Das Hotelfrühstück hat mich rumgekriegt. Hier gibt’s total leckere Pho Bo zum Frühstück. Pho Bo ist eine Rindersuppe mit Nudeln und wird wir folgt ausgesprochen: eineinhalb Nasenlöcher zuhalten, und dann mit leicht blasiertem Tonfall „Föhhh“ sagen. Das „Bo“ spricht man ganz normal aus. Oder auf die Karte deuten, so mache ich’s. Pho Bo ist DAS vietnamesische Nationalgericht, wird an allen Ecken in Garküchen angeboten. Ich gucke, welche der Kochschulen in Hoi An mir das beibringt, und lande bei Viet Vic. Der will eigentlich drei andere Sachen lehren, aber bietet mir auch an, mir speziell jenes beizubringen, was ich wissen will. Dafür gibt’s keine Hochglanzrezeptbroschüre, und da ich die Rezepte eh von meinem Schmierzettel abtippen muss, kann ich sie auch gleich mit Euch teilen.
A. Pho Bo
Grundbrühe:
Kardamon (der vietnamesische sieht anders aus, als den, den ich kenne, von außen eher wie eine Muskatnuss. Ich denke da sind ca. 3 Kapseln drin, so wie ich sie aus dem Oman kenne), 2 Sternanis und etwas Zimt trocken in der Pfanne anrösten um die Aromen zu aktivieren. Den Kardamon vorher etwas quetschen, dass der Geschmack rauskommt.
In 1,5 Liter Wasser folgendes werfen: 1 Rindsknochen mit Mark (ca. 15cm war unserer groß), 3 Stengel Zitronengras, gequetscht, ½ Schalotte, ein daumengroßes Stück Ingwer, die angerösteten Zutaten von oben, ½ Zwiebel, ½ EL Rinderbouillonpulver, ½ EL Zucker, ½ TL Salz, und das ganze für 1-3 Stunden kochen.
Weiter:
ca. 100gr Rinderlende gaaanz dünn aufschneiden. Eine Portion ca 4mm breite Reisnudeln, etwas Frühlingszwiebel, Sojasprossen kurz in kochendem Wasser weichmachen. Nudeln, Frühlingszwiebel, Sojasprossen in eine Portionsschüssel geben, die rohe Rinderlende drauflegen, und dann Grundbrühe drauf. Das Rindfleisch wird nur durch die Brühe gegart.
Dazu:
Überall wird sie etwas anders serviert. Mein Koch hat dazu eine Pickle zubereitet (2 Knoblauchzehen und eine Schalotte, jeweils in Achtel geschnitten; Chilischote oder Paprika nach Geschmack, ½ TL Zucker, ½ TL Salz, 4 EL Essig), die man dann abwechselnd mit der Suppe isst (hab ich praktisch noch nirgends gesehen). Beliebt ist auch: Frische Sprossen, Frühlingszwiebel, vietnamesischer Basilikum, Minze, Limetten(-saft), Chilisoße, Hoisinsoße, die der Gast nach seinem Geschmack dazu tut. Im Hotel schwimmen auch meist ein paar Erdnüsse drin.
B. Beef with Lemongrass
Marinade:
3 Stecken Zitronengras, untere Hälfte klein schneiden, 2 Zehen Knoblauch, ½ Schalotte, 1-2 Chili mit je ½ TL Salz, Pfeffer, Zucker in den Mörser tun und gut zermanschen. Danach 1 EL Speiseöl, und darin 100gr. Rinderlende (fein geschnitten) marinieren.
Zubereitung:
Ein ca. 30x30cm großes Bananenblatt über offenes Feuer halten, damit es weich wird. Das Blatt halbieren, über Kreuz legen, und in die Mitte das marinierte Fleisch geben. Dann als Paket zusammenfalten, und danach noch in Alufolie wickeln. Das ganze dann ca. 2×5 Minuten auf den Grill.
Statt Bananenblatt geht wohl auch Weißkohl oder Salat.
C. Hoi An Crispy Pancakes
Vietnamese Pancake Mix (gibt’s am Markt in Hoi An) mit Wasser verrühren, evtl. mit Kurkuma noch etwas Farbe dazutun. Das Grün einiger Frühlingszwiebeln und Sojasprossen vorbereiten. Etwas Schweinefleisch (geht auch: Shrimps, Pilze, …) sehr dünn schneiden.
Eine kleine Pfanne mit reichlich Öl erhitzen, darin das Schweinefleisch kurz anbraten, dann den Pfannkuchenteig möglichst dünn in die Pfanne bringen (Bei uns war er nicht flüssig genug, sich selbst zu verteilen, also musste man den Teig mit dem Löffel jeweils dort in die Pfanne tun, wo noch keiner war). Nach ca. einer Minute Frühlingszwiebeln und Sprossen auf den Pfannkuchen, isg. etwa 3 Minuten auf niedriger Flamme braten, wenn er fast knusprig ist, zusammenlegen. Abtropfen lassen.
Süßsaure Tunke herstellen: 4 Knoblauchzehen im Mörser zerkleinern, 1 Schalotte, etwas Paprika, 1-2 Chilies (alles kleinst geschnitten), mit 2 EL Zucker und 1 EL Salz (vielleicht erstmal weniger) vermischen, mit etwas Wasser verdünnen. Dann 2 EL Fischsoße (für Vegetarier: Sojasoße) und 2 EL Limettensaft dazugeben, und gut mischen, abschmecken. Evtl. mit etwas Erdnuss verfeinern. Die gleiche Tunke wird übrigens zum Dippen von Frühlingsrollen verwendet.
Zum servieren einen halben Pfannkuchen auf ein entsprechend großes Reispapier legen, Salat und feingeschnittene Gurken draufgeben, einrollen, dippen und genießen.
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Ein paar Bilder aus Vietnam – Hue
Galerie
Um Hue herum gibt es einige Kaisergräber, die meist vorher ein Palast desselben Kaisers waren. Impressionen davon: Ebenso in Hue: eine bekannte Pagode: Die Gärtenhäuser von Hue ziehen nicht nur Touristen an, sondern sind auch beliebt für Hochzeitsfotografien. (Ihr … Weiterlesen
Über den Wolkenpass – est nomen omen?
