen Trekking-Turnschuhen bin ich fast am besten für den Berg gerüstet, die Belgier sind in Chucks unterwegs, aber am vorbildlichsten ist unser Bergführer, der mit Flip Flops umherkraxelt. Dennoch – er bewegt sich am sichersten. Auf der Rückfahrt halten wir wieder an einer Kaffeeplantage, ich trinke abermals einen „Poo-Berry-Coffee“, wie er hier angepriesen wird, und Mutter Claire kauft Vanillearoma für die nächsten drei Jahre. Zurück in Ubud gönne ich mir eine balinesische Massage -eine Stunde durchgeknetet werden für vier Euro.
An einem Tag machen wir noch einen Ausflug zu dem Besakih Tempel, auch Muttertempel genannt, einen der heiligsten auf Bali – echt schön, aber irgendwie – eine gewisse allgemeine Tempelmüdigkeit hat eingesetzt. Die Tempelführer sind ungewöhnlich hartnäckig behaupten steif und fest, dass eine Besichtigung nur mit ihnen möglich sei, aber der Backpacker Flurfunk weiß: das stimmt nicht. Caroline ist beim Handeln und Leute abwimmeln wesentlich besser als ich, am Ende trifft uns ein Fluch eines abgelehnten Guides, aber wir überleben es. Die inneren Bereiche des Tempels sind sowieso Gläubigen Hindus vorbehalten, aber die Umfriedungsmauern sind niedrig genug, dass man auch so einige Fotos machen kann. Insgesamt genieße ich Ubud wegen der kleinen Sachen. Ein kleiner Ausflug in die Reisfelder – nur fünf Minuten hinter der geschäftigen Hauptstraße gibt sich Ubud grün und idyllisch. Obwohl die Stadt in den von mir besuchten Bereichen weitgehend eben wirkt, ist sie doch von tiefen Schluchten durchzogen, die hier spektakuläre Aussichten bieten. Ein Café und Spa hat den Weg ausgeschildert und ruft sich alle paar Minuten mit einem kleinen Schild in Erinnerung – am Ende wartet eine liebevoll gestaltete Anlage mit Blick auf wogende grüne Reisfelder. Gegessen wird in kleinen Pavillions, die auf Stelzen in künstlich angelegten Teichen stehen. Diese kühlen ein wenig, Abends muss es von Mücken wimmeln. Man erkennt den fortschreitenden Reichtum der Besitzer durch die verschiedenen Ausbaustufen, mit immer größer werdenden Teichen.
Andrea hat mir ein Restauranttipp als Kommentar zu einem früheren Beitrag gegeben, und dieses sogar mit einer aktuellen Suche in Google und Trip-Advisor untermauert. Ehrensache, das auszuprobieren. Ich genieße mit Caroline eines der aufwändigsten Essen in unserer Zeit auf Bali – die langsam in Bananenblättern gegarte Ente mit umfangreicher Garnierung ist meilenweit entfernt von den ebenfalls leckeren Garküchen. Außerdem gibt es in Ubud noch eine spezielle Subkultur and gesund lebenden Menschen die hier ihr Inneres finden. Dabei hilft offensichtlich organische, glutenfreie, vegane Kost, das Lesen der Speisekarte ist ein Erlebnis für sich: „raw, free vegan Pizza“. In den Tempel dieser Speisen kann man wunderbar Leute beobachten. Einige machen im Café Yogaübungen, blockieren den Weg mit langen Gruppenumarmungen, und stehen im Hof und üben mit einem Hula-Hoop-Reifen. Mit verträumter Stimme erklären sie mir die Bedeutung ihrer verschiedenen Tätowierungen, und erläutern Pläne für weiteren Körperschmuck. Trotz allem gesund leben, ein paar heftige Cocktails in der Happy Hour bei Mingle gehen schon, und anschließend zieht man noch durch die Shisha-Bar. Sonst erfreue ich mich am Faulenzen, den kleinen Freuden Balis und kläglichen Versuchen, meine weitere Reise zu organisieren. Am meisten frustriert mich die Website von Lionair, die mir einen Flug nach Flores anbieten würden – spottbilliger Flug, alles eingegeben, und ganz am Ende behauptet die Seite, dass meine Kreditkarte nicht angenommen wurde. Nach drei durchfluchten Nächten gehe ich zu einem Agenten, lege ein Bündel Scheine auf den Tisch, und bekomme mein Ticket. Aber auch das ist nicht so geradlinig wie man es sich vorstellen könnte. Der freundliche Herr telefoniert, spricht sich mit mir ab, telefoniert wieder, nimmt mein Geld, lässt mich in seinem Laden stehen und fährt mit dem Moped irgendwo hin, wo jemand die Buchungsbestätigung ausdrucken kann. Keine zehn Minuten später halte ich die begehrte Flugbestätigung in Händen – auf geht’s nach Flores!

