Zwei Wochen Segelurlaub in einem Tag

Wir befinden uns in der Woche vor dem 17. April. Der ganze Motoreinbau ist erledigt. Der ganze Motoreneinbau? Nein! Ein von unbeugsamen Einbauvorschriften geforderter neuer Auspuff hört nicht auf, unseren Ferien ein Hindernis zu sein. Eigentlich waren wir optimistisch – das Schiff war ein paar Wochen zuvor aus dem Wasser gekommen, neue Seeventile und der tolle neue Propeller konnten montiert werden, und der Motor war auch schon im Schiff. Aber ein paar Tage vor dem Abflug rief Ioannis an, und schlug uns vor, den Auspuff direkt aus dem Motorenraum ins Freie zu führen. Mehr dazu unten.

Wir hatten geplant, in den nun folgenden zweieinhalb Wochen eine kurze Probefahrt mit dem Schiff zu machen, über den Umweg Santorini (um bei Problemen nicht allzu weit weg von Kalamata zu sein) nach Sizilien zu fahren. Das es damit evtl. nichts wird, ahnten wir schon länger. Wir hatten deshalb auch nicht besonders intensiv um Mitsegler geworben, eher leidgeprüfte Mitbastler gefragt – und uns auch selber eher spät bezüglich des Termins festgelegt. Kurz vorher gebucht war die preiswerteste Variante ein Flug für 320€ (hust – pro Person) nach Athen, und von da aus mit dem Bus nach Kalamata. Immerhin eine Gelegenheit bei der achten Reise nach Griechenland innerhalb eines Jahres mal die Akropolis zu sehen. Folgerichtig ein Hotel in Downtown Athen gebucht, und am Morgen des 18. Aprils stehen wir um kurz nach acht an den Toren der Akropolis. Zufälligerweise ist der ‚Tag des Monumentes‘, der Eintritt ist frei, und wir schlendern an alten Säulen und Theatern in die ‚Oberstadt‘ (= Akropolis wörtlich übersetzt). Dort angekommen kann ich ein paar Selfies mit Parthenon machen, und Frank sieht sogar noch den Wachwechsel an der griechischen Flagge, einschließlich schief singender Soldaten. Während wir entspannt die Aussicht genießen füllt sich der Hügel immer mehr. Hier folgt die Gruppe „Mein Schiff 2 – 36“ einem Regenschirm, dort versuchen mehrere Asiaten mit Selfiestick die Erhabenheit des Augenblickes festzuhalten. Als wir ca. 9:30 vom Hügel hinabsteigen quälen sich uns Menschenmassen entgegen. Bloß weg hier. Mein Tipp für Besucher: um 7:50 am Eingang sein, sofort den Berg rauf sprinten, und den weniger beeindruckenden Rest am Fuße des Hügels danach besichtigen.

Danach noch das Akropolis Museum ansehen – auch sehr sehenswert. Die alten Steine sind nett, aber wir philosophieren mehr über andere Aspekte: Die wertvollsten Stücke der Akropolis sind im sogenannten „Elgin Room“ des British Museums ausgestellt. Thomas Bruce, 7. Earl of Elgin war ein Diplomat und ‚geschickter Kunsträuber‘, der Anfang des 19. Jahrhunderts große Teile des Tempels vor dem unzuverlässigen Schutz der Griechen rettete, um ihn für die würdige britische Nachwelt zu erhalten. Der anklagende Ton auf den Schautafeln im Museum lässt sich nicht überlesen. In Athen verblieben nur ein paar kleine Fragmente, wo wir die Archäologen nur bemitleiden können. Ein etwa ziegelsteingroßer Brocken wird als linkes Handgelenk von Zeus identifiziert, die gesamte ca vier Meter hohe Plastik ist drum herum nachgebildet – echt jetzt? Das wissen die von dem unförmigen Steinklumpen?

