Åland und der Heimweg (also nach Estland)

Mit dem Taxi zum Nordpol

[in der Überschrift sind ein paar Lügen, lest den Artikel um sie zu erkennen]

Das Feuer prasselt im Ofen. Ramsi schiebt noch zwei Scheite Holz in den Schwedenofen. Langsam wird’s warm. Es muss ein Schwedenofen sein, denn er steht in Schweden, genauer gesagt in der Sauna des Gästehafens der Insel Hindersön. Auf dem Ofen prangt in Edelstahl das Signet „Bottenvikens Skärgård“. Seit Estland ist das Thema Sauna immer präsenter geworden. Als Facilities hat dieser Hafen die Pier, ein Plumpsklo und eben eine Sauna. Die Hafengebühr beträgt ungefähr 9 €, für die Sauna trägt man sich ein und darf sie kostenlos in Schichten benutzen. Uns wäre es ja wurscht, aber da nur vier Boote im Hafen liegen, hat uns Karin für einen einstündigen Slot eingetragen. Die Schweden vor uns sind etwas früher fertig, kommen zu unserem Boot: wir könnten schon jetzt, wenn wir wollen. Also auf! Tatsächlich hat es ungefähr 25°, so richtig Bedarf am Aufwärmen haben wir nicht. Auch das Abkühlen gestalten sich schwierig – unsere Bordinstrumente melden 24,3° Wassertemperatur. Vor ein paar Tagen war ich das erste Mal im Meer, knapp 130 km südlich des Polarkreises. Ganz verwegen kam ich mir vor – wir hatten vorher die Wassertemperatur nicht geprüft, drückte einem Schweden mein Mobiltelefon in die Hand um meinen Wagemut zu dokumentieren. War dann aber gar nicht so schlimm. Das Wasser hier im bottnischen Meerbusen ist interessant, eigentlich Süßwasser, da kräftig von Flüssen gespeist, und kaum Austausch mit dem Rest der Ostsee oder gar einem Ozean. Es hat die Farbe eine bayrischen Moorsees, und eine ähnliche Temperaturschichtung. Die 24,3° sind also an der Oberfläche, schon beim Kopfsprung dringt man in kühlere Schichten ein.

Aber kurz zur aktuellen Crewzusammensetzung: Seit Donnerstag sind Karin und Ramsi aus Berlin da, es war Ramsis Yachtkauf im Jahr 2017, der uns überhaupt erst auf die Idee mit dem Schiff brachte. Frank kam dann am Freitag für die zweite Hälfte seines Urlaubs nach Luleå, nun sind wir also zu fünft. Am Samstag brechen wir von Luleå aus auf, fahren auf die kleine Insel Brändönskär. Auch hier: Plumpsklo und Sauna, und eine schweineidyllische schwedische Kulisse. Wir lesen nach, dass die kleinen Fischerhütten kein Privateigentum waren, sondern von allen Fischern der Gegend genutzt werden durften, sie mussten nur ordentlich hinterlassen werden, mit Brennholz für ein Feuer, und Salz (zum Einlegen der gefangenen Heringe). Auf dem Hügel hat es eine kleine Kirche, 1774 erbaut, mit Bänken, die zu der protestantischen Büßertradition passen. Leider kaum Wind auf der Fahrt, dafür ein Bombenwetter. Hier gehe ich das erste Mal ins Wasser.

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag nach Törehamn fahren, dem nördlichsten Punkt der Ostsee, aber die Windprognose lässt uns unsere Pläne ändern, wir fahren erst nach Haparanda. Dort gibt es einen Segelklub mit Bootshaus, welches irgendwie der nördlichste Punkt der Ostsee im Herzen ist. Hier ist es Tradition, einen Wimpel seines eigenen Segelklubs zu hinterlassen, wir haben leider keinen. Es ist mittlerweile eher warm in Nordschweden, wir schwimmen nun alle vom Boot aus.

Für den Montag haben Karin, Ramsi und ich beschlossen, uns ein Auto zu mieten und noch einen Haken hinter den Punkt „Polarkreis“ zu setzen. Ich war zwar vor 29 Jahren schonmal, aber sowas kann man ja auch erneuern. Haparanda Hafen liegt ungefähr 16km von Haparanda Stadt entfernt, dreimal täglich geht ein Bus. Hinter der Busstation ist der Torne älv, der Grenzfluss nach Finnland. Wir laufen über eine Brücke nach Tornio, wo wir einen VW Golf für den Tag gemietet haben, und fahren ca. 100km nach Norden. Die Stadt Rovaniemi ist das Tor nach Lappland, und der offizielle Wohnsitz des Weihnachtsmanns. Deshalb gibt es das Santa Claus Village. Pures Kitschni-land. Verkäuferinnen mit Elf-Mütze, ein offizielles Weihnachts-Postamt, Souvenirshops und diverse Outlets. Natürlich auch eine Photo-Op mit dem Weihnachtsmann – das haben schon ganz andere gemacht.

