Ein weiterer Abend mit Bruce

Langsam tun die Beine und Füße wirklich weh. Flipflops sind wohl nicht das ergonomischste, und ich stehe damit nun schon sieben Stunden rum. Vor einer halben Stunde dachte ich das erste Mal, dass Bruce Gnade walten lassen würde, aber statt dessen hat er nur das nächste Lied angezählt. Ich bin mal wieder auf einem Bruce Springsteen Konzert. Vielleicht hätte ich es verschusselt, aber Steve hat im Dezember bei meinen Blog/Travel Plans die Konzertdaten einkommentiert; und es hat ja wirklich ganz gut gepasst. Mein Anreisedatum war durch das Segeln relativ festgelegt, und es macht Sinn in Adelaide anzufangen. Und wenn Bruce dann halt zufällig auch in Australien ist – was kann ich dafür? Wahrscheinlich gibt’s eh keine Karten. Um 16:00 macht die Abendkasse auf, es gibt sogar noch einige Sitzplätze im freien Verkauf. Ich fordere das Glück heraus, und werde belohnt. In der Schlange für den Einlass in die Arena hat noch jemand eine Karte übrig und überlässt sie mir zum Originalpreis. Fans unter sich, und ich bin ja schließlich extra aus Deutschland gekommen. Ich komme mit den anderen Leuten in der Schlange ins Gespräch: James, Charlie, Ken aus Adelaide und Doris, Tennisreporterin aus München. Die hat zu einem runden Geburtstag den Abstecher zu Bruce im Anschluss an das Melbourne Open geschenkt bekommen, aber war auch schon in München, London, New York und Barcelona auf seinen Konzerten. Verrückte unter sich. Der Stehbereich ist sehr beschaulich, vielleicht aus Sorge vor zertrampelten Fans; das meiste der Arena ist bestuhlt, und so landen wir zwei Meter vor der Bühne. Ausgelassen feiere ich mit meinen neuen Freunden mit ein paar Pale Ales von Cooper’s Brewery. Doris kann einiges  erzählen; sie hat gestern mit Jake Clemons, dem Saxophonisten der E-Street Band, zu Abend gegessen – einfach angesprochen, als er vor dem Restaurant stand. Als Beweis der Twittereintrag von Jake mit Instagram-Foto.

Um acht kommt die E-Street Band auf die Bühne. Mit „it’s fucking hot here“ begrüßt Springsteen Adelaide, und fängt gleich mal mit einem Cover von Summertime Blues an. Offiziell ist es die Tour zum neuen Album „High Hopes“, aber das hat ihn noch nie gestört. Die neuen Lieder sind auch nicht ideal für Live-Stimmung, und so spielt er alles querbeet aus den Jahrzehnten seiner Karriere. Wie üblich sprüht Springsteen vor Energie, scheint selber am meisten Spaß an dem Konzert zu haben, tingelt durch’s Publikum, flirtet mit den Damen, muss sich wehren „Girl, I’ve got to work, we can’t have a conversation now“, lässt sich auf den Händen seiner Fans von der Mitte der Arena wieder zur Bühne bringen. Es ist jetzt mein sechstes Konzert in zwei Jahren, einige Elemente erkennt man jedesmal wieder, dennoch wirken sie nie abgedroschen, nie lustlos hingespult. Der kleine Junge, der bei ‚Waiting on a Sunny Day‘ mitsingen darf, traut sich tatsächlich vor zehntausenden Zuschauern zu singen, macht ein paar Rockstargesten, und wird von Springsteen mit den Worten „I have seen the future of rock and roll“ verabschiedet. Zu ‚Dancing in the dark‘ kommen vier selbstbetitelte ’naughty girls‘ auf die Bühne, einer älterer Herr bekommt den Wunsch erfüllt, mit Little Steven Luftgitarre zu spielen. Vor Australien verneigt sich die E-Street Band zu Beginn der Zugabe mit ‚Highway to Hell‘ von AC/DC. Nach 29 Liedern tritt die E-Street Band endgültig von der Bühne, aber Bruce hat noch Lust. Er schnappt sich die Akustikgitarre und Mundharmonika und spielt noch zwei Lieder. Gänsehaut am Ende mit ‚Thunder Road‘. Es ist mucksmäuschenstill, neben mir geht ein Zuschauer auf Zehenspitzen nach hinten. Nach drei Stunden und zwanzig Minuten ist es dann endgültig vorbei. Während ich mit Doris zum Auto gehe, überlegen wir, warum er sich das antut – er scheint kaum Pause zu machen. Egal, ich bin glücklich, es hat sich mal wieder gelohnt. Und – hmmmm – am Wochenende spielt er in Melbourne, da bin ich zufälligerweise ja auch da….