Durch einen Zufall ist auch ein Arbeitskollege von mir – Johannes – gerade in Athen, als Teil einer Vierer Gruppe. Ohne genau erklären zu können, warum, fanden wir die Idee witzig, sich zu treffen. So spielen wir den Vormittag über Whatsapp-Ringelreihe: „ja, wir wären jetzt hier“ – „Ach so, na ja wir gehen jetzt erst noch hier hin.“ Gegen Mittag zieht es etwas zu, der Himmel verdunkelt sich, die Götter zürnen… Gut, beim letzten Teil bin ich nicht sicher, aber am Vortag hat tatsächlich ein Blitzschlag auf der Akropolis vier Leute verletzt. Jedenfalls will die Gruppe Johannes irgendwo ‚indoor‘ etwas zum Mittag essen, und haben auch schon ein Restaurant von Onkel Google vorgeschlagen bekommen. Gut – treffen wir uns dort. Frank und ich schaffen es schneller, und ringen der Bedienung beharrlichen einen Sechsertisch im Salon ab. Die anderen sind bestimmt gleich da. Als sie nach einer Viertelstunde da sind, ist’s draußen schon wieder heller, und die Begleiter von Johannes und seiner Verlobten wollen lieber al fresco sitzen. Wir haben keine Lust, der Bedienung die neue Situation zu erklären und bleiben drin, bestellen dort. Johannes ist das ganze peinlich, er wechselt im Laufe der nächsten vierzig Minuten öfters mal den Tisch von drinnen und draußen.

Google Maps hatte bei der Planung in München für die Strecke zwischen Hotel und Busstation sechzehn Minuten ermittelt. Als wir also vierzig Minuten vor Abfahrt des Busses im Hotel unser Gepäck einsammeln, wähnen wir uns gut in der Zeit. Merke: eine spät am Abend ermittelte Zeit trifft im lebhaften Nachmittagsverkehr von Athen nicht zu. Das Taxi braucht alleine zwanzig Minuten, um durch die chaotischen Gassen der Altstadt zum Hotel zu kommen. Gut, dass wir nicht mit dem letzten Bus geplant haben, um 16:30 macht sich der K-TEL Express-Bus auf den Weg nach Kalamata.

Da wir davon ausgehen, dass das Schiff weiter in eher zerlegtem Zustand auf uns wartet und außerdem die sanitären Einrichtungen des Schiffs an Land nicht funktionieren, haben wir uns wieder bei Theoni in einer Ferienwohnung eingemietet. Nachdem wir das Gepäck dort abgelegt haben, suchen wir neugierig die Seestern. Wenn das Schiff an Land steht, wirkt es größer als im Wasser. Ich komme mit ausgestrecktem Arm gerade mal von unten an die Wasserlinie, darüber ist das Schiff nochmal ca. 1,50 hoch; man steht also ca. 4m über dem Boden ‚an Deck‘. Ich fühle mich da nicht ganz wohl, und auch die selbstgezimmerte Leiter trägt nicht zu meinem Wohlbefinden bei. Aber einmal an Bord stellen wir fest, dass der Motor an seinem Platz ist – das ist schonmal gut. Ansonsten sind noch einige kleine ‚Restarbeiten‘ zu erledigen, wie der Anschluss der Treibstoffleitung, des Kühlwassers, des Auspuffs, der Elektrik, der Propellerwelle und der Bedienelemente für Gas und Getriebe.