Das mit dem Polarkreis ist gar nicht so einfach. An sich ist es der Breitengrad, an dem an einem einzigen Tag des Jahres die Sonne überhaupt nicht untergeht, und entsprechend am 21 Dezember die Sonne nie aufgeht. Da aber die dafür verantwortliche Erdachse leicht taumelt, verschiebt sich der der Polarkreis pro Jahr um 14,5m nach Norden, und es finden sich mehrere Angaben. Apple Maps zeichnet den Polarkreis zB durch ein Shopping Zentrum mitten in Rovaniemi, ‚offiziell‘ wird er durch einen weißen Strich im Santa Claus Village markiert (hier lassen sich die besten Selfies machen), und Wikipedia meint, dass der Polarkreis bei 66°33’55“ (Dezimal 66,565°) liegt, welches wir mit Google Maps auf einer Landstraße nördlich von Rovaniemi ermitteln. Egal, wo – wir waren da. Es hätte auch noch das „Arktikum“ – Erlebnis Museum – gegeben, aber leider hat Montags alles zu. Also fahren wir zurück nach Tornio, lassen den letzten Bus sausen, gehen noch Essen und lassen uns mit einem Taxi die 20km zurück nach Haparanda Hamn fahren.

Am nächsten Tag stehen wir etwas früher auf, und schaffen immerhin die Hälfte der Strecke nach Törehamn mit Segeln – der Wind war uns nicht besonders hold in der Woche. In Törehamn gibt es eine gelbe Tonne, die den nördlichsten Punkt der Ostsee markiert. Auch das Betrug, man kann sie nördlich umrunden, also kann sie gar nicht am nördlichsten Punkt sein, aber wir wollen mal nicht kleinkariert sein. Wir legen an, holen uns das Zertifikat vom angeschlossenen Campingplatz, und kochen ortstypisch Fajitas. Am nächsten Morgen noch eine kurze Schwimmrunde vom Steg zur Tonne, und dann geht’s wieder nach Süden – auf nach Hindersön. Die Insel hat übrigens nicht nur einen schnuckeligen Hafen mit Sauna zu bieten, es gibt auch einen kleinen Weg durch den Wald und viele Mücken. PS: der richtige Titel wäre also gewesen: „nach dem Polarkreis mit dem Taxi nach Schweden“, aber ich finde das klingt nicht.

Ja bin ich im Wald hier?

Ach ja, Segeln: das weite offene Meer, bis an den Horizont und weiter. So stellt Ihr Euch das auch vor, oder? Hier in Finnland, da kommt mir öfters in den Sinn: “ 🎶Ja bin ich im Wald hier? 🎶 Wo bleibt denn mein Altbier? 🎶“. Ach ne, kein Trinklied, hier geht’s ja wirklich um den Wald. Im Allgemeinen ist der Wald nicht das klassische Revier des Segelboots. Wenn ich mich jetzt so umsehe, dann ist rund um die Seestern nur Wald. Es hängt ein wenig von der Perspektive ab – von der ersten Stufe am Niedergang aus sieht man kein Wasser, vom Steuerstand aus erkennt man natürlich, dass man hier vielleicht in einem größeren Waldsee unterwegs ist. Aber tatsächlich, der Rundblick offenbart nirgendswo das große, weite Meer. Das ist Schärensegeln in Finnland.

Wir folgen mit der Seestern sklavisch einer betonnten Route. Dafür gibt es zwei Systeme – Lateralzeichen und Kardinalzeichen. Lateralzeichen sind rote und grüne Tonnen die links bzw. rechts neben dem Fahrwasser stehen (wenn man in Richtung Hafen fährt, beim Rausfahren muss man umdenken). Kardinalzeichen sind einzelne Tonnen, die an bestimmten Seiten von Gefahrenstellen stehen. So steht zB im Westen einer Untiefe eine Westtonne, und bedeutet dem Schiffsführer, dass er noch weiter im Westen daran vorbeifahren sollte. Sie sind farblich markiert; eine Westtonne ist zB oben gelb, in der Mitte schwarz, und unten wieder gelb. Theoretisch haben beide Tonnensysteme noch Topp-Zeichen, aber auf die verzichtet man in Finnland, obwohl sie bei Gegenlicht recht sinnvoll wären, weil man die Farben gegen die Sonne nicht mehr erkennt. Praktisch kann man auch mit Kardinalzeichen Fahrwasser markieren; dann stehen eine West- und Osttonne 20 Meter auseinander, und man muss halt dazwischen durchfahren. Wann welche Systeme zum Einsatz kommen, das haben wir noch nicht kapiert. Meine Theorie: größere und durchgehende Fahrwasser werden mit Lateralzeichen gekennzeichnet, kleinere eher mit Kardinalzeichen. Vielleicht sind die Lateralzeichen auch ausschließlich eine Hoheitsaufgabe des Staates, und mit Kardinalzeichen dürfen die Finnen auch ihre Hofeinfahrt markieren.