Safety Stop – Text und Bilder zusammen

Als Taucher kenne ich den Safety Stop. Beim Wiederauftauchen hält man in fünf Meter Tiefe für drei Minuten an, damit die Gase, die sich bei dem Wasserdruck in bis zu achtzehn Meter Tiefe im Körpergewebe eingelagert haben, wieder langsam entweichen können. In achtzehn Meter Tiefe herrscht immerhin ein Überdruck vom 1,8 bar, also grob was in einem Autoreifen ist. Kommt man zu schnell an die Oberfläche, gibt es ein erhebliches Risiko der Dekompressionskrankheit, der Körper reagiert dann wie eine geschüttelte Sprudelflasche, die plötzlich geöffnet wird. Der Safety Stop ist aber auch eine sympathische kleine Bar, welche einen rauchenden Hai mit einer Bierflasche in der Flosse als Logo hat. Hier kann nach dem Tauchen die notwendige Rehydrierung erfolgen. Für mich sind beide Safety Stops in Tulamben.
Der Grundstein der Tourismusindustrie in Tulamben wurde im Jahre 1942 von einer amerikanisch-japanischen Sachkooperation gelegt. Die Amerikaner brachten damals einen United States Army Transport, die USAT Liberty, ein, die Japaner steuerten einen Torpedo bei, und als ein Abschleppversuch bis zur nächsten Hafenstadt scheiterte wurde das 120m lange Schiff auf den Strand von Tulamben gefahren, damit man wenigstens die Fracht entladen konnte. Bei einem Vulkanausbruch 1963 wurde das Wrack tiefer ins Meer geschoben, und die Natur wandelte es in ein Korallenriff um.
Mir wurde das Wrack von den Tauchern in Thailand empfohlen, und es war praktisch die einzige mir konkret bekannte Sehenswürdigkeit auf Bali. Auf Bali stimmt ja eigentlich nicht, neben. Also auf nach Tulamben; ich habe hier das kreativ benannte Tulamben Wreck Divers Resort gebucht, das hört sich so an, als könnte man dort möglicherweise einen Tauchausflug buchen, außerdem kostet die Übernachtung nur 13€ inkl. Frühstück. Ich vermutete richtig: Die Straßenfront des Hotels ist ein Taucherladen, und bis ich im Zimmer bin wurde ich dreimal angesprochen, ob/wann ich denn Tauchen gehen möchte. Wir einigen uns auf zwei Tauchgänge ab zwei Uhr nachmittags, das sollte für das eine Wrack reichen. Mit anderen Tauchplätzen werden es insgesamt acht Tauchgänge in drei Tagen werden, aber das weiß ich jetzt noch nicht. Ich treffe Wayan, meinen persönlichen Tauchführer für die Tauchgänge; lege meinen Taucherausweis vor, das reicht. Keine zweiseitige Haftungsausschlusserklärung, keine mehrstündige Einweisung, nein, Chris ist Open-Water-Diver, der wird schon auf sich selbst aufpassen können müssen. Wie entspannend… Um fair zu sein, ich habe ja auch gesagt, dass ich vor kurzem tauchen war, und mir die Technik und die wichtigsten Zeichen unter Wasser weiterhin geläufig sind.
