Nach unserer Rückkehr aus dem Dourotal waren wir ja noch ein wenig in Porto selber. Dabei haben wir Reiseführer gelesen, und festgestellt, dass Porto zwar eine knuffige, schöne Stadt ist, aber es jetzt nicht so viele absolute Sehenswürdigkeiten vom Typ, „been there, done that“ gibt. Also fahren wir am Sonntag mit Albert in die Stadt, besuchen das wichtigste, und sitzen danach noch entspannt am Fluss, Bier und Wein trinkend, bevor unser abendliches Portwein-Tasting mit Fado-Konzert ansteht. Insgesamt ein eher Foto-lastiger Tag.
Impressionen aus Porto
Ein wirkliches Highlight ist der Palácio da Bolsa, erbaut auf dem Höhepunkt der erfolgreichen Handelstätigkeit der Stadt, und protzige Darstellung des wirtschaftlichen Erfolges. Auch hier wurde geschnitzt, was das Zeug hält.
Die „Raus hier“ Statue
Am Nachmittag gehen wir an den Douro, und danach über die Ponte de Dom Luís I an das südliche Ufer – die Vila Nova de Gaia. Abends sind wir in den Weinkellern von Cálem, wo es erst eine Tour durch die Keller gibt – mit der dritten Erklärung, wie Portwein hergestellt wird. Danach ein Fado-Konzert, welches sich besonders bei den portugiesischen Gästen großer Beliebtheit erfreut – es wir kräftig mitgesungen. Danach noch ein kleines Gläschen normaler Wein, und zurück zum Schiff.
Vitória ist für mich der Höhepunkt des Ausfluges in die Weinbaugebiete des Douro. Anmutig, wunderschöne grün-graue Augen, weiches braunes Haar. Vitória ist die Rezeptionistin des Casa dos Barros / Vintage Theory Weingutes in Sabrosa. Sie begrüßt uns alle freundlich, aber ich bin mir sicher – mich mag sie besonders. Sie ist freundlich aber auch fordernd, nahbar und anschmiegsam. Nicht sehr groß, aber das macht sie auf patente Art wett. Sie springt mit einem Satz auf das Weinfass neben mich und kuschelt schnurrend weiter. Vitória ist die Sommeliatze des Weingutes, und begleitet die offiziellen Tour.
Wir haben von Porto aus einen Tagesausflug gebucht: Minibus ins Douro-Tal, Weintasting, Bootfahrt, und nicht selber zurückfahren müssen. Wir sind zu fünft im Auto, und Silvia, die fahrende Führerin. Ein holländisches Mutter-Tochter Gespann, deren Namen ich mir mit Antje und Femke gemerkt habe. Antje kann nicht so gut Englisch, Femke übersetzt. Femke ist ein beeindruckender Anblick – muskelbepackt und sieht insgesamt hart aus. Ich möchte ihr nicht in einer dunklen Gasse begegnen. Außerdem dabei: Giulia aus Italien. Giulia ist sehr kommunikativ, und erkennt schnell Muster. Bei den meisten Erklärungen von Silvia zieht sie sofort eine Parallele zu Ihrer Heimat (Modena, die Heimat von Ferrari) und teilt sie erfreut der Gruppe mit. Ja – solche Hügel gibt es in ihrer Heimat auch, nur etwas anders. So entwickelt sich ein interessanter Dialog vorne im Minibus, Frank und ich rollen nur noch mit den Augen. Kurz hinter Porto erklärt Silvia, dass hier sehr viel Eukalyptus wächst, da dieser recht schnell wächst, und vor einem Jahrhundert schleunigster Aufforstungsbedarf vorlag. Der Eukalyptus wurde aus Australien eingeführt, aber – und hier nimmt Silvia meine Frage vorweg – es gibt trotzdem keine Koala-Bären.
Um die Weintour auf neun Stunden aufzublasen gibt’s am Vormittag noch einen Stop in Almarante. Die Stadt wäre bei Sonnenschein bestimmt recht malerisch, aber es regnet. So mümmel ich mich unter meine Kapuze, und wir nutzen die ‚Stunde zur freien Verfügung‘ für ein Kaffee und ein Test der dort berühmten Süßwaren. Silvia erzählt, dass die Nonnen in früheren Zeiten eine Kuppelproduktion betrieben: Sie wuschen Wäsche, die sie dann mit Eiweiß stärkten, und aus dem Eigelb fabrizierten sie durch die Zugabe von Zucker und wenig sonst Süßwaren. Offensichtlich gibt es davon fünf Modelle, wir bestellen sie alle und ein Messer. Puh, Zeit für ein Leberwurstbrot. Aber die Nonnengeschichte ist nicht die wichtigste zu Almarante. Laut Silvia wurde die Stadt von einem São Gonçalo gegründet, der in Portugal ein Heiliger ist. Er brachte das Christentum in die Stadt, verheiratete die in wilder Ehe lebenden Paare und kümmerte sich um deren Seelenheil. Allerdings, so die Legende, kümmerte er sich auch intensiv um unverheiratete Damen, und deshalb ist er NUR in Portugal ein Heiliger. Wegen diesem Teil der Geschichte wird ein Gedenk-Kuchen angeboten, dessen Form nicht gerade subtil auf die Manneskraft des Heiligen hinweist.
Der subtile Kuchen zu Ehren von Sao Gonçalo
Das erste Weingut ist in Sabrosa, und dort begegne ich Vitória. In Sabrosa steht das Geburtshaus von Fernão de Magalhães, uns als Magellan bekannt, der als erster die Welt umrundete. Frisch aus Sevilla gebildet, frage ich, ob das nicht eigentlich Juan Sebastián Elcano wäre, da Magellan sich von irgendwelchen Eingeborenen umbringen hat lassen? Ja meint Silvia, aber die Expedition geführt hätte immerhin Fernão, und Elcanos Geburtshaus könnte sie halt hier nicht bieten.
Wir hatten eigentlich gehofft, dass die Weintour sich auch mit ’normalem‘ Wein beschäftigt, aber in und um Porto dreht sich alles um Portwein. Vintage Theory bietet neben etwas Käse (der für Vitória interessanter ist) drei Portweine, zehn, zwanzig und dreißig Jahre alt. Er erklärt das Verfahren, und damit ihr merkt, dass ich aufgepasst habe, gebe ich es hier schnell wieder. Die Trauben werden normal angebaut, allerdings Sorten, von denen ich noch nie gehört habe (das gilt aber auch für den normalen Wein). In mühsamer Handarbeit werden sie geerntet – das Douro Tal besteht hauptsächlich aus Steillagen – und danach noch einmal besonders ausgelesen. In großen Granitbecken – Lagar genannt – werden sie dann von Fuß zertreten, mit einer kleinen Pause dazwischen zweimal. Beim zweiten Mal haben die menschlichen Weinpressen wohl schon bessere Laune (vielleicht eine Brotzeit mit Wein bekommen), die ernste Arbeit wird dann von Musik und Tanz im Lagar begleitet. Der Wein vergärt spontan, mit den Hefen die sich auf den Trauben finden. Ich habe noch eine weitere Theorie, woher biologische Gärbeschleuniger kommen könnten, aber die teile ich jetzt mal nicht mit Euch. Der Wein darf zu einem Teil vergären, aber bevor der ganze Zucker abgebaut wird, wird er mit einem Fünftel Weingeist mit 77% versetzt, welcher den Hefen den Garaus macht. Der Portwein hat dann 20% Alkohol, und wird je nach Qualität unterschiedlich gelagert. Am Ende hat man dann einen süßen Desertwein, der aber tatsächlich recht lecker ist, wenn man sich auf ihn einlässt.
In dem Weingut bekommen wir auch Mittagessen, und dazu je einen weißen und roten ’normalen‘ Wein. Danach geht die Fahrt weiter durch eine kurvige Straße nach Pinhão direkt am Douro. Der Regen hat sich mittlerweile verzogen, die Sonne scheint. In dem kleinen Ort besteigen wir ein umgebautes Boot, mit dem früher der Portwein nach Porto zum Versand gebracht wurde. Der Etappenreiseführer bietet uns verbotenerweise (Corona-Regel, eigentlich) etwas Portwein im Pappbecher an, der aus einer eher inoffiziellen Flasche kommt. Wir sitzen in der Sonne im Bug des Bootes, und wir erfahren warum Femke so gebaut ist, wie sie ist. Sie war beim Militär, und dort Sportausbilderin. Nun wohnt sie mit Ihrem Mann in England, und stellt Lieferungen vom Supermarkt zu. Sie hat ihre Mutter seit über einem Jahr nicht gesehen, deshalb sind ihr jetzt die 10 Tage Quarantäne in England wurscht. Giulia erzählt, dass sie Projektmanagerin sei, und von überall auf der Welt arbeiten könne. Scheinbar aber nicht besonders erfolgreich, sie wohnt in Porto im Hostel. Nach einer Stunde an Bord ist die Fahrt fertig, und Silvia bringt uns zum zweiten Portweingut, der Firma Croft. Wieder die gleiche Erklärung, aber etwas andere Weine. Auf dem Rückweg nach Porto wird es dann still im Minibus, die letzte Stunde haben wohl alle geschlafen.