Die wundersame Wandlung des Land Rovers

Chris sitzt in der Abendsonne am Lagerfeuer in der unendlichen Weite Australiens, mit seinem Land Rover Defender Geländewagen, Kängurus springen vorbei, Koalas tanzen einen bunten Reigen, im Hintergrund liegt Uluru (Ayer’s Rock), der Marlboro Man und der Camel Adventure Typ sind auch dabei. So ungefähr war das geistige Bild, Voraussetzung: der eigene Geländewagen. Für Montag habe ich mir deshalb das Projekt Autokauf vorgenommen. Bei ungefähr zwei Monaten würde sich ein Auto ja auch lohnen, und es wird viel billiger. Langsam und schrittweise holt mich die Realität ein. Ein Defender ist selten und richtig teuer. Der Kauf eines Autos in South Australia wird von einer „Stamp Duty“ begleitet, 4% Autoerwerbssteuer, das macht natürlich den kurzfristigen Autokauf weniger attraktiv. Ich tingele ein wenig über die Höfe der Gebrauchtwagenhändler. Ich hatte vergessen, wie windig die Verkäufer wirken. Geländewägen kosten so um die AU$ 15.000, aber braucht’s das wirklich? Mein Plan sieht eher so aus, die Ostküste hochzufahren, alles asphaltiert, und die Tausende von Kilometern nach Uluru und Perth eher mit dem Flugzeug zurückzulegen. Also reicht eigentlich auch ein preiswerter Kleinwagen. Ich schaue mir einen Ford Fiesta eines größeren Händlers an. Der Verkäufer heißt Stasi und preist mir den Kleinwagen für AU$ 7.800 an, dafür Garantie in ganz Australien. Oder ein uralter Holden Commodore (Opel Omega) Station-Wagon , völlig ohne Garantie für AU$3.000? Bei einem Burger gehe ich noch einmal in mich. Sechs Wochen Mietwagen finde ich für 1300€, von Adelaide aus mit Abgabe im nördlichen Queensland, kein Stress mit dem Verkauf, the soft option. Ich stelle fest, dass mein jetziges Mietauto unter anderem so teuer geworden ist, weil ich mir mal wieder eine Zusatzversicherung habe aufschwatzen lassen. Ich sollte mir ein für alle mal merken, dass bei Zahlung mit meiner Kreditkarte eine Vollkaskoversicherung enthalten ist. Noch etwas Nachdenken, und dann entscheide ich mich für die einfache, feige Variante mit bekannten Kosten: hertz.com.au; her mit der kleinen Kiste. Und so wurde aus meinem urigen Land Rover Defender ein Toyota Corolla. Bei der Abholung habe ich allerdings Glück – für einen fairen Aufpreis von 4€ am Tag gibt mir Dame am Schalter einen VW Passat Kombi, fast neu. Das Navigationssystem erspart den Kauf eines Atlas von Australien, mit ungeklappten Sitzen kann man hinten schlafen. Ich kaufe bei K-Mart schnell Schlafsack und Luftmatratze für 16€, das amortisiert sich mit einmal auf dem Campingplatz übernachten.

