So sitzen Frank und ich eines Freitagabends im AirBräu am Flughafen, während einer der heftigsten Winterstürme auf der Insel seit Jahren reihenweise Flüge ausfallen lässt. Der Flug mit Easyjet wird mehrfach verschoben, aber dann geht’s doch auf nach London Luton, wo ein Mietwagen auf uns wartet. Zusammengefasst – ein interessantes Erlebnis, mit Sommerreifen und tiefgefrorenem Scheibenwischwasser auf der falschen Seite einer verschneiten Straße zu fahren. Durch die Verspätung (es ist halb zwei Uhr morgens) sind die Straßen aber so leer, dass man genügend Platz für unfreiwillige Spurwechsel hat. Ich habe einen straffen Plan aufgestellt. Fahrt nach Hamble Point Marina nahe Southhampton, 2 Stunden Schiff ansehen, Weiterfahrt nach Lymington (1:34 lt. Google), dort 2 Schiffe (3 Stunden), und dann noch ca. 3 ½ Stunden Fahrt nach Cornwall, Drinks mit Sandra – einer ehemaligen Kollegin – am nächsten Morgen noch eine Besichtigung in Salcombe, Fahrt Richtung Holyhead? (ja, das ist in Wales, nicht England), dann müssen wir noch etwas Zeit totschlagen bevor die Fähre nach Irland geht. Schon in der Nacht löst sich der Plan in seine Bestandteile auf. Sandra würde sich zwar riesig freuen, mich mal wieder zu sehen, aber sorgt sich wegen der Straßenverhältnisse – lassen wir’s lieber ausfallen. OK – aber ganz ehrlich, auch meine Mutter macht sich wegen einer Schneeflocke neben der Autobahn schon Sorgen. Allerdings stiftet der Makler aus Salcombe auch keinen Optimismus – wegen der Wetterverhältnisse käme er mit seinem Auto die kleine Anhöhe von daheim zur Hauptstraße nicht rauf – er wäre sich nicht sicher, ob es morgen klappt. Ts,ts,ts – die spinnen die Briten. Wir schaffen es pünktlich nach Hamble Point, der Makler aber nicht – Traffic problems. Als er dann doch kommt, gesteht er uns, dass das Schiff an einem Schwimmsteg im Hamble River liegt, und nur per Taxiboot zu erreichen wäre – ob’s da heute eines gibt? Gerade nicht. Wahrscheinlich Eisberg-Gefahr, Southhampton war ja auch der letzte Hafenstop der Titanic, den gleichen Fehler will man nicht zweimal machen. Jeremy ist es wirklich peinlich, dass wir extra aus Deutschland gekommen sind, und er uns jetzt kein Schiff zeigen kann. Er versucht zu kompensieren, nimmt sich viel Zeit uns verschiedene Rumpfformen im Wandel der Zeit zu erklären, zeigt Fotos der MiDen (einer Hallberg-Rassy 42E) auf dem Laptop, und kommentiert sie erstaunlich offen. Auch hier scheint es einen erheblichen Unterschied zwischen asking price und dem wahrscheinlichen Marktwert zu geben, auch wenn es der Verkäufer noch nicht akzeptiert hätte. Noch immer gibt es kein Taxiboot, so zeigt er uns zum Vergleich noch Fotos einer HR 42E, welche aktuell auf den kanarischen Inseln liegen würde. Etwas teurer zwar, aber deutlich besser in Schuss. Er gibt uns einen Memory Stick mit Fotos und anderen Unterlagen der Pennypincher mit.
Unsere Zeitplanung hat sich mittlerweile entspannt. Die Fahrt nach Cornwall werden wir ausfallen lassen, zu eindeutig auch die Katastrophenmeldungen im Internet. Jonathan – der Makler in Lymington hat uns gestanden, dass wir die beiden Schiffe dort heute nicht sehen können, wegen Blitzeis auf Steg und den Schiffen hätte der Hafenmeister den Zugang untersagt. Also gemütlich Pub und B&B in Lymington suchen, und am späten Nachmittag immerhin noch ein Vorbereitungsgespräch mit dem Makler. Er erzählt über die Eigentümer, deren Pflegeverhalten und Gründe für den Verkauf. Hoffentlich klappt’s am nächsten Tag, die Squander und die Intrepid Bear sind jeweils Najad 391er – aktuell meine Favoriten.
Am Abend im Pub lauschen wir amüsiert den Heldengeschichten der Locals. Engländer sind ja berühmt dafür, auch in unmöglichen Situationen eine Stiff upper Lip zu bewahren, und der heroische Durchhaltewillen angesichts vier Zentimeter Schnee beeindruckt uns nachhaltig. Als wir zu erkennen geben, dass wir Nahe an den Alpen wohnen, drosseln sie die Rhetorik, aber geben uns zu bedenken, dass so ein Wetter hier ungewöhnlich wäre, und man deshalb überhaupt nicht drauf vorbereitet wäre.