Am kompliziertesten dabei ist sicherlich der Auspuff. Die Einbauvorschriften (und die müssen befolgt werden, da wir überraschenderweise Wert auf die Garantie legen) schreiben einen Innendurchmesser von 90mm vor. Der alte hatte 50mm, deshalb klemmt es jetzt an allen Ecken und Enden. Ioannis hatte vorgeschlagen, den Auspuff einfach auf schnellstem Weg direkt durch die Bordwand des Maschinenraums zu legen. Super Idee. Da hat man auch öfters die Chance, die Auspuffgase auch während der Fahrt zu genießen. Es hat schon Gründe warum (auch bei Autos) der Auspuff meistens nach hinten geführt wird. Nein. Er soll auch weiter durch den Unterschrank in der hinteren Toilette und danach unterm Bett der hinteren Kabine führen. Schnell beschließen wir, dass wir auf großen Teilen der Strecke Auspuff und das Heizungs/Lüftungsrohr tauschen – wer braucht’s im Schlafzimmer schon so warm? Aber besonders in der hinteren Kabine klemmt es weiterhin, wo der Auspuffschlauch an den Drahtseilen für die Ruderbetätigung, dem Autopiloten und dem Ruderquadranten vorbeimuss. Aber eigentlich sind wir überzeugt, dass es klappen müsste. Am nächsten Tag treffen wir Ioannis, und er nimmt er stimmt unserem Vorhaben zu – nebenbei wird er daran einiges zusätzlich verdienen. Ich darf den alten Auspuffschlauch ausbauen, damit wir die Länge ermitteln können. Immerhin kostet der laufende Meter über 40 Euro, und der Schlauch muss erst aus Athen geliefert werden. Der alte Schlauch ist ein rechtes Biest – eigentlich mit dem Teppichmesser zu schneidender Gummi, aber leider ist auch ein stabiler Metalldraht als Spirale verlegt, und nicht immer kommt man da mit dem Seitenschneider hin. Flüche und Schweiß begleiten den Ausbau, und am Ende liegen Teilstücke mit einer Gesamtlänge von sechs Meter neben dem Schiff. Faszinierenderweise ist keine 24h später der neue Schlauch geliefert und auf dem Schiff. Doch bevor er ein paar Tage später fertig eingebaut ist werden noch viele Detaillösungen aus Edelstahlrohr speziell hergestellt werden, einschließlich der Durchführung durch die Bordwand. Auch ein fetter Wassersammler (groß wie ein 15 Liter Bierfass) muss seinen Platz im Motorenraum finden und angeschlossen werden.

Derweil kümmert sich hauptsächlich Frank (Diplomingenieur Elektrotechnik) um unsere Elektrik; je länger wir diese erkunden, um so öfter erschrecken wir. Mit Ausnahme der Beleuchtung wurden wohl alle Geräte auf dem 30 Jahre alten Schiff schon einmal ausgetauscht oder nachgerüstet (Navigationsinstrumente, Autopilot. Laderegler, Solarzellen, Windgenerator, Stereoanlage mit sieben Lautsprechern, zwei Funkgeräte usw.) Wer auch immer vorher diese Geräte eingebaut hat, war ein Mega-Dilettant. Zu kleine Leitungsquerschnitte, verwirrende Leitungsführung, stümperhaft ausgeführte Kabelverbindungen, vier Sicherungen in einem Kabel und gar keine im nächsten, und viele alte Kabel, die einfach abgeknipst wurden und nun nutzlos im Schiff liegen und den Überblick erschweren. Denen tauchen wir nun hinterher. Frank sitzt im Motorenraum und wackelt an einem Kabel. Chris sitzt in der Backskiste bis klar ist, welches Kabel gemeint ist. Dann wechselt Frank zu unserem Cockpit, und mit weiterem Kabelzupfen ist identifiziert, dass dieses Kabel in einem großen Kokon aus Isolierband verschwindet. In dem Kokon verbergen sich ein paar Lüsterklemmen, das Kabel war mal mit einem gelben verbunden, was aber kurz hinter dem Kokon abgeknipst ist. Triumphierend entfernen wir den Kokon und das Kabel. Weiteres Beispiel: unsere Massekabel. Alle elektrischen Verbraucher im Schiff brauchen eine Verbindung zur ‚Masse‘ um den Stromkreis zur Batterie zu schließen. Der Motor ist in diesem Zusammenhang ein zentraler Punkt – ein Riesenklumpen Metall, der solide mit dem Minuspol der Batterie verbunden ist (sein wird). Die meisten Einbauanleitungen für elektrische Geräte enthalten einen Satz wie „Schließen Sie das schwarze Kabel an einen guten Massepunkt wie zB dem Motor an“. Unsere Vorbesitzer haben das eher wörtlich genommen. Alle möglichen Geräte sind mit einem kleinen schwarzen Kabel direkt am Motor angeschlossen, auch wenn direkt neben ebendiesem Gerät der Minuspol der Batterie liegt. Im Motorenraum herrscht auch deshalb ein verwirrendes Gewühl von Kabeln, die nun alle wieder eine Verbindung suchen. Wir konsolidieren das System, schaffen an diversen Punkte großzügig dimensionierte Masseschienen, und kürzen die kleinen Kabel dorthin. Bis zum Ende der Reise ist die Verkabelung wesentlich übersichtlicher, und dennoch funktioniert alles.