Welcome Down Under

Ein Australier, wie man ihn sich vorstellt, tritt am Gepäckband an mich heran. Englische Gene in australischer Sonne gegrillt. Eigentlich gehört er ins Outback, um dort zu tun, was man halt im Outback so macht. Aber er trägt eine schwarze Uniform und arbeitet für das australische Landwirtschaftministerium am Flughafen von Adelaide. Er fragt mich freundlich ob ich Pflanzen oder Lebensmittel nach Australien bringe. Tue ich nicht. Er kritzelt ein Geheimzeichen auf den Zettel, auf dem ich diese Fragen bereits schriftlich verneint habe. Es bleibt der komplizierteste Teil der Einreise. Von dem „eVisitor“ Visum, welches ich in Thailand auf dem Boot online beantragt und genehmigt bekommen habe, während sich der Rest der Crew mit Verdauungsproblemen rumschlug, merke ich nicht einmal etwas. Welcome to Australia.

Das Teilstück der Reise hat mit einem Minibus ab dem Southern Lanta Resort begonnen, über zwei Fähren ans Festland, zu dem beschaulichen Krabi Airport. Von dort aus mit Malaysia Airlines nach Kuala Lumpur (ich denke dabei an eine zerlumpten Koalabär), und dann ungefähr 8 Stunden weiter nach Adelaide. Mit den Zeiten komme ich hier durcheinander, Southern Australia hat in einem Anflug von Individualität eine Zeitzone mit neuneinhalb Stunden Unterschied zu München angenommen. Bei dem Übernachtflug habe ich eifrig Filme geschaut, und höchstens eine halb Stunde geschlafen. Jetzt stehe ich am ebenfalls recht beschaulichem Flughafen von Adelaide und warte auf mein gebuchtes ‚Mystery Car‘ von Hertz. Der Porsche ist leider in der Werkstatt, der Ferrari noch nicht gereinigt, ich bekomme einen Nissan Pulsar, immerhin zwei Klassen mehr als der Preis andeutete. Das erste mal seit drei Monaten selber Auto fahren, und dann auf der falschen Seite. Wie üblich habe ich keinen genauen Plan gefasst, fahre erst einmal zum Strand um meine Füße ins Meer zu stecken. Dann eine Shopping Mall, SIM-Karte für’s Iphone, und ich bin wieder online. Mal wieder Zeit für ein paar fragwürdige Entscheidungsfindungen.

Einer meiner Hausweine (vom gleichen Importeur wie der Neuseeländische Sauvignon Blanc) ist ein Shiraz von Simon Hackett. „McLaren Vale“ steht auf jedem Etikett. Das ist dreißig Kilometer südlich von hier. Hm, ein guter Wein wäre jetzt auch fein, das können die in Südostasien nicht so gut. Also ein Wochenende in einem Weingebiet – ich hatte schon schlechtere Ideen. Auf der Fahrt dorthin schlägt die Nacht ohne Schlaf durch. Dreißig Minuten Powernap in einer Wohngegend, und dann schnell eine Unterkunft suchen. Das McLaren Vale Visitor Center wird schon was wissen. Die Gegend ist super – es ist zwar über 40° heiß, aber eine gute, trockene Hitze. Es riecht nach Rosmarin, der um das ganze Besucherzentrum angebaut ist. Überraschenderweise ist ein Samstag in einem Naherholungsgebiet von Adelaide gut ausgebucht, mein Traum von einer preiswerten Übernachtung auf einem Weingut mit angeschlossener Gastronomie bleibt unerfüllt; ich komme in Mick O’Shea’s Irish Pub & Inn unter. Dort gönne ich mir erst einmal zwei Stunden Schlaf, dann ein Guiness und etwas Wein aus der Gegend, und ein Steak. Dabei schreibe ich den Blog von Thailand fertig, es werden noch zwei Tage vergehen, bis ich dafür ein funktionierendes WLAN finde.