Am nächsten Morgen klappt es tatsächlich mit der Besichtigung. Ähnlich wie Ramsis Peer Gynt ist die Najad 391 eine Mittelcockpit-yacht, die deshalb eine große ‚Eignerkabine‘ hinten hat. Überhaupt sieht der Schiffsriss recht ähnlich von der Aufteilung aus wie die N343 (auch die Hallberg-Rassys sind ähnlich von der Aufteilung), aber mit zwei Meter mehr Länge bestimmt viel großzügiger. Wir sind enttäuscht. Ich bin ja wirklich nicht groß, aber in der Heckkabine kann ich nicht aufrecht stehen. Die ‚edelste‘ Kabine im Schiff, und immer gebückt gehen – echt jetzt? Mein Enthusiasmus für die 391 bekommt einen erheblichen Dämpfer. Frank geht es ähnlich. Etwas nachdenklich fahren wir weiter, scheitern an dem Versuch, noch eine Oyster zu besichtigen (Hafenmeister mit Schlüssel schafft es nicht zur Arbeit), und beschließen, noch einmal in Hamble Point anzurufen. Ja – heute fährt das Taxiboot, es ist zwar schon etwas spät, aber kommt vorbei. Zwei Stunden später setzen wir erstmals den Fuß auf eine Hallberg-Rassy 42E. Ja, die MiDen ist nicht mehr taufrisch, das Teakdeck braucht wirklich einige Arbeit, aber ansonsten fühlt sich der Schiffstyp einfach richtig an. Man kann in der Achterkabine stehen, der Platz am Navitisch passt wie angegossen, und die Pantry (Küche) ist ein winziges U dessen Funktion uns sofort klar wird. Bei Seegang klemmt man sich in das U und steht deshalb sicher. Auf der Weiterfahrt sind wir uns einig – wenn wir zwischen den drei Schiffen des heutigen Tages wählen müssten – lieber die MiDen, und das beim Kauf gesparte Geld in einige Basteleien investieren, oder vielleicht wäre dieses Schiff auf den Kanarischen Inseln doch interessant ?
Die Pennypincher auf den kanarischen Inseln ist eine Ketch – also ein Zweimaster, wobei der Besanmast (also hinten) kürzer ist als der Hauptmast. So etwas kommt einem heute selten unter (und im Charterbereich nie), und wir sind noch nie eine gesegelt. Wir erkundigen uns nach Vor- und Nachteilen. Vordringlich geht’s dabei ums Segeln: zwei kleinere Segeln sind leichter zu handhaben als eines (was bei modernen Yachten aber durch Technik wettgemacht wird, leichtere Segel, kugelgelagerte Mastrutscher, Rollsegel, und mittlerweile auch elektrische Winschen), sollte ein Mast brechen hat man vielleicht noch einen zweiten der noch steht. Mit dem Besansegel soll man das Schiff so trimmen können, dass es von alleine Kurs hält. Aber ganz viele Argumente haben nix mit Segeln zu tun – praktischer Ladebaum für den schweren Außenborder, am Mast kann man toll Radar und Windgenerator und sonst noch was befestigen. Außerdem sinnieren wir, kann man damit immer im Quartett gewinnen (Wer von euch kennt es noch? In meiner Jugend gerne gespieltes Kartenspiel, wo man zB mit Leistungsdaten zu Autos seinen jeweiligen Spielkamerad übertrumpfen musste – der Porsche war der schnellste, aber wehe der Gegner hat den Vergleich der Nutzlast gefordert). Und da wäre die Ketch am Stammtisch natürlich gut. Anzahl der Masten: zwei – und Du?
Am nächsten Tag fahren wir noch an LLanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch vorbei (und wer das jetzt laut vorlesen will, der kann mich mal), geben unseren Mietwagen unbeschädigt in Holyhead ab, und fahren mit der Schnellfähre nach Dublin. Nicht nach Dun Laoghaire, übrigens – das WAR der Fährhafen von Dublin, mittlerweile gibt es ein Terminal nahe der Stadtmitte. Caroline hat den Kontakt mit Tristan hergestellt, auch er ist passionierter Segler und freut sich darauf, mal ein Schiff anzusehen, statt zu arbeiten. Die Najad 440 ist ein großes Schiff – fast 2 Meter länger als die mittlerweile in Ungnade gefallene N391, und wartet mit einer zusätzlichen Kabine mit einem Stockbett auf. Das Schiff war zwar mit den ’schonungslos‘ Fotos nicht geschönt beschrieben, aber – auch im Vergleich zur MiDen – ist der wahrscheinliche Marktpreis plötzlich nicht mehr so unglaublich interessant. An der Najad gäbe es einfach zu viel zu tun, und das von München aus in Dublin erledigen zu lassen… ziemlich zügig winken wir ab. Da aber sowohl der Makler als auch Tristan nicht viel besseres zu tun haben, schauen wir uns noch ein paar andere Schiffe an, die im Hafen zu verkaufen sind, zB eine Nauticat (KEIN Katamaran!). Am Abend ein klassischer Abend in Dublin – leckeres Guiness, und die Todesspirale des englischen Rundensystems. Sobald irgendjemand kein Bier mehr hat, fühlt sich jemand bemüßigt, schnell für alle ein neues zu holen. Dankenswerterweise geht der Rückflug nach München erst am nächsten Nachmittag. Unser neuer Favorit heißt Hallberg-Rassy 42E.