Zurück in Porto um 18:00 ziehen Frank und ich noch los, um ein herbes Bier nach dem süßen Wein zu zischen. Zum Essen treffen wir zufällig Antje und Femke, und unterhalten uns noch ein wenig. Danach versuchen wir, noch ein konventionelles Wein-Tasting zu organisieren. Unser eigentlicher Gedanke war ja, verschiedene Weine zu probieren, und von besonders guten Angeboten ein paar Flaschen an Bord zu nehmen, um nicht ständig Wein nach Etikett zu kaufen. Ganz geht der Plan nicht auf – aber Wein trinken wir trotzdem. Dann wieder mit dem öffentlichen Bus nach Leixões zurück.
Bleiern liegt der Nebel auf dem Wasser. Es hat keinen Wind, eine gemächliche Atlantikdünung hebt uns langsam an und lässt uns dann wieder sanft hinab. Irgendwo da vorne muss das Geisterschiff sein. Angestrengt starre ich nach vorne. Der Übergang vom grauem Wasser zur grauen Luft verschwimmt. Ich könnte nicht einmal sagen, wie weit man sehen kann; es fehlen die an Land üblichen Marken (wie 50m auseinander liegende Pfosten neben der Straße). Eigentlich sagt mir mein Gefühl, dass man schon eine Seemeile weit sieht, aber die Nicht-Sichtbarkeit des Geisterschiffs belehrt mich eines anderen. Unser Radar – den wir damit das erste Mal ‚im Ernst‘ brauchen – sagt einen Kontakt ungefähr eine halbe Seemeile voraus an. Gespannt schaue ich in den Nebel, ungefähr in dem Winkel weg vom Bug, der auf dem Radarschirm zu sehen wäre. Anfangs ist es eher die Vermutung, dass dort ein dunkles Objekt auftaucht, und dann beginnt man es zu sehen. Ein altes Holzschiff mit zerfledderten schwarzen Segeln, die von den Rahen des Dreimasters hängen. An Bord fratzenhafte, grimmige Gestalten in zerrissenen Uniformen, mit Messern zwischen den Zähnen und Säbeln in den Händen. Ach ne, falscher Film. Es ist ein weißes Fischerboot, eigentlich groß genug, dass es mit AIS ausrüstungspflichtig wäre. Ein Schuft, wer sich Böses (verbotenes Fischen?) dabei denkt.
Das Geisterschiff
Wir sind auf dem Weg von Lissabon nach Porto. Unglücklicherweise für Nikita ist an ihrem letzten Tag guter Segelwind für die Weiterfahrt nach Norden angesagt, den wollen wir nutzen, und sie muss sich ein Hotel suchen. „Subject to the requirements of the service“ wurde das in „Master and Commander“ genannt – Segeln geht vor. Wir haben die Marina früh verlassen, auf der Südseite des Tejo hängt Nebel. Leider ist der Wind nicht sooo toll wie vorhergesagt, dennoch schaffen wir es am Abend bis zu den Islas das Berlenga, vor Peniche. Nach einem gescheiterten Ankerversuch in einer engen Bucht schnappen wir uns mit dem Segen einiger Locals eine Ankerboje, direkt unter dem Forte de São João Baptista. Es ist mittlerweile schon fast dunkel, aber morgen früh, im Licht der aufgehenden Sonne gibt das bestimmt ein tolles Foto. Es war dann ein Satz mit X – schon beim Aufstehen um 6:00 herrscht dicker Nebel, und komplette Flaute. Ich mache den Radar an, werfe die Leine von der Boje los, und fahre unter Motor nach Norden. Dann kam das Geisterschiff.
Islas de Berlenga
Die Seestern tuckert weiter. Da die Sicht offensichtlich nur ca. 0,3 Meilen weit geht (gute 500m), bleibe ich am Steuer und beobachte das Nichts. Noch trauen wir dem Radar nicht vollständig. Plötzlich flattert es vor mir, und eine Taube landet auf unserer Sprayhood, Ringe an beiden Füßen. Eigentlich mag ich Tauben nicht (Zwischengedanke: Es soll ja Paare geben, die als Kosenamen ‚Täubchen‘ verwenden. Was meinen die damit eigentlich? ‚Du Flugratte‘?), aber wahrscheinlich ist der Vogel erschöpft (wir sind fast 18km von Land, außerdem kreist eine Möwe auffällig oft um das Schiff), da will ich mal mein Karma nicht noch weiter belasten als mit all den Insekten, die ich erschlage, und den anderen Tieren, die ich esse. Scheu ist Antoni (genannt: Toni, die Taube) nicht. Sie lässt sich fotografieren, rutscht dann unsere Windschutzscheibe hinab und läuft auf dem Deck hin und her. Sie entdeckt den geschützten Platz unter unserem Beiboot, trippelt aber danach am Cockpit vorbei und stellt sich zwischen die Fender, die an unserer Heckreling befestigt sind. Als ich mich von Frank ablösen lasse, sitzt sie dort noch immer. Wir recherchieren beide ein wenig. Die Ringe machen es hochwahrscheinlich, dass es sich um eine Brieftaube handelt. Diese können Tausende Kilometer weit fliegen, haben irgendwelche magnetischen Kristalle am Schnabel, mit denen sie sich orientieren. Dennoch – dass Antonia etwas apathisch dahockt und ständig blinselt, ist auf einer Seite, die Frank im Internet findet, ein Zeichen dafür, dass sie durstig ist. Frank bringt ihr ein Schälchen mit Wasser, und nach einigem Plätschern kapiert der Vogel auch, dass das was zum Trinken ist. Von dem Wasser scheint sie Durchfall zu bekommen, und kackt unser Deck voll. Danke, Antonia. Sie ist immer noch an Bord, als wir den Hafen von Figueria da Foz anlaufen, lässt sich durch nichts irritieren. Weder davon, dass Frank vor zwei Stunden Segel gesetzt hat, noch dass wir vorm Anlegen die Fender, zwischen denen sie sitzt, abbinden, um sie an die Seite des Schiffs zu hängen. Während des Anlegemanövers und dem Ankerschluck bleibt sie auch weiter an Bord. Wir versuchen ihr noch ein paar eingeweichte Reiskörner oder Brotkrumen schmackhaft zu machen, finden eine Hotline des deutschen Brieftauben-Zuchtverbandes um eine ‚verlorene‘ Brieftaube zu melden, haben schon den portugiesischen Verband gefunden, aber da geht niemand mehr ans Telefon. Kurz darauf erledigt sich das Thema – Antonia flattert davon und landet auf einem Dach in der Stadt.
Antoni nach der Landung
Figueira da Foz ist keine aufregende Stadt, wir essen und trinken etwas, und machen uns am nächsten Morgen wieder auf – es hat weiterhin Flaute und Nebel, und wir tuckern weiter in Richtung Porto. Im Umfeld von Porto gibt es zwei Marinas – eine teure im Fluss Douro, die man nur bei Flut ansteuern sollte, und eine billige in Leixoes, dem Industriehafen. Wir wollen erstmal in Leixoes halten, da der optimale Zeitpunkt für die Flussmarina sowieso vorbei ist, und da es mittlerweile schon dunkel ist, ankern wir einfach im Hafenbecken neben der Marina bis zum nächsten Morgen. Welcome (close) to Porto.
