Touchdown in Yangon

Touchdown in Yangon. Das erste echte Ziel dieser Reise – Istanbul war ja mehr eine spontane (und rückblickend betrachtet sehr gute) Verlegenheitslösung weil ich sonst mehr als die Hälfte des Novembers in München gewesen wäre, und das, wo ich doch eigentlich Anfang November hatte fahren wollen. Ein entspannter Fluhafen mit einer Startbahn, Terminalgebäude mit etwas Gold-Pagoden-Stil und drei Gates mit Fingern. Als erstes sehe ich ein gigantisches Schild Visa-On-Arrival. Ich grummle. Warum hab ich den Aufwand mit Visa-Service in Berlin auf mich genommen, wenn’s hier einfach so gegangen wäre. Ein erster Blick bestätigt: Deutschland ist auf der Liste. Ich grummle. Ein zweiter Blick zeigt immerhin: gilt nur für Geschäftsvisa mit Einladung. Doch nicht umsonst, der Aufwand. Jetzt noch die letzte Sorge ausräumen: in Istanbul hat der Typ beim Check-In nach meinem Rückflugticket gefragt, und es zu meiner Verantwortung gemacht, ohne ‚confirmed ticket leaving Myanmar‘ die Einreise zu wagen. Die Einreise Kontrolleurin weiß davon offensichtlich nichts, also bin ich drin!
Noch schnell nur wenig Geld wechseln (der Kurs am Flughafen soll beschissen sein)(ein Tag später bekomme ich beim informellen Geldwechsler in einer Seitenfasse den gleichen), und Taxi besorgen. Meine Gastgeber haben mir eingebläut, nicht mehr als 7.000 Ks (~7 US$) zu zahlen, also verhandle ich für 7.000. 30 Sekunden dafür, wäre wohl mehr drin gewesen. Das Taxi ist ein Rechtslenker, ich stelle mich also auf britische Verhältnisse ein. Aber nein, es fahren alle auf der rechten Seite wie ich’s gewohnt bin. Na gut, das kenne ich von anderen etwas weniger entwickelten Ländern, die nehmen Gebrauchtwagen egal von woher, Hauptsache 5 Räder, da ist es egal ob das 5. links oder rechts angeschraubt ist. Aber überraschenderweise sind alle Autos, die ich sehe, rechtsgelenkt, auch die neuesten. Wikipedia meint, seit 1970 herrscht Rechtsverkehr. Wahrscheinlich stammen halt dennoch die meisten Autos aus dem Gebrauchtmarkt von Thailand, Malaysia, Singapur oder Indien, und was neu gekauft wird, wird dann halt auch so bestellt, dass es zu den restlich Autos passt.
Meine ersten Eindrücke:
– Gegenüber ist ein K-Mart. Mit der gleichnamigen amerikanischen Kette hat der Laden wenig gemein.
– Die Straßenentwässerung in Yangon wird über einen Graben im Bürgersteig gewährleistet, der mit Betonplatten abgedeckt ist. Wartungsfreundlich, aber manche der Abdeckplatten sind halt kaputt – man sollte hingucken, wohin man tritt.
– Ich finde den Hauptbahnhof, es gäbe einen Zug nach Mandalay. Leider ist das Reisen per Zug bei meiner (jetzt für Myanmar) gebuchten Reise nicht vorgesehen. Sonst wäre ich sofort dabei, so 14 Stunden durch’s Land zu gondeln. Das muss ich mir für Vietnam aufheben.
– Im Hauptbahnhof hängt ein Fahndungsplakat der Polizei. Faszinierend, wie schwer ich mich als Europäer tue, die Leute irgendwie zu unterscheiden. Ich könnte schwören, dass ich an all den Verbrechern in der letzten halben Stunde vorbeigelaufen bin.
– Auf der Brücke über die Gleise sitzt eine bettelnde Familie, der kleine Junge springt auf, überholt mich kurz, um vor mir eine demütige Verbeugung zu machen, auf seinen Bauch zu deuten, etwas von food please zu murmeln. Ich gebe nichts, irgendwie aus Prinzip, und weil’s vielleicht auch nicht so schlau ist, nachts in einer unbekannten Großstadt sein Geldbeutel zu zücken und nach etwas Kleingeld zwischen den großen Scheinen zu suchen. Der Junge überholt mich mehrmals, jedesmal die Demutsgeste, und ich komme mir total beschissen vor. Bin ich geizig? Sollte ich meine Spendenstrategie überdenken? Wo fängt man an, wo hört man auf? Was meint Ihr denn, wie haltet’s Ihr mit Bettlern? Ernst gemeinte Frage.
– Die Straßenbeleuchtung offenbart, dass hier noch Potenzial für meinen ehemaligen Arbeitgeber ist. Also ein ständiger Wechsel zwischen Verkaufsständen auf der Straße, die von einem hellen Gebäude dahinter oder einer der seltenen Laternen profitieren, und denen die fast vollständig im Dunklen liegen. Dazwischen wird man von einer modernen Samsungreklame geblendet, im Kopf reihen sich die Eindrücke surreal aneinander.