Natürlich gibt es noch andere Navigationshilfen, wie Landmarken (zB ein weiß angepinselter Steinhaufen) oder Peilmarken. Mit Peilmarken, da sind sie in Finnland gaaaanz groß unterwegs. Auf einem Stein im Wasser steht eine rot-gelbe Tafel, auf der Insel dahinter (und höher) steht eine zweite rot-gelbe Tafel. Wenn beide genau übereinander sind, dann ist man auf der richtigen Strecke. Man muss nur den richtigen Absprung schaffen, sonst stößt man an die untere Tafel, und das Boot ist kaputt.

Natürlich hilft es wenig, wenn man keine Seekarte hat – es ist schon eine wertvolle Information, dass nach der langen Strecke nach Norden ein Knick nach Westen kommt; Man schaut dann nach der neuen Peilmarke auf der linken Seite des Schiffs. Unsere Seekarte ist eine elektronische, auf einem Navigationsgerät kann man hin- und her-zoomen. Das ergibt auch immer ein ganz neues Bild – wenn man plant, zwischen zwei Städten an der Küste einen Weg zu finden, ist das meiste Inselgewirr nah an der Küste einfach hellblau, und das ist meistens zu flach. Also weit raus auf’s offene Meer, vier Stunden nach Norden segeln, dann irgendwie in die Stadt rein. Man hält sich dabei an große Seefahrtsstraßen, die auch für Frachtschiffe und Fähren geeignet sind. Sobald man unterwegs ist, zoomt man natürlich weiter rein. Dabei stellt man fest, dass die solide blaue Fläche eher gepunktelt ist. Inseln, blaues flaches Wasser, und dazwischen weiß (Wasser, 10m tief). Hmmm. Aber da jetzt nur mit GPS durchschlängeln? Wirkt riskant. Man zoomt weiter rein, und plötzlich zeigt das Gerät auch die kleinen Fahrwasser an. „Recommended Track, 2,4m Deep“ – das reicht für uns. Man fährt dann konzentrierter – in engen Passagen ist zwischen den Tonnenpaaren vielleicht 10m Platz, und auch wenn mir mehrmals versichert wurde, dass man sich auf die Fahrwasser verlassen kann, so wird der Blick doch bang, wenn einem nur noch 50 cm Wasser unter dem Kiel auf dem Tiefenmesser gezeigt werden. Und natürlich muss der Wind passen – Kreuzen geht da nicht mehr.

Jedenfalls sind wir so unterwegs von der Replotbron nach Mickelsörarna Kummelskäret, und kurz vor der Ankunft sind wir dann auf dem eingangs erwähnten Waldsee. […und ein paar Fotos habe ich dann auf der schwedischen Seite bei Umeå gemacht]

Familienausflug

Tl;dr: Diabolischer Plan, mit vier Frauen auf einer Insel zu stranden, scheitert.

„Wir sind vor vier Jahren in Griechenland aufgebrochen, nur um heute hier mit Euch den Abschluss von Mia und Kalle zu feiern“. Die Adressaten würdigen das Engagement, und auch die Wertschätzung, die es ausdrückt. Sie sind bereit, gewissen Logikfehler zu übersehen, zB dass vor vier Jahren die heute zu würdigende Ausbildung noch gar nicht begonnen, vielleicht nicht einmal geplant war. JUB würdigt die Formulierung nicht mehr, hat bereits verschiedene Abwandlungen davon gehört und rollt nur mit den Augen.

Wir sind bei Katri und ihrer Familie, einer alte Bekannte von JUB, die mittlerweile in Vaasa mit Ehemann Rainer und den (weitestgehend) erwachsenen Kindern Kalle, Lea, Lasse, Mia und Silas wohnt. Der Abschluss wird finnisch mit einem ‚Open House‘ gefeiert, deshalb waren auch wir willkommen. JUB hatte mit Katri zu Beginn seiner Reise Kontakt aufgenommen, und wir wollten uns das nicht entgehen lassen – eine echte finnische Feier in einer echt finnischen Familie; „am Samstag, 6.7. abends in Vaasa“ wurde zu einem Eckpunkt unserer Planung. Gut, ganz typisch sind sie vielleicht nicht – alle reden Deutsch, oder zu mindestens Schwäbisch. Katris Mutter war Finnin, sie wuchs aber in Baden-Württemberg auf, und zog irgendwann vor mehr als zwanzig Jahren nach Finnland. Vielleicht ist auch der Freundeskreis etwas deutsch geprägt, die meisten Gäste sind mindestens dreisprachig und wechseln behände zwischen Finnisch, Englisch und Deutsch.

Ich unterhalte mich mit Kenneth, einem Nachbarn, der nebenbei ein Wassertaxi betreibt, und lasse mir Tipps für den Archipelago rund um Vaasa geben. [Fazit: wunderschön, aber mit unserer Größe und Tiefgang gibt es eigentlich nur noch fünf lohnende Ziele]. Jenna ist eine Ausbildungsbegleiterin von Mia, und Jennifer kommt aus Dublin. Irgendwann sind die meisten Gäste weg, obwohl es erst später Nachmittag ist (Wie das hier oben täuscht, es war schon 21:00), und wir reden noch lange mit der halben Familie, während von oben ab und zu Nebengeräusche von Fußballguckenden zu hören sind.