Australien ist teuer. Eigentlich war ich gewarnt, aber es ist wirklich teuer, der australische Dollar ist gerade recht stark. Ein Pint of Guiness schlägt mit AU$ 9,70 zu Buche, 6,60€. Das Zimmer der unteren Mittelklasse kostet 75€, und beim Essen ist man fix 35€ los. Natürlich bin ich da von Südostasien verwöhnt, aber das wird noch dauern, bis ich mich hier dran gewöhne. Am nächsten Tag scheitere ich auch mit meinem Vorhaben, eine kleine Bustour durch die Weingüter zu machen; alles ausgebucht. Vielleicht muss ich Australien doch etwas genauer planen, und jeweils ein paar Tage vorher? Also nur die Scenic-Route durch das Tal, und halt nur an wenigen Weingläsern schnüffeln. Simon Hackett habe ich durch einen Zufall auch gefunden, im Internet hatte er keine überzeugende Präsenz. An dem Weingut werde ich von einem Berner Sennenhund überfallen, die Dame des Hauses muss erst ihr Baby fertig füttern, Rotwein zum probieren ist leider keiner da – alles ausverkauft. Also nur ein kleiner Schnack mit der Chefin, vom Jahrgang 2014 erwartet sie nichts Gutes: viel zu heiß und trocken. Die meisten anderen Winzer äußern sich ähnlich. Immerhin kann ich mir nun vom Weingut Simon Hackett ein Bild machen, mal sehen ob das dann in München eher hilft oder stört.

Das Nikolausgewinnspiel ist entschieden

Noch in Thailand hat eine unabhängige Erika die Ziehung der Gewinner beaufsichtigt. Die Gewinner wurden benachrichtigt, und werden aus Datenschutzgründen hier nicht genannt. Die Verlierer hingegen sind:
Adrian
Bartolomäus
Xaver
Roswitha
Heinz-Rüdiger
…und 24 Teilnehmer, die sich nun anderweitig zu einer Essenseinladung einschmeicheln müssen – do your best!

 

Segeln mit Mai Ling – Bilder aus Thailand

So muss Segeln

Langsam kommen wir aus der Abdeckung von Ko Racha Yai heraus, und können unseren Kurs über das offene Meer setzen. Ziel ist Klong Dao Beach an der Nordspitze von Ko Lanta, vierzig Seenmeilen direkt nach Osten. Der Wind bläst mit wunderschönen vier bis fünf Beaufort, in Böen etwas mehr. So weit vom Festland entfernt haben sich über Nacht auch Wellen aufgebaut, vielleicht 1-2 Meter hoch.   Wir haben das Segel im ersten Reff gesetzt, das Schiff ist damit vernünftig auf den Wind getrimmt und läuft ganz gut. Wir fahren auf die frühe Morgensonne zu, die unseren Weg über das Meer silbrig glänzend beleuchtet. In unregelmäßigen Abständen kommt Gischt über den Bug, wenn das Boot mal wieder in ein Wellental eintaucht. Pflichtgemäß beschweren wir uns dann bei dem unschuldigen Rudergänger. Genial. Bei der Planung des Urlaubs hatten wir echt Sorgen, ob’s hier in Thailand überhaupt vernünftigen Wind hat, haben schon zwei Wochen Cocktail-Segeln befürchtet. Wenn’s so bleibt müssen wir eher Ärger mit Erika befürchten, die in der zweiten Wochen kommt, und dem Wind- und Wellenprogramm eher skeptisch gegenübersteht. Aber Matthias, Peter Frank und mir taugt’s. So muss Segeln.

Mai Ling

Mai Ling haben wir aus dem Katalog bestellt. Heutzutage gibt es das ja alles im Internet. Eine Thailänderin sollte es sein, mit französischen Wurzeln, auch die Länge konnten wir aussuchen. Im Großen und Ganzen ist sie schon wie beschrieben, nicht länger als im Katalog (Polt hatte damit ja Probleme, weil seine Mai Ling nicht in das geplante Kinderbett gepasst hat). Mai Ling ist unser Schiff, jedenfalls hatte ich das im Telefonat mir der Marina so verstanden. Es hat sich dann aber rausgestellt, dass der Name eigentlich Malee ist. Eine Jeanneau / Sunsail 41 unter thailändischer Flagge; ein klassisches Charterboot im gepflegten Zustand. Charterboot heißt, dass es auch für unerfahrene Crews nicht zu gefährlich sein soll: Das Vorsegel ist nur eine Fock (=zu klein), der Holepunkt dafür ist zu weit vorne und lässt sich nicht verstellen, dafür laufen die Leinen alle schön aufgeräumt unter Verkleidungen, damit auch niemand auf die Idee kommt sie zu optimieren. Wir haben an Bord deutlich über 5000 Seemeilen Segelerfahrung, sind etwas beleidigt. Allerdings – dafür läuft das Schiff gefühlt ganz gut. Zur Wartungsoptimierung gibt es keine mechanische Logge, die Geschwindigkeit wird nur aus GPS-Daten gerechnet. Deshalb kann man nur ahnen, wie schnell man durch Eigenverdienst segelt, und wie viel der Flut geschuldet ist, die hier merklich ist und auch ordentliche Strömung verursacht. Gegen Ende des zweiwöchigen Törns offenbaren sich aber auch einige Verschleißerscheinungen. Den Motor können wir die letzten drei Tage nur starten, wenn wir kurzzeitig zu den Batterien für Kühlschrank usw. überbrücken, und auch die Abwasserpumpen für die Duschen an Bord versagen nach kurzer Zeit (macht aber nicht viel aus, wenn man ständig auf der Badeplattform duschen kann.