Der Tauchgang zur Liberty ist ein sogenannter ‚Beach Entry Dive‘, man schnallt sich also den ganzen Krempel um, und geht vom Strand ins Wasser. Einfach genug. Vom Hotel sind es ca. 100 Meter ans Meer, man läuft in Tauchstiefelchen, mit Gewichten, Flossen und Maske zum Strand, während ein mürrischer Balinese einem auf einem Moped bis zu drei Luftflaschen mit Tarierweste hinterherfährt. Wir schnallen den ganzen Krempel auf, und ab geht’s ins Wasser; ich habe auf den Neoprenanzug verzichtet, es ist warm genug für die Touren die wir machen. Mein erstes Wrack! Meine Vorstellung davon war geprägt von den Bildern, die man zB von der Titanic gesehen hat. Wie ein graues Geisterschiff liegt das Schiff vor einem auf dem Meeresboden, man taucht langsam näher, und schaut sich einzelne Details genauer an. Ich schätze: alle Gesamtbilder von Wracks sind entweder aus tausenden Einzelfotos zusammengesetzt, oder werden gleich von einem Künstler gemalt. Mir offenbart sich die Liberty wie das Ende einer Reihenhaussiedlung im dichten Nebel. Man schwimmt ein wenig den abfallenden Sand hinab, konzentriert sich auf die bunten Fische, und plötzlich schaut man auf und sieht etwas großes, dunkles. Das soll ein Schiff sein? Es braucht mehrere Tauchgänge mit zwischenzeitlichem Gucken auf den verschiedenen Karten bis ich erkenne: das ist das ungefähr sieben Meter hohe Heck des Schiffes, die schräge Platte davor ist das Ruder. So geht es weiter – obwohl das Schiff aus russischer Sicht wahrscheinlich reparabel wäre, erkenne ich wenig, was klar macht, dass dieses mal ein Schiff war. Hier ein Handrad, welches mir als Steuerrad verkauft wird, aber eher eine Kühlwasserleitung absperrt, hier ein bisserl Eisenkonstruktion, eine Leiter, dort ein Rohr welches zu einer Kanone gehören soll. Da mir der Divemaster ganz alleine gehört, habe ich mit ihm ausgemacht, nur zehn Meter tief zu tauchen, weil das meine gefundene Kamera aushält. Das für den ersten Tauchgang, den zweiten, dann ohne Kamera, bis zu den erlaubten achtzehn Metern. Dennoch sehen wir auch in geringerer Tiefe viel, und einige Fotos gelingen, obwohl es eher ein wildes drauflosknipsen ist; von sorgfältiger Bildkomposition ist nicht zu sprechen, wenn man selber ständig auf- oder abschwebt, der Fisch sowieso macht was er will, und man zwischendrin hektisch und sandaufwühlend rudern muss, um nicht in eine Koralle oder die Bordwand zu treiben. Dennoch, 530 mal habe ich in den drei Tagen abgedrückt, 390 Fotos haben die erste Sichtung überlebt und dürfen mit nach Deutschland, die 63 spontan am schönsten anmutenden werde ich hier veröffentlichen. Am Ende des Tauchgangs stelle ich zwar fest, dass wir bis auf 15 Meter getaucht sind, aber die Kamera hat’s ausgehalten.
Das Wracktauchen gilt als Sonderdisziplin des Tauchsports, ich bin mir nur nicht ganz sicher ab wann es genau Wracktauchen ist – immerhin schwimmen wir durch einige Hohlräume des Wracks – immer ist genügend natürliches Licht vorhanden, auch wenn öfters ein direkter Weg nach oben versperrt wäre. Jedenfalls ist es spannend, denn so ganz hat man noch nicht im Gefühl, wieviel Gewirr man da am Rücken trägt – und wenn ich jetzt mit einem der verschiedenen Schläuche hängen bleibe? Alles geht gut, und ich entscheide mich für die ‚Early Morning Dive‘ am Tag drauf – danach könnte ich immer noch weiter fahren, wie ich’s mir ursprünglich überlegt hatte. Wayan meint, ich könnte ruhig meine Kamera mitnehmen; es stellt sich heraus, dass sie auch bei 19 Meter Tiefe nicht zerspringt. Faszinierend ist der Effekt des Blitzes für die Farben: in der Tiefe wird offensichtlich das rote