Die Strecke zwischen Hue und Da Nang ist – laut Reiseführer – eine der schönsten in ganz Vietnam. Ach ja? Ein katastrophales Verkehrsnadelöhr, der Hai Van Pass, wurde mittlerweile mit dem längsten Tunnel Südostasiens entschärft, den natürlich alle vernünftigen Verkehrsmittel nehmen, um Zeit zu sparen. Will nicht sparen, nicht vernünftig sein, deshalb fallen die üblichen Möglichkeiten mit Bus oder ähnlichem aus. Mit Thomas beschließe ich, dass wir die Fahrt mit dem Privatauto bestreiten müssen, kostet halt sechzig Dollar. Dabei tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf; das Auto könnte ja vorher noch an der einen oder anderen Sehenswürdigkeiten außerhalb von Hue anhalten, und ich kann ein Teil meines schlechten Gewissens besänftigen, Hue nicht intensiver angesehen zu haben. Nachdem wir Pagode und Kaisergrab mit in die Tour geplant haben, ist der Preis auf achtzig Dollar gestiegen, kurz an einem der berühmten Gartenhäuser anhalten kostet nochmal drei Dollar. Am Ende einigen wir uns auf special price, 75 USD. Die Fahrt an sich dauert nur dreieinhalb Stunden, wir halten ja nur kurz, also haben wir morgens sogar noch Zeit, den empfohlenen Spaziergang entlang der Le Loi Straße zu machen. Abfahrt um 11:00. Good news, bad news: Anstatt einer abgewrackten Rostschüssel bekommen wir einen relativ schicken Ford Everest Geländewagen mit gediegener Lederausstattung, aber es regnet. Regen ist natürlich auch toll, da gibt’s diese mystischen Fotos mit Nebelschwaden – bei Sonne kann jeder fotografieren.
1. Stop – Gartenhäuser: hier wohnten vormals die Mandarine am kaiserlichen Hof, das alte Mütterchen, was uns dieses mitteilt, behauptet in neunter Generation in diesem Haus zu wohnen, und erklärt ein paar Details: Das Haus wurde gänzlich ohne Nägel gebaut, mit einer prächtigen Seite für die männlichen Mitglieder der Familie, und einer eher funktionalen Seite für die weiblichen. Der chinesische Einfluss ist deutlich spürbar, überall hat’s chinesische Schriftzeichen, und Haus und Garten sind nach den Regeln des Feng Shui angelegt. So wird die Hauptachse von Gartentor zum Haus durch eine Mauer unterbrochen, die die bösen Geister fernhalten soll. Die Geister sind nämlich nicht nur böse, sondern auch sehr ungelenk, und können keine Kurven navigieren, somit also die Mauer nicht umgehen. Es entstehen in dem Gartenhaus tatsächlich ein paar mystisch-trübe Fotos, ein geklautes Hochzeitsfoto sieht so nachdenklich-melancholischer aus als es sich die Braut wahrscheinlich gewünscht hat.
2. Stop – Die Thien Mu Pagode: Der Regen hat leicht zugelegt. Gegen das Versprechen, danach in der Kneipe (=Überdachung mit Plastikstühlen und einer Thermotruhe) ein Bier zu trinken bekommen wir einen Schirm von der Wirtin geliehen. Mich beruhigt, dass das Foto in meinen National Geographic Reiseführer bei gleichem Wetter aufgenommen wurde – entweder sieht’s so besser aus, oder das Wetter ist hier halt einfach häufig regnerisch. Neben verschiedenen Sakralbauten steht hier der blaue Austin, mit dem der Mönch Thich Quang Duc nach Saigon fuhr, um sich 1963 im Protest gegen anti-buddhistische Tendenzen der südvietnamesischen Regierung selber zu verbrennen. Ein makabres Foto zeigt sein Herz auf einer Kristallschale, mit der Beschriftung, dass es die Stärke seines Glaubens war, die das Herz erhalten hat. Ich tippe still eher auf rechtzeitig gelöscht, ich Ketzer.
3. Stop – Das Grabmal des Minh Mang: nach einer halben Stunden Fahrt über Land erreichen wir den Palast / das Grab des Kaisers Minh Mang; eine große Anlage, die streng den Feng Shui Regeln folgt. Mit das schönste, was ich bislang in Vietnam gesehen habe. Es hat aufgehört zu regnen, und tatsächlich wirkt’s im Trüben etwas mystisch. Jedenfalls schlendern wir fasziniert durch die Anlage, und ärgern uns, nur eine der insgesamt sieben Grabanlagen zu besichtigen – wir begreifen es als Herausforderung, unserem Fahrer (der kein Englisch spricht) dazu zu bewegen, noch eine weitere Anlage anzusteuern. Tatsächlich ist es keine Frage der Sprachgewandtheit, sondern von fehlenden zehn Dollar, doch wir einigen uns. Dem Grabmal von Kaiser Tu Duc sind offensichtlich noch nicht die vollen Segnungen eines Unesco Kulturdenkmals zuteil geworden. Einige der Tempel sind lieblos mit Wellblech gedeckt, und abseits des „way of visit“ sieht es eher aus wie in einem vernachlässigten Schrebergarten. Immerhin beruhigend, dass wir wohl mit den restlichen fünf nichts groß verpassen, denn die beiden bisher waren die Top-Tipps.
4. Die Fahrt: Mittlerweile ist es halb vier, und wir sollten uns langsam auf den Weg machen, damit wir nicht in der Nacht ankommen. Es wird zum Mäusemelken. Aus unerfindlichen Gründen hält sich der Fahrer plötzlich an Regeln, wir kommen nicht voran. An Bergen die alte Krankheit. Immer, wenn er gerade so weit beschleunigt hat, dass der Motor beginnt rund zu laufen, schaltet der Fahrer hoch, eine elendigliche Zuckelei. Kurz vor fünf erreichen wir den Fuß des Hai Van Passes. Der Fahrer bedeutet uns, dass es wesentlich sinnvoller wäre, einfach durch den Tunnel zu fahren, wir lehnen entrüstet ab. Natürlich ist es rational betrachtet die sinnvollere Entscheidung, sinnvoller als bei trüben Wetter und aufkommender Dunkelheit über den Pass zu fahren. Aber emotional haben wir einfach keine Wahl – wir haben das Privatauto ursprünglich ja nur deshalb gebucht, um nicht durch den Tunnel zu fahren. Der Fahrer zuckt mit den Achseln; ich bin mir sicher dass er innerlich wie ein Rohrspatz flucht. Immerhin – durch den Tunnel ist der Pass leer. Wir fahren zügig hinauf, und müssen uns die Straße nur mit ein paar Mopeds teilen (d.h. ein paar Mopeds müssen uns ausweichen, während wir souverän den Pass erklimmen). Es wird deutlich, dass die Strecke bei besserem Wetter und mehr Tageslicht wirklich atemberaubend sein könnte – ein mit dichtem Dschungel bewachsener Berg, Schiffe, die im Meer unterhalb ankern, eine Straße die ich soooo gerne mal selber mit ein paar PS mehr fahren würde – am Ende machen wir auf der Passhöhe ein paar Fotos von alten amerikanischen Bunkern, und sehen zu dass wir weiter kommen. Immerhin hält sich der Fahrer bergab an die alte Regel: ‚im gleichen Gang den Berg runter, wie man ihn hinauf gebraucht hätte‘, nur dass das hier bedeutet, dass er wieder immer im zu hohem Gang unterwegs ist. Egal, wir kommen unten an, und sind kurz nach sieben in Hoi An.