Nage und Sauge in Thailand

Seit Beginn meiner Reise freue ich mich auf das thailändische Essen. Meine Liebe für scharfes ist wohl bekannt, vielleicht auch nicht ganz normal, aber trotzdem: alles leckere Essen vorher in Südostasien ist doch nur eine müde Prelude zu der Krone: scharfes Thai Essen. Unsere eigenen Kochversuche an Bord sind weniger erfolgreich. Offensichtlich ist der in Phuket am Markt gekaufte Reis gaaaanz anders zu behandeln als wir es aus Deutschland kennen: wir schaffen daraus gutes Material, um Risse im Fiberglass des Bootes zu reparieren, als kulinarischen Genuss kann man die Pampe hingegen nicht bezeichnen. Auch meine Versuche, das auf der Reise bereits Gelernte an Bord umzusetzen sind nur mäßig erfolgreich – ich will meine Küche wieder. Dann heißt es also: Im Beiboot an den Strand fahren (Ebbe und Flut berücksichtigen), und in einem einfachen Strandlokal thailändisch bestellen, schön scharf! Ich werde bitterlich enttäuscht. Thai food’s lost its balls 🙁  Eigentlich ist es ja nicht überraschend, wir frequentieren Touristengebiete, und die meisten Touristen sind komplette Weicheier wenn es mal um zehn Chilischoten mehr oder weniger im Essen geht. Aber trotzdem: Wenn ein Gericht auf der Karte ’spicy‘ im Namen trägt, eine Chili daneben abgebildet ist, und ich es oberdrein als ‚really spicy‘ bestellen, dann erwarte ich schon anderes, als einfach nur etwas salzig. Einmal habe ich das Essen zurückgehen lassen, mit dem Hinweis „It’s not spicy“; rüstete mich innerlich auf ‚Rachescharf‘, aber der Seafood-Salat kam nur noch etwas salziger zurück. Protest!!! Jedenfalls von mir; ein Teil der Crew ist über die mangelnde Schärfe ganz glücklich. Nach dem Essen geht’s meist noch in die Strandbar. Fackel- oder Lampionromantik, entspannte Musik (meist Reggae oder auch mal Jack Johnson), und häufig eine Bedienung, die aussieht, als wäre sie zusammen mit der Bob Marley CD aus der Karibik importiert worden. Die Karte enthält altbekannte Klassiker in ganz neuen Schreibweisen – erstaunlich wie viele Rechtschreibfehler man in 15 verschiedenen Cocktails unterbringen kann. Wir treiben die Bedienung zum Wahnsinn, weil jeder etwas anderes bestellt; sie rächt sich daraufhin dadurch, dass die Cocktails einzeln serviert werden, mit ungefähr fünf Minuten Abstand. Trotzdem ein gelungener Abschluss der meisten Abende.