Licht weggefiltert, deswegen wirkt alles grün-blau-grau. Aber wenn man dann mal mit Blitz auf die Koralle losgeht, erlebt man sein rotes Wunder – es sieht total anders aus. Früh am Morgen sieht man auch die Bumphead Parrotfish – bis zu 1,20m lange Fische, recht hässlich und dunkel, aber von der Form genau wie die Fische im Aquarium zum Anfang von Monty Phytons ‚Sinn des Lebens‘, die sich alle gegenseitig mit ‚Guten Morgen‘ grüßen. Vor Lachen über den Gedanken spucke ich fast meinen Regulator aus. Tauchen macht mir immer mehr Spaß – und ich habe schließlich Urlaub. Ich hänge einen Tag dran und mache mit Wayan noch zwei weitere Tauchgänge aus. Der erste an einer Korallenwand, hier sehe ich auch einige Schwarmfische, einen Scorpionfish und einen Lionfish (sorry, die Fischnamen habe ich vorerst nur auf Englisch gelernt). Ich habe mich mittlerweile damit angefreundet, dass wenn auf der Kamera zehn Meter draufsteht, dieses der Garantiewert ist, und sie wahrscheinlich technisch für viel mehr ausgelegt ist. Dennoch, als nächstes fragt Wayan, ob ich auch Lust hab, etwas tiefer zu gehen, auf 22 Meter (welches formell betrachtet mit meinem Tauchschein illegal ist, und in Australien wahrscheinlich mit mindestens 9600 AU$ Strafe belegt worden wäre). Mehr als doppelte Sicherheit wollen wir mal nicht annehmen, also lasse ich die Kamera oben. Schade, hier hätte es witzige Fotos gegeben – Um den Meeresboden spannender zu gestalten, hat hier eine Tauchschule aus Altmetall die Form eines Flugzeuges nachgebaut, mit Korallen bewachsen wäre das ganze sicher in zehn Jahren ein astreines japanisches Kampfflugzeug aus dem 2. Weltkrieg geworden. Leider nicht tief genug, die Korallen wollen nicht. Weiter unten hat eine andere Tauchschule Buddhafiguren versenkt, warum eigentlich im Hinduistischen Bali? Aber die eigentliche Attraktion liegt auf präzise 22 Metern und heißt ‚cleaning station‘. Hier wohnen einige winzige Shrimps, die dargebotene Hände anfangen zu reinigen. Dabei werden wir misstrauisch von einer Muräne beäugt. Offensichtlich ist unter den Fingernägeln einiges zu finden. Erst als einer der Shrimps anfängt in meinem aufgekratzten Insektenstich zu wühlen wird’s zu viel. Danach holt Wayan tief Luft, nimmt seinem Regulator aus dem Mund, und grinst nah an den Felsen. Prompt kommen die Viecher zum Zähneputzen. Ich will kein Frosch sein, und probiere es auch. Dabei fällt mir auf, dass es vielleicht nicht die genialste Idee ist, vier Meter unter seiner zulässigen Höchsttauchtiefe seine Luftquelle einfach mal aus dem Mund zu nehmen – war irgendwas zu beachten, wenn man sie wieder nutzen will? Ich werd’s schon merken, jetzt ist es zu spät. Die Krabben kommen, aber kitzeln dermaßen an den Lippen dass ich sie mit einem Riesenpruster wieder an ihren Stein spüle. Immerhin klappt Regulator einsetzen und weiter Luft holen. Auch was wert.
Es macht immer noch Spaß, ich hänge noch einen Tag dran. Beim Frühstück hatte ich Chloe kennengelernt, Chinesin aus Malaysien die nun in Singapur arbeitet. So habe ich ein Date für’s Abendessen, und wirklich interessante Unterhaltungen. Chloe ist Sitzriese – jedenfalls merke ich erst am Abend, dass sie mir nur bis zur Schulter reicht – kann gut Englisch und kichert häufig. Aber sie stellt extrem intelligente Fragen und hat schon viel erlebt. Auf Facebook sehe ich später, dass sie Nuklearphysik studiert hat. Jedenfalls habe ich jetzt eine Einladung in Singapur, die dortige Spezialität Chili Crab zu essen. Es läuft. Chloe macht gerade ihren Tauchschein, muss noch lernen, und ich bin auch recht platt. Freiwillig um zehn schlafen – ich!
