Ich war vorher baden, jetzt kommt Frank zurück. Es ist Sonntag, der 1. November – ein ungerader Tag – da ist Frank Skipper. Als er sich fast abgetrocknet hat, fragt er wie spät es ist. Oh oh, denke ich mir, jetzt ist Aktivität gefordert, wahrscheinlich müssen wir weg. Dennoch antworte ich wahrheitsgemäß mit 12:03. Ahhhh, gut, meint Frank, dann können wir ja ein Bier trinken. Whoosh – schnell bin ich beim Kühlschrank, dos Cervezas San Miguel, voilá. Wieder ein harter Tag.
Wir sind noch immer in Cala Mitjana. Wir überlegen – waren wir in all unseren Segeljahren jemals in einer schöneren Bucht? Frank und mir fällt nichts ein. Die Cala hat uns ein SUP-paddelnder Engländer empfohlen, in unserer ersten Bucht auf Mallorca. Er meinte, die eine Hälfte der Bucht gehörte dem reichsten/drittreichsten Mann von Mallorca/Spanien. Das mag sein – auf einer Seite gepflegter Rasen und Beete, und ein ebenfalls gepflegtes aber aktuell wohl ungenutztes Ferienhaus. Auch die andere Seite der Bucht (dann vielleicht nicht im Privateigentum) scheint sich der Pflege eines Gärtners zu erfreuen. Vielleicht hat der Mäzen auf der anderen Seite hier etwas springen lassen, damit sein Blick auch schön ist. Nennen wir die Bucht also natürlich sehr schön, mit etwas Disney Politur die es dennoch vermeidet kitschig zu sein. Allerdings – trotz ausgeprägter Nebensaison füllt sich die Bucht ab späten Vormittag mit allen möglichen Booten. Gut, es ist auch Wochenende, und das Wetter gigantisch. Offensichtlich erreicht man die Bucht auch von Land, immer wieder tauchen Leute an dem kleinen Strand auf. Einige baden textilfrei. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie’s hier in der Hauptsaison abgeht – da ist man wahrscheinlich am besten mit einem Stahlschiff bedient, vielleicht ein altes Schlachtschiff?
Übernachtet haben wir hier wieder alleine, vor Anker und mit einer Landleine an einen der beiden Poller, die irgendjemand mal ans Ufer betoniert hat. Leider wird’s nachts schon eher zapfig, also kein gemütlicher Wein im Cockpit, sondern Niedergang zu und Socken an. Mit einigen Fotos habe ich euch ja schon in „ohne Worte“ erfreut/gequält, alle mit dem iphone gemacht. Vielleicht lohnt sich die große Kamera? Aber ehrlich gesagt, bei der habe ich Schiss, sie in einem hoffentlich wasserdichten Beutel an Land zu schwimmen. Am Ende lassen wir etwas Ankerkette raus, verkürzen die Landleine, und ich kann trockenen Fußes an Land. Allerdings – das Schiff liegt nun zu nah am Land um die ’schwebenden‘ Fotos des letzten Tages zu wiederholen. Oh well. Nach der Fotosession gebe ich die Kamera zurück ans Schiff, und mache die Landleine los, muss dem Schiff hinterherschwimmen, aber vorher noch ein paar Runden in der Bucht. Nach dem Bier kochen wir – heute probieren wir eine Fleisch-Paella, aber ich glaube, da wäre die große Küche daheim doch zuträglich. So wird’s halt einfach Reis mit Sch****, Paella Style. Lecker, aber nicht authentisch.
Am Vorabend hat uns ein großes Unglück ereilt. Unsere italienische unlimited Data SIM Karte glaubt offensichtlich nicht so an’s EU roaming, quittiert den Dienst mit einer beleidigten SMS über die zusätzlichen Kosten. (Frank hat einen Router gebaut/angepasst, der unser Schiff mit WLAN aus mobilen Daten versorgt, damit kann man auch in der Bucht abends einen Tatort streamen) (konnte). So reifte der Entschluss – egal wie schön’s hier ist, wir brauchen einen Mobilfunk-Shop, um uns eine neue SIM-Karte zu organisieren. Also verlassen wir um 15:30 die Cala Mitjana, und machen uns auf den Weg in die Cala d’Or Marina.
