Erste Station der Reise: Yangon. Mitten in der Stadt in einem Kreisverkehr steht die Sule Pagode Die Stadt selber ist eine schnell wachsende asiatische Stadt – nicht immer schön. Solange es geht, kann man doch auf Maschinen verzichten, oder? erster … Weiterlesen
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Gruppenreise
Heute ist es so weit: Das Gruppenreisenabenteuer kann beginnen. Ich verlasse meine Air B’n’B Unterkunft und bringe meinen Koffer in das für die Gruppe gebuchte Hotel. Dann eine Taxifahrt zum Acacia Tearoom, dort werde ich die Gruppe treffen. Das Lokal versprüht kolonialen britischen Charme, die Preise haben locker mit denen in Großbritannien mitgehalten, 4$ für eine Tasse Tee (in einer Kneipe in Yangon kostet das Bier 1,50$). Um kurz nach 11:00 hält ein Bus hält dem Laden, und Yan sammelt mich ein. Die restliche übernächtigte Gruppe wartet im Bus. Mein erster Schreck: zum Einstieg in den Bus stellt ein Burmese einen kleinen Schemel vor die Tür, um die Schritthöhe von Straße zum Einstieg zu halbieren… Wie soll ich da jetzt mit meinem Rollstuhl raufkommen?
Es geht zur ersten Pagode: ein liegender Buddha möchte besichtigt werden. Der ist vielleicht 60m lang, und wird von einer entsprechenden sakralen Halle überdacht. Die Halle ist in dem Fall tatsächlich einfachster Industriebau – Eisenfachwerk mit Wellblechdach. Eigentlich fehlt nur der Laufkran für schwerere Werkstücke. Wie in allen Pagoden muss man dazu die Schuhe ausziehen; die meisten haben noch schwere Wanderschuhe von der Reise an, da bin ich mit meinen Flipflops besser dran. Überraschenderweise bleiben im Laufe der nächsten Tage viele bei unpraktischem Schuhwerk.
Danach wieder in den Acacia Tearoom, ein erster Mittagssnack mit kennenlernen. Leider ist die Gruppe in zwei Räume getrennt. Da ich als letzter dazu gestoßen bin, versuche ich den Informationsrückstand über die Gruppenmitglieder mit einer gegenseitigen Vorstellungsrunde aufzuholen. Gute Idee, war noch keiner drauf gekommen. Immerhin hat sich damit unser Raum mal gegeneinander vorgestellt. Darf ich vorstellen, meine Mitreisenden für die nächsten zwei Wochen: Yan, der Reiseleiter, Karin, Brigitte, Ilse, Uschi, Anne, Günther, Karin, Stefan, [Heidi, Jens, Hilde, Klaus-Peter, Annerose, Norbert, Ilse, Alfred – die lerne ich erst später kennen]. Ich bin nicht der jüngste, senke aber dennoch den Altersdurchschnitt. Wie die meisten arbeite ich nicht. Es gibt neben mir einige andere ohne Partner, aber bei den meisten ist diese aufgrund Verwitwung. Wer mehr wissen will, muss fragen. Danach kurz ins Hotel. Das Parkroyal in Yangon ist ein Fünf-Sterne-Haus, nach der letzten Woche schwelge ich im Luxus, und einer relativ schnellen Internet Verbindung.
Danach geht’s zur Shwe Dagon Pagode, einer der größten in Myanmar. Gold, wohin das Auge blickt. Teilweise echtes Blattgold, teilweise eine Goldfarbe. Die Krone der Pagode ist mit Diamanten und Edelsteinen besetzt. Wie sonst in einem so bitterarmen Land. Wir umkreisen die Pagode im Uhrzeigersinn, es gibt alle möglichen zusätzlichen Schreine rundherum. Gold wohin man blickt. Langsam geht die Sonne unter, von einer Seite ist die Pagode glitzernd angestrahlt, von der anderen Seite gibt’s effektvolle Gegenlichtaufnahmen. Erwähnte ich: Gold wohin man blickt?