Macht die Augen zu, und lest weiter. Hmmm, das ist jetzt vielleicht ein klitzekleiner Logikfehler. Ihr dürft also erst lesen, aber dann die Augen zu machen, und es sich vorstellen dabei. Ihr seid eben in eines der alten Fahrgeschäfte auf der Wiesn gestiegen, in die Wilde Maus. Ratternd führt die Kette von dem Einsteigeplatz auf die eigentliche Bahn, und dort greift – ohne viel Dämpfung – die Zugkette ein, die den Wagen an den höchsten Stelle der Bahn führt. Das ganze klackt und rattert, keine „Sanftanlauf-Vorrichtung“. Das Rattern der Zugkette geht weiter, aber gleichzeitig kommt jetzt noch ein anderes Gefühl dazu: unvermittelte, drastische Seitenbeschleunigungen, wo der Wilde-Maus-Wagen plötzlich die Richtung ändert. Gut, diese Geräusch- und Gefühlskulisse, die stellt Ihr Euch weiter vor…
Mit einem Rumms geht die Tür zu, nicht wie die gedämpften Küchenschubladen, die sich dann still den letzten Zentimeter zuziehen, sondern wie ein Holzdeckel, der auf eine hundert Jahre alte Truhe fällt. Der Bahnführer ruckt an seinem Fahrstufenschalter, in der Kiste darunter bekommen die alten Motoren die erste Runde Strom. Die Tram fährt ebenso ruckartig los, wie der Fahrstufenschalter die Position wechselt. Beim zweiten Mal ist man darauf vorbereitet, hangelt sich von Griff zu Griff und steuert auf den Sitz zu, der in der Mitte des Wagens noch frei ist. Das Fenster ist offen. Nicht offen, wie das gekippte Fenster in der Münchner U-Bahn, sondern einen halben Meter nach oben gezogen, mit freiem Blick nach außen. Schilder warnen davor, sich auf (sic) das Fenster zu lehnen, dennoch machen es die ganzen Passagiere, die in kurzen Hosen mit Sonnenbrand drunter in der Bahn sitzen. Handies im Video-Modus werden aus dem Fenster gehalten, aber Vorsicht: die alten Mauern und das eine oder andere Gerüst kommen bis zu zehn Zentimeter an die Wägen heran. Der Innenraum ist holzgetäfelt, in einer Goldschrift kann man erkennen, dass man in Wagen 566 sitzt, 20 Sitzplätze und 38 ‚zu Fuss‘. Die Tram wirft sich den Berg hinauf, in engen Radien quietscht es fürchterlich, und die Steigung ist ordentlich. Die meisten Radfahrer würden absteigen. Meist ist die Strecke zweigleisig ausgeführt, aber in manchen Teilen der Stadt sind die Gassen zu eng – da wartet man den Gegenverkehr ab, die Strecke wird eingleisig, und die Tram hat an beiden Seiten nur noch 40 cm, Passanten müssen sich in Hauseingänge flüchten. Wir fahren mit der Tram 28E den Berg hinauf durch den Stadtteil Alfama. Technisch sind die Dinger sicherlich völlig antiquiert, aber es ist klar: auch aus touristischer Sicht kann man sie nicht ersetzen. Wie oft wird die Trambahn hier wohl auf ihrer Fahrt fotografiert? Eine neue Pendolino Straßenbahn von Siemens Mobility würde vor Neid erblassen („aber ich, ich bin doch viel schöner, designter, stromlinienförmiger, komfortabler – warum bringt mir niemand die gleichen Zuneigung entgegen?“). Tja, aus dem gleichen Grund warum ich auf der Wiesn noch gerne Wilde Maus fahre, obwohl es den aufregenderen Siebenfach Looping gibt.
Das Depot in Belém
Die Fahrten in der Tram sind für mich DAS Highlight in Lissabon – auch wenn verwinkelte Gassen, imposante Kirchen, blaue Azulejo Fliesenbilder, tolle Aussichten und viele Bars, Cafés und andere Etablissements mit kühlen Getränken auf uns warten. Wir liegen in der Doca de Alcântara, die der Innenstadt am nächsten gelegenen Marina, und verbringen ein paar Tage in Lissabon. An unserem ersten ganzen Tag sind wir kurz nach neun unterwegs, kaufen ein 24 Stunden Ticket und fahren mit Zug und Tram zum Largo de Craça. Wir steigen noch ein paar Meter zum Miradouro da Senhora do Monte, machen Panoramabilder, gehen dann zu Fuß noch weiter zu einem anderen Aussichtspunkt, und besuchen dann das Mosteiro de São Vicente de Fora. Hier ist jede Wand mit Azulejos verziert, und mit den vielen Kreuzgängen des ehemaligen Klosters sind das viele Wände. Am Ende der Tour noch schnell auf’s Kirchdach. Es ist mittlerweile Mittags, und die Sonne macht sich bemerkbar. Noch vom Kirchendach aus machen wir ein Café aus, wo wir kurz darauf noch Essen. Wir versuchen uns danach aufzuraffen, aber es ist einfach zu warm. So schlendern wir 50 Meter weiter in einen Park mit Aussicht, an einem Kiosk holen wir in langsamen Abständen kühle Getränke, und lassen so den heißen Teil des Nachmittags vergehen. Um unser 24h Ticket zu nutzen, fahren wir zwei Stationen mit der Tram zum nächsten Aussichtspunkt (wenn man das Warten mitrechnet, wäre zu Fuß doppelt so schnell gewesen), und sind dann beleidigt, als Google für den Weg zum nächsten Programmpunkt keine Straßenbahnfahrt ausspuckt, sondern uns einfach ein paar Treppen hoch zum Castelo de São Jorge schickt. Vor der Tür noch ein leichter Snack im Conqvistador, und dann die Tour der Festung, die mal der Kern von Lisboa war (von Mauren erbaut, im zwölften Jahrhundert in der Reconquista (die’s auch hier gab) von den Christen wieder eingenommen). Alte Steine, und – wer hätte es gedacht – einen tollen Blick auf die Stadt. Wir fahren noch sinnlos ein paar Stationen bergauf mit der Tram, um dann stetig bergabgehend ein Restaurant zu finden. Gut, kein Power-Kultur-Trip, aber entspannend war’s schon.
Ausflug durch LisboaMosteiro de Sao Vicente de ForaCastelo de Sao Jorge
Die nächsten beiden Tage machen wir eher ‚zur freien Verfügung‘. An einem fahren Frank und Nikita nach Setubal, um Delphine zu sehen, ich treibe mich in der Stadt umher. Zu Fuß zur Praça do Comércio, mit der Straßenbahn nach Alfama hoch, dort lasse ich meine Haare schneiden – der erste professionelle Haarschnitt in über einem Jahr (aber Elke machte es auch gut). Ich probiere mich durch die Karte des Conqvistadores, eine urige Kneipe am Castelo.
Tiefe U-BahnPraca do Coméercio
Am nächsten Tag (unserem letzten in Lisboa) fahre ich ca. eine Stunde nach Frank nach Belém, sehe mir dort den berühmten Torre de Belém an, und ein etwas zusammengewürfeltes Museum der portugiesischen Streitkräfte. Nach einem leichten Mittagessen fahre ich quer durch die Stadt in den Parque das Nações, wo das Oceanário de Lisboa ist. Es ist ein riesiges Aquarium, dessen Eintrittserlöse auch zum Schutz des Meeres verwendet werden. Ich finde, man sollte ein wenig wissen, worüber man die ganze Zeit fährt. Fotos hiervon separat. Am Abend finden wir wieder zusammen, essen im berühmten Chapitô à Mesa zu Abend.
Militärmuseum – wenn Platz ist, einfach ein Stückchen Panzerkette hinstellenKanone bedroht Gulasch
Jetzt, wo wir einen etwas preiswerteren Hafen vor den Toren Lissabons gefunden haben, kommt uns die Idee, dass wir von hier aus einen Ausflug nach Sintra machen könnten. Sintra ist im Reiseführer unter Lissabon beschrieben, da von dort aus leicht mit dem Zug zu erreichen. Aber von unserer Marina noch schneller. Außerdem wird so die Marina-Rochade in Lisboa einfacher. Wir organisieren ein Mietwagen und fahren nach Sintra. Die Stadt war mal tatsächlich mal Hauptstadt – vor vielen Jahrhunderten, da sie einen guten Blick über die Halbinsel westlich von Lisboa bietet, später wurde sie eher zu ‚Sommerpalast‘ relegiert. Es gibt drei besondere (Stern im lonely planet) Sehenswürdigkeiten in der Stadt, für die ich hier eher ein paar Fotos sprechen lasse. Erst einmal die Stadt und Umgebung:
Wir bauen für Sie – ein neues historisches Gebäude
Palácio Nacional de Sintra
Eine ursprünglich maurische Burg wurde wiederholt ausgebaut, und enthält deshalb einen wild an verschiedenen Stilen, die jeweils typisch für ihre Epoche sind. Die beiden auffälligen konischen Türme sind übrigens die Kamine der Küche – da wurde ordentlich gekocht.
Castelo dos Mouros
Ursprünglich im zehnten Jahrhundert gebaut, wurde sie auch nach deren Obsoleszenz als optischer Leckerbissen erhalten. Vor den Mauren hausten dort übrigens schon Menschen, die allerdings außer ein paar Skeletten und Vorratsgruben im Stein wenig hinterlassen haben.