Wir fühlen uns wohl, und bieten gerne einen kleinen Bootsausflug an. Am Sonntag ist eher schlechtes Wetter angesagt, und in der zweiten Tageshälfte und Nacht streicht ein Sturm über die Stadt; gut, dass wir nicht draußen sind.

Wir haben am Freitagabend im Hafen des „Vaasan Merenkyntäjät“ angelegt, eine Empfehlung von Katri, die hier den Kommodore kennt. Das ist der finnische Segelklub, nicht bei der „Wasa Segelförening“, die den nächsten Hafen betreiben. Diese Unterscheidung wird später noch wichtig. Neben uns liegt die SERENITY, eine Yacht aus Jakobstad, also eine Tagesreise die Küste hinauf. Wie immer, wenn wir Ortskundige finden, belagern wir ihn mit Google Maps und bereitwillig gibt er uns Tipps – zB einen Privathafen auf Lilla Furuskäret bei Köklot, der für uns tief genug wäre. Privat? Keine Sorge, beruhigt er uns, er wäre da irgendwie im Vorstand, wir wären willkommen. Auf der anderen Seite liegt die TIDE mit deutscher Flagge. Wir treffen Christoph, und schauen uns gemeinsam das letzte Viertel des Spieles Deutschland gegen Spanien an (1:2, schade). Es läuft auf dem Laptop der finnischen Fernsehsender YLE, aber mit ‚Svenskt Referat‘. JUB kann ja etwas Schwedisch, und ich verstehe genug, um zu wissen, wann ich auf das Bild achten muss. Es kann auch sein, dass es mit einer VPN Verbindung nach Deutschland geklappt hat. Als das Spiel vorbei ist, muss Christoph zu seinem Schiff zurück; seine portugiesische Freundin hat gekocht. Wir bieten an, dass sie auch das Spiel Portugal gegen Frankreich bei uns ansehen (wir haben eine unlimited Datenkarte, Christoph krebst mit einem etwas restriktiven Tarif daher), und er nimmt gerne an. Auch Portugal verliert, kein Glück auf der SEESTERN, obwohl wir einen Siegerlök haben. Der Siegerlök ist ein Topf Schnittlauch (eigentlich Graslök), wie er auch 10 Jahre zuvor bei der WM immer auf dem Schiff rumstand, als wir auf einer Charteryacht vor Stockholm segelten – und da wurde Deutschland Weltmeister.

Am Montag um 11:00 kommen die „Vier Frauen“, also Katri, ihre Zwillingsschwester Laura, und die zwei Töchter Lea und Mia. Rainer und die drei Jungs müssen arbeiten. Kurze Sicherheitseinweisung – Schwimmwesten, Feuerlöscher, Funkgerät – und los geht’s. Als Ziel haben wir den Privathafen ausgesucht, Katri kennt die Insel und Rainer wird alle am Abend abholen. Vor dem Hafen muss jede unserer neuen Crewmitglieder unter Motor einen Kringel drehen und den Gashebel ausprobieren, und dann setzen wir Segel und fahren nach Norden. Die Vorhersage hatte weniger Wind vorhergesagt, aber statt entspannter 12-15 Knoten zeigt die Windex bis zu 25. Da wir den Wind eher von hinten haben aber dennoch entspannt. Wir fahren unter der Replotbron durch, der längsten Brücke Finnlands. Es scheint unseren Gästen Spaß zu machen, wer gerade nicht steuert räkelt sich auf dem Vordeck.

Ich bin etwas nervös wegen des Hafens – die üblichen Quellen geben wenig Details zu Tiefen usw. preis, und so habe ich schon etwas Bammel. Da wir zu sechst sind, kann ich Laura als sprechenden Tiefenmesser einteilen, aber alles kein Problem. Anlegen ist mit Boje an einem Steg, es helfen uns neue Bekannte – Ein Paar mit Dackeln, die wir am Donnerstag in Storkors fiskehamn bei Korsnäs getroffen haben, und ein Finne, den wir am Sonntag beim Laufen in die Stadt getroffen haben. Der Anleger klappt, Gin Tonic als Welcome-Drink für alle, und Katri schickt Reiner die Koordinaten für die Abholung. Hmmmm. Irgendwie ist der Hafen auf einer kleinen Insel. Hmmmm. Wirklich eine Insel. Das könnte schwierig werden, mit dem Auto. Hmmm. Wie konnte das passieren? Es stellt sich heraus, dass wir im privaten Hafen der Segelförening sind. Oh Schock – wir sind bei den Schweden! Der Hafen der finnischen „Vaasan Merenkyntäjät“, den Katri sofort auf dem Handy erkannte, ist ganz in der Nähe, aber halt mit Straße eher am Festland. Es werden Alternativen geprüft, Rainer erst einmal vom Abholen gebremst. Die beiden Töchter (die vielleicht besser Schwedisch können) reden mit den finn-schwedischen Seglern und bestägtigen, dass man hier nur mit dem Schiff hin (und weg) kommt.