Der nächste Tag führt uns zur Sule-Pagode. Da diese etwas kleiner ist, konnte nicht ganz soviel Gold verbaut werden, aber auch hier: Gold wohin man blickt (OK, das wiederholt sich jetzt – denkt Euch einfach bei jeder Pagode Gold, Gold, Gold). Auch an sonstigem Kitsch wird nicht gespart. In den meisten Schreinen stehen Buddha-Figuren. Um deren göttliche Ausstrahlung zu unterstreichen, werden hinter deren Köpfen gerne LED-Scheiben montiert. Die Möglichkeiten moderner Lichtsteuerungstechnik ausnutzend strahlen dort bunte LEDs in ständig bewegten, bunten Mustern. Dazwischen noch ein paar Spiegelkacheln um das Gold zu reflektieren, welches in diesen Pagoden im Überfluss vorhanden ist. Danach eine alternativ-esoterische Einlage, wir fahren in einen Außenbezirk von Yangon, wo wir die Heilpraxis von Dr. U Shein, MD (MA) besuchen. Der alte Mann ist Schamane und Wunderheiler, hat sein Titel von der Universität von Colombo, Sri Lanka und ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von „Schamanismus und Heilen e.V.“ in München. Wer mich kennt, kann sich vorstellen, wie überzeugend das auf mich alles wirkt. Komischerweise bleibe ich skeptisch, auch als er an einer seiner Assistentinnen demonstriert: Hand vor die Brust: Assistentin hustet dreimal. Hand von oben nach unten: Assistentin fällt in tiefen Schlaf, in die Armen einer zweiten Assistentin. Nochmal Hand auflegen, Assistentin wacht auf. Dr. U Shein verkauft auch Gold-Asche-Medizin, hilft gegen alles. Danach sitzen wir bei ihm und trinken Tee, er verteilt Mappen mit den Geschichten von ihm geheilten Menschen, manche davon auch mit deutschen Briefen und e-mails. Jetzt bin ich restlos überzeugt, da mir aber gerade nix fehlt, nehme ich vom Kauf der Gold-Asche-Medizin Abstand. [Um meine Skepsis zu relativieren: ich glaube durchaus, dass der Mensch erhebliche Selbstheilungsfähigkeiten hat, vielleicht weckt das kleine Krischperl die halt besonders gut. Und wer glaubt, wird seelig.] Wie die meisten meiner Mitreisenden habe ich aber die Fahrt zu der Klinik und den kurze Spaziergang dorthin genossen. Dabei stellen sich aber die kleinen Unterschiede bei der Beobachtungen der fremden Kultur heraus. Ich gucke verstohlen durch die offenen Türen der ärmlichsten Behausungen, wage ab und zu ein Foto aus der Hüfte. Andere haben da weniger Schamgefühl, oder sind mutiger – wie man’s sieht. Wie würden die sich fühlen, wenn plötzlich eine japanische Reisegruppe an deren Zaun in Hannover stehen würde, und Fotos der dort lebenden Familie machen würde. Mit kräftigem Zoom kann man auch durch’s Küchenfenster fotografieren – ihhh, es wurde ja seit mindestens zwei Tagen nicht abgespült…
Danach ein Besuch im Nationalmuseum von Myanmar. Ich schließe mich der Lonely Planet Beschreibung an: appallingly lit and labeled, aber mit ein paar Ausstellungsstücken, die wir im Laufe der kommenden Reise besser einordnen können. Dann weiter zu Scott’s market, wo die Frauen in der Gruppe verzückt Wickelröcke und Jadeschmuck kaufen. Ich selber werde fast schwach bei einer vergoldeten Teakholzschnitzerei für 20€, die mit roten und grünen Glasscherben (sollen sicher Rubine und Smaragde sein) dekoriert ist. Wiegt leider ca. 8 Kilo und ist ungefähr DIN A2 groß. Mal sehen, was der Versand kosten würde…
Danach eine weitere Pagode, einzigartig weil innen begehbar, dort ist ein Schrein mit zwei Haaren von Buddha – wie auch bei katholischen Reliquien so in einem Gefäß mit staubigen Scheiben eingebettet, dass man mir alles erzählen über den Inhalt erzählen könnte. Danach noch ein Foto-Stop an der größten katholischen Kathedrale von Yangon, ein drive-by foto-shooting an einer Moschee, und dann wieder zurück ins Hotel. Der Abend wird kurz, aufstehen morgen früh um 3:45 für den Weiterflug. Gut dass ich nicht noch in die Bar gegangen bin, per mail erfahre ich, dass Herr Chalampalyam aus Indien meine Wohnung mieten will. Wir einigen uns im Laufe des Abends, nun habe ich bis zum 1.6.2014 keine Wohnung in München mehr, dafür eine erhebliche Kostenbeteiligung an meiner Reise – mal sehen, ob ich’s schaffe, meine Übernachtungskosten damit zu decken.
Touchdown in Yangon
Touchdown in Yangon. Das erste echte Ziel dieser Reise – Istanbul war ja mehr eine spontane (und rückblickend betrachtet sehr gute) Verlegenheitslösung weil ich sonst mehr als die Hälfte des Novembers in München gewesen wäre, und das, wo ich doch eigentlich Anfang November hatte fahren wollen. Ein entspannter Fluhafen mit einer Startbahn, Terminalgebäude mit etwas Gold-Pagoden-Stil und drei Gates mit Fingern. Als erstes sehe ich ein gigantisches Schild Visa-On-Arrival. Ich grummle. Warum hab ich den Aufwand mit Visa-Service in Berlin auf mich genommen, wenn’s hier einfach so gegangen wäre. Ein erster Blick bestätigt: Deutschland ist auf der Liste. Ich grummle. Ein zweiter Blick zeigt immerhin: gilt nur für Geschäftsvisa mit Einladung. Doch nicht umsonst, der Aufwand. Jetzt noch die letzte Sorge ausräumen: in Istanbul hat der Typ beim Check-In nach meinem Rückflugticket gefragt, und es zu meiner Verantwortung gemacht, ohne ‚confirmed ticket leaving Myanmar‘ die Einreise zu wagen. Die Einreise Kontrolleurin weiß davon offensichtlich nichts, also bin ich drin!
Noch schnell nur wenig Geld wechseln (der Kurs am Flughafen soll beschissen sein)(ein Tag später bekomme ich beim informellen Geldwechsler in einer Seitenfasse den gleichen), und Taxi besorgen. Meine Gastgeber haben mir eingebläut, nicht mehr als 7.000 Ks (~7 US$) zu zahlen, also verhandle ich für 7.000. 30 Sekunden dafür, wäre wohl mehr drin gewesen. Das Taxi ist ein Rechtslenker, ich stelle mich also auf britische Verhältnisse ein. Aber nein, es fahren alle auf der rechten Seite wie ich’s gewohnt bin. Na gut, das kenne ich von anderen etwas weniger entwickelten Ländern, die nehmen Gebrauchtwagen egal von woher, Hauptsache 5 Räder, da ist es egal ob das 5. links oder rechts angeschraubt ist. Aber überraschenderweise sind alle Autos, die ich sehe, rechtsgelenkt, auch die neuesten. Wikipedia meint, seit 1970 herrscht Rechtsverkehr. Wahrscheinlich stammen halt dennoch die meisten Autos aus dem Gebrauchtmarkt von Thailand, Malaysia, Singapur oder Indien, und was neu gekauft wird, wird dann halt auch so bestellt, dass es zu den restlich Autos passt.