Palácio Nacional de Pena
Die wilde Mischung an Stilen liegt hier nicht an wiederholten Ausbauten in verschiedenen Epochen. Der Palast wurde komplett im neunzehnten Jahrhundert errichtet, „aus dem eigenen Vermögen“ des Königs Ferdinand II. aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha. Erstaunlich, was der König mit seinem Nebenberuf – wahrscheinlich als Schreiner – so verdient hat. Ich werde unweigerlich an die Phantasieschlösser von Ludwig II. erinnert, und offensichtlich gibt es da auch ein paar konkrete Verbindungen. Jedenfalls ist es das „bedeutendste Bauwerk der portugiesischen Romantik“.
Das Vergrößerungsglas zündet Mittags das Kanönchen lwieder totgeschnitzt
In Lagos machen wir einen Crew-Wechsel. Doro hat uns für den Komfort eines schnöden Hotels verlassen, dafür kommen Udo und ‚Mystery Woman‘.
Udos Geschichte ist traurig und schnell erzählt: Ich hatte vorgehabt, ihn am späten Nachmittag noch aus Faro abzuholen – so hätte er mit uns Abendessen können. Während ich am Strand in der Sonne lag, und mich geistig auf den Abend vorbereitete, rief Udo an. Er wurde am Gate in Memmingen von Ryanair zurückgewiesen. Offensichtlich verlangt Portugal für die Einreise einen sogenannten „RT-PCR Test“. Udo hat aber nur einen normalen. Die Kollegin am Gate ließ nicht mit sich verhandeln, und er und mehrere andere Fluggäste wurden abgewiesen. Im Laufe der nächsten Tage machen wir uns schlau. Das RT steht für ‚Real time‘ und würde ein Quantifizierung der Virenlast erlauben, wenn man wollte (Hat mir ein befreundeter Arzt erklärt). Aber die Informationen im Internet sind nicht ganz eindeutig. Man findet „RT-PCR Test“, aber nirgends einen klaren Hinweis was denn ein ‚Nicht RT‘ PCR Test wäre. Auf anderen Seiten werden die Begriffe eher austauschbar verwendet. Es dämmert uns: fast alle in Deutschland durchgeführten PCR-Tests werden nach dem RT Verfahren durchgeführt, aber es steht halt nicht überall drauf. Jedenfalls nicht auf Udos negativem Befund. Das wird jetzt ein interessanter Streit: ist Ryanair schuld, weil sie das nicht wussten, und haben ihn zu Unrecht abgelehnt? Oder hätte sich Udo die (später erhaltene) Bescheinigung des Labors, dass ihr PCR Test selbstverständlich ein RT-PCR Test sei, halt früher organisieren müssen? Die Meinung an Bord: Ryanair war überbucht, und hat das als Ausrede genommen, die überzähligen Gäste loszuwerden. Mal sehen, wie das mit Udos Beschwerde läuft.
Aber nun zu ‚Mystery Woman‘. Niemand darf wissen, dass sie an Bord ist, nicht einmal, dass sie in Portugal ist. Kriminelle Aktivitäten? Flucht vor dem KGB? Eine Attentäterin? Ein geheimer Auftrag? Wir ergreifen Vorsichtsmaßnahmen. Als erstes bekommt sie einen Codenamen: „Nikita“, nach dem Film von Luc Besson. Nicht sehr kreativ, aber immerhin hält es die Spannung aufrecht. Wenn an Deck ein Foto gemacht wird, muss Nikita unter Deck – nicht, dass sie sich in dem blitzenden Chrom unserer Winschen spiegelt, wissen wir doch alle, dass Geheimdienste aus den 10 Pixeln, die das auf einem Foto ausmacht, mit mehreren Durchläufen ein genaues Bild erstellen können. Jedenfalls fliegt Nikita nach Lissabon, provoziert einen Streik der Bahnarbeiter um dann unauffällig mit anderen Leuten mit dem Taxi nach Lagos zu fahren – eine Meisterin der Verwirrung und Vertuschung. Dennoch vereinbaren wir ein geheimen Treffpunkt (Im Lazy Jack’s an der Marina), und wir nehmen sie im Schutze der Dunkelheit an Bord. Am nächsten Vormittag laufen wir aus – Ziel Lisboa.
Die Fahrt nach Norden an der portugiesischen Küste ist nicht besonders einladend. An der Küste gibt es einen relativ konstanten Wind aus Nord. Da das Ganze dann offener Atlantik ist, kann sich auch eine beständige Welle aufbauen. Aus Nord. Und dann gibt’s noch etwas Strömung. Wer errät’s? Aus Nord. Wir sehen das natürlich nur als Herausforderung, konsultieren Windfinder, und erschrecken irgendwann vor der eigenen Courage als wir aus der Abdeckung von Cabo Sao Vicente kommen. Es pfeift ordentlich, und die Wellen schütteln uns durch. Plan B. Am darauffolgenden Tag soll der Wind etwas nachlassen, also fahren wir in zurück in die uns bekannte Ankerbucht am Cabo Sagres. Die ganze Nacht pfeift es, aber unser Anker und der Ankergrund sind gut. Wir liegen sicher.
Am nächsten Morgen ist der Wind laut Windfinder weniger. Gefühlt nicht, aber was wollen wir tun? An der Algarve zu bleiben ist keine langfristige Option. Also Segel mit ordentlich Reff gesetzt, und los geht’s. Bei der Abfahrt verrät unser Navi: 57 Seemeilen bis Sines, der erste sichere Hafen auf der Strecke. Wir beginnen das mühsame Kreuzen nach Norden (also im Zick-Zack gegen den Wind, so dass er immer schräg von vorne kommt). Etwas weiter draußen sollte der Wind für uns etwas günstiger sein, aber die Wellen werden auch größer. Insgesamt fahren wir recht lange Schläge.
Es ist gut, dass Nikita ihren geheimen Auftrag offensichtlich nicht auf der Seestern ausführen muss. Obwohl sie schon öfters segeln war, hat ihr Gleichgewichtssinn wohl nicht mit atlantischen Wellen gerechnet. Sie hat – glaube ich – keine große Freude an der Fahrt. Frank und ich teilen uns also zu zweit die Wachen auf, Nikita liegt als Häufchen Elend erst auf dem Sofa, dann auf der Cockpit-Bank an der frischen Luft, und zuletzt auf dem Fußboden in dem Gang zu ihrer Kabine. Das ist jetzt keine Schikane unsererseits, um Gequälte noch mehr zu quälen – der Fußboden ist recht nah am Schwerpunkt des Schiffes, deshalb sind dort die Rollbewegungen weniger zu spüren als würde man zB an der Mastspitze sein. So geht es den Tag durch, und den längsten Teil der Nacht. In der Nacht nimmt der Wind deutlich ab, aber den Wellen macht es Spaß – sie schaukeln fröhlich weiter. Kurz nach Beginn meiner Wache hat der Wind so weit abgenommen, dass wir praktisch keine Fahrt mehr auf das Ziel zu machen können. Resigniert rolle ich das Vorsegel weg, starte den Motor, und lasse den Autopilot die Seestern weiter nach Sines lenken. In ungefähr zwanzig Stunden haben wir 39 Seemeilen in Richtung auf unser Ziel zurückgelegt. Also ein Schnitt von ca. 3,6km/h. Beeindruckend, oder?
Während der Fahrt sehen wir kaum andere Schiffe. Die Berufsschiffahrt hat keinen Grund, so nah an der Küste zu fahren, und zum Spaß sind nicht allzu viele unterwegs. Am Ende immerhin noch ein Schiffskontakt: Während ich parallel zur Küste auf den Hafen zufahre, sehe ich auf dem AIS ein Kontakt von See kommend. Ich spiele mit dem Gerät: es ist die „Hoegh Gallant“, ein 241m langer Tanker, die mit 10,5 Knoten ankommt, und unserem Schiff gefährlich nahekommen würde, wenn beide Kurs und Geschwindigkeit beibehalten. Ich bin hin und her gerissen: a) als Motorschiffe untereinander müsste er mir ausweichen b) ist es sinnvoll, bei 110.000 Tonnen gegen 13 auf diese Regel zu bestehen? c) er fährt auf die Nahe Küste zu – wahrscheinlich wird er bald bremsen oder den Kurs ändern d) Will ich mich darauf verlassen? Ich ändere den Kurs, so dass ich klar hinter ihm vorbeifahren würde, und beobachte weiter. Wie geahnt, er wird langsamer; ich fahre dennoch hinter ihm vorbei, und dann dreht er auch in Richtung Hafen, also parallel zu mir, dann sogar wieder in Richtung auf meinen Kurs. Fahre ich jetzt einen Kurs, der mich zwischen ihn und eine Kaimauer bringt? Ohgottohgottohgott. Ich greife zur Funke und rufe ihn an. Mein Gefühl beim Funken ist immer etwas zwiegespalten. Wenn man auf Kanal 16 etwas von sich gibt, das hören alle. Die Küstenfunkstellen, die Rettungswachen, jedes Schiff mit ordentlich besetztem Steuerstand, also auch die ganzen anderen Segler, die man dann im Hafen sieht. Viele von denen haben da Routine, ein gutes Gespür dafür, was auf den Kanal gehört, wie man sich ausdrückt (Gut, es gibt auch andere, die spielen Musik oder unterhalten sich länger wohin zum Bier [auf dem Not- und Anrufkanal!]). Und ich vermute, dass die Berufsschiffer auf uns Segler herabschauen wie eben Profis auf jede Gruppe, die zu einem Großteil aus Dilettanten besteht. Also immer etwas nervös, auf den Knopf drücken, auf ruhig bestimmte Telefonstimme achten, jetzt bloß nicht verhaspeln. Wie immer bisher völlig problemlos. Der Funker der Hoegh Gallant gibt mir die Auskunft, dass sie jetzt hier Ankern werden, und bestätigt, dass wir uns nicht ins Gehege kommen, wenn ich an seiner Backbordseite vorbeifahre. Ich tuckere weiter und mache ein paar Handyfotos in der aufkommenden Morgendämmerung.