Ein unangenehmer Nebeneffekt der Nachsaison – die Büros in Marinas sind nur noch Wochentags besetzt. So scheitern wir damit, telefonisch einen Preis zu erfragen. Wir fahren also in die Marina, fragen per Funk, werden aber immer hingehalten – jetzt legt halt erstmal an. Als wir dann in Rufweite des Stegs sind, rückt der Marinero mit dem Übernachtungspreis raus – 91, äh, doch nur 69€. Hust, hust, wie bitte – es ist doch Nachsaison? Es ist jetzt zwar nicht so, dass wir uns das nach zwei kostenlosen Nächten in der Bucht nicht leisten könnten, aber es geht ums Prinzip. Ich rufe dem Marinero zu „lo siento, es demasiado“, was hoffentlich ‚tut mir leid, das ist zu viel‘ bedeutet. Wir verlassen den Hafen wieder. Langsam erkennen wir ein Muster: es gibt mehrere Betreiber von Marinas, einmal der „Club Nautico“ (wie in Cala d’Or), der offensichtlich zu jederzeit eine Exklusivität durch hohe Preise herstellen möchte, und auf der anderen Seite „Ports IB“ (die scheinbar der Regierung der ‚Islas Baleares‘ gehören), die noch etwas öffentlichen Auftrag haben. Schon in Porto Christo ist uns das aufgefallen, sehr moderate 25€ die Nacht, während Club Nautico einen Hafen weiter auch 60€ haben wollte. Wir tuckern aus dem Hafen, überlegen Alternativen (das Wetter würde ohne weiteres eine kostenlose Buchtübernachtung erlauben, aber eben ohne Mobilfunkladen am nächsten Morgen). Irgendwann gucken wir auf die Website von Ports IB – Cala Figuera wird von denen betrieben. Sieh an, da geht sogar jemand ans Telefon, Sonntagnachmittag um 17:00. Auch hier kostet es nur 25€, und wir ergattern einen der fünf Gästeplätze in dem winzigen Hafen. NB: Es hätte auch noch Platz für weitere vier Yachten, wir liegen Solitär an der „Moll Transit“.
Cala Figuera ist eine kleine Stadt, ein ehemaliger Fischerort. Er versucht den Charakter zu erhalten, in dem auf der Hafenmole Netze geflickt werden, was der ganzen Umgebung einen deutlich fischigen Geruch gibt – very authentic.
Abends streifen wir noch durch die Stadt, wollen etwas zu Essen erlegen. Mittlerweile wissen wir, dass die ganzen ‚aktuell geöffnet‘ oder ’schließt bald‘ oder auch ‚zur Zeit geschlossen‘ auf Google oder Trip Advisor nicht viel zu bedeuten haben. Als erstes versuchen wir’s in der ‚Bon Bar‘. Der angenehmste Nebeneffekt wäre: WLAN, welches es auf’s Schiff schafft. Alle Schilder sagen, geöffnet täglich außer Montag bis 24:00, die Absperrketten und geschlossenen Türen behaupten das Gegenteil. Am Ende winkt am Ende der Straße, in dem das fälschlicherweise als geöffnet geführte französische Restaurant liegt, das fälschlicherweise als geschlossen geführte „El Momento“. Vorsichtig frage ich, ob sie wirklich auf haben, und die Wirtin meint ‚Nein, wieso? Ich stehe hier, die Musik läuft, wie kommen wir drauf?‘ Sarkasmus – schon lange nicht mehr außerhalb der Seestern gehört. Eine Karte hat sie nicht, aber meine Frage nach Essen wird mit Schnitzel oder Currywurst mit Pommes beantwortet – auf Deutsch; offensichtlich ist mein Spanisch nicht so überzeugend. Mandy, die Wirtin, erklärt sich dann aber doch bereit, auch spanische Tapas in beschränkter Auswahl für uns zu machen, aber die meisten Leute kämen halt wegen Fußball und ihrer Schnitzel her.
Am Ende ein Kompromiss – ein geteiltes Schnitzel für uns beide, und Pimentos al Padron und Kartoffelecken mit Aijoli als spanische Komponente. Das mit dem Schnitzel auf Mallorca ist mir zwar peinlich, aber es war sehr lecker. Als die anderen beiden Gäste neben uns sich auf den Weg machen, laden wir Mandy ein, sich zu uns zu setzen. Mal aus erster Hand hören, wie sich Corona in einer klassischen Tourismus-Destination auswirkt. Wir schnacken bis 23:30 (die Ausgangssperre auf den Balearen wurde von 23:00 auf 24:00 verlängert, aber Mandy muss noch aufräumen und heimfahren). Cala de Figuera ist touristisch eher von Deutschen geprägt, aber von denen mit FeWo Eigentum – Mandy’s Stammkundschaft, die auch normalerweise zum Rudelgucken kommen. Sie erzählt von Wirten, denen es richtig beschissen geht, aber auch von gegenseitiger Kooperation. Sie wirkt nicht total deprimiert, sie wünscht uns ein schönes Segeljahr und wir ihr ein gutes nächstes Geschäftsjahr. Und eine Botschaft an die Welt: „El Momento“ hat offen, egal was Trip-Advisor sagt, und ihr könnt kommen.