Wir könnten zu dem Privathafen der Merenkyntäjät, aber ein Gespräch mit dem Kommodore ergibt, dass das nur mit genauen Ortskenntnissen funktioniert, keine gute Idee. Wir könnten unser Dinghi klarmachen, die Frauen ans Festland fahren, und sie schlagen sich dann durch den Wald zu einer Straße durch. Wir könnten alle auf dem Schiff übernachten, und am nächsten Tag gemeinsam zB nach Jakobstad fahren, von da aus ginge ein Zug – das wäre der spontane diabolische Plan. Oder wir fahren eine gute Stunde zurück zu dem Gasthafen an der Replotbron – wegen genau dieser Brücke gut mit dem Auto zu erreichen, und auch ein einfacher Hafen zum Anlegen. Am Ende entscheiden wir uns dazu. Wir verlassen den sehr lauschigen Hafen – wäre wirklich schön gewesen – und fahren Richtung Replot. Der Wind weht aus der gleichen Richtung, und somit auf dem Rückweg direkt von vorne – ein ganz anderes Gefühl. Wir versuchen es kurz mit Segeln, aber mittlerweile hat sich auch eine ordentliche Welle aufgebaut. Also mit Motor direkt gegenan. Ich werden ein paar Mal kräftig geduscht, als die Gischt einer Welle über das Schiff weht. „Hat sonst jemand Lust auf’s Steuern?“ frage ich halb im Spaß, aber sofort meldet sich Lea. Also duschen wir fortan gemeinsam (ich sitze bei Neulingen immer kurz dahinter, um alles im Blick zu behalten). Nach einer halben Stunde deutet Mia klar an, dass sie nun auch das Erlebnis der Meerwasserdusche haben möchte, und es wird gewechselt. Derweil ärgert Murphy Laura – sie wartet mit gezücktem Mobiltelefon auf eine Welle mit Gischt, gibt irgendwann auf, und zwanzig Sekunden später hat die Steuerfrau wieder eine Ladung Wasser im Gesicht.

Als wir im Hafen direkt neben der Replotbron ankommen, wartet Rainer schon. Gruppenfoto, wieder ein Anleger, und dann kochen wir noch gemeinsam – Wahnsinn wie gut Pellkartoffeln mit Quark nach so einem Tag schmecken. Ein sehr gelungener Tag, überhaupt ein gelungener Aufenthalt. Ich mag sie, die Finnen.

Isokari – Die Überraschung der Notlösung

[Ja, da fehlen noch einige Berichte zwischendrin, aber hier mal etwas Bilderlastiges]

Nichts hält so lange wie ein Provisorium, und manchmal bietet eine Notlösung ein tolles Erlebnis. Als Segler ist man ein Spielball der Naturgewalten, hilflos den Elementen ausgesetzt. So müssen wir uns nach Wind und Wetter richten. Eigentlich wollten wir etwas länger in dem Schärengarten zwischen Turku und Åland bleiben, und erst dann nach Norden weiterfahren, aber die Spielball-Vorhersage meint am Freitagabend: Morgen gibt’s nochmal guten Wind um nach Norden zu fahren, dann regnet es zwei Tage, und guten Wind gibt’s auch nicht mehr. Also beschließen wir, die Reise nach Norden entlang der finnischen Westküste anzutreten. Eigentlich wollen wir nach Rauma, ein als nette Altstadt mit alten Holzhäusern (in den meisten Städten sorgten große Brände für einen Neuaufbau in Stein) beschriebenen Stadt an der Westküste. Das sind aber über 60 Seemeilen, also 12 Stunden Segeln bei möglicherweise heftigeren Bedingungen. Oder vielleicht nach Uusikaupunki (kann ich mir nicht merken, den Namen, ich nenne es Uli-Kaugummi), auch 40 Seemeilen, und man muss ein ganzen Stück vom offenen Meer rein in die Stadt, und am nächsten Tag wieder raus. Aber die finnische Website mit Gästehafen zeigt noch einen Hafen mitten im Meer auf einer kleinen Insel namens Isokari. Vielleicht probieren wir’s dort?

Am Samstagmorgen zweifeln wir noch an dem Plan – es pfeift gar garstig über den Hafen, und die Windprognose sagt 20 Knoten, mit Böen bis zu 35 Knoten. Das sind 65 km/h – das kann das Boot zwar ab, ohne dass es gefährlich ist, aber angenehm ist es nicht mehr; eher wie bei Schneesturm weiter Ski zu fahren, damit sich die Liftkarte gelohnt hat. Ich hadere noch ein wenig, wir trödeln noch mit einem Kaffee, aber dann – los geht’s, es hilft ja nicht. Wir setzen das dritte Reff im Großsegel, und auch sonst so wenig Segelfläche wie möglich, und fahren aus der Abdeckung der Insel vor dem Hafen nach Norden auf’s offene Meer. Der Windmesser fällt auf 9 Knoten. Murphy segelt mit. Danach entwickelt sich der Tag positiv. Es hat 20 Knoten Wind, da wirkt unsere reduzierte Segelgarderobe nicht gaaaanz lächerlich, und die Richtung erlaubt uns zwischen den Inseln die direkte Route nach Norden. Nach ein paar Stunden hat der Wind etwas nachgelassen, wir lassen noch alle Segel raus, und es geht weiter. Murphy wäre nicht Murphy, wenn der Wind nicht 20 Minuten vor dem Einlaufen in den Hafen wieder ordentlich auffrischt – Anlegen mit 20 Knoten Seitenwind gehört zu den Highlights im Seglerleben.