Windvorhersage: uiuiuiDie Hoegh Gallant
Unter Motor brauchen die letzten 18 Seemeilen nur noch drei Stunden – schaukeln tut es aber immer noch, und zwar fast unangenehmer – Segelwind stabilisiert das Schiff in seiner Lage, unter Motor kommt man sich mehr vor wie ein Spielball der Wellen. Dann fahren wir endlich in den Hafen von Sines ein. Dieser besteht aus zwei Teilen: der große Industriehafen für Erdöl und andere Massengüter (zB Chemie – schon seit einigen Stunden riecht es wie Mannheim), und einem kleinen inneren Hafen mit Strand, ein paar Fischerbooten, und der Marina. Eigentlich hatten wir geplant, dort erst zu ankern, bis die Marina aufmacht, aber als wir die Gästeliegeplätze klar erkennen, beschließen wir einfach dort zu parken, wo sie uns wahrscheinlich sowieso hingeschickt hätten. Es ist kurz nach halb sieben Uhr morgens. Wie es die Tradition verlangt, erst einmal ein Anlegebier. Allerdings nur für Frank und mich. Nikita wehrt sich gegen die Tradition des Anlegeschlucks und macht sich einen Pfefferminztee. Danach legen sich alle erst einmal schlafen, fest vertäut und ohne schaukeln.
Die Stadt Sines ist ’nothing to write home about‘. Nikita und Frank erkunden die Stadt ab dem Nachmittag, ich schreibe Blog (nicht diesen hier) und lasse es mir faul gehen. Irgendwann werde ich auf Aktivität auf dem Steg neben dem Schiff aufmerksam. Drei Männer in Tauchanzügen, und zwei Gitterboxen voller Wein. Wirklich: Wein. Ich muss es mir auch erst bestätigen lassen, sie werden die Weinflaschen hier im Hafenbecken versenken. Einer der Taucher kann genug Englisch, um es so halbwegs zu erklären: Der Wein wird hier werbewirksam gereift: bei relativ konstanten kühlen Temperaturen, im Dunkeln, ohne Sauerstoff, und unter einem Druck von ca. 1 bar. Soso. Eine derart gereifte Flasche Wein soll ca. 40 Euro kosten. Als ich zu erkennen gebe, dass das jetzt nicht so mein Budget wäre, isb. für Wein, den ich nicht kenne, biete der Kollege an, mich mal probieren zu lassen, eine ‚inoffizielle‘ Flasche. Bevor es aber so weit kommt, werde ich genötigt, mich meinen beiden Mitseglern auf ein Sundowner-Bier auf einer Terrasse über der Stadt anzuschließen. Am nächsten Morgen geht’s weiter, wir haben erst die Hälfte der Strecke nach Lissabon geschafft.
Wein versenkenSundowner in Sines
Eigentlich ist Sines der einzige wirklich gute Hafen zwischen der Algarve und Lisboa. Die anderen bieten keinen tollen Schutz oder sind einfach immer mit Dauerliegern voll. Aber auch um unserem Gast eine weitere Nachtfahrt zu ersparen, finden wir ungefähr auf halber Strecke einen Ankerplatz, der vielleicht ginge. Er befindet sich hinter einem Gewirr aus Sandbänken und unmarkierten Fahrrinnen. Häufig sind in der Karte Tiefen von 2m eingezeichnet, das ist etwas wenig für uns (2,10 Tiefgang). Aber es ist ja gerade kein ‚Spring-Niedrigwasser‘, also müssten überall noch 30cm Wasser mehr sein. Gaaaanz vorsichtig tuckern wir über die Sandbänke. Einmal (am nächsten Morgen) sitzt die Seestern auch kurz auf, aber harmlos. Durch Fallböen an den Klippen bläst ein kräftiger Wind – draußen auf dem Meer war davon nichts zu spüren. So Ankern wir wieder, während es draußen schauderlich pfeift – aber der Anker hält.
Am nächsten Tag geht’s weiter nach Lisboa. Leider ist das etwas komplizierter: Es gibt in Lisboa zwar 5 Marinas, in die wir reinpassen würden, aber die vier stadtnahen sind alle voll. Eine davon – die Marina Alcantara vertröstet uns immer wieder auf „morgen“. Vielleicht hätten sie dann Platz für uns. Dann gibt es noch eine weitere Marina, am Parque de Nacoes, aber die ist sehr tidenabhängig. Einfahrt eigentlich nur in den zwei Stunden vor Hochwasser. Das wäre etwas ungünstig, heute. Also einigen wir uns auf eine Marina kurz vor Lissabon, in Oeiras. Wie häufig zeigt hier der Gott des Windes seinen seltsamen Humor. Auf den letzten Meilen dorthin schläft der Wind ein, wir müssen den Motor anmachen; kurz vor dem Hafen frischt es wieder gewaltig auf. Die Hafeneinfahrt ist sowieso tricky (sie ist recht eng, und davor fließt der Rio Tejo mit ordentlich Tidenströmung – da gibt es dann einen kritischen Moment wo der Bug schon im stillen Wasser der Einfahrt ist, aber das Heck des Schiffes noch im Strom ist. Heftiges Gegenlenken und ordentlich Fahrt ist angesagt. Aber am Ende liegen wir sicher und freuen uns auf ein paar Tage in und um Lisboa.
Ich laufe eine halbe Stunde zum Mietwagenbüro, bekomme einen Upgrade auf den gebuchten Fiat Panda: Einen Smart ForFour. Echt, das ist ein Upgrade? Ich sammle Frank ein, und wir fahren zum Flughafen Faro. Eine ökonomische Analyse hat Vorteile des Mietwagens gegenüber mehreren Taxifahrten ergeben. Durch eine perfekte WhatsApp-Abstimmung finden wir Doro sofort in der Abholzone. Interessant: Es müsste eigentlich einen Euro kosten, in die Abholzone zu fahren. Bei der Einfahrt hat mir das Gerät kein Ticket gegeben, sondern nur einen Hinweis ausgespuckt, den ich als „Nummernschild registriert“ interpretiert hätte. Bei der Ausfahrt ist einfach nur die Schranke aufgegangen. Vielleicht hat da ein vorheriger Mieter eine Registrierung gemacht, wie wir in Sevilla? Blöd, blöd, blöd.
Wir fahren nach Faro, finden einen Parkplatz am Hafen (Fischer- und Motorboote, nix mit Tiefgang) und beginnen Doros Urlaub mit einem Bier und einem Mittagessen. Kultur in Faro ist angesagt. Doro hat einen echten Reiseführer, also besuchen wir die Kathedrale in der Altstadt, gucken Störche an, und suchen die Kirche mit der ‚Knochen-Kapelle‘. Mit einigen Stopps an Orten, wo es Getränke gibt. Eine Nachbarin fragt, wie wir Faro fanden: es war ausgeschildert, antworte ich. Am Hafen versucht uns eine junge Dame für einen Ausflug zu begeistern, einen „small boat trip“. Um das Gespräch kurz zu halten antworte ich „no, sorry, we have a large boat“. Doro und Frank brechen fast ab, schimpfen mich ob meiner Frechheit.