Meine ersten Eindrücke:
– Gegenüber ist ein K-Mart. Mit der gleichnamigen amerikanischen Kette hat der Laden wenig gemein.
– Die Straßenentwässerung in Yangon wird über einen Graben im Bürgersteig gewährleistet, der mit Betonplatten abgedeckt ist. Wartungsfreundlich, aber manche der Abdeckplatten sind halt kaputt – man sollte hingucken, wohin man tritt.
– Ich finde den Hauptbahnhof, es gäbe einen Zug nach Mandalay. Leider ist das Reisen per Zug bei meiner (jetzt für Myanmar) gebuchten Reise nicht vorgesehen. Sonst wäre ich sofort dabei, so 14 Stunden durch’s Land zu gondeln. Das muss ich mir für Vietnam aufheben.
– Im Hauptbahnhof hängt ein Fahndungsplakat der Polizei. Faszinierend, wie schwer ich mich als Europäer tue, die Leute irgendwie zu unterscheiden. Ich könnte schwören, dass ich an all den Verbrechern in der letzten halben Stunde vorbeigelaufen bin.
– Auf der Brücke über die Gleise sitzt eine bettelnde Familie, der kleine Junge springt auf, überholt mich kurz, um vor mir eine demütige Verbeugung zu machen, auf seinen Bauch zu deuten, etwas von food please zu murmeln. Ich gebe nichts, irgendwie aus Prinzip, und weil’s vielleicht auch nicht so schlau ist, nachts in einer unbekannten Großstadt sein Geldbeutel zu zücken und nach etwas Kleingeld zwischen den großen Scheinen zu suchen. Der Junge überholt mich mehrmals, jedesmal die Demutsgeste, und ich komme mir total beschissen vor. Bin ich geizig? Sollte ich meine Spendenstrategie überdenken? Wo fängt man an, wo hört man auf? Was meint Ihr denn, wie haltet’s Ihr mit Bettlern? Ernst gemeinte Frage.
– Die Straßenbeleuchtung offenbart, dass hier noch Potenzial für meinen ehemaligen Arbeitgeber ist. Also ein ständiger Wechsel zwischen Verkaufsständen auf der Straße, die von einem hellen Gebäude dahinter oder einer der seltenen Laternen profitieren, und denen die fast vollständig im Dunklen liegen. Dazwischen wird man von einer modernen Samsungreklame geblendet, im Kopf reihen sich die Eindrücke surreal aneinander.
Danach in der Kneipe um die Ecke ein Bier mit Ruben, meinem Gastgeber. Die Wirtschaft hat sich einen witzigen, auf mich passenden, englischen Namen gegeben. Das Myanmar-Beer hat gerade eine Aktion, wo im Kronkorken Preise versteckt sein können. Der Kellner freut sich diebisch, das Plastik aus dem Kronkorken zu puhlen, und den gewonnenen Gewinn zu verkünden. Es gibt Barpreise in Wert von 0-33% des Kneipenpreises der Flasche Bier zu gewinnen, ich komme auf durchschnittlich 20%, die das ‚Fat Man‘ auch sofort gegen die aufgelaufene Rechnung gutschreibt. Weder Ruben noch ich verstehen den Hintergrundgedanke dieses Systems, aber offensichtlich gibt es einiges an diesem Land, was man nicht sofort versteht. Neben dem Lokal spielen zwei fette Ratten ‚Feigling‘ mit dem Licht was aus der Kneipe strömt; meine Mutter würde schreiend davonlaufen. Um kurz nach zehn macht das Fat Man zu, und ich kämpfe einen längeren Kampf mit dem burmesichen Internet, den Beitrag von gestern zu veröffentlichen. Zwar bieten viele Orte kostenloses Wi-Fi, aber das Problem ist die Bandbreite. So tippe ich diese Texte auf einem Netbook, aber die Website auf der sie sich veröffentlichen lassen ist insgesamt einfach zu groß, weil jedesmal Logo und alle Buttons neu geladen werden – Probleme, die man in Deutschland kaum noch kennt. Die App auf dem iPhone wäre schlanker im Sinne von verursachten Datenverkehr, aber das alles werde ich nicht auf einem Touchscreen versuchen zu tippen. Und wie bekommt man Text von einem PC auf das daneben liegende iPhone? (Tipps, die kein itunes und kein Internet brauchen, und auch keine großen Programme zum runterladen werden gerne akzeptiert). Am morgen löse ich dass Problem, indem ich mit der einfachen Website meines uralten gmx-accounts mir den Text auf’s iPhone maile, und es dann veröffentliche. Bin gespannt, ob’s diesmal schnell klappt.