Ein kurzer Kommentar zu den ganzen Fotos
Kurzmitteilung
Puh, endlich habe ich die ganzen Fotos hochgeladen – ein paar fehlen noch, und ich werde auch noch die entsprechenden Kommentare schreiben – aber das geht notfalls mit dem Iphone und ohne WLAN.
Fragwürdige Entscheidungsfindungen
I had a brother at Khe Sanh
fightin‘ off the Viet Cong.
They’re still there; he’s all gone.
Die Zeilen habe ich bestimmt schon hunderte von Malen gehört – einige Leser erkennen sie sofort, anderen helfe ich auf die Sprüngen: „Born in the USA“ von Springsteen. Wüsste einer vor Euch, wo genau Khe Sanh ist, was dort war? Ich hab’s mal vor einiger Zeit gegoogelt, sonst hätte ich keinen blassen Schimmer. Erleuchtung weiter unten im Text. Bei der Analyse möglicher Aktivitäten in Hue bin ich über Khe Sanh gestolpert, und eine Schnapsidee setzte sich in meinem Kopf fest. Ich reflektiere: Wie kommt man überhaupt dazu, was man im Urlaub macht? Bei meiner Reise von genauer Planung zu sprechen, wäre jetzt übertrieben – ich wusste, dass es hier einen Haufen Länder gibt, in denen ich noch nicht war, also wollte ich da hin. Und jetzt genauer? Die Reiseführer bieten ja dankenswerterweise eine Rubrik „Don’t miss“, „Nicht versäumen“ und „Geheimtipps“, aber damit kann man pro Land von zwei Tage bis drei Monate verbringen. Jetzt bin ich also über einen Ort gestolpert, der mir aus einem Lied ein Begriff ist, da muss ich hin. Ein ähnliches Phänomen widerfährt mir übrigens z.B. in London; meine Vorliebe für englische Krimis lassen mich jede Menge Ortsnamen auf einem Stadtplan erkennen, wo ich noch nie war. Vielleicht eine fragwürdige Art der Entscheidungsfindung, aber immerhin werden einige Touren dorthin angeboten, also – los geht’s!
Nahe der alten Kaiserstadt Hue lief entsprechend der Genfer Verträge von 1954 die Demarkationslinie zwischen Nord- und Südvietnam, also dem guten, heldenhaften, kommunistischen Norden, und dem feigen Saigon-Marionettenregime der imperialistischen Amerikaner (Ihr seht, ich lerne dazu). Es wurde eine demilitarisierte Zone (DMZ) eingerichtet, die schon nach kurzer Zeit den Namen nicht mehr verdiente – nirgendwo sonst fielen im amerikanischen Krieg mehr Bomben. Vietnam ist hier ca. 80 km breit, im Westen, kurz vor Laos, liegt das Dorf Khe Sanh auf einem Hochplateau. Dort richteten die Amerikaner einen Stützpunkt mit Flugfeld ein, um den nordvietnamesischen Ho Chi Minh Pfad zu unterbrechen. Die Befreiungsarmee fühlte sich provoziert, und es gab eine heftige Schlacht im ersten Halbjahr 1968, mit 199 Toten auf amerikanischer Seite, einer davon eben Springsteens erfundener Bruder. Auch dass dort die Viet Kong kämpften, ist erfunden (es war die Nordvietnamesische Befreiungsarmee), aber da ich den Unterschied selber erst vor ein paar Tagen verstanden habe, will ich Springsteen da mal nicht nachtragend sein. Heute ist Khe Sanh Combat Base einer von zwei Höhepunkten der 12-stündigen DMZ-Bustour, ein staubiger Originalschauplatz mit Besucherzentrum, ein paar verrosteten Kriegsmaschinen, und nachgebauten Bunkern aus Beton-Sandsäcken.
Aber kurz der Reihe nach. Am 2.1. fliege ich morgens von Saigon nach Hue, ein moderner Airbus 321 von Vietnam Airlines. Am Flughafen in Hue werden wir die 50 Meter vom Flieger zum Terminal mit dem Bus gefahren; das werde ich nie kapieren. Soll es belegen, dass der Flughafen nicht provinziell ist, weil man Passagieren nicht erlaubt, die kurze Entfernung zu laufen? Am Gepäckband setze ich meine Mitstreiter-Such-Doktrin um, und finde Thomas aus Dresden. Wir teilen uns ein Taxi, und ich darf mir das Hotel ansehen, welches er vorher reserviert hat. Thomas hat wahrscheinliche seine Kreditkarte hinterlegt, ist aus Sicht des Hotels also schon ‚in the bag‘, und muss eine halbe Stunde auf sein Zimmer warten. Ich könnte ja noch zur Konkurrenz gehen, und bekomme deshalb mein Zimmer sofort. Wir machen uns auf die Socken zur Zitadelle, dem Kaiserbezirk von Hue, vom Konzept wie die verbotene Stadt in Beijing, aber viel kleiner. Hier wird fleißig gewerkelt, offensichtlich ist hier im April ein wichtiger Event, und bis dahin soll alles restauriert sein. Die Absperrungen zu den Baustellen sind durchlässiger als das ein deutscher SiGeKo (Sicherheits und Gesundheitskoordinator) zulassen würde, also sehen wir, wie das Holz eines Tempels frisch gebeizt wird, und verschiedene farbliche Details der historischen Malerei mit entsprechenden Farbtöpferl nachgezogen werden. Die bereits restaurierten Gebäude sind klassisch-asiatische Architektur, Dächer mit aufwendigen Drachen dekoriert, viel Malerei im Inneren. Mir aber gefallen die halb-verfallen Gebäude abseits des offiziellen Rundgangs mehr – teilweise mit Unkraut überwuchert sieht man denen noch an, dass sie auch mal als Lagergebäude für die Requisiten einer Theateraufführung dienten. Hoffentlich kommt das auf den Fotos rüber, immerhin ist das Licht am späten Nachmittag perfekt.
Wir treten den Rückweg zum Hotel an, und machen intensivere Bekanntschaft mit den vietnamesischen Cyclo-Fahrern. Die Fahrrad-Rikschafahrer sind taub, verstehen jedenfalls den Begriff „no“ nicht, können sich sicherlich auch gar nicht vorstellen, dass so ein reicher Falang gerne mal ein bisserl läuft. So fährt er 10 Minuten neben uns her und bietet zyklisch eine einstündige, eine halbstündige Stadtrundfahrt, oder auch nur die Rückfahrt ins Hotel an. Wir ignorieren ihn, trinken am Straßenrand noch ein Bier, buchen die DMZ-Tour für den nächsten Morgen, und essen in einem kitschig-romantischen Restaurant am Flussufer etwas Barbecue vom Tischgrill.