Tatsächlich ist Faro selber jetzt keine Schönheit. Die Störche sind häufig vertreten. Ob die Stadt wohl kinderreich ist? Als wir später am Nachmittag in El Castelo mit Blick auf’s Wasser ein Bier genießen, verstehe ich, warum es so viel dieser Vögel hier gibt. Es ist Ebbe, und das Sumpf-/Wattgebiet liegt in der Form von schlammigen Sandbänken frei. Da staksen die Störche und jagen Salzwasserfrösche, oder was auch immer da essbares wohnt. Die Kathedrale bietet vom Turm aus einen netten Rundumblick über Stadt und Sumpf, ansonsten sieht sie ähnlich aus wie alle portugiesischen Kathedralen. Doro war schon öfters in Portugal. Ich vermute einen Grund: Portugal wurde am 1. November 1755 von einem starken Erdbeben heimgesucht, welches isb. Lissabon zerstörte, aber auch andere Städte. Scheinbar hat es auch in Faro gewütet, und sicher auch in anderen Städten – wahrscheinlich wurden danach die Kirchen nach damaligem Architekturgeschmack wieder aufgebaut, und sehen deshalb nun alle ähnlich aus. Als letzter offizieller Kulturpunkt ist die Capela dos Ossos (Knochenkapelle) in der Barockkarmeliterkirche Nossa Senhora do Carmo angesagt. Scheinbar wurden da die Gebeine von mehr als 1000 Mönchen ‚verbaut‘. Da sich die Kirche ein wenig versteckt, sehen wir auf dem Weg noch genügend andere Kirchen und Störche. Nach dem Abendessen fahren wir zurück nach Vilamoura und trinken noch ein Glas Wein an Bord.
…bei besserem Lichtvor FaroFlut……und Ebbekönnte das die Knochenkapelle sein?
Ende Mai kommt noch eine Freundin von Doro nach Lagos, und die beiden haben dann ein Hotel. Wir haben also sowohl einen Zeitrahmen und eine Strecke als Planungsparametern, und beides zusammen ist jetzt nicht seglerisch anspruchsvoll – auf dem Landweg sind es ca. 50km. Viel Wind ist auch nicht angesagt. Also gemütlich aufstehen, frühstücken gehen, und dann mal Raustuckern. Wir bringen Doro das Boot näher; stellen sie dazu ans Steuer. Ich bin an dem Tag total wankelmütig unterwegs. Erst schlage ich vor, dass wir nach links einen Bogen fahren, dann nach rechts, dann auf das Hochhaus zu, dann mit Kurs 180°, dann aufstoppen (anhalten), dann eine Acht. Am Ende ist Doro schwindelig, sie kaut Ingwer und nimmt Drogen, bis wir im Hafen von Albufeira sind, nur ein paar Meilen weiter. Der Hafen ist OK, pragmatisch und sicher, aber keine Schönheit. An einem der Hafenrestaurants essen wir abends Sushi. Am nächsten Tag geht’s weiter nach Portimao, mit einer sail-by Besichtigung der Höhle von Benagil.
Frank und ich waren im Frühjahr 2018 mal in der Ecke, um die Pennypincher zu besichtigen (Europareisen) . Damals hatten wir auch ein paar Tage totzuschlagen, und haben Benagil und Portimao von der Landseite gesehen. Ein Restaurant am Strand von Portimao ist uns dabei in Erinnerung geblieben, anhand eines alten Handy-Fotos identifizieren wir es genauer. So gesehen, ist dieser Teil der Reise auch eine Art ‚walk down memory lane‘, und auch wenn es bei längerem Nachdenken Quatsch ist – irgendwie schließt sich damit für mich ein Kreis (Jaja, ein echter Kreis wäre es, wenn wir die Pennypincher tatsächlich gekauft hätten, dann drei Jahre im Mittelmeer rumgefahren gewesen wären und nun wieder hier, und das trifft ja nicht zu). Aber auch als wir später in der selben Marina de Lagos mit unserer HR 42E liegen, als wir in der Altstadt von Lagos Restaurants wiederfinden, die damals gut waren; irgendwie wirkt es vertraut.
Nach Portimao wäre der nächste Hafen an der Küste Lagos, aber das ist uns noch ein Tag zu früh. Endlich spielt auch der Wind ein wenig mit – Wir kommen tatsächlich mal dazu, Doro zu beweisen, dass wir ein SEGELschiff haben. Wir segeln an Lagos vorbei, um in einer Bucht unter dem Cabo de Sagres zu ankern. Die Südwestspitze Portugals, direkt neben Cabo de Sao Vicente. Es bläst ordentlich in der Nacht, aber unser Anker hält einwandfrei. Beim Segeln hat Doro keine weiteren Probleme mit Übelkeit; sie verkündet stolz, dass sie viel lieber segelt als unter Motor zu fahren, und ich habe das Gefühl, dass da evtl. ein neuer Segelfan geprägt wurde. Der Eindruck soll sich in den nächsten Tagen noch verstärken. Am 29. segeln wir zurück nach Lagos, am 30. kommt Andrea. Entspannende Tage, wir können noch ein wenig am Schiff basteln.
Unser Mietwagen?Ach ne, der.FaroPortimaoLagosPanorama bei Seegangman beachte das unterlegen Boot hinter uns…hard times
Andrea hätte auch Mitsegeln dürfen, aber es wirkt so, als steht sie dem Geschaukel und der eher kompakten Größe unserer Dreizimmerwohnung mit Masten noch skeptischer gegenüber als Doro. So haben die beiden sich in einem mondänen Beach and Spa Resort eingemietet, und besuchen nur noch ab und zu die armen Freunde auf dem alten Boot. Immerhin – Abends machen wir Lagos unsicher, gehen portugiesisch spät zum Essen, aber leider müssen die Restaurants hier auch relativ früh zumachen. Hier scheint der magische Zeitpunkt 22:00 oder 22:30 zu sein. Danach gibt es aber auch immer noch etwas Wein und Snacks auf dem Schiff. Am Dienstag aber dann doch ein gemeinsamer Bootsausflug zu viert. Wir haben die Marina schon bezahlt (für eine Woche, war günstiger als die geplanten fünf Nächte) damit die nicht schockiert sind, wenn wir plötzlich auslaufen, und es hat auch etwas Wind. Doro erwägt mittlerweile, einen Segelschein zu machen, und Andrea stellen wir ans Steuer, dass ihr nicht schlecht wird. Ich bringe Doro zwischenzeitlich die acht Knoten für die Prüfung bei, und das wichtige Belegen einer Klampe (was im Segelschein nicht prüfungsrelevant war). Auch das wieder ein schöner Tag auf dem Wasser. Am Mittwoch kommen unsere beiden nächsten Gäste, aber erst abends – so probiere ich den Strand in der Nähe des Hotels der beiden aus, und am Abend gab es wieder eine leckere Mahlzeit mit Wein danach an Bord. Danke für die schönen Tage, Mädels, ich bin sicher wir sehen uns wieder (Doro – so könnt ich mir vorstellen – auf dem Boot).
Plötzlich bricht die Hölle los. Eben noch leicht geschlummert, da bricht eine große Welle über das Schiff. Es prasselt auf’s Deck, auf die Sprayhood, auf das Sofa neben mir (das ist eine andere Geschichte) und die Erfahrung sagt: auf Frank. Dann fängt das Radio noch hektisch an zu piepen: Mann über Bord!!! Vom Cockpit blinkt es hektisch rot! Schlaftrunken versuche ich mich zu orientieren. Frank steht tropfnass wie ein begossener Pudel am Steuer und flucht wie ein Rohrspatz. Wir sind nur zu zweit, Mann über Bord kann also nicht stimmen. Außerdem blinkt Frank rot. Warum ist das so, wie konnte es so weit kommen? Also, der Reihe nach:
Aus deutscher Sicht ist Festland-Portugal schon länger kein Risiko mehr, seit wenigen Tagen auch die Algarve nicht mehr. Tja, aber für die Portugiesen waren die Deutschen dennoch eines. Einreisen aus Gründen des Tourismus aus Ländern mit einer Inzidenz höher als 150 sind verboten. Aber offensichtlich hat Deutschland diese Marke nun unterschritten, Doro kündigt sich an. Das ist nun also unsere Mission (neben der allgemeinen, nach Norden kommen): Doro am 25.5. in Faro einsammeln. Dazu müssen ja wir auch nach Portugal einreisen – ist unser aktuelles Herkunftsland, Spanien, schon unter der Grenze? Brauchen wir einen PCR-Test, wie alle Flugreisende? Wir haben schon länger über das Thema debattiert. Machen wir’s einfach mediterran (Still einreisen, Klappe halten)? Oder lieber offiziell (bei deutscher Botschaft oder Hafenbehörde anfragen)? Wir favorisieren lange die Idee, in den Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal fahren, und dann ganz zufällig in Portugal anzulegen (Vila Real de Santo António), und wenn die schockiert sind mit einem bedröppelten ‚Tut uns leid, war nicht so gemeint‘ auf die spanische Seite zurückkehren (Ayamonte). Aber in Cadiz sind ein paar andere Segler überzeugt: in Spanien PCR Test machen, und dann geht das problemlos. OK, dazu wären wir bereit. Aber das lassen wir uns lieber bestätigen. So rufen wir in der Marina von Vilamoura an (Taxinähe zu Faro, und alle Behörden vor Ort), um eine Reservierung zu machen). Die Reservierungsdame ist überzeugt: wir brauchen GAR NIX, außer den üblichen Papieren. Wir machen also die Reservierung per email, schreiben nochmal den ’no problem‘ Sachverhalt rein, und bekommen kurz darauf unsere Bestätigung. Also: Auf nach Vilamoura. Wir beschließen, die restlichen Häfen auf der Strecke beiseite zu lassen; sollte die problemlose Einreise nicht funktionieren, haben wir so zwei Puffertage die Probleme zu klären.
