Cuba, Baby!

Touchdown Havanna 23:55; ein Flugtag von Grenada über Trinidad & Tobago und Panama geht zu Ende. Die kleine Schrecksekunde, als wir im Reiseführer lesen, dass man vom Reisebüro eine Touristenkarte erwerben hätte müssen, geht in T&T zu Ende, als wir sie dort sofort angeboten bekommen. Erster Eindruck am Flughafen: verblasster sozialistischer Protz, ich muss sofort an Moskau Scheremetyewo denken. Allerdings ist der erste Kontakt mit kubanischen offiziellen erbauender als es in Moskau war: Die Töchter der Revolución, die die Grenzkontrolle übernehmen, sind eine rassige Augenweide. Der Zwang zur Uniformität hört offensichtlich bei der Oberbekleidung auf – zum kurzen Uniformrock trägt die modebewusste Zöllnerin aufällig gemusterte Strumpfhosen und hochhackige Schuhe – wahrscheinlich ist es leichter, Autorität auszustrahlen, wenn man 10cm größer ist. Nachdem wir versichert haben, die letzten drei Wochen nicht in Afrika gewesen zu sein, dürfen wir einreisen. Auf dem Gepäckband kommen schon die ersten Habseligkeiten an: in schützende Plastikfolie gehüllt, könnte es sich auch um Silagebollen von der Alm handeln, groß genug sind sie. Nach einiger Zeit beginnt das Band seltsame Geräusche zu machen, und quietscht sich dann in den Stillstand. Einige Uniformierte hasten herbei, rupfen die schweren Gepäckbollen vom Band. Ächzend setzt sich das Band wieder in Bewegung, auch unser Gepäck kommt bald. Während die Einheimischen vom Zoll gegängelt werden, passieren wir die Kontrollen freundlich angelächelt.
Wir finden eine Reiseleiterin, die ein Schild mit drei Namen trägt, unsere beiden sind dabei. Der dritte im Bunde ein gewisser Thomas Cook, taucht nicht auf, aber wir müssen offensichtlich auch nicht auf ihn warten. Wir werden zu einem Taxi geführt. Ich bin enttäuscht, statt eines kultigen ’56er Chevrolet BelAir ist es ein moderner Hyundai. Sind wir schon zu spät für die Oldtimer? Kurz darauf, als wir mit 120km/h über die ausgestorbene Autobahn fahren, sehe ich das erste Exemplar – es steht traurig verlassen auf der linken Spur der Autobahn.
Nach ca. 30 Minuten Fahrt hält das Taxi vor dem Deauville Hotel, vor der Revolution laut Reiseführer offensichtlich fest in der Hand der Mafia. Neben der Rezeption tönt ohrenbetäubend eine Diskothek. Ich fühle mich extrem an den internazionalny Touristy Komplex ‚Rossiya‘ in Smolensk erinnert, aber das Zimmer ist einwandfrei – sauber. Die scheußliche, kaltweiße Neonbeleuchtung, so erinnere ich mich aus der Zeit bei meinem ehemaligen Arbeitgeber, ist eher Geschmackssache in wärmeren Gefilden. WiFi gibt es im Hotel nicht, aber die Dame an der Rezeption verweist auf eine PC in der Ecke, den man benutzen könne, wenn man eine besondere Internetkarte hätte. Während Frank aus dem topaktuellen Reisführer von 2015 vorliest, wie es sich mit dem Internet in Kuba verhält- und dass Smartphones oder Tablets nicht funktionieren würden, Simse ich „Tag“ an die Vodafone Servicenummer und bekomme 24h Internet für €2,99 – und es klappt, wenn auch eher zäh.
Am nächsten morgen genießen wir das Hotelfrühstück (eine interessante Auswahl aus lapprigem Brot und fragwürdigen Brotbelegen – aber viel frisches Obst, und auch Rührei), danach machen wir uns auf den Weg zu einer Bank. Acht Blocks entlang der Avenida Italia finden wir dann auch die banco metropolitano; werden auf dem Weg dorthin aber noch kurz von einem Kubaner entführt (er trägt ein Deutschlandtrikot, das verbindet), der uns noch den angesagten Buena Vista Social Club zeigen will, da wäre heute was besonderes. An der Bank wird gerade ein anderer Tourist abgewiesen, auch mich will der Offizielle unter Verweis auf meine kurzen Hosen und Flip-Flops nicht einlassen. Kein Problem, Frank hat eine lange Hose und Turnschuhe an, ich gebe ihm mein Geld und wir klopfen wieder an der Pforte. Die Ausrede verstehen wir diesmal zwar nicht, aber werden dennoch nicht bedient. Drei Blocks zurück, acht Blocks nach links finden wir dann aber eine Wechselstube, und versorgen uns mit 500 Pesos Convertibles ($CUC). Der CUC ist 1:1 an den US-Dollar gekoppelt, wird aber aus politisch-religiösen Gründen nur mit Straf-Prozenten gegen diesen getauscht. Euros gehen prima.
