Entscheidung im Drogenrausch?

Es wird eine spannende Logistik – ich fahre mit dem Auto nach Holland, kurzfristig zu Pfingsten nach Amsterdam zu fliegen ist arg teuer. Ich nehme ein paar BlaBlaCar Mitfahrer nach Düsseldorf, am nächsten Morgen noch eine Frau von Weede nach Amsterdam, sammle Frank – aus Skandinavien kommend – am Flughafen ein, und wir fahren in die Nähe von Enkenhuizen um die ‚Casanova‘ anzusehen. Der Eigentümer konnte zwar nicht kommen, aber Stegnachbarn von ihm und ein Makler zeigen uns das Schiff. Wir sehen ein paar schwer zu beziffernde Risiken, was uns aber am meisten irritiert ist die Inneneinrichtung – in vielen Details anders als alle anderen HR 42E. Wir vermuten, dass das Schiff mal einen größeren Schaden hatte, und es danach umfassend renoviert werden musste. Davon wissen aber Eigentümer, Makler und Stegnachbarn nichts. Hmmm. Dem nächsten Tag – Pfingstsonntag – verbrinden wir in Amsterdam. Gerne beschreibe ich das Wochende mit den Schlagworten: „Schiff angesehen – Joint geraucht – Entscheidung getroffen – Schiff gekauft“. Hört sich kultig an, stimmt auch alles, aber die Reihenfolge ist falsch. In Amsterdam angekommen, sitzen wir im Café unseres Hotels noch mit Laptop und bewerten Optionen und Risiken. Pennypincher gewinnt; die Entscheidung ist getroffen.

Beruhigt können wir nach Amsterdam Downtown fahren. Wir finden einen Coffeeshop, kaufen für den persönlichen Bedarf einen Joint (und ein paar Sandwiches), und suchen eine Bank um den Tag zu genießen. Meine bisherigen Drogenerfahrungen beschränken sich auf ein paar Cookies in Südafrika, und mal an einem rundgehenden Joint zu ziehen. Ich hab nie was gespürt, jedenfalls nicht gegenüber dem Alkohol, der auch noch im Spiel war. So ziehe ich immer intensiver an dem Joint, halte die Luft an – Nichts. Am Ende des Joints angekommen, spüre ich immer noch nichts. Ich bin ein Gott – immun. Ich schlage Frank vor, dass wir weitergehen, aber er meint, dass es vielleicht besser wäre, noch etwas sitzen zu bleiben. Mei, der Arme, verträgt das Zeug halt nicht so wie ich. Fünf Minuten später bin ich dankbar. Huiiiii. Ich bezweifle ernsthaft, dass meine Beine mich jetzt tragen würden. Huiiiiiiii. Ein Rennwagen aus den 50er Jahren fährt vorbei. Huiiii. Wo sitzen wir hier? Am gegenüberliegenden Gebäude steht ein Schriftzug mit ‚Justizia‘ – hoffentlich nicht das Justizministerium. Huiiiiii. Frank, ist da eben ein Rennwagen aus den 50er Jahren vorbeigefahren, oder halluziniere ich? Puuuuuh. Nach einiger Zeit (die offene Formulierung ist bewusst gewählt) wird es kühl im Schatten, und wir gehen das Risiko ein, an die Gracht zu gehen – dankenswerterweise mit Geländer – und uns an diesem bis zu einem Platz in der Sonne zu hangeln. Hier hat sich die Tourismusbehörde von Amsterdam wirklich übertroffen. An einer Kreuzung zweier wichtigen Grachten ist an diesem sonnigen Pfingstsonntag das helle Chaos. Große Touristendampfer, Studenten im Schlauchboot, Yuppies im Motorboot, Tretboote – alles rennet, rettet, flüchtet. Ein Tipp für die Mädels – im kurzen Rock hektisch Tretboot zu fahren offenbart manchmal mehr als gewollt. Mehrfach stoßen Schiffe aneinander, es wird geflucht, ausgewichen, in Panik dann an die Mauer der Gracht gefahren. Schon lange habe ich mich nicht mehr so amüsiert. Erst gegen Ende traue ich mich, mein Handy zu zücken, und ein paar Videos zu machen (vorher wäre ich mir sicher gewesen, dass ich’s ins Wasser hätte fallen lassen). Am nächsten Tag – ausgenüchtert – fahren wir nach München zurück, und schreiben unserem englischen Makler, dass wir die Pennypincher kaufen werden. Alea iacta est.