Der Hafen ist winzig – für Schiffe unsere Größe gibt es zwei Plätze, einer ist schon belegt. Der zweite Platz ist aber super-easy – nebendran fahren, aufstoppen, vom Wind an den Steg drücken lassen. Hello Isokari.

Auf Isokari gibt es eine Lotsenstation, die Schiffen in den Hafen von Uli-Kaugummi lotsen könnten, aber viel Betrieb scheint da nicht. Ansonsten macht nicht nur der Hafen, sondern die ganze Insel den Eindruck – winzig und verschlafen. Eher spöttisch frage ich, ob wir hier Essen gehen wollen, oder doch selber kochen, und JUB – Herausforderung angenommen – schaut nach Restaurants auf der Insel. Es soll tatsächlich eines geben, es ist gut bewertet. Ich frage die Hafenmeisterin, und sie weist auf eine nur in finnisch gehaltene Karte. Wir müssten eine Stunde vor dem Besuch bestellen, aber dann würden sie sich auf uns freuen. Wir suchen auf der von Google drollig übersetzten Karte etwas zu Essen aus, ein Fischteller als „erste Strasse“, als „Rektor“ ein „Als Fischer auf gepresstem Brot“ und danach ein „Schlammkuchen“.

Eine knappe dreiviertel Stunde später machen wir uns auf zum Leuchtturm in der Mitte der Insel, daneben in einem ehemaligen Kasernengebäude das Ravintola Mainio. Auf der Terrasse sitzen noch zwei andere Gäste. Mittlerweile schockieren die Preise in Finnland nicht mehr so sehr, wir bestellen eine Flasche Wein dazu und genießen das überraschend gute Essen. Das hätte ich nicht erwartet. Wir unterhalten uns mit der Bedienung, das Hauptgeschäft wären Tagestouristen die mit einem Ausflugsboot zum Leuchtturm kommen, am Abend ist es eher weniger, aber da noch ein paar andere Gebäude der ehemaligen Militäranlage als Ferienhäuser vermietet werden, müssen ja auch die Gäste gefüttert werden.

Nach dem Essen, und – warum nicht? – einer kleinen Flasche Sanddorn-Sekt, gehen wir noch zum Leuchtturm, und dann an die Westseite der Insel, um den Leuchtturm in der untergehenden Sonne zu fotografieren. Die Westseite der Insel ist eine wunderschöne Felsküste, und wir stromern ein wenig nach Norden. Boah, ist das schön hier.

Wir bekommen die Idee, einfach um die kleine Insel herum wieder zum Hafen zu gehen, nach einer knappen Stunde schaue ich mal kurz auf Google Maps: Huch, ganz so klein ist die Insel gar nicht. Immer wieder gibt es sumpfige Einschnitte, und durch den Wald in der Mitte scheint auch nicht sinnvoll. Außerdem geht die Sonne gerade unter (na gut, das ist kein Argument, auch nach Sonnenuntergang bleibt es hell genug). Anyway, wir drehen um und gehen zum Schiff zurück, und sehen noch die letzten Minuten vom Achtelfinale Deutschland gegen Dänemark. Ein gelungener Tag, was sind wir froh, dass wir hierher gefahren sind.

Mittsommer in Hösåra

Also ganz ehrlich – so ein bayrischer Maibaum ist schon beeindruckender. Wird auch vor dem Aufstellen besser bewacht, und das damit verbundene Brauchtum ist mit mehr Gerstensaft verbunden. Aber ein bisschen haben sich die Schweden bei uns abgeschaut.

Die traditionelle Feier findet auf Högsåra in dem Ort Keysarhamnen statt, ein weiterer Hafen an der Nordseite der Insel, zu Fuß vielleicht 40 Minuten entfernt. Ab 12:30 wird der Baum geschmückt, ab 14:00 aufgestellt und gefeiert. So der Plan. Der Hafen hier ist nett, unserer hat aber eindeutig eine bessere Kneipe. Der „Baum“ ist eine vielleicht 8m lange Stange mit zwei Querbalken. Der zweite Querbalken verhindert, dass es zu sehr nach Kreuz aussieht, er bricht aber während des Schmückens ab und wird hurtig mit einem neuen ersetzt. Das Schmücken besteht daraus, dass Farne, Birkenzweige und Blumen an den Baum gebunden werden, am Ende noch eine billige Girlande aus Plastikwimpeln. I am not very impressed. Derweil bauen zwei Musiker ihre Anlage auf, einschließlich einer Art tragbaren Orgel, wo die Spielerin hektisch auf zwei Blasebälgen trampelt, um den notwendigen ‚Wind‘ zu erzeugen. Ein kleiner Tisch wird aufgebaut, wo es später „Saft och Bulle“ gibt, einen Pappbecher Saft mit einem Gebäckteilchen. Nirgendswo ein zünftiges Fass Bier. Bis 14:00 sammeln sich etwas hundert Leute auf dem Platz, einige festlich gekleidet, viele Mädels in weißen Kleidern, und die kleinen Mädchen (und ältere Spaßvögel*innen) mit Blumenkranz auf dem Kopf.

