Die sechzig-köpfige Garnison von Christiansø ist bereit. Kanonen starren in alle Himmelsrichtungen aus den Schießscharten, seit Jahrhunderten wurde die Insel nicht vom Feind eingenommen. Langsam nähert sich das Schiff mit ca. 100 Invasoren an Bord, alle sind bereit.
Na gut, wir relativieren das. Die Garnison besteht im Wesentlichen aus Mitarbeitern der Gastronomie und anderen Zweigen der Tourismus-Industrie, die Vorbereitung besteht im Aufdecken der Tische auf der Sonnenterasse, und die 100 Invasoren sind ganz einfach Tagestouristen, die von Bornholm hier nach Christiansø mit der Fähre kommen. Kanonen starren tatsächlich in alle Himmelsrichtungen, aber sie sind mit Beton gefüllt und rosten friedlich vor sich hin.
Wikipedia erklärt: Christiansø bildet mit Frederiksø, Græsholm und kleineren Felsen eine Schären-Inselgruppe in der Ostsee 18 Kilometer nordöstlich von Bornholm, die den Namen Ertholmene (die Erbseninseln) trägt und der östlichste Punkt Dänemarks ist. Im Jahre 1684 befahl König Christian V. auf der Inselgruppe, die bereits einen Naturhafen hatte, den Bau der Seefestung Christiansø mit einem befestigten Hafen für die dänische Flotte und ließ für diesen Anlass Medaillen prägen. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bau des Großen und Kleinen Turms sowie von Bastionen, Kasernen, Werkstätten und Häusern für Munition begonnen. Die Festungsanlage diente auch der Handelsschifffahrt und wurde von rund 300 Handelsschiffen jährlich angelaufen. Die Festungsmauern, Bastionen und Türme sind bis heute erhalten geblieben und geben der Insel ihr Gepräge. Die Ertholmene sind einer der wärmsten, sonnenreichsten und trockensten Plätze Dänemarks, so dass hier auch Feigen, Walnuss- und Maulbeerbäume gedeihen können.
Christiansø war die bislang beste Entscheidung unserer Reise auf der Ostsee, und da zähle ich auch letztes Jahr dazu. Eine der schönsten Flecken Erde, die ich besucht habe (ich will mich aber lieber nicht festlegen wie viele ’schönste‘ Orte ich im Kopf habe). Am Pfingstsonntag sind wir von Swinemünde nach Bornholm gefahren, nach ca. der Hälfte der Strecke kam auch genügend Wind auf, dass wir den Blister (ein Leichtwindsegel in den Modefarben des Baujahres unsere Schiffes; very Eighties) gesetzt haben. Um halb elf Uhr nachts sind wir dann in Nexö eingelaufen, der zweitgrößte Stadt auf der Insel Bornholm (das wir uns richtig verstehen: groß ist die Stadt deswegen im internationalen Maßstab nicht). In Nexö sollten Corinna und JUB die Gelegenheit haben, etwas von Bornholm zu erkunden, und Frank und ich wollten uns um ein paar weitere Baustellen auf dem Schiff kümmern. Seit Swindemünde streikt unsere Frischwasserpumpe, ein Lager ist kaputt, aber das wissen wir natürlich noch nicht. Wir merken nur, dass kein Wasser aus unserem Tank in die Spüle gepumpt wird. Also Fehleranalyse, ausbauen, auseinanderbauen, saubermachen, testen, funktioniert, zusammenbauen, testen, funktioniert nicht mehr, wieder auseinanderbauen, dann fehlt ein Werkzeug, am Schiff nebenan ausleihen, usw… Wir stellen fest, dass das Lager vom Motor kaputt ist, und sich kaum noch dreht, jedenfalls nicht die Kugeln. Am Ende sprühen wir WD40, Silikonspray und Marine-Fett in das Lager, es dreht sich wieder, auch wenn der Radau uns klar macht – lange geht das nimmer. Gegen Mittag sind wir fertig, kochen noch etwas, und brechen dann doch ungeplanterweise eben nach Christiansø auf. Abends um acht sind wir da, legen neben zwei anderen Yachten im Päckchen an und machen eine erste Erkundung über die Insel. Wie soll man’s beschreiben? Un-fucking-glaublich idyllisch, beide Hauptinseln lassen sich in einer Stunde umschlendern, die Zeit scheint vor 200 Jahren stehen geblieben zu sein, lauter kleine Häuschen, und nicht viel los. Unsere Bootsnachbarn (aus Abendsberg) beschreiben die Insel als Wimmelbild, und dem kann ich mich anschließen.
Dienstag ist sehr wenig Wind angesagt, und der auch noch aus der falschen Richtung, also machen wir hier einen Hafentag bei bestem Wetter und ohne kühlen Wind. Ungefähr um halb elf legt das Postschiff an, ein Kühlschrank und einige Paletten mit Getränken werden ausgeladen, und ein Dutzend Mülltonnen an Bord des Schiffes für den Transport nach Bornholm aufgeladen. Es bleibt idyllisch. Das ändert sich um elf – die Personenfähre aus Bornholm kommt an und spuckt vielleicht hundert Tagestouristen aus. Ach was komme ich mir überlegen vor – durch’s Übernachten sind wir ja schon fast Inselbewohner und können auf diese ganzen yachtlosen Touristen herabblicken. Obwohl – stimmt nicht ganz, man blickt zu Ihnen auf, während sie an der Hafenmauer stehen, und man selber unten im Cockpit sitzt und dort in der Sonne seinen Campari-Orange trinkt – seit dieser Saison haben wir eine zweite Kühltruhe, die kalt genug für Eiswürfel schafft.
Ach ja – und ich setze mich in die Wirtschaft, die gestern Abend noch komplett verlassen war, und schreibe bei einem Bier mal wieder Blog.
Am Mittwoch fahren wir in Richtung Schweden. Der Wind kommt in Böen bis Windstärke sieben kräftig von schräg hinten, und wir jagen mit bis zu 9 Knoten gen Norden. Es hat auch ordentlich Welle, die sich immer mehr aufbaut. Stolz sind wir auf unsere Mitreisende, die nur bedingt seekrankheits-resistent ist, aber die ganze Fahrt mit Bravour überstanden hat. Unser Ziel ist Utklippan, eine einsame Insel, die nicht ganz das Ende der Welt ist, aber das südöstlichste Ende von Schweden. Auf einer kleinen Schärengruppe, auf der ein alter Leuchtturm steht, wurde ein Hafenbecken in den Fels gesprengt, durch eine sehr enge Einfahrt kommt man von Osten oder Westen rein. Es hat zwar noch heftigen Seitenwind, aber wir sind das zweite Boot im Hafen und legen an. Die Insel zählt jetzt nicht zu den ’schönsten‘ aber sehr witzig. Es gibt ein kleines Plumpsklo an der Hafenmauer, laut Reiseführer ein „Müllbad“, und eine kleine Hütte, die wir Yachtklub taufen – große Fenster nach Westen, den ganzen Tag in der Sonne, auch hier lässt sich Blog schreiben. Am Ende sind es sechs Boote im Hafen, Frank kocht uns ein Risotto, wir fotografieren den Sonnenuntergang – der Urlaub lässt sich gut an.