Europareisen

Es gibt weniger Gebrauchtyachten als Gebrauchtautos, aber erheblich mehr Internetportale für deren Verkauf. Boat24, Boot24, Yachtworld, und Scanboat sind die gängigsten. Viele Schiffe werden auf mehreren Portalen annoniciert, und da Makler selten einen Exklusivauftrag haben, findet man manche Schiffe auch mehrfach auf dem gleichen Portal. Wir fangen eine Excel Liste an, versuchen uns einen Überblick zu verschaffen. Wir suchen nur noch nach Hallberg-Rassy 42E’s, als Wildcard möchten wir uns auch mal die zu große HR 49 ansehen. Von der HR 42E wurden 255 Schiffe gebaut, und gefühlt sind weltweit aktuell 10% davon auf dem Markt. In Europa scheinen sie sich wie folgt zu verteilen: Littauen, Aland, UK, Schottland, Holland, Holland, Frankreich, Kanarische Inseln, 2 in Festland Spanien, vier in Italien, mindestens zwei in Griechenland, und weitere über die Welt verstreut. Wir erkennen, dass die frühen Exemplare etwas hässlichere Bäder haben (ein seltsamer Fleckenteppich aus Holz, Holzimitat und Kunststoff) und die Pantries noch ohne U gebaut wurden. Etwa 50% sind als Slup getakelt (ein Mast), die anderen als Ketch (zwei Masten). Der Zustand des Teakdecks wird schnell zum K.O. Kriterium – ein komplett neues kann dem Kaufpreis locker 50% an Kosten hinzufügen, aber natürlich sind fast alle Schiffe unterschiedlich – hier umfangreiche zusätzliche Segelgarderobe, hier ein neuer Motor, hier ein Dieselgenerator, hier eine Wasseraufbereitung, hier aus erster Hand und hier eine welche komplett stümperhaft in einer dusteren Halle fotografiert wurde, und die Beschreibung sich auf zwei Absätze beschränkt. Erkundigt man sich bei manchen der Kontaktdaten gibt es enthusiastische Eigner und ahnungslose Wiederverkäufer, auch öfters gar keine Antwort. Es ist klar – wir müssen uns ein paar Schiffe ansehen, damit wir beurteilen können, ob uns mal wirklich ein Schnäppchen über den Weg läuft.

Im Herbst 2017 bekam ich von einem Vercharterer ein Sonderangebot – One-Way Sardinien, mehrere Yachten seien von Cagliari im Süden nach Olbia im Norden zu überführen, zum halben Preis weil sie offensichtlich aus dem Winterlager in die Saison gefahren werden müssen; und ich schlug damals zu. Normalerweise einfach – Charterflug nach Sardinien, eine Woche Segeln, Charterflug zurück. Aber – könnte man da nix kombinieren? So wird es ein Road Trip. Von München nach Imperia (zwischen Genua und Frankreich), dann nach Lignano, Auto in Civitavecchia stehen lassen, und mit der Fähre nach Sardinien. Imperia ist gepflegt, mit zu viel automatischem Schnick-Schnack ausgerüstet, und insgesamt zu teuer. Lignano wird vom Eigentümer und einem Makler gezeigt; keiner von beiden spricht vernünftig Englisch. Der Eigentümer erklärt, mit ‚maintenance‘ sein Geld zu verdienen, aber Pflege des eigenen Schiffes schien nicht so im Vordergrund zu stehen. Für die Rückfahrt haben wir uns noch zwei Schiffe aufgehoben.

Auf Sardinien bekommen wir ein kostenloses Upgrade von der gebuchten Bavaria 46 auf eine Bavaria 51 – gröbstens dekadent, da wir nur zu dritt sind. Steff hat eine drei-Zimmer-Wohnung im Bug für sich alleine. In Erwartung einer eigenen Yacht schimpfen Frank und ich ständig über Charterschiffen (immer das billigste verbaut, nicht vernünftig aufeinander abgestimmt) und neue Design-Trends (die Bavaria soll im inneren offensichtlich ‚großzügig‘ wirken, deshalb gibt es um den Salontisch eine niedere Sofalandschaft, ohne vernünftige Rückenlehnen oder Griffen – eine falsche Welle, und man fliegt zwei Meter durch den Salon bevor man auf der anderen Seite ist).