Von Samstag bis Dienstag sind Karin und Ramsi in Kalamata; in ihrem regulären Osterurlaub haben sie sich alte griechische Steine angesehen, und machen nun einen Abstecher zu uns. Ursprünglich wollten wir die Tage Segeln gehen, aber der schleppende Fortschritt der Arbeiten am Schiff machen uns einen Strich durch die Rechnung. Immerhin eine gute Ausrede, am Nachmittag etwas früher Schluss zu machen, und noch einen Ouzo als Aperitiv zu trinken. Am Montag nutzen wir Ramsi und sein Mietwagen aus, und fahren kreuz und quer durch die Stadt um ein paar Teile zu besorgen.

Typisch ist die Geschichte der Erdungsschiene, die ein zentrales Element unserer Masse-Konsolidierung darstellt. Kommerziell erhältliche Lösungen sind entweder windiges (aber teures) Spielzeug, dabei brauchen wir eigentlich nur ein Stück Metall, an dem sich diverse Kabel festmachen lassen. Nachdem wir erfolglos einige Elektroläden besucht haben, sehen wir eine kleine Schlosserwerkstatt. Ein Stück Baustahl mit ein paar Löchern (oder noch edler: Gewindebohrungen) würde reichen. Klar, dass kann der Schlosser machen. Aber er hat kein Rohmaterial da, das bekommt ihr hier. Nach einigem Gefummel auf dem Handy mit Google Maps kennen wir die Adresse und fahren zum Stahlhändler. Im gut sortierten Stahllager finden wir ein Stück Flachstahl, zwar etwas massiver als nötig, aber dafür muss es nicht mehr gesägt werden. Wir kaufen noch ein paar Schrauben, und der Händler verlangt mit einem Grinsen einen Euro – für alles. Dann wieder in die Stadt, hier bitte 10 Löcher bohren, davon 8 mit Gewinde. Es wäre eigentlich in einer Stunde fertig, aber da wir die Öffnungszeiten nicht kapieren erhalten wir es erst am nächsten Morgen. Zehn Löcher, fünf Euro.

Mit Karin und Ramsi verbringen wir auch einige Zeit an Bord, aber die Seestern ist aktuell nicht am vorzeigbarsten. Die Sofas sind von allen möglichen Teilen wie den Türen zum Motorenraum belegt, an vielen Ecken sind Verkleidungen abgeschraubt, und auch das Rigging ist teilweise nicht normal befestigt, da der Travellift der Marina unsere Ketch von vorne anfahren muss, und dabei war der Vorstag im Weg. Also bleibt es bei einer Besichtigung, die viel Phantasie erfordert, und statt einem gepflegten Aperitiv an Bord verziehen wir uns wieder in die Hafenkneipe. Immerhin motivieren uns die beiden, auch mal unsere ‚Hood‘ zu verlassen – Kalamata bestand für uns bislang aus den Kneipen direkt an der Marina, und ein paar Handwerkerläden. Tatsächlich gibt es eine lebendige Altstadt mit zig Tavernen. Yamas!