Am nächsten Tag werden wir um 6:15 im Hotel abgeholt, mit zwei anderen Opfern, die auch die Tour MIT Frühstück gebucht haben, und werden um den Block zu einem Café gefahren. Option 1-10 sind verschiedene Permutation aus Omelette mit Inhalt und Baguette, Getränke wie Kaffee oder Tee gehen extra. Wir witzeln, dass auch das anfangs fehlende Besteck extra kosten wird, aber das gab’s kostenlos. Mittlerweile sammelt der Bus die Gäste ohne gebuchtes Frühstück ein, mein zurückgelassenes Handtuch in der ersten Sitzreihe vom Bus sichert uns aber weiterhin die besten Plätze (eigentlich war’s ein Buch). Wir zuckeln 90 Minuten in die nächste Provinzhauptstadt, sammeln dort die Reiseleiterin ein, und machen uns auf in Richtung laotische Grenze, in die Berge Vietnams.
Unser Hyundai Kleinbus schleicht die von den Franzosen gebaute RN 9 hinauf, und wird dabei zusätzlich vom Fahrer gequält. Die meisten asiatischen Fahrer, die ich hier erlebt habe können nicht wirklich fahren. Sie haben zwar eine vernünftige Einschätzung darüber, ob der Gegenverkehr vor Ende des Überholvorgangs noch rechtzeitig ausweichen kann, aber die richtige Gangwahl überfordert sie ebenso wie rückwärts einparken. So röchelt das untermotorisierte Gefährt mit niedrigsten Drehzahlen vor sich hin, am Berg schaltet der Fahrer die Klimaanlage zur Mobilisierung der letzten Kraftreserven ab. Ein kurzer Stopp am Ho Chi Minh Pfad – zu Zeiten des Krieges, so versichert die Reiseleiterin, war das noch keine zweispurige asphaltierte Straße, sondern ein 20.000km langes Geflecht an Fußpfaden, welches die Viet Kong Guerillas im Süden mit meist von Trägern transportiertem Kriegsmaterial versorgte.
Um 11:30 erreichen wir Khe Sanh. Die Reiseleiterin erklärt vor einer LED-bunt-blinkenden Karte das Kriegsgeschehen, ich habe mich am Vorabend intensiv mit Wikipedia gebildet, muss deshalb nicht alles verstehen was gesagt wird, und kann auch einigen meiner Mitreisenden bei manchen Lücken helfen. Neben der LED-Karte bietet das Besucherzentrum noch die üblichen verrosteten Waffen und anderen Ausrüstungsgegenstände, und viele Fotos. Deren Beschreibungen amüsieren mich mit Ihrer platten Wertung, die sich vor allem in den Adjektiven ausdrückt: Nordvietnam: „Heldenhaft, mutig, entschlossen“ Amerika: „Hilflos, verzweifelt, geduckt, flüchtend“. Im Freigelände die üblichen Verdächtigen: Auch dieses Museum hat ein UH-1 ‚Huey‘ Hubschrauber abbekommen, einige rostige Panzer stehen umeinander, und auf dem ehemaligen Flugfeld steht eine amerikanische Transportmaschine. Ein paar Flugzeug- und Hubschraubertrümmerteile bilden eine bizarre Skulptur, und eine Vielzahl verschiedener Granaten illustrieren, was man so alles auf das geschundene Land abgeworfen hat. Dann müssen wir den Rückweg antreten, diskutieren im Bus noch darüber was die U.S.A. hier eigentlich wollten. Gewonnen haben in Khe Sanh übrigens beide Seiten. Die Amerikaner konnten die Basis verteidigen, und fügten dem Feind größere Verluste zu, beschlossen aber nach abflauen der Kämpfe unter neuer Führung, dass sie die verlustreiche Basis doch nicht bräuchten, und zogen sich zurück; die Nordvietnamesen hatten sie also am Ende besetzt. Ein Schelm, wer darin ein Bild für die Sinnlosigkeit des Krieges sieht.
Ein Bild für das Leiden der Zivilbevölkerung sind hingegen die Tunnel von Vinh Moc, die wir als nächstes besuchen. Anders als in Cu Chi waren diese nicht primär zum Kämpfen, sondern dienten der Zivilbevölkerung für sieben Jahre als Schutz vor Bombardement. Familienfreundlich größer ausgebaut als die Kamptunnel, bekommen hier nicht alle klaustrophobische Anwandlungen. Eine vierköpfige Familie bekam hier immerhin ein Wohnzimmer von circa zwei Quadratmetern, 1,50m hoch. Dass reicht locker, denn in dem Platz kann man problemlos ein Moped unterbringen, und da passt die gleiche Familie drauf, das sieht man ständig. Es gab eine Krankenstation, es wurden siebzehn Kinder während der Zeit geboren, und eine Toilette für 40 Familien gab’s auch. Immerhin haben alle den Krieg überlebt, und das während ihr ehemaliges Dorf über ihnen immer mehr zu einer Mondlandschaft zusammengebombt wurde.
Der Rückweg dauert fast dreieinhalb Stunden, wir unterhalten uns prima, nur die asymmetrische Gesäßbelastung durch die zu schmalen Sitzes schmälert das Vergnügen ein wenig. Als wir endlich wieder in Hue ankommen, hat sich eine fünfköpfige, deutschsprachige Gruppe herauskristallisiert, die erst einmal ein Bierchen trinken geht. Zwei Stunden und zwei Gänge später trennen sich unsere Wege wieder. So endet ein dreizehnstündiger Ausflug, davon zehn Stunden reine Fahrerei, alles nur weil Bruce Springsteen das Trauma eines Vietnam-Veterans beschreiben wollte. Immerhin, wenn Bruce das nächste Mal Khe Sanh erwähnt – ich kann mir darunter was vorstellen.
Ein paar Bilder aus Vietnam – Mekong Delta und Saigon
Flußfahrt nach Chau Doc
Die schwimmenden Märkte bei Can Tho
In der Nudelfabrik
Und dann noch eine Hochzeit, Schnaps und Gesangseinlagen um 8:30 morgens
Willkommen in Saigon. Familienkutsche
Kriegsreste bei den Tunneln von Cu Chi, und in Saigon selber
Onkel Ho wacht noch heute über Vietnam
Eindrücke des kolonialen Saigons, und des modernen
Mal wieder ein Kochkurs.