Emerald Cave

Dunkelgrün schimmert das Meer ungefähr zwanzig Meter voraus; es ist fast das einzige Licht was man hier in dem Tunnel sieht. Langsam paddeln wir das Dinghi weiter vor, gegen das langsam ins türkise wechselnde Wasser erkennt man jetzt deutlicher die Umrisse der Röhre, die das Meer durch den Felsen von Ko Mook gegraben hat. Der Tunnel führt uns wieder nach Westen, entgegen der tiefen Nachmittagssonne in offenes Wasser zu unserem Schiff. Hinter uns liegt Emerald Cave, ein beeindruckendes Exemplar eines Hongs – bizarre Erscheinungen in der beeindruckenden Landschaft hier in der Andaman See. Aberwitzige Kalkfelsen stehen mitten im Meer, mehrere hundert Meter hoch. Dicht mit Dschungel überzogen, auf einigen wohnen Affen, die behände an den Felsen umherklettern. Würde alpines Klettern zu meinen Hobbies gehören, würde ich jetzt wahrscheinlich vor Verlangen schwach werden, so bin ich einfach nur beeindruckt. Die Felsen stehen einfach so rum, die Landschaft setzt sich unter Wasser nicht fort, das Wasser ist meist recht konstant tief. An einige der Felsen kann man also sehr nah dran fahren, ohne dass der Tiefenmesser beunruhigende Werte anzeigt – das ist per se auch beunruhigend, denn es könnte bedeuten, dass der Meeresgrund zum Felsen hin sehr schnell ansteigt, und man mit einer kleinen seitlichen Driftbewegung tiefe Kratzer in seiner Kreditkarte hinterlässt. Teilweise sind die Felseninseln an der Wasserlinie auch tief unterschnitten, dass man zuerst mit dem Mast an der Insel anstoßen würde.

Teilweise bilden sich inmitten dieser Inseln tiefe, fast zylindrische Löcher, manche davon mit einem breiten Zugang zum Meer, andere wiederum nur durch eine kleine Höhle erreichbar – so auch im Fall von Emerald Cave. Hier finden sich an der Westküste von Ko Mook einige Ankerbojen, die nach 17:00 wieder von den unzähligen Touristenbooten geräumt werden – die Gelegenheit für uns, die danach nur um die Ecke zum Ankern fahren müssen, statt zwei Stunden in ein entferntes Resort. In Schichten fahren wir mit dem Dinghi in die Höhle – circa fünfzig Meter lang, und zumindest in der Mitte stockduster. Eine Stirnlampe und die Taschenlampe vom Boot helfen uns, wir beleuchten damit auch die Fledermauskolonie an der Decke. Im Inneren der Insel ein fast kreisrundes Loch mit ungefähr dreißig Meter Durchmesser, umgeben von hundert Meter hohen Felsen. Ein Fünftel des Hongs steht unter Wasser, es gibt einen kleinen Strand; bei Hochwasser wäre es ungefähr die Hälfte. Überall an den Wänden halten sich Pflanzen der Schwerkraft zum Trotz, auf dem Sandboden stehen einige Mangrovenbäume. Irgendwelche Tiere machen Krach; es könnten Grillen sein, same-same but different, denn der Ton ist eigentlich ein konstant hohes Pfeifen. So ungewohnt ist das Geräusch, dass Einige von uns erst auf Ambient Sounds aus Lautsprechern tippen. In dem Hong treffen wir noch zwei Mädels aus Deutschland, die mit einem Seekajak vom einem nahen Resort hierher gekommen sind. Wir leisten uns gegenseitig Fotografendienste, und Peter kann endlich nach über einem Tag Enthaltsamkeit eine Zigarette schnorren.