Montag und Dienstag kümmern sich Ioannis und Michaelis noch um unseren Auspuff, und am Mittwoch Mittag ist alles vollbracht – unser Boot ist fertig! Ich leider auch. Während in München Ostern bei 27° gefeiert wurde, war es in Griechenland recht kalt, und ich bekam ab Wochenanfang ein fette Erkältung. So kann ich Mittwoch gerade noch am Morgen unsere angepasste Gangway vom Inox-Ioannis holen, und dann verziehe ich mich ins Bett, wo ich bis Freitag hauptsächlich bleibe. Was bin ich froh, dass wir eine Ferienwohnung haben. Frank versucht derweil, dass unser Boot wieder ins Wasser kommt, und kümmert sich weiter um die Elektrik.

Leider ist das Wasser im Hafen aktuell wieder zu niedrig, mit trauriger Miene bedauert der Travellift-Operator, dass er uns leider nicht ins Wasser bringen kann. Wir sind dabei in einer Schicksalsgemeinschaft mit der „Pandora“ aus Marseille. Die französische Rennsemmel musste nur kurz aus dem Wasser, um den Unterwasseranstrich und eine Propellernabe zu erneuern, und steht direkt vor unserem Schiff. Sie hat vielleicht 10 Zentimeter mehr Tiefgang, und – was schlimmer ist – ein langes schmales Ruder was auch den vollen Tiefgang ausnützt. Das Ruder ist schnell beschädigt, würde es eine Grundberührung haben. Jetzt sind alle Eigentümer da, und haben in zehn Tagen einen reservierten Liegeplatz in und einen gebuchten Abflug ab Athen. Noch nehmen sie’s mit Humor, aber der wird in den nächsten sechs Tagen auch schwinden. Auf weitere sechs Tage wird sich das Trauerspiel noch ausdehnen, welches folgende Figuren und Handlung hat: Die Marina in Kalamata hat einen Travellift, und ein dazu passendes Becken. Der Travellift ist ein ca. sechs Meter breites Ungetüm, welches wie ein Kasten ein Schiff umschließt, und dabei zwei Gurtschlaufen hat, mit dem das Schiff angehoben wird. Er benötigt ein Becken mit zwei parallelen Fahrspuren auf jeder Seite, und dieses Becken muss tief genug sein, um den Tiefgang des Schiffes aufzunehmen. Ist es aber nicht, zumindest wenn der Wind das Wasser aus der Bucht drückt, behauptet der Travellift-Operator. Er ärgert sich über die Marina, die zu geizig wären, um an der Stelle den Hafen einfach etwas tiefer auszubaggern. Die Marina behauptet, die Hafenbehörde würde das Ausbaggern nicht erlauben, und der Operator solle sich nicht so anstellen. Unser Mechaniker ist auch eher schlecht auf die Marina zu sprechen. Von anderen Seglern im Hafen kennen wir die Geschichte von Finn – sein Schiff wurde damals in den Schlamm gesteckt, und kam erst nach einer Stunde mit einiger Gewalt frei. So schauen wir täglich, ob das Wasser heute höher ist, und dann kommt noch das orthodoxe Osterfest daher. Ostern ist für die Griechen das höchste Fest – die Wahrscheinlichkeit, dass über die Feiertage etwas passiert, ist eher gering. Die Franzosen werden immer ärgerlicher und lauter, drohen damit keine Liegegebühren mehr zu zahlen aber bis Dienstag nach dem Osterwochenende hilft es nichts. Dann – die Franzosen haben gerade noch drei Tage um nach Athen zu kommen – erklärt sich der Travellift Operator bereit, es zu versuchen – aber er übernimmt keine Haftung. Es wird ein Spektakel mit viel Publikum. Der Travellift hebt das Schiff an, der Unterwasseranstrich wird dort ergänzt, wo das Schiff abgestützt war, und die Prozession begibt sich zum Becken. Langsam wird das Schiff am äußersten Ende der Fahrspur ins Wasser gesenkt, es wird auch so in die Schlaufen gelegt, dass es möglichst weit draußen hängt. Ioannis, der Taucher, springt ins Wasser und gibt Entwarnung – es hat auch am Ende noch 15cm Wasser unterm Kiel – mehr als der im Seemannsgruß geforderte Handbreit. Am Rande der Veranstaltung gibt es zornige Diskussionen zwischen Marinamanager und den anderen Parteien. Uns egal – jetzt sind wir dran; wenn’s bei den Franzosen klappt, dann bei uns erst recht. Wir richten schnell noch Festmacher und Fender an allen Ecken, müssen runter vom Schiff, Ioannis‘ Gehilfe Din ergänzt den Unterwasseranstrich, und los geht’s. Eine Stunde später schaukelt die Seestern am Steg „H“.