In der Fabrica Real Partagas erwerben wir zwei Zigarren, und schlendern weiter durch die Stadt. Havanna ist genial, mir fallen auch kaum bessere Worten ein, als die, die man ständig liest: widersprüchlich, charmant, quirlig, heruntergekommen, aufstrebend, verfallen, restauriert, hübsch, hässlich und widersprüchlich! Die architektonische Substanz lässt viel der ehemaligen Schönheit erahnen, und einige sorgfältig restaurierte Gebäude strahlen sie auch wieder in vollem Glanz aus. Chapeau an den Leiter der Denkmalbehörde. Auch Oldtimer bekomme ich genug zu sehen; die Autos lassen sich grob in vier Kategorien einteilen: moderne, gesichtslose Hyundais und Kias, eine ganze Menge Ladas und Mexiko-Käfer, völlig abgewirtschaftete 50er Jahre Schlitten, hauptsächlich aus Spachtelmasse bestehend und von Draht zusammengehalten, und liebevoll erhaltene Straßenschlitten und Cabrios, die jedem Film über die 50er Jahre zu Ehre gereichen würden. Viele davon sind als Taxi unterwegs, auch die Cabrios.
An der Plaza Vieja (alter Platz), der früher einmal neuer Platz hieß, ist in einem wunderbar hergerichtetem Gebäude eine Brauereiwirtschaft untergebracht, dort probieren wir zwei Halbe (etwas säuerlich, aber ein netter Versuch), und dann ziehen wir, dem Lonely Planet folgend, weiter ins „Los dos Hermanos“. Ob das Foto von Hemingway bedeutet, dass er früher hier Stammgast war, oder ob solch ein Foto Grundausstattung jeder historistischen Kneipe ist, konnten wir zwar nicht ergründen, aber wir genießen dort das volle Kuba-Programm: kubanisches Bier, Mojitos, unsere Zigarren, Ron anejo 7 anos, und zwei kubanische Kaffee. Kurz vor vier sind wir heiter und voll in Urlaubsstimmung. Die drei Hausmusikanten, denen ich erlaube uns ein Ständchen zu spielen, tragen dazu bei. Sie kommen an unseren Tisch; was wollen wir hören? Da wir Touris zu doof sind, um zu wissen, wie die Musikrichtungen alle heißen, bietet die Band neben Bolero, Rumba, Son, auch Buena Vista Social Club an (welches wiederum Son ist). Hey, why not, denke ich mir und sofort erklingt es, als hätte man eben die CD in den Player geschoben, Track one „Chan Chan“ spielt. Als wir das erwartete Trinkgeld geben – ich dachte an 2 CUC – meint der Chefmusiker: „Hey, wir sind doch zu dritt!“ Na gut, also drei CUC, die es hier witzigerweise als eine Banknote gibt. Wie lange bleiben wir hier in Havanna? Mal gucken, es gefällt jedenfalls.
Bevor wir uns wieder ins Nachtleben tummeln, könnten wir noch kurz unser Hotel nutzen, und schlendern wieder in die Richtung zurück. Dabei wollen wir mal eine ‚Casa Particular‘ aufsuchen, vielleicht können wir ja da die übernächste Nacht bleiben. Die Unterkunft liegt im ersten Stock, der Haustürschlüssel hängt an einem Strick vom Balkon. So lassen wir uns in das marmorne Treppenhaus ein, um kurz darauf an der Tür zu klopfen. Eine freundliche Kubanerin lässt uns ein, und nimmt unsere Reservierung entgegen. Dabei gibt es ein Missverständnis, wir wollen ab morgen, sie reserviert ab übermorgen, aber als der Fehler entdeckt wird, haben wir unser Problem geschickt zu ihrem gemacht. Obwohl eigentlich ausgebucht, redet sie nochmal mit der Eigentümerin, und dann geht doch was. Wir sind gespannt, der Preis ist immerhin nur ein Drittel des Deauville. Auf den letzten Metern zum Hotel bekommen wir noch einen Beweis der Freundlichkeit der Einheimischen: Eine rassige Kubanerin verspricht mir („Mi amor“) ewige Liebe, zumindest heute Nacht. Muchas gracias, pero no.