Nach erholsamer Nachtruhe und somit kuriertem Jetlag erst einmal einen ‚easy day‘. Etwas im klimatisierten Appartement lesen, und nach der Mittagshitze hinaus in die Stadt. Ich komme durch einige Märkte, und rege mich innerlich über den Konsumwahnsinn auf. Ich versuche da meine Gedanken in einem der nächsten Texte mal etwas genauer zu fassen. Ich mache mich weiter auf in Richtung Sule Pagode, da soll man günstig Geld wechseln können. Durch die Differenz zum Kurs am Flughafen spare ich tatsächlich 50 Kyat, umgerechnet 4 Eurocent. Immerhin kann ich so die Pagode schnell besichtigen. Als erstes werde ich für eine Donation für die Verwahrung meiner Schuhe gebeten. Die 100Ks werden entrüstet zurückgewiesen, man erwartet von ordentlichen Touristen 1000 (1 USD). Na gut, das Eintrittsgeld ist ja bestimmt ein guter Zweck. 10 Meter weiter klärt mich eine weitere Dame auf, dass das nur für die Schuhe war, der Eintritt selber wäre für Ausländer 2 USD. Als mich nach weiteren 20 Metern jemand wieder mit Donation anspricht ignoriere ich ihn einfach, und komme ungeschoren weiter. Die Sule-Pagode ist eher mittelprächtig, ein echtes Urteil werde ich mir erst mit etwas mehr Erfahrung erlauben. Fotos würde ich gerne posten, aber bei diesem Internet wird das wohl erst später was.
Danach wieder nach Hause, 10% der Istanbul Fotos aussortieren, und noch einen Absacker mit Ruben und einen Bürokollegen von ihm, der US-Burmese Zam. Das ist aus meiner Sicht auch der größte Vorteil von AirBnB – man ist schnell im Kontakt mit den (semi-)locals. Jedenfalls lernet man so einiges über das Land, und wie es ist hier zu leben. Morgen früh um 11 treffe ich meine restliche Reisegruppe – gespannt ist noch untertrieben.
Ein paar Bilder aus Istanbul
(Fliegender) Schmelztiegel der Kulturen
Last day in Istanbul. Zum Anlass des Tages gibt’s nochmal Sonnenschein, endlich kann ich des Hotels Dachterrasse nutzen und mit Blick auf die blaue Moschee frühstücken. Dann Krempel zusammenpacken (es wird nicht weniger), in der Lobby unterstellen und nochmal mit Kamera bewaffnet in die Stadt. Schon auf der Terrasse war mir aufgefallen, dass in der Stadt was los ist. Lautsprechergequäke, Applaus war zu hören. Ich tippte auf eine politische Veranstaltung, aber es entpuppt sich als der Istanbul Marathon. Neben der blauen Moschee ist die Zielgerade, verschwitzte Läufer sehen glücklich aus, ihnen wird zugejubelt als sie diesen letzten Hügel erklimmen, letzte Reserven werden mobilisiert. Zeitweise ist im Zieleinlauf eine Katze unterwegs, eine von tausenden die ich in Istanbul gesehen habe, aber sie behindert die Läufer nicht sondern interessiert sich eher dafür, ob die Zuschauer ihr was abgeben. Die Katzen sehen übrigens fast alle gesund und wohl genährt aus. Ein paar haben besonders ihre charmante Seite entdeckt, sehen professionell süß aus. Andere sehe so aus, als kämen sie ganz gut alleine klar, halten wahrscheinlich die Nagetierpopulation in Grenzen. Ich muss an Nermal denken, der hier bessere Chancen hat als Garfield. Dem Sonnenschein geschuldet umrunde ich noch mal die wichtigsten Baudenkmäler, um sie auch von der beschienenen Seite abzulichten.
Dann mache ich mich weiter zum großen Bazar auf, dem Kapalı Çarşı. A) weil’s einfach dazu gehört und B) weil ich meinen AirB’n’B Gastgebern in Aussicht gestellt habe, Ihnen aus Europa Käse mitzubringen. Aber je näher ich dem Bazar komme, um so ruhiger wird’s. Schließlich stehe ich vor einem eindrucksvollen Tor, eindeutig beschriftet. Aber auch genauso eindeutig zu. Ein Sicherheitsmensch von der Moschee erklärt mir, dass Sonntags hier zu ist. Warum denn das? Wenn auch weitestgehend modern, so ist das doch ein Islamisch geprägtes Land. Warum machen die also am Sonntag zu, wenn der Freitag der viel heiligere Tag ist? Nun ja, in der Nähe meines Hotels gibt’s auch ein paar kleine Kramerläden, irgendwo wird’s wohl noch einen Käse geben. Dann noch den Topkapi Palast den hätte ich fast vergessen. Da das Wetter noch immer mitspielt zeigen sich die alten Gemäuer von der Zuckerseite. Ich löse auch die Zusatzkarte für den Harem, aber hier wird man von der Tourismusbehörde richtig über’s Ohr gehauen. Lauter prachtvolle Räume, aber alle leer (die Touris und Wachleute machen’s auch nicht wett). Enttäuscht beschließe ich, Istanbul zu verlassen – ich lasse mir doch nicht alles bieten.