In der Windfinder-App gibt es die Auswahl zwischen zwei rechnerischen Vorhersagemodellen: Super-Forecast und GFS-Modell. Eines habe beide gemeinsam: Sie stimmen nicht. Aber immerhin – wenn beide Modelle übereinstimmen, wird der tatsächliche Wind nicht diametral anders sein, sondern nur stärker, schwächer, oder aus einer anderen Richtung kommen. In Cadiz angekommen, konnten wir beruhigt feststellen, dass der nächste Tag windtechnisch blöd wäre. Passt uns gut, ausschlafen, Cadiz ansehen. Am nächsten Tag sollte der Wind passen: Aus der richtigen Richtung immerhin (Norden, so dass wir mit halben Wind fast die ganze Strecke segeln könnten), aber zwischendrin etwas stark. Wir beschließen also einen Kurs, der uns näher an Land hält, dort sollte weniger Wind sein, und – viel wichtiger – weniger Welle. (Wind macht uns mittlerweile weniger Sorgen – einfach weniger Segeltuch, und es läuft – aber viel Welle macht das Schifffahren wirklich ungemütlich. Es gibt zwar einen Zusammenhang [Wind macht Welle], aber er ist nicht so direkt, sondern zeitlich versetzt. Also manchmal besser, in den aufkommenden Starkwind zu Segeln, als in die abflauende steife Brise).
Von Cadiz nach Vilamoura sind ungefähr 95 Seemeilen Luftlinie (180km, ca. 19h Segeln bei vernünftigen Bedingungen). Natürlich sind die Bedingungen nicht ganz vernünftig – Statt halben Wind müssen wir eher hart am Wind segeln, und dabei automatisch an der Küste entlang. Wie so oft in letzter Zeit also eine Etappe mit Nachtfahrt – hat mir am Anfang meiner Segelzeit einen Heidenrespekt abverlangt, aber heute mit einer Kombination aus mehr Erfahrung und (wichtiger) einem guten Navigationsgerät gewöhnt man sich dran. Wir versuchen noch bei Tageslicht eine Segelgarderobe zu wählen, mit der man durch die Nacht kommt (bei Dunkelheit mit viel Wind und Welle auf’s Deck vor an den Mast macht echt kein Spaß) und dann beschränkt man sich auf’s Reffen und Ausreffen des Vorsegels. In der Nacht wird es – entgegen der Prophezeiung – etwas stürmisch, es hat sich eine Welle aufgebaut, die in regelmäßigen Abständen über’s Deck kommt. Frank steht am Steuer, ich versuche mich für die nächste Schicht auszuruhen. Da ereignet sich die Anfangssequenz dieses Eintrags.
auf dem Weg nach Faro
Was ist passiert? Frank hat ein AIS-MOB Sender an seiner Weste. Das gleiche Gerät habt Ihr (einige von Euch zusammengelegt) zum 50. Geburtstag geschenkt. Wird der Sender in Wasser getaucht, löst sich mit einer Salztablette eine Sperre, und es gibt Alarm. Wir wissen nun, dass a) auch das Wasser einer fetten Welle ausreicht, und b) das Gerät funktioniert. Wäre es Ernst gewesen, hätte mich der Notruf auf dem Radio geweckt, und das AIS Signal hätte mich zum Opfer zurück gelotst. Fein. Aber – da Fehlauslösung, gibt es niemanden zu retten, und das laute Piepsen und rote Blinken an Deck nervt. Theoretisch kann das Gerät auch einen allgemeinen Notruf an alle Schiffe schicken, aber dazu muss man wohl noch einen anderen Knopf drücken. Jedenfalls eilt uns niemand zur Hilfe, und es kommt auch keine Nachfrage per Funk. Nach einer Minute ist alles still (gut, weiterhin heftiger Wind und Welle), die Situation geklärt, und es ist sowieso Zeit für meine Schicht. Ich schaffe die Strecke bis Faro, Vilamoura ist (gefühlt, leider nur gefühlt) direkt dahinter um die Ecke. Es ist wieder Franks Wache. Der Wind ist auch nicht mehr günstig für uns, wir müssen kreuzen, so sind wir erst nach 10:00 in der Marina. Es interessiert niemanden, dass wir aus Spanien kommen.
Die Marina von Vilamoura ist eine große Retorten-Marina mit Retorten-Feriendorf dazu. Wenn es hier eine Altstadt gibt, ist sie von 1980. Die meisten Schiffe im Hafen sind schicke Motoryachten (gut, ein Widerspruch in sich, Motorschiffe sind per Definition hässlich), die Kneipen am Hafenbecken haben als Klientel reiche Angeber mit mehr Geld als Geschmack; aber die Duschen sind der bisherige Höhepunkt meiner Segelkarriere: Die Duschen haben einen Vorraum, der durch eine echte Tür von der Dusche abgetrennt ist (Klamotten bleiben wirklich trocken), und der gesamte Bereich hat eine Fußbodenheizung (!) (in Portugal (!)). Wenn wir von ‚goldenen Wasserhähnen‘ reden, meinen wir eigentlich so genau das.
Wie üblich nach einer ~24h Etappe (theoretisch haben wir in der Zeit zwar jeweils die Hälfte der Zeit geschlafen, aber das ist halt nur Theorie), gibt’s beim Einlaufen erstmal ein Bier, und dann machen wir beide ein Nickerchen. Es ist Sonntag, Doro kommt am Dienstag in Faro an. Da Faro einen Flughafen hat (eigentlich DER Ferienflieger-Flughafen der Algarve ist), muss es wohl eine wichtige Stadt sein, und so eine Stadt hat doch sicher auch einen vernünftigen Hafen, oder?
Tatsächlich liegt Faro hinter einem ausgedehnten Sumpf-/Watt-Gebiet. Mit unserem Tiefgang von 2,10m haben wir dort nichts zu suchen, außer wir werden noch viel entspannter mit Grundberührungen oder halben Trockenfallen. Das hätten wir mit einem intensiven Studiums des Revierführers eigentlich auch in Vilamoura feststellen können. Haben wir (ich) aber nicht. Erst mal hinfahren. Als wir uns dem Cabo de Santa Maria nähern, lesen wir nochmal genauer: a) interessante Strömungen bei Ebbe und Flut (Entschuldigung: Im Mittelmeer ist Ebbe und Flut ehrlich gesagt wurscht.), und b) bei Faro enge und vollbesetzte Ankerplätze, deren Ansteuerung noch genaue Ortskenntnisse erfordert. Wir entscheiden uns für Plan B. Wir fahren am Cabo de Santa Maria in das Gebiet rein, Ankern dort wo es problemlos möglich ist, und fahren danach nach Vilamoura zurück, nehmen einen Mietwagen, und holen damit Doro vom Flughafen ab, kombiniert mit unserem Ausflug nach Faro.
Wir setzen den Plan um. Einfahrt beim Cabo de Santa Maria – es ist gerade der Übergang von Flut zu Ebbe. Interessante Effekt, nicht nur deshalb. Vor dem Kap gibt es eine Sandbank, wo innerhalb von gefühlten fünf Schiffslängen die Wassertiefe von 45m auf 12m ansteigt. Es braucht Vertrauen, dass es bei 12m bleibt, der Instinkt sagt: Stop the fucking ship & turn around. Dann ergeben sich durch das auslaufende Wasser und dem Meer noch interssante Effekte: Hier mal etwas Brandung, hier ein paar Flächen glasklare See, die sich dann aber als böse Strudel entpuppen, und insgesamt ca. 4 Knoten Strömung zwischen den Wellenbrechern. Der Motor strampelt, die Logge zeigt gute Fahrt durch’s Wasser, der GPS gähnt nur liest vor sich hin. Im Schatten der Ilha de Culatra snacken wir etwas, dann fahren wir zurück in Richtung Vilamoura. Diesmal zeigt die Logge wieder gute Fahrt durch die Wellenbrecher, das GPS jubelt mit 10 Knoten! Teilweise ein Wellenbild wie in leichten Stromschnellen; und das mit unseren alten Dame.