Am Tag drauf, ein Montag, leihen wir uns mal wieder ein Auto. Vordringlich um die Insel anzusehen, aber eigentlich brauchen wir die Mobilfunk-Datenkarte. Am Ende landen wir in einer fetten Shopping Mall zwischen Palma und dem Flughafen. Der Parkplatz ist rammelvoll – Leute, ihr habt Nachsaison. Am Ende ergattern wir die Karte direkt vor dem Carrefour. Praktisch: wir wollten eh noch ein paar Lebensmittel kaufen, Zwiebeln fallen uns ein. Beim Streifzug durch den Markt (ein paar andere Sachen sind uns noch eingefallen) werde ich vom Traktor-Strahl der Schinken-Theke eingefangen: bestimmt 10 Regalmeter, nur spanische Schweinebeine. Der Bediener erklärt ein wenig, er kann ‚Castellano‘, also Hochspanisch, oder ‚Catalan‘, welches sehr zu meinem Leidwesen hier gerne gesprochen und geschrieben wird – ich kann halt kein Katalanisch aus meiner Kindheit. Die preiswerten Beine sind so um die 100€ zu haben, die höchste Qualität kostet 600€. Leider reicht mein Spanisch noch nicht dafür, was denn genau die Unterschiede an Qualität wären. Mei – wenn Ihr uns nur besuchen kommen würdet, ich wäre da sofort dabei. Aber alleine, da siegt selbst bei mir die Vernunft. Geschäftsidee: Makeln zwischen den Tapas-Bars und Kleinverbrauchern wie uns zum Verkauf von 2/3 ausgezehrten Schweinebeinen – die Bars haben immer einen frischen, attraktiven Schinken, und wir hätten unser Bein mit nur 1,5kg zum Vertilgen…
Den Rest des Tages verbringen wir bei einem Burgerladen in Palma, und dann mit einer schnellen Tour von der Nordseite der Insel – Port Sóller, Passstrasse in Richtung Pollenca, am Ende Kap Formentor (da war’s aber leider schon seeeeehr dunkel). Rückkehr über Santanyi, wo wir am Ende nur ein einziges offenes Restaurant finden (Google spuckte mindesten zehn aus), und dann zurück zum Schiff. Mandy hat Montag Ruhetag – wirklich! – deshalb gibt es nur ein Wein am Schiff.
Beobachtungen:
Café Mistral, 9:45 morgens: Frank und ich gönnen uns in der warmen Morgensonne einen Café con Leche und ein Croissant. Dabei merken wir, dass wir in Sachen „relaxed“ noch Anfänger sind. Zwischen den Café Cortados der Arbeiter steht eine halbleere Flasche Whisky, und später kommen noch Oma und Opa und bestellen sich erstmal ganz gepflegt ein Glas Rotwein und ein Bier.
Mallorca – Image und Wirklichkeit: Reflexartig denke ich bei „Malle“ an den Ballermann – schlimmster deutscher Pauschaltourismus (im nächsten Ort das gleiche für Engländer). Natürlich wissen wir alle, müssen es uns aber bewusstmachen, dass das nicht Mallorca ist. Die Insel ist vielfältig und in vielen Ecken traumhaft schön. Die Fahrt durch die Berge, die etwas stilleren Buchten ohne Hotelburgen – ich könnte es hier auch länger aushalten. Aber was schon krass ist: wie Deutsch die Insel teilweise ist. Komisch, ist mir total unangenehm – wenn ich im Ausland auf eine ‚Lingua Franca‘ umsteige, dann hat das Englisch zu sein. Hier wird man immer wieder auf Deutsch angesprochen. Dabei reißt es mich jedesmal. Das Plakat an der Autobahn, das Umzugsunternehmen („Umzüge in Mallorca leicht gemacht“), der Kellner im Burgerladen, die Frau vom Mietwagen, offensichtlich sind meine Spanischversuche von einem deutschen Akzent geprägt. Aber dass unser Peugeot 208 als Menüsprache Deutsch hat, der eingestellte Radiosender „Inselradio Mallorca – mit den neuesten Nachrichten“ ist, und man an Läden vorbeikommt, wo die Werbung NUR auf Deutsch ist –das finde ich verstörend.
Praktischer Tipp:
Frank meint, dass ich mehr Traffic für meinen Blog generieren könnte, wenn ich praktische Tipps gaben würde, also versuche ich das jetzt umzusetzen: die linke Männerdusche in Cala Figuera ist besser – besserer Wasserdruck.
wegen dem Schnitzel auf Malle – mach dir keine Gedanken, ich hab mit Christi mal Leberkäs mit Kartoffelsalat auf Bali gegessen. Du siehst, es geht nicht nur dir so. Der Leberkäs war damals OK, aber der Kartoffelsalat war die Norddeutsche Variante mit Majo. Bäh.