Meine freundliche Anfrage sichert mir für den Flug nach Dubai einen Platz am Notausgang, aber erst trinke ich noch ein Bier mit Doug. Der Kanadier ist auf dem Weg zu der Segelweltmeisterschaft im Oman in der Laser-Klasse und hat durch einen verpassten Anschlussflug 23h in Istanbul gewonnen. Restlos begeistert hat er eine ganze Tüte voller Gewürze eingekauft, Eulen nach Athen wenn man danach im Oman unterwegs ist. Im Flieger kann ich mein Glück kaum fassen – eine Dreierreihe am Notausgang alleine für mich! Bitte bitte lass es so bleiben. Das Boarding ist auch schon ziemlich am Ende… aber nein. Fast zeitgleich mit der Durchsage ‚boarding completed‘ kommen noch zwei möglicherweise reizvolle Damen und setzen sich neben mich. Die beiden sind Araberinnen, da lässt sich das nicht so eindeutig feststellen. Aber eine grüßt freundlich beim Hinsetzen, vielleicht eine Gelegenheit Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen? Es kommt eher anders. Die Reihe mit dem Notausgang hat ja so ein paar Sonderregeln, zusätzlich zu den üblichen Flugzeugregeln. Die sind ja total unnötig, davon sind jedenfalls meine Sitznachbarinnen überzeugt. Als ein Steward sie bittet Handtaschen in die Fächer zu verstauen statt auf dem Boden vor der Tür liegen zu lassen, und auch das Handy auszumachen, endet die Geduld der Damen. Lautstark diskutieren sie, gehen den sachlichen Steward an, er möge sich nicht so aufführen – Drama an Bord noch vor Beginn des Entertainmentprogramms. Man muss dazu sagen, dass Emirates das Personal sehr bunt gemischt einsetzt. Diversity gelebt. Stolz werden auch am Anfang die Sprachen aufgezählt, die an Bord seitens des Personals verfügbar sind. Gilles der Steward ist Senegalese, und so sieht er auch aus. Und arabisches Geld will sich jetzt mal nicht von so einem vollpigmentierten Mensch aus Sub-Sahara Afrika was sagen lassen. Ich versuche Gilles zu unterstützen „Madam, the steward was being quite reasonable and not shouting“, aber im Rahmen der Deseskalation tauscht Gilles zum Start mit dem spanischen José, der schließlich einen Kompromiss erreicht: Das Telefon wird ausgeschaltet, und die offensichtlich mit Dollarnoten gefüllte Handtasche kommt auf den Schoß. Am Ende trug’s doch zur Völkerverständigung bei – Gilles serviert mir gleich zwei Miniaturflaschen Rotwein, und gesteht mir etwas später in der Galley, wie sehr er Flüge nach Deutschland schätzt – so diszipliniert, die Teutonen.
Nachts um drei in Dubai, mittags drauf dann in Bangkok – sahen Flughäfen schon immer so gleich aus? Überall die gleichen, teuren Läden – wer kauft das Zeug eigentlich? Lässt sich mit dem schlechten Gewissen gegenüber daheimgebliebenen (und evtl. betrogenen) Partnern wirklich so viel Geld verdienen? Von Bangkok nach Yangon merkt man dann die ersten Zeichen von Asien – die Bordküche ist eindeutig Thailändisch, eine willkommene Abwechslung zu dem Hühnerschnitzel mit Pasta was sonst bis auf Vegetarier eigentlich jedem recht sein müsste. Dafür hat der O-Saft den Namen nicht verdient. Yangon setzt als Flughafen immerhin einen kleinen lokalen Akzent: Das Hauptgebäude ist teilweise der burmesischen Blattgoldarchitektur nachempfunden. Das Abenteuer geht in die nächste Phase.
Technische Anmerkung: das Internet ist hier wirklich laaaangsam. Da wartet man schonmal 20 Minuten bis sich ’ne Website aufgebaut hat. Das Veröffentlichen von Blogs kann also auch mal dauern.
Zu Fuß nach Asien
Die besondere Rolle Istanbuls als Brücke zwischen den Kontinenten wird hier immer wieder betont. HIER treffen Europa und Asien zusammen! Auch wenn so eine touristische Aussage mal ganz entspannt ein paar tausend Kilometer Ural ignoriert, so sind die Gegebenheiten hier doch so, dass ich zu Fuß nach Asien gehen könnte – und damit auch meinerseits die stundenlange Flüge unter den Tisch fallen lasse, die ich tatsächlich dazu brauche. Ein schöner, symbolischer Akt, die Bosporusbrücke zu Fuß zu überschreiten, oder?
Aber dazu musste ich erstmal aufstehen. An meinem ersten Abend hier konnte ich das Netbook doch noch so dressieren, wie ich es wollte – vorerst wird es also weder türkisch noch burmesisch mit mir reden. Und so ein Post, der schreibt sich auch nicht von selbst. Außerdem habe ich Urlaub, da ist Ausschlafen doch erlaubt? Also habe ich den auf 8:00 gestellten Wecker ausgemacht und bin um 10:30 wieder aufgewacht. Soviel also zu der Stadtrundfahrt um 10:00. Dann eben als erstes die ebenfalls geplante Bosporus Rundfahrt. Am Donnerstag hatte ich ein paar Flyer neben dem Hotel gesehen, Rundfahrt für 25€. Hört sich doch ganz vernünftig an, also auf zur Tat – aber ob das Angebot wirklich das Beste ist? Ich schlendere mal ein wenig Richtung Anlegestelle, komme an einem weiteren Reisebüro vorbei: 15€, 40% gespart! Leider bequatscht der Eigentümer gerade eine andere Touristin, so dass ich Nimmersatt weiterlaufe. Nach weiteren 300m ist der Preis auf 8€ gefallen, aber jetzt will ich’s wissen. Auch wenn’s unwahrscheinlich ist, dass an den Schiffen selber Karten verkauft werden, riskiere ich’s. Am Ende werde ich belohnt: „two hour tour, ten Lira, come, come, please!!!“ Es geht also auch für ca. 3,50€, wobei ich zugegebenermaßen den Kilometer laufen musste statt von einem Shuttlebus gefahren zu werden.
An Bord beginne ich zu zweifeln, ob das mit die-Bosporus-Brücke-zu-Fuß-überqueren wirklich so eine gute Idee ist. Wer hatte mir erzählt, dass es hier schön warm sein würde? STIMMT NICHT. Gut, offensichtlich immer noch 10° wärmer als in München, aber auf dem Wasser und mit Fahrtwind ist es richtig zapfig. Das ist auf der Brücke, die wir bald unterfahren, sicherlich nicht anders – die riesige, 15m² große, türkische Fahne weht jedenfalls waagrecht von der Brücke weg. Vielleicht suche ich mir einen anderen symbolischen Akt – aber in der Überschrift bleibt’s. Nach der Rundfahrt schnappe ich mir erst ein Balik Ekmek (Danke, Andrea, für den Tipp!) und dann die Straßenbahn – gefüllt wie die U-Bahn kurz vor der Theresienwiese – und nutze damit eine Alternative in mein Viertel zu kommen. Dort wartet die Hagia Sofia auf mich.