Je mehr wir über die mittlerweile drei besichtigten HR42 nachdenken, umso interessanter erscheinen die Fotos von der Pennypincher von den Kanarischen Inseln. Wir telefonieren nochmal mit dem Makler – mittlerweile ist sie auf dem Weg nach Portugal, ein Schachzug um den Status ‚MwSt in der EU gezahlt‘ zu erhalten. Die Diskussionen hier sind nicht ganz einfach, obwohl der Eigentümer „wirklich“ verkaufen will, ist er nicht sehr entgegenkommend. Ein Teil scheinen die Gepflogenheiten des Marktes zu sein. Eine ‚Probefahrt‘ ist nur möglich, nachdem man einen Kaufvertrag unterschrieben hat – Man kann danach aber ohne weitere Nennung von Gründen vom Kaufvertrag wieder zurücktreten, also ist der Vertrag eher eine Absichtserklärung. Scheinbar gab es zu viel Missbrauch, dass sich Segler einen kostenlosen Segeltag erschlichen. Ob wir also – wenn wir nur wegen dem einen Schiff extra nach Portugal fliegen – vielleicht doch mal mitfahren könnten … naja, vielleicht. Wir schaffen es, einen Termin zu finden. Am 12. Mai könnten wir die Pennypincher in Lagos besichtigen, da wären auch die Eigentümer da. Wir wissen allerdings, dass sie von Profis dorthin überführt wird, vielleicht könnte man ja vorher etwas mehr Zeit verbringen? Nein, die Überführer sind am 10.5 schon weg, da geht nichts, sorry, keine Chance. Ja mei, aber einen Flug nach Lagos buchen wir trotzdem.

Auf dem Rückweg von Sardinien mit dem Auto machen wir noch eine Hau-Ruck Aktion, fahren von nahe Rom bis nach München in einem Rutsch; machen aber noch bei zwei Schiffen zwischen Venedig und Triest eine schnelle Besichtigung. Nicht überzeugend.

Der preiswerteste Flug an die Algarve haben wir mit Germania von Nürnberg aus gefunden. Also brechen wir am 10.5. mitten in der Nacht nach Nürnberg auf, um 7:25 geht der Flug. Wir werden erstmal zwei Tage an der Algarve totschlagen müssen, aber so ist das Leben – wahrscheinlich. Da wir aber allgemein etwas misstrauisch sind, schleichen wir uns am Abend des 10. Noch auf das Gelände der Marina ein. Entgegen der Beteuerungen des Eigentümers liegt dort eine HR42E Ketsch mit dem Namen Pennypincher. Die beiden Profiüberführer sind noch an Bord, nehmen eine Einladung auf ein Bier und etwas zu Essen an, und zeigen uns dafür (verratet aber nichts!) auch das Schiff. Es wäre zwar ein paar Sachen kaputt gegangen, aber insgesamt stellen sie dem Schiff ein gutes Zeugnis aus. O-Ton: wenn mich ein Schiff nicht überzeugt, überführe ich es nicht über’s offene Meer. Zwei Tage später besichtigen wir das Schiff nochmal, diesmal im Beisein von Alan und Penny. Er wird deutlich, dass Alan aus Vernunft seine Frau überzeugt hat, dass sie das Schiff verkaufen, aber das ganze bei beiden, besonders Penny, nicht emotional eingesickert ist. Wir bekommen beide den Eindruck, dass Alan sich beim Verkaufen nicht wirklich Mühe gibt, und Penny wirkt ausgesprochen biestig, wenn wir es wagen, auch nur kleine Kritikpunkte vorzubringen. Dennoch – das Schiff hält, was die Fotos versprochen haben – mit der Pennypincher könnten wir uns anfreunden. Langsam wird es Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Gibt es noch alternativen? Nun ja, in Holland liegt noch eine Hallberg, preiswerter, aber ein paar Details sollten wir noch abchecken. Also nächstes Wochenende nach Holland.