Saigon bei Nacht
Been there, done that, in the Delta and Saigon
Nach zwei Stimmungseinträgen fehlt jetzt etwas Rahmenhandlung, die will ich noch liefern:
Meinen Weihnachtsfeiertrag möchte wahrscheinlich niemand in mehr Detail geschildert haben. Am 26. beschließe ich frühzeitig, lieber noch etwas in Rufentfernung meines Badezimmers zu bleiben, jedenfalls keine vierstündige Busfahrt. Chau Doc ist von touristischer Infrastruktur weitesgehend befreit. Das hört sich eigentlich ganz gut an – keine Touristen. Aber wenn an keiner Straßenecke ein Laden Angebote bietet, wird so eine Stadt recht schnell fad. Mein Hotel befindet sich sehr zentral am Markt gelegen, die Gerüche von getrocknetem und fermentiertem Fisch hatten mir am Vortag nicht gut getan. Ich erkunde spiralförmig die Gegend um mein Hotel, finde recht schnell ein vietnamesische SIM-Karte, aber kein Restaurant was mich anmacht. Es finden sich an vielen Ecken Garküchen, aber nein, noch will ich das meinem Magen nicht antun. Der Reiseführer erwähnt zwar zwei Sehenswürdigkeiten mittlerer Wichtigkeit, aber wo die jetzt sind? Ist mir eigentlich auch egal. Am Ende kehre ich verzweifelt in mein Hotel zurück und lade mir die Trip-Advisor App runter. Irgendwo wird’s schon was zu essen geben. Mehrfach wird der Markt gelobt, aber nein, immer noch nicht. Am Ende kapituliere ich, schleiche mich ins Restaurant des Viktoria Hotels ein, und esse einen Teller gebratenen Reis mit einer Cola in gediegener Atmosphäre, zum doppelten Preis meiner Übernachtung. Mein Hotel vermittelt mir noch für den nächsten Morgen eine Busfahrt nach Can Tho (Torfprogramm berichtete).
Auf der Fahrt treffe ich Don und Sherry, Vater und Tochter aus Arizona. Die haben in Can Tho schon ein Hotel („with really excellent reviews, you know“), und ich schließe mich ihnen an. Wir erörtern außerdem die Möglichkeit, am nächsten Morgen die obligatorische Fahrt zu den schwimmenden Märkten gemeinsam zu unternehmen. Die beiden sind zwar ganz in Ordnung, aber Sherry ist auf die Hälfte aller Lebensmittel allergisch, und irritiert, dass auch der auf vietnamesisch übersetzte Zettel ihrer verschiedenen Allergien ihr im Restaurant eher Achselzucken beschert, als ein leckeres gluten- und sojafreies Essen. Zu meinem Seelenfrieden beschließe ich, lieber mit dem PC Essen zu gehen, der Eintrag zum Delta entsteht weitestgehend beim Essen mit Blick auf den Fluss.
Am nächsten Morgen um 5:30 Aufbruch zu den schwimmenden Märkten. Trotzt Sherrys Zettel ist das Take-away-breakfast für sie ungeeignet; für mich ist es das mangels Geschmack auch. Wir wandern ein wenig durch die erwachende Stadt, und werden von unserem Führer durch abenteuerlich dunkle Gassen an den Fluß geleitet. Mich schockt das nimmer, auch nicht der Zustand der Pier und des Bootes, aber Sherry und Don erleben einen kleinen Kulturschock. Die schwimmenden Märkte begeistern mich nicht. Es ist trüb, das Licht ist fahl, und die Händler haben Ihre Waren nicht mit genügend Bedacht zur Farbenfreude ausgesucht. Am witzigsten finde ich die schwimmenden Händler, die sich um die Touristen kümmern. Sie brausen mit Ihrem Boot an, einer hinten kümmert sich um Motor und steuert, und im Boot selber ist eine komplette Kaffeeküche. Leider ohne Faema Espressomaschine, und so lehne ich (von Graemes Erfahrung in Angkor Wat gewarnt) ab. Danach doch der Besuch eine Nudelfabrik. Auch das wieder eine interessante Erfahrung. Eine Frau gießt aus einer Schöpfkelle den sehr flüssigen Teig (30% Weizen, 70% Reis, für Sherry nicht geeignet) auf ein Netz und verteilt es dort in der Art eines Crepe-Bäckers. Das Netz ist über einem Topf kochendem Wasser, mit dem entsprechenden Deckel wird es dort für ca. 45 Sekunden gedämpft. Derweil schürt eine andere Frau das Feuer mit Reisschalen. Dann Deckel weg, mit einem Bambusknüppel wird der Teig angehoben und leicht angewickelt, um dann auf einem Trockengitter zu landen. So entstehen im Minutentakt runde Reismehlfladen. Diese werden von einem Mann nach einiger Zeit durch eine Maschine gefüttert, die den Fladen in Nudeln auftrennt. Als Ingenieur stört mich, dass deshalb die äußeren Nudeln kürzer sind als die inneren, und überlege, wie man allgemein den Prozess verbessern und automatisieren könnte. Aber was soll dann die arme Familie machen? Also behalte ich meine Ratschläge für mich, und wir fahren weiter, in den “little canal“, ein halb-verlandeter Flussarm. Ziel: Ein Blick auf das Leben im Hinterland. Auch das für mich nach mehreren Wochen Asien nichts wirklich Neues. Aber wir kommen an einer Hochzeitsgesellschaft, und klar, die muss fotografiert werden. Die Amerikaner finden den Gedanken toll, mal so von außen zu fotografieren, aber ich weiß schon, was uns jetzt blüht. Tatsächlich sitzen wir zehn Minuten später an dem Tisch neben den Brauteltern, bekommen Tee und Schnaps. Why not, so um 8:30 morgens tun drei Stamperl Selbstgebrannter aus einer Pepsi-Flasche gut.
Nach der Rückkehr ins Hotel entspanne ich noch kurz, buche ein Zimmer für die erste Nacht in Ho Chi Minh City, und dann geht’s zum Bus. Ich kann meine nummerierte Platzkarte in einen Fensterplatz weiter hinten umtauschen, und bleibe dort gnadenvoll alleine. Die Fahrt ist zügig und komfortabel. Bemerkenswert die kurze Pause an einem Terminal mitten in der Pampa. Da hat die Busgesellschaft einen Nachbau der Cargolifter-Halle hingestellt (OK, das ist jetzt übertrieben), aber freitragend über der Fläche eines Fußballfeldes ist sie mindestens. Verschiedene Imbissstände am Rand bieten Speisen für die Reisenden feil, eine luxuriöse Toilette (mit großen Topfpflanzen im Sanitärraum) steht für andere Bedürfnisse bereit. Um 15:45 kommen wir am Terminal Ost an, werden mit einem kleineren Bus weiter in die Stadt gefahren, und müssen von dort ein Taxi an die Pham Ngu Lao nehmen, das ist das Backpackerviertel. Mein reserviertes Hotel hat den Begriff Reservierung so verstanden, dass sie sich jetzt schnell drum kümmern, mir in einem befreundeten Hotel ein Zimmer zu besorgen. Aber am nächsten Tag kann ich zu ihnen ziehen – mir soll’s egal sein, und ein dienstbarer Vietnamese schleppt meinen Koffer auch brav hin und wieder zurück.