Die Hagia Sofia übt fast den größten Reiz aller Sehenswürdigkeiten Istanbuls auf mich aus; alleine den Namen finde ich faszinierend. Als Kirche gebaut, nach der Eroberung durch die Ottomanen als Moschee umgewidmet ist sie seit 1934 ein Museum. Die gigantische Kuppel ist im Jahr 562 fertiggestellt worden – das ist 1451 Jahre her. Das Ding stand schon 6 Jahrhunderte, als jemand auf die Idee kam München zu gründen. Gut, filigran ist anders. Die Mauern sind einige Meter dick, und außen scheinen großzügig in verschiedenen Epochen Verstärkungen angebracht zu sein, die dem Sakralbau etwas von ‚vereinigten Hüttenwerke‘ verleihen. Dennoch verfehlt das Bauwerk seine Wirkung nicht. Ich bin tatsächlich tief beeindruckt, versuche das auf Fotos zu bannen, aber noch bin ich nicht ganz glücklich. Überhaupt hat mir das Wetter bislang einen Strich durch die fotografische Rechnung gemacht.
Am nächsten morgen bringe ich die Disziplin auf, pünktlich um 10:00 bei der Stadtrundfahrt zu sein (mitten in der Nacht, obwohl ich Urlaub hab). Der Cabrio-Doppeldecker-Bus ist nicht das ideale Vehikel heute. Unten hat’s wegen der bescheuerten Aufteilung nur Platz für ca. 10 Leute, das obere Deck bietet rollbare Seitenscheiben aus milchigem, zerkratzten Plastik; die gehen gar nicht. Also bleibt’s offen, und es wird kalt. Beim Überqueren der Brücke geht der Wind durch Mark und Bein, am Ende der Fahrt bin ich komplett durchgefroren. Witzig ist das an sich gut gemeinte Audiokommentarsystem. Das Bild unten zeigt jedenfalls ‚das Stadion von Beşiktaş Istanbul, einem der erfolgreichsten Fußballvereine der Türkei‘, meint die fröhlich von Band plappernde Stimme. Sogar ich kenne den Namen Beşiktaş, und es wundert mich, dass die auf so einem holprigen Platz spielen. Auch dass der Taksim-Platz für irgendetwas außer Flanieren bekannt ist, fällt unter den Tisch.

Nach Rückkehr, wärmendem Tee und scharfen Kebap steht die blaue Moschee auf dem Programm. Ähnlich groß wie die Hagia Sofia, aber halt nicht annähernd so alt. Der Islam ist hier auffällig weltoffen. Am Eingang packt jeder Besucher seine Schuhe unter olfaktorischer Begleitung in eine Plastiktüte, es werden entspannt Kopftücher ausgeteilt, und zu kurze Röcke oder Leggings werden mit einer Mischung aus Kellnerschürze und Wickelrock verdeckt. Aus Unterhaltungen höre ich, dass es die auch für Männer mit kurzen Hosen gibt, aber heute haben die Männer alle zu viel Anstand, es gibt keinen Bedarf. Sehr nett finde ich die Einladung in der Moschee zu dem Islam Information Center: „… whether you are a visting Christian, Jew, Hindu, Atheist, Agnostic […] come in just to say hello, or have a friendly talk […] ask questions, basic or advanced. […] And you will have a friend in Turkiye.“
Am Abend beschließe ich, den Tageswärmehaushalt nochmal aufzufüllen, und ein Hamam aufzusuchen. Ganz in der Nähe meines Hotels ist ein solcher, aus dem 17. Jahrhundert. Das Alter glaubt man ihm sofort, aber hygienetechnisch bestimmt auf dem neuesten Stand. Na ja, bei dem was ich an Reise vor habe darf man wohl nicht so etepetete sein, also mal rin ins Vergnügen. Das Prozedere sieht so aus: von Strassenkleidung in Handtuch wechseln, 15 Minuten Sauna (mit umwickeltem Handtuch), neben Marmorbecken hocken und sich mit einer Schüssel abspülen, vom Hamamisten mit Schrupphandschuh gereinigt werden, auf Marmorblock gelegt, abgeseift und massiert werden, in anderen Raum mit Marmorbecken setzen und warten, auf heißem Stein legen und schwitzen, wieder mit Schüssel abspülen – fertig, und wieder umziehen. Ich wünschte, so eine Beschreibung hätte es irgendwo gegeben. Tatsächlich wartet man ständig auf Gesten des Hamamisten, was man denn als nächstes tun muss. Der ist nicht so amused, dass er hier auf einen Rutsch sechs Touristen komplett ohne Ahnung als Kunden hat. Verächtliche Blicke, weil ich zu blöd bin, mich auf die Stufe neben dem Marmorbecken zu setzen (Nein, nicht anlehnen!), nicht kapiere wofür die Plastikschüssel ist (Hier eintunken, und dann über Kopf und Arme schütten, kann doch nicht so schwer sein). Er bedeutet mir, mich auf den marmornen Altar in die Mitte zu legen, und gestikuliert mich wild an, wenn ich mich umdrehen muss. Die tatsächlichen Aufmerksamkeiten sind entspannend, aber danach schickt er mich in einen Nebenraum wo ich erstmal warte. Mit anderen Besuchern (Südafrika, England, Griechenland, 2x Ulm) rätseln wir, wie’s nun weitergeht. Ob er uns in diesem Raum einfach vergisst? Irgendwann holt er mich aber wieder in den Raum mit dem Knetblock, ich darf mich auf den Marmorboden daneben legen. Ich fühle mich wie ein Schnitzel auf dem heißen Stein. Die beiden Ulmer haben bosnische Wurzeln und reden (wegen 30% gemeinsamen Wortstamms, meinen sie) überzeugend auf den Wärter ein, er antwortet auch, aber sie geben dann zu dass sie eigentlich auch nix verstehen. Irgendwann bin ich als Schnitzel offensichtlich durch, ich werde nochmal abgespült und bin fertig. Auch meine Wertsachen haben’s überlebt, ob ich da mal entspannter werde?