Wieder early Morning an der Liberty, bis 22m um auch den Bug mal zu sehen, also ohne Kamera. Eigentlich ist der Meeresboden am Bug 30 Meter tief, aber wir schwimmen einfach etwas darüber. Dabei sehe ich auch einen Anker und eine Festmacherklüsen – alles andere bisher hätte auch einfach versenkter Eisenschrott sein können. Für den Nachmittag fahren wir nach Kubu, zehn Minuten auf der Pritsche eines kleinen LKWs. Hier liegt ein weiteres Wrack, aber auch zu tief für die Kamera. Insgesamt stoßen wir bis in 25,5 Meter Tiefe vor, meine Anzeige sagt 27, aber der traue ich eh nicht so sehr wie dem Tauchcomputer von Wayan. Das Wrack ist noch nicht sehr alt, man erkennt noch Bug und Reling, sogar das Steuerrad ist vorhanden und lässt sich drehen. Schade, das wäre ein genialer Selfie geworden. Wayan findet zufällig ein paar Flaschen mit Schraubverschluss, öffnet sie, farbige Flüssigkeiten entweichen, welch Erlebnis. Wir finden im Laderaum noch einen VW-Kübelwagen, tauchen durch den Salon wieder nach vorne, und kämpfen uns dann gegen erhebliche Strömung wieder zurück an den Strand. Die meisten meiner Tauchgänge dauern 43-50 Minuten, danach habe ich meine 200 bar Luft verplempert. Hier ist es anstrengender, nach 32 Minuten ist Schluss. Am Strand machen wir Pause. Wie heißt denn das Schiff, frage ich für meinen Blog. Keine Ahnung meint Wayan, und rückt dann mit der ganzen Geschichte raus. Eine andere Tauchschule hat ein altes Fischerboot gekauft, zum Spaß einen Kübelwagen ohne Motor reingestellt, und in geeigneter Tiefe für fortgeschrittene Sporttaucher versenkt. Das erklärt so einiges. Ich hatte mich schon gewundert, warum das Metallschiff kein Vordeck mehr hat, wo doch das meiste sonst ganz gut erhalten ist: Es wurde entsprechend entschärft, dass man gefahrlos vom Laderaum durch den Salon bis in den Bug tauchen kann. Wahrscheinlich teilen sich die Tauchschulen auch die Verantwortung, die Flaschen mit bunten Flüssigkeiten regelmäßig auszutauschen. Schöne falsche Welt.
Während wir am Strand die vom Tauchcomputer geforderte Stunde Pause machen, sehen wir den verschiedenen Helfern zu, und Wayan erzählt ein wenig aus seinem Leben. Die Helfer tragen die schweren Tarierwesten mit Tauchflaschen genau dort an den Strand wo man sie benötigt, und helfen auch die gebrauchten Flaschen wieder auf den LKW zu heben. Ich merke, dass es nicht angebracht wäre, dem alten Mütterchen dabei zu helfen, offensichtlich gibt es hier eine gut definierte Hackordnung, dass die verschiedenen Menschen alle etwas verdienen können. Wayan organisiert das – ich habe keine einzige Rupie dabei, und schon gar keine fünfzehntausend – dabei klagt er ein wenig über sein Leben. Er verdiene hier als Tauchführer nur eine Million Rupien im Monat, das wäre kaum genug, um seine Familie zu ernähren. Wenn er nicht ab und zu Trinkgeld bekäme, würde es nur Reis geben. Jaja, ich habe schon verstanden. Aber er ist wirklich nett. Seine Frau macht meine Wäsche, da hatte ich gestern schon die erste Tranche Trinkgeld reingepackt, und ihn am Nachmittag beim Fischfotos identifizieren auf ein Bier eingeladen. Völlig beiläufig erzählt er, dass ihn Kunden auch öfters mal zum Essen einladen, aber das wäre nicht so gut, weil seine Familie nichts davon hat. Jaja, ich verstehe noch immer. Er wird am Abend so viel bekommen, dass er in Summe dreißig Kilo Reis kaufen kann. Ich hoffe das war angemessen.
Der letzte Tauchgang wird – gefühlt – mein schlechtester. Ständig komme ich aus dem Tiefengleichgewicht, muss hektisch gegen Strömung rudern und decke dabei meine Fotomotive in einer dicken Sandschicht ein. Beim Versuch mal etwas Ruhe zu schaffen lasse ich mich auf eine Koralle absinken, die scharf wie Brennnesseln brennt. Dabei vollbringe ich fröhliche Akrobatik, stehe öfters kopfüber im Meer herum, eine Position in der man die Tarierweste schlecht leeren kann, und bin insgesamt unzufrieden mit mir selbst. Am Ende kann ich nach acht Tauchgängen mit gutem Gewissen behaupten: ich bin erstmal ausgetaucht. Aber es gibt in Südostasien ja noch weitere gute Tauchreviere.