Saigon bietet neben etwas alter Kolonialatmosphäre und viel neuer Turbo-Kapitalismus-Atmosphäre hauptsächlich Sehenswürdigkeiten im Zusammenhang mit dem amerikanischen Krieg (Klar, für die hier war ja jeder Krieg ein Vietnamkrieg). Stop 1: „War Remnants Museum“. Die Geschichte des Krieges mal von anderer Seite erzählt. Viel Propaganda, als gebildeter Europäer erkennt man das sofort. Gut auch, dass man die ganze Geschichte ja schon propagandafrei kennt. Und ja, das ist ironisch gemeint. Das Museum bietet viel Platz, um die Greueltaten amerikanisch-imperialistischer Aggression zu zeigen. Im Vordergrund natürlich das Massaker von My Lai und der massenweise Einsatz des Dioxin-haltigen Agent Orange. Natürlich hat auch das südvietnamesischen Marionettenregime Dreck am Stecken, aber die Amerikaner unterscheiden sich auf den Fotos halt besser. Stop 2: „Die Tunnel von Cu Chi“. In einem weit verzweigten Tunnelnetz hausten hier Vietkong Kämpfer im Dschungel, und machten den Amerikanern den Krieg zur Hölle. Besonders perfide sind die verschiedenen Fallen, nach dem Prinzip Grube mit gespitzten Bambusstäben. Viele davon sollten nicht töten, sondern nur verletzen und festhalten. Die Auswirkung auf die Truppenmoral kann ich mir lebhaft vorstellen, wenn Dein Kamerad vor Dir halb in einem Loch steckt, spitze Stacheln mit Widerhaken im Oberschenkel, und jede Bewegung den Schmerz nur verstärkt. Auch die Tunnel selber (für Touristen entsprechend aufgeweitet und zugänglich gemacht) vermitteln einen Eindruck der Zähigkeit und Leidensfähigkeit der Vietnamesischen Kämpfer. Bei so einer Asymmetrie hilft es auch nix, das Land mit mehr Bomben zuzupflastern als im gesamten Zweiten Weltkrieg gefallen waren. Als aparte Attraktion von Cu Chi gibt es noch einen Schießstand, wo man für einen kleinen Beitrag mit diversen Waffen schießen kann. Zehn Patronen für zehn Euro um mit einer AK-47 den Rebellenkrieger zu mimen? Oder mal ’ne richtige Garbe aus einem MG? Es hat mich gejuckt, aber ich hab’s dennoch sein gelassen. Immerhin bieten die ständigen Feuerstöße eine angemessene Geräuschkulisse bei der Besichtigung der Tunnel. Und eine weitere Erkenntnis: Wir kennen den Krieg ja hauptsächlich mit 5.1 Surround Sound, auf Zimmerlautstärke runtergedreht. Aber kurz hinter dem Schießstand merkt man – so ein Krieg muss die Teilnehmer taub machen. Stop 3: Der Wiedervereinigungspalast. Am 30.4.1975 walzten zwei nordvietnamesische Panzer die Tore zum südvietnamesischen Regierungssitz nieder und hissten auf dem Gebäude die neue Fahne. Damit war der amerikanische Krieg zu Ende. Besonders der Bunker mit diversen alten Lagekarten bringt das Geschehen näher. Am gleichen Tag entstand das ikonische Foto von der Hubschrauber-Evakuierung Saigons. Auch das Gebäude habe ich gefunden und fotografiert, aber bei mir war’s nicht so ikonisch. Ich denke, das liegt am fehlenden Hubschrauber.
Außerdem habe ich in Saigon einen weiteren Kochkurs gemacht (es gab übrigens 27 Teilnehmer am Gewinnspiel, die davon potenziell profitieren könnten, die Auslosung findet in Thailand statt), bin viele Kilometer kreuz und quer durch die Stadt gelaufen, und habe Sylvester gefeiert (Torfprogramm berichtete). Heute habe ich das erste Mal seit sieben Wochen ein Restaurant für Western Food aufgesucht. Das ausgefallene Weihnachtsessen und ein Neujahrsessen zusammen, ein Steak! Das erste Mal seit sieben Wochen wieder ein Messer zum Essen benötigen. Alleine das ein interkulturelles Erlebnis. Das argentinische Steakhouse El Gaucho gehört einem Israeli, es wird von einem Bamberger namens Patrick geführt, es serviert amerikanische Rindersteaks mit chilenischem Wein. Habe ich was vergessen? Ach ja: es ist in Saigon, der wirtschaftlichen Hauptstadt von Vietnam.
Sylvester in Saigon
Ein Raunen geht durch die Menge, und alle blicken nach Osten die Duong Ham Nghi hinab. Ich drehe mich schnell um, und sehe gerade noch die Reste der ersten Rakete des Feuerwerks. 2013 ist wohl fertig. Wir stehen am Cong Truang Quach Thi Trang, einem zentralen Kreisverkehr im 1. Distrikt von Ho Chi Minh City. Vor 20 Minuten waren wir aufgebrochen, wollten möglichst an den Fluss, um das Feuerwerk zu genießen. Dass wir 500 Meter weit gekommen sind, ist in Anbetracht der Menschenmassen fast schon überraschend. Der großzügige Kreisverkehr bietet noch ein knappe Spur Platz für motorisierte Fahrzeuge, ansonsten stehen hier Vietnamesen, Vietnamesen, Vietnamesen und Vietnamesen mit deren Mopeds. Es ist gespannt ruhig… zu ruhig. Es wird sich nicht viel unterhalten, es gibt keinen Countdown zum neuen Jahr. Wir bereiten uns psychisch auf das neue Jahr vor. Champagner: Fehlanzeige. Klirrende Kälte: Fehlanzeige. Gute Vorsätze: Quatsch, wir wollen doch realisitisch sein. Also in dem Jahr mal anders. Wir, das sind Franziska aus München, ihre Freundin Daria, die sich mutig der Herausforderung Vietnam stellt, Carol aus Zürich, und der bescheidene Autor dieser Zeilen. Wir wünschen uns ein tolles neues Jahr 2014; Umarmungen, Bussi. Die Vietnamesen haben das nicht nötig. Das Feuerwerk ist nun im vollen Gang, ich schätze wir sehen das linke Drittel davon durch die Häuserschlucht in Richtung Fluss. Nett, aber offensichtlich will man sich hier ein wenig von China distanzieren, und etwas dezenter sein. Wir versuchen Stimmung zu machen: „Aaaahs“ und „Oooohs“ bei entsprechenden Funkelregen. Wir amüsieren ein paar Vietnamesen neben uns, können aber auch hier keinen allgemeinen Trend starten. Na gut. Ein paar der Locals haben Dosenschnee gekauft, schneien sich gegenseitig voll. Als ich sie dabei filme, werden auch wir eingeschneit – Ha! 25°C und Schnee – ihr habt in Deutschland keines von beiden! Nach ca. 20 Minuten signalisiert ein besonders prächtiger Sternenregen das Ende des Feuerwerks. Haken dran, tausende Mopeds werden angelassen, und setzen sich in Bewegung. Vielleicht war unsere Standortwahl mitten auf dem Kreisverkehr nicht so schlau. Wir geben Fersengeld, und retten uns ans Ufer.