Dabei haben wir das erste Mal unseren neuen Motor angelassen. Wow – ist das Ding ruhig; obwohl die Türen des Motorenraums fehlen, und auch einiges an Schalldämmung, brabbelt er leise vor sich hin. Michaelis kommt noch schnell, um den Betätigungszug des Getriebes anders zum montieren (sehr spannend, einzuparken, wenn man dabei immer dran denken muss, Gas in die falsche Richtung zu geben). Der letzten Akt – die Probefahrt mit Garantieabnahme – findet erst am Donnerstag statt, da der Mittwoch auch wieder ein Feiertag ist: 1. Mai. Immerhin haben wir so Zeit, das Schiff wieder seefertig zu machen. Wir schrubben den Saharasand vom letzten Sandsturm weg, hängen den Vorstag ein, und setzen die Backstage wieder unter Spannung. Wir bauen an unserer neuen Steuersäule das Kästchen an, mit dem wir ab jetzt unser Bugstrahlruder bedienen werden, und räumen allgemein auf. Am 2. Mai, um 09:00 kommt Dimitris vom autorisierten Volvo Penta Händler, um den Einbau abzunehmen. Wir sind bereit.

Gut, mit Punkt 9:00 hat jetzt wirklich niemand gerechnet, aber immerhin kommt um kurz vor 11 die Prozession von Ioannis, Michaelis und Dimitris ans Schiff. Nach einer visuellen Inspektion lassen wir den Motor an, und verlassen dann den Hafen. Bei verschiedenen Drehzahlen notiert der Händler die erreichte Geschwindigkeit, und beruhigt uns, als bei 3000 Umdrehungen (Maximum für den Schiffsdiesel) der Motor zu stinken und rauchen beginnt: „Auch der Abgaskrümmer ist bei der Auslieferung lackiert, ganz normal das am Anfang die Farbe wegbrennt“. Wir fahren mehrmals im Kreis um einen in der Bucht auf Reede liegenden Autotransporter, sind beindruckt von der erreichten Geschwindigkeit auch mit mäßigen Drehzahlen und witzeln, dass wir nach einsetzen der Schalldämmung eine rote Warnlampe brauchen werden, die uns anzeigt, dass der Motor läuft. Beeindruckend leise, das Ding.

Zurück im Hafen werfen wir als erstes die To-Do Liste über Bord. Wir bringen unsere Bootspapiere wieder zum Hafenmeister – damit ist das Schiff ’nicht in Benutzung‘ und die seltsame griechische Bootsteuer wird nicht fällig – nicht, dass wir zu geizig wären, sie zu zahlen, aber eine Woche vor in-Kraft-treten der Steuer gibt es noch kein sicheres Verfahren, wie sie zu entrichten ist (sie wurde bereits zweimal verschoben, weil es keine Ausführungsbestimmungen gab). Dann holen wir im Supermarkt ein paar kalte Dosen Bier, und gehen erstmal zurück auf’s Schiff um ein wenig zu feiern. Für um fünf haben wir uns mit Ioannis und seinem Team verabredet – war mir schon länger ein Anliegen, um für gute Stimmung zu sorgen und nicht nur als Einkommensquelle respektiert zu werden.

Am 3. Mai geht’s am Morgen mit dem Flieger wieder nach München – wir sind in zweieinhalb Wochen in Griechenland insgesamt 2 Stunden Schiff gefahren – Segeln wäre übertrieben.  Das muss besser werden.