Danach in der Kneipe um die Ecke ein Bier mit Ruben, meinem Gastgeber. Die Wirtschaft hat sich einen witzigen, auf mich passenden, englischen Namen gegeben. Das Myanmar-Beer hat gerade eine Aktion, wo im Kronkorken Preise versteckt sein können. Der Kellner freut sich diebisch, das Plastik aus dem Kronkorken zu puhlen, und den gewonnenen Gewinn zu verkünden. Es gibt Barpreise in Wert von 0-33% des Kneipenpreises der Flasche Bier zu gewinnen, ich komme auf durchschnittlich 20%, die das ‚Fat Man‘ auch sofort gegen die aufgelaufene Rechnung gutschreibt. Weder Ruben noch ich verstehen den Hintergrundgedanke dieses Systems, aber offensichtlich gibt es einiges an diesem Land, was man nicht sofort versteht. Neben dem Lokal spielen zwei fette Ratten ‚Feigling‘ mit dem Licht was aus der Kneipe strömt; meine Mutter würde schreiend davonlaufen. Um kurz nach zehn macht das Fat Man zu, und ich kämpfe einen längeren Kampf mit dem burmesichen Internet, den Beitrag von gestern zu veröffentlichen. Zwar bieten viele Orte kostenloses Wi-Fi, aber das Problem ist die Bandbreite. So tippe ich diese Texte auf einem Netbook, aber die Website auf der sie sich veröffentlichen lassen ist insgesamt einfach zu groß, weil jedesmal Logo und alle Buttons neu geladen werden – Probleme, die man in Deutschland kaum noch kennt. Die App auf dem iPhone wäre schlanker im Sinne von verursachten Datenverkehr, aber das alles werde ich nicht auf einem Touchscreen versuchen zu tippen. Und wie bekommt man Text von einem PC auf das daneben liegende iPhone? (Tipps, die kein itunes und kein Internet brauchen, und auch keine großen Programme zum runterladen werden gerne akzeptiert). Am morgen löse ich dass Problem, indem ich mit der einfachen Website meines uralten gmx-accounts mir den Text auf’s iPhone maile, und es dann veröffentliche. Bin gespannt, ob’s diesmal schnell klappt.
Nach erholsamer Nachtruhe und somit kuriertem Jetlag erst einmal einen ‚easy day‘. Etwas im klimatisierten Appartement lesen, und nach der Mittagshitze hinaus in die Stadt. Ich komme durch einige Märkte, und rege mich innerlich über den Konsumwahnsinn auf. Ich versuche da meine Gedanken in einem der nächsten Texte mal etwas genauer zu fassen. Ich mache mich weiter auf in Richtung Sule Pagode, da soll man günstig Geld wechseln können. Durch die Differenz zum Kurs am Flughafen spare ich tatsächlich 50 Kyat, umgerechnet 4 Eurocent. Immerhin kann ich so die Pagode schnell besichtigen. Als erstes werde ich für eine Donation für die Verwahrung meiner Schuhe gebeten. Die 100Ks werden entrüstet zurückgewiesen, man erwartet von ordentlichen Touristen 1000 (1 USD). Na gut, das Eintrittsgeld ist ja bestimmt ein guter Zweck. 10 Meter weiter klärt mich eine weitere Dame auf, dass das nur für die Schuhe war, der Eintritt selber wäre für Ausländer 2 USD. Als mich nach weiteren 20 Metern jemand wieder mit Donation anspricht ignoriere ich ihn einfach, und komme ungeschoren weiter. Die Sule-Pagode ist eher mittelprächtig, ein echtes Urteil werde ich mir erst mit etwas mehr Erfahrung erlauben. Fotos würde ich gerne posten, aber bei diesem Internet wird das wohl erst später was.
Danach wieder nach Hause, 10% der Istanbul Fotos aussortieren, und noch einen Absacker mit Ruben und einen Bürokollegen von ihm, der US-Burmese Zam. Das ist aus meiner Sicht auch der größte Vorteil von AirBnB – man ist schnell im Kontakt mit den (semi-)locals. Jedenfalls lernet man so einiges über das Land, und wie es ist hier zu leben. Morgen früh um 11 treffe ich meine restliche Reisegruppe – gespannt ist noch untertrieben.

3 Gedanken zu „Touchdown in Yangon

  1. Tja, das mit den Bettlern ist wirklich schwierig. Tendenziell gebe ich nichts, es sei denn, es wird irgendwas gemacht im Gegenzug, den Weg zu einer Sehenswürdigkeit gezeigt, eine Auskunft gegeben, was weiss ich. Ist aber wirklich schwierig. Man könnte sich auch jeden Morgen in bisschen Kleingeld in die Hosentasche stecken, das dann Bettlern geben so lange bis es weg ist, der Rest bekommt dann halt nichts.

  2. ich geb da nie was solange ich vor Ort bin….schon gar nicht wenn man auf der Route öfters geht….das spricht sich schnell rum und dann sind da gefühlt Tausende die dich jedes mal anbetteln….erst wenn ich das Land verlass gebe ich das Restgeld-Kleingeld …
    K-Mart kenne ich als kleineren Supermarkt aus Korea…vielleicht kommt es eher daher??

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