Hier einige der besten Fotos: Fischnamen zumeist in Englisch, und evtl. auch falsch von Wayan verstanden. Übrigens gehhören viele verschieden aussehende Fische eigentlich in die gleiche Familie, und den lateinischen Zunamen kenne ich nicht, aber anyway:

Ein Clown- oder Anemonenfisch, wie Nemo eigentlich heisst.
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Etwas Wrack, mit den aufsteigenden Luftblasen der Taucher unter uns. Alleine ist man hier nicht.
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Ein Grouper
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Weitere Clownfische
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Sweetlip-Fish
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Seargent-Fish
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Peter’s Star
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Damselfish
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Ein Chris-Fish
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Ein Wayan-Fish
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Der nächste Morgen, Sonnenaufgang
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Der Bumphead-Parrotfish
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Angelfish
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Moorish Idol
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Korallenbewachsene Wrackteile, ich finde die Farben zum Niederknien.
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Pufferfish
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Butterflyfish
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Blue-Spot-Stingray. Wie kreativ benannt.
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weitere bereits bekannte Fische….
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Pufferfish
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Fusilierfish
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Ein Skorpionfisch, mit und ohne Blitz.
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Ein Wurm.
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Pufferfisch
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Grouper
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weiterer Skorpionfisch
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Ein Oktopus
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Ein Lionfish. Giftig.
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Jellyfish
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Jackfish
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Flutefish
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Sergeantfish
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Scorpionfish
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Giant Clam
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Eine Art Schwamm
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Die Stunde der Delfinjäger

[gehört eigentlich vor den Post von Tulamben, und wird auch irgendwann dorthin zurücksortiert]
Ein kurzer Ruf, ein erhobener Arm zeigt nach links vorne, die Long-Tail Motoren knattern auf zum Halali. Die Rückenflosse eines Delfins wurde gesichtet, und fünf kleine Boote setzen zur Verfolgung an. In den Booten werden die Waffen vorbereitet. Je nach Anspruch und Budget kompakte Digicams, teure Spiegelreflexkameras, Handys oder Tablets, alle zeigen in die Richtung wo etwas Wassergekräusel andeutet, dass hier der Meeressäuger untergetaucht ist. Morgengrauen vor Lovina, im Norden von Bali. Ob es auch den Tieren vor den Booten graut, die sie jeden Morgen von sechs bis acht umkreisen? Wahrscheinlich sind sie’s gewohnt, die Fotos tun ja auch nicht weh, und vor den Longtail Schiffsschrauben halten sie sich offensichtlich fern. Die Boote gleichen beim Anblick Wasserläufern – ein schmaler hoher Rumpf, an jeder Seite ein hoch montierter Ausleger, der am Ende zum Wasser knickt, wo ein Schwimmkörper aus einem versiegelten Abflussrohr das Schiff stabil hält. Pro Boot fahren vier Passagiere mit zum Dolphin-Watching. Wir sind in Lovina extrem unentschlossen unterwegs, haben deshalb tagsüber alle Angebote abgelehnt, und gehen jetzt auf Verdacht um 5:45 zum Strand. Meine Hoffnung, hier die beste Verhandlungsposition zu haben bewahrheitet sich nicht, offensichtlich gibt es einen Kapo, der den Standardpreis (4€) nennt und danach auf die Boote zuteilt. Na gut, trotzdem. Gefühlt machen sich dreißig Boote vom Strand aus auf’s Meer, wo es in einer hohen Wolke weiterhin blitzt. Über dem Land deutet sich aber ein schöner Sonnenaufgang an. Es wird besser als wir erwarten – der Pulk von Boote löst sich auf, offensichtlich treiben auch die Delfine ein Spiel und ziehen uns in unterschiedliche Richtungen. So sind es am Ende eben nur noch fünf Boote, das ist überschaubar, und wir sehen einige Delfine. Einer davon besonders verspielt, steigt senkrecht auf seiner Schwanzflosse aus dem Wasser und fällt dann rückwärts wieder hinein.