Morgen gehe ich im großem Bazaar fünf Teppiche kaufen, und auf denen fliege ich dann am Abend weiter nach Myanmar.
Los geht’s – Hello Istanbul
Der Taxifahrer, der mich zum Ostbahnhof fährt fragt nach meinem Ziel. Er kommt aus Istanbul und freut sich über meine Wahl. Also noch schnell etwas Türkisch lernen im Taxi. Ich merke mir: Merhabba=Grußformel. Täschegür iderem=Danke (noch komplizierter ging’s nicht?). Gülle Gülle=Auf Wiedersehen.
Vor lauter Hektik bin ich über eine Stunde zu früh am Flughafen, noch ein letztes Weißbier in Bayern. 20 Sekunden nach take-off ist München im Nebel verschwunden.
Ankunft in Istanbul um 23:40, alles läuft glatt, Passkontrolle ist zügig fertig, Gepäck ist sofort da, ein Taxi schnell gefunden, die Diskussion ob des Taxameters bleibt aus, und ab geht’s in die Stadt. Nur an bekannten Radarfallen wird das Tempo gedrosselt, der Taxifahrer bedauert. Die Route passt auch zu meiner aus Google Maps bezogenen geistigen Vorstellung. Als der Fahrer von der Hauptstraße abbiegt, dem Wegweiser nach Sultanahmed folgend (so heißt mein Hotel, aber auch der ganze Stadtteil), beginne ich an der Weisheit meiner Entscheidung zu zweifeln, das günstigere Hotel bei HRS zu nehmen. Es ist finster, alle Läden verrammelt, und die wenigen Leute sehen alles andere als vertrauenserweckend aus, ebenso wie die Herbergen. So winden wir uns durch dunkle Gassen – worauf habe ich mich da eingelassen? Na ja, ich wollte es ja etwas ursprünglicher, fange ich halt gleich mal an zu üben. Doch dann beginnt die Straße breiter zu werden, die Häuser protziger, die Hotels marmorgetäfelt und angestrahlt. Das Taxi hält. Das Hotel heißt „Irgendwas Sultanahmed“. Auf meiner Reservierung fehlt das „Irgendwas“. Taxifahrer diskutiert mit Portier, beiden gucken auf meinen Reservierungszettel, der Chauffeur ruft das Hotel an und lässt sich’s erklären. Aus der Traum von der Marmortäfelung, denn weiter geht’s durch dunkle Gassen. Doch dann biegen wir nach rechts ab (Einbahnstraßenschilder werden in Istanbul offensichtlich anders aufgehängt und zeigen gegen die Fahrtrichtung) und schon sind wir da. „Good evening, Chris!“
Zimmer 104 kann den Altbau nicht leugnen, der Teppich hat auch schon einiges erlebt. Aber sonst wirkt alles sauber. Dass es dunkel ist, überrascht um 1:00 morgens nicht, aber irgendwas ist komisch – da fehlt ein Fenster. Die sind ja allgemein überbewertet, so können keine Mücken reinkommen, toll. Kühle Frischluft leider auch nicht. Müde bin ich aber genug, also Augen zu und d…. äh schlafen. Am nächsten Morgen frage ich nach einem Zimmer mit Fenster, und bekomme mein Upgrade. Börsenspezialisten würden allerdings eher von ein ‚Seitwärtsbewegung in der Übernachtungssituation‘ sprechen, denn das neue Zimmer hat kein Bad mehr. Egal, Frischluft ist mir wichtiger, und ich habe einen Blick auf die linke Hälfte von einem Minarett der blauen Moschee (von der Dachterrasse sieht man die ganze blaue Moschee, und von meinem Fenster aus eine andere, die halt im Weg ist).
Nach erfolgtem Umzug mache ich mich auf in die Stadt. Das Hotel ist wirklich super zentral gelegen. Nach zwei Minuten bin ich auf der Achse zwischen der Hagia Sofia und der blauen Moschee, nicht schlecht. Es wuselt. Leckere Gerüche strömen aus den Lokalen. Chinesen fotografieren sich gegenseitig mit Kulturdenkmälern im Hintergrund. Ich höre Englisch, Amerikanisch, Russisch. Das bekommt man halt, wenn man sich mitten in der Touristenattraktion niederlässt.