Der Verkehr in Saigon ist allgemein sehenswert. ‚Quirlig‘ wäre so ein spontan in den Sinn kommendes Adjektiv. Der Verkehr transportiert die Vitalität der Stadt optisch und akustisch. Das ist also asiatischer Kommunismus. Wovor hatten die Amerikaner Angst damals? Um 0:30 am 1.1.2014 braucht es eine andere Beschreibung als “Quirl-ig‘. Eher ‚Hochleistungs-Industrie-Teigrührwerk-ig‘. Wohin man blickt, Helme in Bewegung. Zu jeweils zwei Helmen gehört ein Moped, die dritten und vierten Personen, meist Kinder, brauchen keinen Helm. Gut, dass wir schon etwas getrunken haben, das gibt die notwenige Ruhe, bei dem Verkehr quer über die Straße zu laufen. Hilflos machen wir ein paar Fotos und Videos um das ganze wiederzugeben; das ist zum Scheitern verurteilt. Ich merke, dass mich das weniger stört als früher: ich werde es beschreiben!
Mir kommt dazu ein Bild in den Kopf: Eine Sondersendung auf arte erklärt den Blutkreislauf. Die Blutbahnen/Straßen Saigons werden bevölkert von weißen Blutkörperchen (Autos), roten (Mopeds), und den erst vor kurzem entdeckten blauen Blutkörperchen (Fußgänger) [Hier habt Ihr’s zuerst gelesen, die finden sich noch nicht einmal auf Wikipedia]. So pulsiert der Verkehr, der Herzschlag der Stadt im Takt der Ampeln. Am späten 31.1. drängen immer mehr Blutkörperchen in die Bahnen, bilden gefährliche Ablagerungen an öffentlichen Plätzen, der freie Querschnitt der Straßen wird immer kleiner, weiße Blutkörperchen versuche hupend ihren Weg zu bahnen. Zu Neujahr dann der vollständige Infarkt, denn auch die meisten fahrenden Blutkörperchen wollen das Feuerwerk sehen. Um 0:20 wirkt das Ende des Feuerwerks wie ein starkes blutverdünnendes Mittel, die Ablagerungen lösen sich auf, und millionen, vielleicht sogar hunderttausende, Teilchen machen sich auf den Weg. Auf dem ganzen Querschnitt der Straße bewegt es sich, langsam, aber doch immer wieder. Von den Parkplätzen auf den Bürgersteigen drängen weitere Teilnehmer in den Verkehr. Blaue Blutkörperchen wuseln sich durch die Menge der hupenden roter hindurch. Scheinbar ist für die meisten Vietnamesen das Highlight des Abends mit Ende des Feuerwerks erreicht, jetzt geht’s heim(?). Vier blaue Blutkörperchen wetten, wann der Spuk hier komplett vorbei ist, alle täuschen sich – es braucht über 90 Minuten bis der Verkehr wieder bei normal chaotisch ist.
Happy New Year 2014: same same, but different.
Dropkick Murphys vs. Backstreet Boys on the Delta
Lächelnd setzt sich der Busfahrergehilfe in die Reihe neben meine: „Where are you from?“ Ich antworte mit „Munich, Germany“ und ergänze dann mit „Bayern München“. Hier in Asien bin ich begeisterter Fan – da spielt Beckenbauer, oder? Nach den Trikots zu urteilen, stehen die Asiaten mehr auf Arsenal, Man U und Barca, aber immerhin hat der FCB Wiedererkennungswert. Nicht beim Gehilfen, der offensichtlich noch viel Verbesserungspotenzial bei Englisch hat, und hier ein Opfer zum Üben gefunden hat. Die erste Frage klang auch mehr wie: „Whe**** *** u *****om?“ aber er wird schon das übliche gemeint haben. Das könnte anstrengend werden. Wir lächeln uns weiter eifrig an. Dann schaut er in sein Smartphone, die App deklamiert: „Paul, what is your favorite music?“. Keep it simple, Chris. Keine Weichspülermusik, möglichst bekannt. Ich probiere es mit Rolling Stones. Die gab’s schon zu Zeiten des Vietnamkriegs, keine amerikanische Imperialistenmusik, hinreichend hart. Er wühlt in seiner Musiksammlung: Backstreet Boys, Westlife. Ich versuche ihm mit einem Luftgitarrensolo meine Vorliebe für etwas härtere Musik klar zu machen, biete noch Led Zeppelin an. Irgendwann drückt er mir seine Ohrstöpsel in die Hand. Bäh, das muss jetzt wirklich nicht sein. Ich halte sie in Ohrnähe, erkenne das Lied nicht, aber vielleicht bin ich nicht wirklich aufgeschlossen. Probieren wir’s andersrum. Ich geben ihm seine Stöpsel wieder, stecke sie aber in mein ipod ein, und fange mal mit den Vaccines an, dann Black Dog von Zeppelin. Er lächelt weiter, wenn auch etwas angestrengter. OK, dann den Gnadenstoß: Flannigan’s Ball von den Dropkicks. Ich will nicht behaupten, dass er mich entgeistert anschaut, aber etwas ungläubig schon. Nach 1:36 stöpselt er sich aus, und gibt mir den ipod zurück. Wir können ja Freunde bleiben, aber musikalisch kommen wir wohl nicht zusammen. Danach schaue ich verstohlen nach – ich habe tatsächlich einen Titel von den Backstreet Boys, tät mich interessieren, wie der zu den 64GB Musik gekommen ist. Wahrscheinlich von irgendwem kopierte Applaus Hits von 19??.
So widme ich mich weiter der vorbeiziehenden Landschaft des Mekong Deltas. Eigentlich wollte ich ja Schiff fahren, Slow Boat, aber das soll wohl nicht passieren. Ist vielleicht auch nur so eine blöde Romantikduselei von Touristen. Der Bus ist schneller, moderner, und wozu haben die Vietnamesen die ganzen Brücken gebaut? Das Schiff ist eher für die armen Leute, und auch da hat der Tourist natürlich Grenzen. Primitiv-romantisch darf’s schon sein, aber bitte nach aktuellem SOLAS*-Stand, mit einer sauberen Toilette zum Sitzen. Immerhin, vom Bus aus sieht man recht viel vom Leben, auch wenn ich von meinem zugewiesenen Platz #1 nach hinten ausgewichen bin. Platz #2 wurde von einem hustenden Vietnamesen gebucht, der eine frappierende Ähnlichkeit zu Jimmy Page hat. Aber die Bazillen will ich dennoch nicht, und lehne mich so gegen die streng verteilten Sitznummer in dem nur zu einem Viertel besetzten Bus auf.