Die Delfine sind die Hauptattraktion von Lovina, ein ansonsten beschauliches Dorf. Immerhin hat unsere Unterkunft ein Abkommen mit dem luxuriöserem Hotel nebenan, die Poolbenutzung ist inklusive, und dort verbringen wir die meiste Zeit. Wir haben ein Standardzimmer gebucht, deswegen nimmt der Page die Fernbedienung der Klimaanlage mit. Nach einer durchschwitzen Nacht kaufe ich für knapp vier Euro das Upgrade auf den Deluxe-Room und bekomme die Fernbedienung wieder. Eine Viertelstunde den Strand entlang kommt man nach Downtown Lovina, hier locken einige Bars und ein Night-Market mit sehr ursprünglichen, aber leckeren, Fressständen. Da war die Fahrt hierher interessanter. Nach langem Hinreden konnten wir eine Day-Tour kombinieren mit dem Transfer, und einen geringen Preisvorteil gegenüber der Summe beider Elemente erreichen. So besuchen wir erst die Reisterrassen um Ubud – sehr malerisch, einen Rock-Tempel, mit massiven, aus dem Stein gehauenen Gebäuden in einem Tal, und danach den Wassertempel. Hier locken heilige Quellen gläubige Hindus und verschwitzte Touristen. Man bekommt einen Sarong für’s Wasser, und taucht nacheinander in drei Becken mit immer heiliger werdendem Wasser. Offensichtlich macht heilig kühl, denn das ist der Hauptunterschied den ich bemerke. Danach werden wir auf eine Kaffeeplantage gefahren, auch andere Gewürze werden angebaut. Eine kostenlose Tee- und Kaffeeprobe ist inklusive, offensichtlich in der Hoffnung, dass man danach auch etwas käuflich erwirbt. Mangels Platz haben zwar sowohl Caroline und ich angekündigt, dass wir nichts zum mitnehmen kaufen können, aber immerhin kaufe ich für €3,30 eine Tasse Kopi Luwak. Kopi Luwak ist der teuerste Kaffee der Welt, er wird aus Bohnen gewonnen, die zuvor einige Zeit in der Verdauung eines katzenähnlichen Pflanzenfressers (ein Fleckenmusang, hatte ich vorher noch nie gehört) verbracht haben. Offensichtlich sind Kaffeebohnen eher so etwas wie Kirschkerne (Ihr könnt das ja mal kurz auf Wikipedia suchen), und diese Kirschen werden von den freilaufenden Luwaks gefressen, bzw. in dieser Plantage an die in kleinen Käfigen gehaltenen Tiere verfüttert. Die Bohnen werden nicht verdaut, aber offensichtlich werden ihnen durch die verschiedenen Enzyme Bitterstoffe entzogen, und danach ist der Kaffee besser. Der Kaffee wie ich ihn trinke ist auch wirklich nicht schlecht, aber ein Kilo davon kostet schon auf Bali fast 260€, und um soooo viel besser finde ich ihn jetzt auch nicht. Außerdem braucht es etwas, sich von dem Bild zu lösen, dass man hier geröstete Katzenkacke trinkt, auch wenn sie uns anhand verschiedener Schaubilder glaubhaft machen können, dass intensive Reinigungsprozesse folgen, nachdem der Kot (der wie ein Voll-Nuss-Müsliriegel aussieht) eingesammelt wurde. Danach noch ein Blick auf den Mt. Batur Vulkan, ein kurzer Stop in einer Garküche vor Lovina mit unserem Fahrer, und fertig ist das Tagesprogramm.
Am morgen nach dem Delfinausflug fahren wir weiter – allerdings in unterschiedliche Richtungen; erst einmal endet damit die Caroline & Chris Show. Irgendwie hat es nicht ganz so geklappt wie wir (oder ich) gehofft hatten. Zu unterschiedlich waren Budgets, Temperamente und Erwartungen, und nach den vielen Monaten unterwegs hatte gerade keiner von uns beiden einen großen Köcher an Aktivitäten, die wir unbedingt beide machen wollten – und zwei Leute die gegenseitig hoffen, sich einer tollen Idee des anderen anschließen zu können sind auf Dauer kein Rezept für gemeinsames Reisen. Caroline taucht nicht, sie ist mit dreizehn fast ertrunken und deshalb kein Freund von Wasser (Schnorcheln nur in Schwimmweste, bleibt im Pool im Nichtschwimmerbereich, da ist ein Tauchausflug für sie alles andere als attraktiv, ihren Plan in Sanur einfach ein wenig am Strand zu liegen lockt mich hingegen auch nicht, also fahre ich nach Tulamben zum Tauchen, während Caroline auf ihren Bus nach Sanur wartet. Schade.