Der gemeine Türke, so wurde mir gesagt, sei gar nicht gemein, sondern sehr freundlich. Tatsächlich werde ich schon bald angesprochen, wo ich denn her käme. Aus München. Ah, mein Gesprächspartner hat einen Bruder in Ingolstadt, besucht fleißig das Oktoberfest. Eine gemeinsame Basis ist gefunden. Nach einiger Zeit stellen wir fest, dass er neben einem Bruder auch noch einen Laden für Teppiche und Lederjacken hat. Was ist das eigentlich mit den Teppichen hier? Gut, die Türkei ist bekannt für Teppiche. Aber Deutschland ist zB bekannt für seine Fenster. Das wusste schon Angela M., die auf die Frage welche Empfindung Deutschland in ihr weckt, antwortete: „Kein anderes Land kann so dichte und so schöne Fenster bauen“. Da hat sie zwar nicht unrecht, auch wenn es vielleicht staatstragender gewesen wäre, Goethe oder Bach ins Feld zu führen, aber stelle ich mich deshalb auf den Marienplatz und frage arglose Touristen nach Eingangsgeplänkel, ob sie nicht in meinen Fensterladen kommen wollen? Ich mache das nicht. Aber vielleicht hat ja der Bruder in Ingolstadt, der Opa in Berlin oder der Onkel aus Nürnberg, der dort einen McD oder Burger King leitet, von der dramatischen Teppichlosigkeit in Deutschland erzählt. Oder der typische Einkaufzettel in Istanbul sieht so aus: ‚Eier, Mehl, Milch, einen Teppich und zwei Pfund Auberginen‘. Mir bleibt es vorerst ein Rätsel.
Dem Teppichverkäufer entfliehend mache ich mich auf in die Richtung, in der ich den Bosporus vermute. Die Stadt ändert sich merklich. Die Restaurant- und Hoteldichte sinkt, und auf meinem Weg wird’s langsam ursprünglicher. Eine Gasse entlang einer Festungsmauer macht einen Knick, führt durch einen Torbogen, und plötzlich trennt mich nur noch eine sechsspurige Straße vom Bosporus. Da die Fußgängerampel gerade grün ist, bin ich flugs drüben. Segeltechnisch gedacht, heute hätte man vom schwarzen Meer ins Mittelmeer mit ca. 10 Knoten vor dem Wind segeln können, es weht ein wunderschöner Wind mit 4Bft. Zum Segeln wäre er wunderschön, zum Bummeln ist er etwas kühl. Aber vielleicht wird er hier ja auch von ‚Landeffekten‘ abgelenkt, das wäre hier wohl der Topkapi-Effekt. Vor dem Wind kuscheln sich zwischen den Felsblöcken des Wellenbrechers Katzenfamilien aneinander. Wovon die armen Tiere hier nur leben? Etwas weiter das goldene Horn umrundend sehe ich Scharen von Anglern. Die Katzen leben also vom Fischfang… [anderer Leute]. Die Katzen bei den Anglern kuscheln auch nicht mehr in Felsritzen, sondern umschmeicheln die Sportfischer fordernd aktiv.
Beim weiteren Streifzug durch die Stadt formuliere ich innerlich ein Gerüst für die nächsten Tage, labe mich an Kebab, genieße den überall feilgebotenen Tee, lasse mir die Haare scheren, organisiere ein türkische Internet-SIM-Karte und eine weitere Speicherkarte für meine Elektroschrottsammlung. Morgen wird die große Kamera ausgepackt, und das Sightseeing-proper kann beginnen.
180 Unterhosen, oder ‚Was packe ich nur ein?‘
Für die meisten Reise folge ich diesem Schema: Anzahl der Tage ergibt Anzahl der frische Unterwäsche, ähnlich bei Socken (Abzüge, wenn viel barfußlaufen zu erwarten ist), und so weiter. Das klappt wohl diesmal nicht. Auf dem Esstisch werfe ich seit ein paar Tagen alles, was ich möglicherweise mitnehmen möchte – der Haufen sieht nicht so aus, als passt er in den Rucksack…
Ganz nebenbei, ich hätte gar nicht so viel Unterwäsche, obwohl ich beim Ausräumen der Wohnung mehrmals gestaunt habe, wie viel Krempel ich eigentlich habe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich viel weniger weggeworfen habe, als ich sollte. Ich finge bei vielen Teilen an zu überlegen, und merkte, dass ich so nicht fertig werde. Also rein in den Karton, aber in einem halben Jahr wirklich nur das wieder in den Schrank räumen, was wirklich sinnvoll ist. Schwör.
Wurde dann doch noch hektisch zum Schluss. Noch versuchen, ein paar Dinge zu regeln, noch die letzten Kartons in den Keller, und was nehme ich jetzt wirklich mit? Die Tasche hatte immerhin nur entspannte 14kg. Leider fühlt sich das Handgepäck ähnlich schwer an. Als besonders zeitraubend stellte sich noch der Versuch heraus, im heimischen Internet das Netbook zu optimieren. Wurde leider nicht so optimal. Jetzt lautet also eine der Lerne-Land-und-Leute-kennen-Aufgaben ‚Netbook neu installieren‘. Muss nur noch überlegen, ob’s ein türkisches oder ein burmesisches Netbook wird. Somit also keine Zeit für einen längeren Abschied von den Eltern, aber wer will schon so lange gefühlsduselig sein? Was wir uns jeweils wünschen, wissen wir auch so.
Fluchtgeld, als Lösegeld ungeeignet
Reisen der alten Schule – vorher bei der Bank Fremdwährungen abholen. Wann hat man das zum letzten Mal gemacht? Wo’s doch weltweit Geldautomaten gibt, und Kreditkarten universell akzeptiert…
Myanmar wird als ‚cash-only‘ Reiseland beschrieben, mit dem häufigen Hinweis, dass nur neue, makellose US-Dollar angenommen werden. Die habe ich jetzt wohl – druckfrisch und fortlaufend nummeriert; als Lösegeld ist das deshalb wohl ungeeignet.