Überraschenderweise wird das Mekong-Delta vom gleichnamigen Fluss dominiert, der sich hier in die Cuu Long, die neun Drachen, aufteilt. Neben den neuen Drachen gibt es aber noch eine wahre Brut an Drachengewürm – Seitenarme, Kanäle, Zuflüsse, Teiche. Dementsprechend gibt es hier auch Brücken ohne Ende. Die, über die wir fahren, sehe ich ja nicht von ihrer Struktur, aber von der Straße aus führen über den parallel laufenden Seitenarm alle 50 Meter wackelige Holz, Eisen Beton- oder Bambusbrücken über den Fluss. Auf den meisten würde ich mich nicht wohlfühlen. Bambus ist auch eine Hauptzutat der verschiedenen fischereibedingten Strukturen hier. Es gibt Fischfallen für Fische, die in eine bestimmte Richtung wollten, Fischfarmen (das ist vielleicht die Aquakultur, von der man in Deutschland oft auf Verpackungen liest: keine gigantischen Farmen, sondern eingenetzte Bereiche im Fluß, die kaum größer sind als mein Wohnzimmer), und verschiedene Arten von Netzen. Am interessanten finde ich eine Variante, wo ein ca. 3×3 Meter großes Netz mit langen Bambusstangen aufgespannt ist, an einer Konstruktion, die irgendwie an ein römisches Katapult erinnert. Ich stelle mir vor, dass das Netz ins Wasser eingetaucht wird, und dann überraschend (für die Fische) aus dem Wasser gezogen wird. Ehrlich gesagt, stelle ich mir eher vor, dass das ganze unter Spannung steht, dann im richtigen Moment eine Comicfigur ein Seil durchtrennt, und Schwupps – die Fische fliegen im hohen Bogen aus dem Fluss.
Auf den Wasserstraßen ist alles mögliche an Booten unterwegs. Einzelboote, die unter der Last von drei vietnamesischen Fischern fast untergehen; kleine Lastkähne mit einer Ladekapazität von ca. 20 Bierkästen, offensichtlich Getränkelieferanten; größere Lastkähne für Schüttgut wie Getreide, kunstvoll verziert, mit Augen am Bug die die bösen Geister fernhalten sollen; und, auf den größeren Flüssen, echte Schiffe mit ca. 50 Meter Länge, die dann auch immerhin nachts fast so beleuchtet sind, wie ich’s von meinem Segelschein kennengelernt habe.
Der Fluss sorgt für eine unheimliche Fruchtbarkeit der Region. Beeindruckend grün leuchten Reisfelder, überall stehen Bananenstauden, Papayabäume scheinen mehr Früchte zu tragen als Blätter. Jedes Fleckchen wird ausgenutzt. Auch die 50cm zwischen Asphalt und der Böschung reichen für drei Reihen Kohl oder ein paar mit Netzen bedeckte Beete für irgendwelche zarten Pflänzchen. Auf der Straße werden noch andere Früchte getrocknet, es wird kein Platz verschwendet. Noch habe ich nicht beobachtet, was passiert, wenn deshalb die Straße zu eng wird. Wird dann über das Trockengut gefahren? Trocknen und Mahlen oder Dreschen in Einem? Immerhin müssen auf einer Straße von der Breite ‚mittlere deutsche Landstraße‘ folgendes nebeneinanderpassen: Ein spielendes Kind, ein Radfahrer, zwei Mopedfahrer (eines davon mit querliegendem Schwein auf dem Gepäckträger), ein langsames Auto, ein überholender Bus, und zwei verschreckte Mopedfahrer auf der Gegenfahrbahn. Teilweise ist das Überholopfer auch ein LKW, wie sie besonders in Cambodia verbreitet waren: Ein Lastkraftwagen im eigentlichen Sinne: Last (Pritsche) – Kraft (Offener Motor vorne) – Wagen (vier Räder). Der Fahrer sitzt offen zwischen L und K.
Auch wenn die Zivilisationsspuren nie verschwunden sind, sie verdichtet sich zusehends, wenn man sich Städten nähert. Meist in der Form von „Garagenläden“, diesem Glanzstück asiatischer Architektur. Das Erdgeschoß ist eine ca. 3-4 Meter breite Garagenhöhle, nachts mit Rolltor oder Schiebegitter zu verschließen, in der einem Gewerbe nachgegangen wird. Jedenfalls sind dafür schwerere Maschinen und Lager vorhanden, die eigentliche Tätigkeit wird auf dem Bürgersteig ausgeübt. Da ist das Licht besser, und der Kunde kann sich besser von den Fähigkeiten des Meisters überzeugen. Auch fällt es dem Gewerbetreibenden leichter, in einen Dialog mit seinen Kunden und anderen Stakeholdern zu treten: Die Konkurrenz schläft nicht, und arbeitet gleich nebenan. Tatsächlich finden sich Häufungen gleicher Gewerbe nebeneinander: Zehn Läden bieten Reifen bzw. deren Reparatur an, dann mehrere Motorenspezialisten, einige Fischernetzlieferanten, achtmal Mobiltelefone….
Und dazwischen die Vietnamesen: ein paar der optischen Vorurteile stimmen tatsächlich. Viele der Frauen laufen tatsächlich in einer Art Seidenpyjama durch die Gegend, da muss man sich erstmal dran gewöhnen. Der stereotypische, spitze Kegelhut ist auch keine Erfindung der Filmindustrie. Die moderne Variante ist in durchsichtiger Plastikfolie eingepackt, das macht sie wahrscheinlich wetterfester, aber auch weniger atmungsaktiv. Es lebe der Fortschritt. Als wir in Can Tho einfahren, sehe ich ein weiteres Zeichen desselbigen: Gegenüber vom Busbahnhof ist ein METRO-Markt. Wenn ich’s mir überlege, das erste nicht produktbezogene Markenzeichen was mir in Südostasien aufgefallen ist. Stimmt nicht – in Phnom Penh habe ich eine Werbung für Kentucky Fried Chicken gesehen. Aber kein McDonalds, keine Hotelketten, keine Markenboutiquen; ich hab sie nicht vermisst.
*SOLAS: Safety of Life at Sea
Ein paar Fotos aus Cambodia – Phnom Penh
Bootsfahrt über den Tonle Sap nach Phnom Penh
Kochkurs mit Marktbesuch. Ein Rezept für Saugesicht haben wir aber auch nicht gelernt.
Der Königspalast in Phnom Penh.
Das S-21 Gefängnis Tuol Sleng und zwei von zehntausenden Opfern.
Das Nationalmuseum und ein kleiner Laden an der Haupteinkaufsstraße.
Beim ersten Blick dachte ich, dass Coffin aber ein bitterer Tippfehler zu Coffee ist…