Und dann der große Moment: ein paar Männer packen den Baum, und stecken ihn in ein vorbereitetes Loch auf dem Platz, fixieren ihn mit ein paar Keilen. Die Musik wird angestimmt, eher traditionelles Liedgut. Das Ganze scheint fast nur auf Schwedisch stattzufinden. Die Musiker fordern irgendwann zum Tanz auf, und eine bunte Mischung aus Frauen bildet einen Ring um den Baum. Männer tanzen kaum, nur ein paar Väter, die ihren kleinen Töchtern emotionale Unterstützung leisten. Offensichtlich werden die Tänze nicht oft getanzt, die Musiker erklären meist die Schrittfolge und anderes; dann tanzt sich die Gruppe händehaltend um den Baum. Es wirkt jetzt nicht ernst und erhaben, ein Tanz könnte ein Tier beschwören (ich rate: ein Hase), da abwechselnd die Hände an die Ohren gehoben werden und winken, und dann hinter den Rücken. Am interessantesten finde ich eigentlich, dass auch ein paar ca. 13-16 Jahre alten Mädels mitmachen, die eigentlich so aussehen, als wäre so ein Kinderkram völlig unter ihrer würde. Eigentlich sehen sie so aus, als wäre ihr Platz am Rand des Schulhofes wo sie die Jungs gleichzeitig locken und abblitzen lassen.

Nach einer dreiviertel Stunde geht es zum Paartanz für Ältere über, das Publikum lichtet sich und auch wir gehen zurück nach Byviken zum Boot. Wir halten noch an Farmor’s Café, der Restauranttipp auf der Insel, um eine Reservierung für den Abend zu ergattern, und dann ein kleines Nickerchen auf dem Schiff.

Es ist alles deutlich voller als die Tage zuvor, aber es ist auch Freitag. Die ‚Rumpan Bar‘ in unserem Hafen ist nach dem Essen gut gefüllt, einige der Leute haben ordentlich getankt. Ein Alleinunterhalten spielt Covers von beliebten schwedischen Pop-Songs. Wir unterhalten uns mit einer angetrunkenen Finn-Schwedin, und fragen sie über das Verhältnis der beiden Volksgruppen aus. Sichtlich um Neutralität bemüht, blitzt doch manchmal eher durch, dass man sich nicht gaaaaanz grün ist. Ich hatte erwartet, dass an diesem längsten Tag durch die kurze Nacht durchgefeiert wird, aber um 22:00 wird die letzte Runde eingeläutet. Nun ja – immerhin sehr viel besser als vor zehn Jahren in Westschweden.

Der Tag vor Mittsommer

Der praktische Tipp vorab – man sollte schon am Tag VOR Mittsommer in dem Hafen der Wahl sein.

Das Mittsommer in Skandinavien ein ‚big deal‘ ist, das ist bekannt. Verschiedene schwedische Krimis spielen genau um die Zeit, Vivica Sten hat eine ganze (verfilmte) Krimiserie danach benannt. Man erwartet Volksfeste, Tanz der Jungfrauen um den Mittsommerbaum, große Partys. Als wir vor über 10 Jahren mal um die Zeit in Schweden ein Boot gechartet haben, wurden wir bitterlich enttäuscht. Am 21. Juni Abends hatten die meisten Kneipen zu, die Schweden feierten alle mit Freunden, und wir hatten keine Freunde. Wir aßen frustriert in einem billigen Griechen, der immer noch richtig teuer war.