Stromschnellen
In Vilamoura kommen wir noch bei den letzten Sonnenstrahlen an, aber die Reception hat schon zu. Wir bleiben also die Nacht am Empfangskai (und vergessen am nächsten Morgen dafür zu zahlen {wieso vergessen? Wir hatten ja auch keine Karte für die Duschen}. Nur das Abendessen wir etwas hektisch. Wir laufen um 22:20 in das Restaurant ein, uns wird erklärt, dass wir um 23:00 fertig sein müssen (Corona Regel), schaffen wir das? Es dauert etwas länger, bis das Steak geliefert wird, aber um 22:58 kann ich vermelden: geschafft! Wir freuen uns, morgen Doro wieder zu sehen.
Die Stadt Cadiz im westlichen Andalusien liegt am Eingang einer weiten Bucht, die einen der wichtigsten Stützpunkte der spanischen Marine (span: „Armada“) beherbergt; durch Ihre Lage beschützt sie die Bucht mit mehreren Castillos. Solange die Armada also in Cadiz liegt, ist sie sicher – aber dafür sind Kriegsschiffe ja nicht da. Auf dem offenen Meer ist die Flotte auf sich allein gestellt, und ein entscheidender Schlag könnte…
Trafalgar war mir lange Zeit nur als wichtiger Platz in London bekannt – „Trafalgar Square“. Mit wachsenden Kenntnissen über die europäische Geschichte erkannte ich, dass der Platz nach einer wichtigen Schlacht mit der Vernichtung der spanischen Armada im Zusammenhang war, aber ich hätte dann gedacht, dass es irgendeine Insel im englischen Kanal wäre. Aber nein – Trafalgar ist ein Kap westlich von Gibraltar, südlich von Cadiz, an der südlichen spanischen Atlantikküste. Klar – Ihr wusstet das schon alles.
Als wir auf Kap Trafalgar zufahren, sehen wir hinter uns auch ein einzelnes Schiff der Armada vorbeifahren – Geschichte wiederholt sich. Es ist an uns, die britische Flotte unter Lord Nelson zu warnen, wie es einst der englische Aufklärer Sirius im Jahre 1805 getan hatte. Damals war in Cadiz eine kombinierte Spanisch-Französische Flotte gelegen, die Napoleon brauchte, um seine Truppen sicher über den Englischen Kanal zu bringen, um den bösen Albion in die Knie zu zwingen. Vizeadmiral Horatio Nelson blockierte also damals den Hafen in gebührender Entfernung, und als er von der Sirius Nachricht bekam, dass die Armada sich zum Auslaufen vorbereitete, war er bereit. Er konnte einen Schlachtplan entwerfen, sandte ein paar heroische Botschaften an die anderen 26 Schiffe seiner Flotte „England expects that every man will do his duty“, später „engage the enemy more closely“, und in einem heroischen Schlag vernichtete er 20 der 33 Schiffe der Spanisch-Französische Flotte, ohne ein einziges Schiff zu verlieren. Er selber wurde allerdings tödlich getroffen, und konnte somit seine Siegesfeier alias Heldenbegräbnis nicht mehr genießen.
Für uns ist Lord Nelson eine Teemarke der Kette Lidl, und meine Schlacht vor Trafalgar fällt auch weniger dramatisch aus. Ich kämpfe gegen die ganzen Wulinge in unserem Besanfall (Ködel in dem Strick, der das Flatterzeug an der hinteren Segelhochhaltestange hochzieht). Doch wie kam es dazu?
In einem längeren Beitrag, den ich parallel schreibe, wird man Details erfahren, warum wir bis Mittwochabend in Marbella geblieben sind (es hat was mit spanischen Handwerkern zu tun). Mittwoch um 22:00 legen wir dennoch in Marbella ab, der Wind ist in der nächsten Zeit aus Ost zu erwarten, er wird also durch die Straße von Gibraltar pusten. Wie planen, Gibraltar im Schutz der Dunkelheit zu durchfahren (wer den Film „Das Boot“ kennt, versteht warum), aber auch weil die Strömung in der Meeresenge dann nicht gegen uns läuft (Im Atlantik herrschen Ebbe und Flut, im Mittelmeer kann das Wasser aber fast nirgendswohin – also versucht bei Flut der Atlantik das Mittelmeer zu füllen, bei Ebbe läuft das ganze Wasser wieder zurück, und so ergeben sich heftige Strömungen). Leider haben wir uns (ich mich) dabei irgendwie verrechnet, wir kommen nicht annähernd so schnell nach Gibraltar, wie wir es uns gedacht hatten, also wird es weder mit dem Schutz der Dunkelheit, noch mit der mitlaufenden Strömung etwas. Im Morgengrauen fahren wir durch eine Reede östlich von Gibraltar, zwischen riesigen Schiffen, die bei Nacht deutlich mehr nach beleuchteter Stadt aussahen als Gibraltar dahinter. Auch der Leuchtturm am Europa Point (der ja recht symbolisch sein könnte) ist am Anfang ein müdes Blinken zwischen den grell natriumgelb beleuchteten Tankern.
Wir hatten angefragt, ob es in der Marina von Gibraltar Platz für uns gibt, aber leider – nein. Wir überlegen noch kurz eine Hafenrundfahrt durch die Bucht von Gibraltar zu machen, aber es ist trüb, nieselt sogar ein wenig, und es wirkt recht stressig (In der Bucht von Gibraltar ist auch noch der Hafen von Algeciras) – so wissen wir nicht einmal genau, ob wir einfach durch die britischen Hoheitsgewässer fahren dürften. Ständig tauschen sich die Profis auf Funk aus – Liegeplatz hier, Lotse dort, vor Anker warten oder reinfahren dürfen. Scheiß drauf, auch wenn wir trotz ordentlich Wind von hinten wegen einer Strömung von vorne praktisch keine Fahrt machen würden – auf und durch. Meine Wache ist vorbei, ich lege mich schlafen. Als ich wieder wach werde, ist Frank gerade an Tarifa vorbeigefahren, dem südlichste Punkt Europas, jedenfalls in der Gegend. Der Wind von hinten ist kräftig, macht jegliche Strömung wett, und wir düsen im Sauseschritt in den Atlantik. Wie wir es häufig bei achterlichem Wind, und insbesonders bei Nacht machen, wollten wir nur mit Vorsegel fahren, auf einen Tipp von Ralf hin probieren wir es diesmal auch mit Besansegel – es soll das Rigg entlasten. Das Besansegel ist direkt hinter dem Steuerstand, man kann es eigentlich auch nachts aus dem Cockpit vernünftig bedienen. Es bläst ordentlich, in Böen mit zu 45 Knoten (ca. 80 km/h). Das Besansegel wird zur Last, denn es lässt das Heck der Seestern immer ausbrechen, und man ist kräftig am Steuern. Bei der Wachübergabe beschließen wir, es wegzupacken. Also Motor an, gegen den Wind – AUF EINMAL HABEN WIR WIND UND WELLE VON VORN. Ich bekomme meine morgendliche Dusche, wir zerren das Segel gegen das verworrene Besanfall runter, und können wieder vor den Wind zurück. Gutmütig fährt die Seestern weiter, mit einem auf Badetuchgröße gerefftem Vorsegel und mit bis zu neuen Knoten auf der Logge. Kurz vor Trafalgar wird es etwas normaler, und ich nehme ich Schlacht mit dem Besanfall auf.
Man beachte die Logge unten rechts!Die Armada
Auf der Fahrt macht die spanische Armada übrigens öfters auf sich aufmerksam: Wir hören ständig Funksprüche „this is Spanish Warship L61, come in please“. Wenn sich das angesprochene Schiff dann meldet, erfolgt ein Funk-Interview im Rahmen der Nato-Aktion „Sea Guardian“, wichtigste Frage: „Haben sie etwas verdächtiges bemerkt?“. Interessant auch, als ein Schiff sich erst meldet, aber dann tot stellt – Kein Schuss vor den Bug, kein Raketenangriff, eher ein immer hilflos klingenderes „Motor Vessel Schlagmichtot, come in please? Please? PLEASE?“. Gegen Abend laufen wir in Puerto Americas ein (haben es also doch mal in die Americas geschafft, ach nee, das ist der Sportboothafen von Cadiz). In Cadiz bleiben wir zwei Nächte, bis der Wind für einen weiteren Schlag nach Portugal günstiger erscheint, gehen ausgiebig essen, besichtigen die Kathedrale von außen, den Strand, und die Festungen; die, die nach der Schlacht von Trafalgar etwas arbeitslos waren.