Ko Phi Phi – der Wahnsinn

Ko Phi Phi ist die absolute Trauminsel: kristallklares Wasser, blendend weiße Strände, palmenbewachsen. So traumhaft, dass hier der Film „The Beach“ mit Leo DeCaprio gedreht wurde. Schon vorher war die Insel nicht direkt unbekannt, seit dem Film steigerte sich die Bekanntheit und damit der Zirkus noch weiter. Die Empfehlung unseres Vercharterers lautet: nach 17:00 anlaufen, vor 9:30 wieder aus dem Staub machen (dass müsste wohl beim Segeln lauten: aus der Gischt machen). Nach dem Ankermanöver, beim obligatorischen Ankerschluck, sehen wir ein vollbesetztes Dinghi, welches sich mit ausgefallenen Motor und Paddeln nur recht zögerlich bewegt. Wir treten zur Rettung an, fahren mit unserem Schlauchboot (mit funktionierendem Motor) zur Hilfe. Es wird schnell offenbar, dass noch zwei andere Schiffe den gleichen Gedanken hatten, es kommt fast zum Stau der Retter. Wir verzichten auf den Ruhm, und fahren zurück. Dabei kreuzen wir den Weg des verkörperten Chaos: Ein Segelboot von Capt. Bob’s Booze Cruise – jauchzend gröhlende Teenager in Bikinis und Speedos hängen in den Wanten und prosten uns zu. Segel hat das Boot wahrscheinlich schon seit Jahren nimmer gesetzt – wäre auch zu gefährlich mit den besoffenen Deppen an Bord. Wir machen weiter mit unserem gepflegten Anlegerschluck (Campari Orange), und fahren dann an den Strand.

Wo vor Jahren noch ein paar Palmenhütten standen, ist mittlerweile eine ganze Stadt erwachsen. Wir schieben uns durch die Menge, prall gefüllte Körbchen und Badehosen, die Blicke der Besitzer als Antithese eher leer. Ich überlege, ob auch ich ein Tattoo brauche, um weiterhin ‚in‘ zu sein. Tauchausflüge, T-Shirts, Souvenirs, Eimer mit einem halben Liter Vodka und einigen Mixern werden feilgeboten, Massagen (With lips all over) ebenso. Fast alle Restaurants bieten auch Western Food, Spaggeti und Shnitsel Wiener style neben als authentisch beschworenem Thai-Food. Der Höhe- bzw. Tiefpunkt des Abends ist Slinky’s Bar am Nordstrand. Hier sieht man nur die jungen und schön Besoffenen mit Eimern, dazwischen befremdete ältere Leute, zu denen ich mich hier stolz zähle. Ich überlege zu welchen modischen Vorlieben von vor zwanzig Jahren ich noch heute stehen würde, brauche doch kein Tattoo. Slinky’s Musik konkurriert mit der von der Kneipe nebenan, ich erkenne keinen Unterschied, nur dass die beiden nicht harmonieren. Vor jeder Kneipe am Nordstrand steht ein Feuerkünstler, der brennende, in Diesel getunkte Lappen in Kreisen um sich schwingt; damit jongliert. Einem Russen neben mir fällt ein Stück Glut auf das Polyester-Designer-Shirt, ich bin voll des Mitleids. Nach fünf Minuten spricht Peter aus, was mir auch auf der Zunge liegt: „Ich find’s hier total Scheiße, können wir gehen? Ich jedenfalls gehe.“ So beenden wir den Abend wie so einige vorher: am ruhigeren Ende des Strands in einer Cocktailbar. Die wummernde Musik von der anderen Strandseite hören wir auch danach auf dem Boot noch einwandfrei.

Auf den Spuren von Roger Moore

Unser Törngebiet liegt im wesentlichen im Osten und Südosten der Insel Phuket. Weiter im Süden ist das Meer hier über 40 Meter tief, hier weiter im Norden, in den inneren Teilen der Phang Nha Bucht, ist das Wasser nur 1-4 Meter tief, kein Spaß wenn das Boot einen Tiefgang von zwei Metern hat und der Tidenhub ebenfalls zwei Metern. Das führt natürlich auch zu erheblichen Strömungen bei Ebbe und Flut, wenn alle sechs Stunden ein Drittel des Wassers raus bzw. rein muss. Warum treiben wir uns dann hier also rum? Die konzentriert spektakuläre Landschaft, überall stehen die bizarren Felsen. Ha Long Bay, eat your heart out. In 1974 wurde hier der James Bond Film ‚Der Mann mit dem goldenen Colt‘ gedreht. Als Film zählt er zu den schlechtesten 007-Filmen, aber aus einer der Kulissen wird weiterhin fleißig Kapital geschlagen. In dem Khao Ta-Pu Felsen versteckte damals der Bösewicht Scaramanga seine weltbeherrschende Waffe. Auf Empfehlung der Vercharterers besuchen wir auch dieses Ziel am späten Nachmittag, mit dem Dinghi von einer nahe gelegenen Ankerbucht. Leider zu spät, kurz vor Sonnenuntergang ist der (lächerlich kleine) Felsen (im Film sah er viel größer aus) nur im Schatten, und wir planen die Rückkehr in den frühen Morgenstunden. Um sieben sind wir wirklich die ersten, müssen dennoch Nationalparkgebühr zahlen, und leider liegt der Felsen auch um die Zeit noch im Schatten – schaut ihn auf Flickr an….