Frank und ich haben das Ganze diesmal deshalb genauer im Blick. Seit Tagen fragen wir jeden, was denn der Plan wäre, wo man was erleben könne, usw. Scheinbar wird es in Finnland öffentlicher gefeiert, man empfiehlt uns mehr und mehr Inseln im Archipelago vor Turku wo bestimmt etwas los ist. Es hört sich nicht nach schwedischer Zurückhaltung an. „An Mittsommer, da werden alle ihre Schiffe nehmen, und auf die Inseln fahren“. Am Dienstagabend bekamen wir den Tipp, nach Brännskär zu fahren, aber am besten schon am Donnerstag, den 20.6., dort zu sein. Für den Mittwoch beschließen wir nach Högsåra zu fahren, eine Empfehlung aus Ingå. Am Donnerstagmorgen weht der Wind aus Nord-West, und wir müssten nach … Nord-West. Außerdem ist der Wind sehr unstetig, der Hafen von Brännskär wäre bei der Windrichtung ungeschützt; deshalb unruhig. Wir sind mittlerweile ganz schnell dabei, unsere Bootsnachbarn nach Tipps auszuquetschen. Hier in Högsåra wäre es auch ganz nett zu Mittsommer. Traditionelles Fest um 12:00, Party mit Live-Musik in der Hafenkneipe am Abend. Hmmm. Wir sind im Urlaub. Hmmm. Wir haben das Schiff nicht nur für eine Woche gechartert, müssen also nicht zwingend jeden Tag unsere Chartergebühr wegsegeln. Hmmm. Und hier liegen wir schon. Wir fragen den Marinero, ob wir noch zwei Nächte bleiben könnten. Kein Problem, aber bitte an einem anderen Platz (wir liegen mit dem Heck zum Ende des Stegs). Also verholen wir das Schiff einen Parkplatz weiter, finden Gefallen daran, was man einem solchen Hafentag alles erledigen könnte, und – ich zumindestens – mache nichts davon. Ein Nickerchen – das hatte ich geplant, aber der Rest fällt unter den Tisch. Mittlerweile drücken die Schiffe in den Hafen. Interessant ist die Spitze des Stegs. Hier liegt meistens ca. 20m vom Steg eine Boje im Wasser, die fischt man sich mit einer Leine am Heck, und der Bug wird am Steg festgemacht. Entlang des Stegs ist das einfach vorwärts einparken – die Breite der Schiffe bestimmt die Kapazität. Aber am Ende des Stegs, da können die Yachten sternförmig mit dem Bug anlegen (deswegen war’s auch blöd, dass wir dort mit dem Heck lagen). Am Ende hängen an dem 2m breiten Ende des Stegs fünf Segelboote.

Ich bin gerade von meinem Nickerchen erwacht (OK, vielleicht war es ein Nick, die Verniedlichung passt bei zwei Stunden nicht), und Frank trinkt schon ein Bier mit Tuomas vom Nachbarschiff. Ohne mich!?! Der Abend nimmt seinen Lauf. Die Besitzer der „Vayacondios“ gegenüber meint, dass die Leute zu Mittsommer ihre Boote mit Flaggen schmücken würden. Normal meinen sie wohl das Flaggenalphabet, welches viele Boote noch aus Nostalgiegründen an Bord haben. Aber wir – und das wollte ich schon lange mal machen – haben ja die ganzen Gastlandflaggen an Bord, wo wir mit der Seestern schon überall waren. Es ist auch ein guter Einstieg in ein Gespräch; wenn wir gefragt werden, woher wir kommen, antworten wir mittlerweile meistens mit Griechenland, weil das in Finnland schon weit weg ist, und somit interessanter als Hanko, Estland, oder Deutschland. Wir kommen auf 16 Flaggen, wobei da auch die bretonische dabei ist, die nicht ‚offiziell‘ ist. Der Besanmast reicht dafür nicht, jedenfalls nicht ohne die Dinger nah aneinander zu knüpfen.

Gegen 22:00 will ich nochmal die sanitären Einrichtungen nutzen, werde von der Bar abgelenkt, und sitze am Ende eine Stunde mit den Familien von Tuomas und Matti zusammen. Mattis Motorboot heißt „Granma“; deshalb frage ich ihn, ob er Fan von Kuba ist. Seine Frau versteht die Anspielung, und ich darf mich setzen („Granma“ ist der Name der Motoryacht, mit der Fidel Castro, Che Guevara und weitere 80 Revolutionäre 1956 aus dem mexikanischen Exil nach Kuba übersetzten, um dort die Revolution zu starten – hasta la victoria, siempre!) Während wir da sitzen, zeigt Mattis Frau auf eine Dame, die neben der Bar auf ein Motorboot steigt: „Das ist unsere Außenministerin“. Cool, irgendwie. Ist Finnland so familiär? Oder ist man irgendwie durch das Segeln in Kreise gerutscht, in denen dann halt auch Außenministerinnen verkehren? Ist die Bodenhaftung schon verloren gegangen? Mir ist klar, dass Segeln kein billiger Massensport ist, aber ich kenne einige Leute, deren Autos mehr gekostet haben als unser Schiff. Wenn ich so den Steg rauf- und runterschaue, sind wir eher Durchschnitt. Unser Schiff ist für die Ostsee groß, aber dafür auch alt, und man sieht auch genügend andere Bootseigner, die ölverschmiert und fluchend aus ihren Schiffen kommen. Eigentlich ist „Granma“ ein wundervoll subversiver Name an so einem Steg.

Als die Bar schließt, trinken wir mit unseren Nachbarn und deren drei Jungs noch einen Rotwein auf unserem Schiff. (also die ca. 10-13-jährigen Jungs bekommen keinen Wein, quittieren aber den Hinweis ihrer Eltern nach der Schlafenszeit mit „es ist Urlaub“).

Ich bin gespannt auf morgen.