Tête-à-Tête mit Nemo

Die Andaman See ist auch als Unterwasserparadies bekannt. Deshalb haben wir alle extra noch Taucherbrille und Schnorchel gekauft, ich zuletzt im Tesco bei Phuket. Der Vercharterer hätte ja auch erwähnen können, dass die Ausrüstung an Bord vorhanden ist – wir trösten uns damit, dass wir so unsere eigenen Schnorchel haben, wo noch nicht so viele Leute reingerotzt haben. Aber dankbar nehmen wir das Angebot der Schwimmflossen an. Schnorcheln war unsere Fallback-Lösung wenn der Wind nicht gereicht hätte, dann wären wir viel ausgiebiger im Wasser gewesen, und hätten nun die Mörder-Sonnenbrände. Der Revierführer erwähnt für viele der Inseln geeignete Ankerplätze mit guten Riffs zum Schnorcheln. Den Anker im Sand vor dem Riff fallen lassen, dann kurz dorthin schwimmen (oder bei Strömung vom Dinghi hinfahren lassen). Man muss nur aufpassen, nicht von den vielen Touristenbooten überfahren zu werden. Wir sind dann dazu übergegangen, eine grell-orange Schwimmweste hinter uns her zu ziehen, um etwas sichtbarer zu sein.  Dann geht’s los mit der Unterwasserbesichtigung. Als erstes sieht man meist witzige gelb-weiß-schwarz gestreifte Fische, die in Schwärmen nahe der Oberfläche schwimmen. Im Riff selber Riesenmuscheln, deren Schalen man nicht immer sieht, dann sehen sie von oben aus wie ein farbenfroher gewellter Kussmund. Faszinierend, wie sehr ‚Findet Nemo‘ zumindest mein Bewusstsein der Unterwasserwelt geprägt hat. Keine Ahnung, wie der Fisch wirklich heißt, aber Dory habe ich mehrmals gesehen. Auch der Kugelfisch, der sich im Film immer wieder aus Versehen aufbläst. Und natürlich Nemo, und sein Vater. Die Clownfische sind wirklich nett, und neugierig – wenn man länger vor ihrer Anemone verweilt, kommen sie einem ganz nah, wollen diesen komischen dicken Fisch sehen der sich so unbeholfen bewegt. Ich habe mir vor dem Urlaub extra eine Kamera mit Unterwassergehäuse gekauft, recht billig, und leider sieht es so aus, als würde man das bekommen, wofür man gezahlt hat. Ich hoffe wenigsten einige der Fotos sind was geworden, trotzt manchmal beschlagenen Objektiv und der Tatsache, dass man überhaupt nicht sieht, was man eigentlich fotografiert, sondern die Kamera nur blind in die richtige Richtung hält und mehrmals abdrückt.  In der Nachsegelwoche auf Ko Lanta habe ich dann mal wieder zwei echte Tauchgänge bis auf 18 Meter gemacht, nach einem kurzen Auffrischungskurs. Da sieht man natürlich etwas mehr im Meer, Moränen, Hummer, Seeschlangen, Rotfeuerfische (die mit den vielen Stacheln), Barrakudas und Tintenfische. Aber auch beim Schnorcheln kommt man auf seine Kosten, Badespaß und gute Laune inklusive.

Nach zwei Wochen ist der Törn vorbei – wir haben unheimlich Glück mit dem Wind gehabt, in der nächsten Woche auf Ko Lanta weht es nicht mehr so, und auch die Locals berichten von dem Januar als ‚ungewöhnlich windig‘. So muss Segeln.