Nett hier – aber waren Sie schon mal in Baden Württemberg?

Der Werbespruch – zuletzt auf einem Aufkleber gelesen, der an einem VW-Bus klebte, der neben mir auf der Fähre Meersburg-Konstanz stand – geht durch mir den Kopf. Sofort bereue ich ihn, aber die Gedanken sind ja bekanntlich frei, und so lässt sich auch dieser nicht einfangen. Gekommen ist er mir beim Schnorcheln an den Tobago Cays, laut Revierführer einer der absoluten Höhepunkte der Unterwasserwelt in diesem Eck der Karibik. Aber Schnorcheln habe ich auch schon mal besser erlebt, wenn auch nicht in Baden Württemberg, sondern in Indonesien und Thailand. Deswegen ist mir der Gedanke ja auch so peinlich – meckern auf unglaublich hohem Niveau. Und die Tobago Cays sind schon fein, etwas überlaufen vielleicht. Wir haben einen guten Zeitpunkt erwischt – die Boote, die heute noch Strecke machen wollen sind abgefahren, und die Boote voller fauler Langschläfer sind noch nicht da. So finden wir noch einen guten Ankerplatz, soll doch der Rest sehen wo er bleibt. Ab ins Wasser – die auf ebay ersteigerte Unterwasserkamera (Ersatz für die, die in Indonesien ausgestiegen ist, nur weil ihre Maximaltiefe um 110% überschritten wurde) will ausprobiert werden. Ein paar Pufferfische, ein paar Schwämme winken in der Strömung. Nett hier. Immerhin gelingt mir beim Schnorcheln das optimale Foto eines karibischen Strandes: Türkisblaues Wasser, weißer Sand, Palmen am Strand. Man sieht zwar ein paar andere Badende, aber nicht das volle Ausmaß der touristischen Auswüchse. Imbiss- und Souvenirbuden am Strand, Kajaks zur Vermietung, ständig fahren Motorboote umher um den ankommenden Yachten Fisch, Hummer, Bananenbrot, ein BBQ am Strand oder auch nur T-Shirts anzubieten. Zurück am Boot kaufen wir Sidney dann doch ein Bananenbrot ab – der Kollege sieht wie ein authentischer Rasta-man aus, dass aus seinem Ghettoblaser Bob Marley quäkt, unterstützt den Eindruck.

Doch wie sind wir hierhergekommen? Am Dienstagmorgen hat uns Frank noch in Tyrell Bay ausklariert. Mit vier Reisepässen in einer wasserdichten Tasche mit dem Dinghy an Land gefahren, und bei der Passkontrolle der Hafenbehörde uns alle aus dem unabhängig Staat abgemeldet. Frank flucht zwar, dass er unglaubliche Mengen an Dokumenten jedes Mal von Hand ausfüllen muss, aber immerhin bleibt uns das Schicksal der Engländer erspart, die wir am Vortag beim Abendessen getroffen hatten – die hatten ihre Ausreise im Internet vordeklariert, scheitern aber am Morgen daran, dass die Beamten kein Papier für ihren Drucker haben, während deren Skipper versucht in dem Ort Papier aufzutreiben setzen wir die Segeln mit Ziel auf den nächsten unabhängigen Staat unserer Reise – St. Vincent and the Grenadines. Die Einreisebehörde sitzt auf Union Island, und nehmen Frank als letzten Einreisenden des Tages an – der Crew hinter Frank wird beschieden, am nächsten Tag wiederzukommen. Wir haben sogar noch genug Zeit um uns eine Bucht auf Mayreau zu suchen – der nächsten kleinen Insel, und der ideale Absprungspunkt für die Cays am nächsten Morgen. Als wir mit Ankern fertig sind – der windige Ring hält noch – kommt ein junger Segelprofi von einem fetten Catamaran zu unserem Schiff gebraust und informiert uns, dass unsere untere Steuerbordsaling ziemlich verbogen ist, und im völlig falschen Winkel steht (eine Tatsache, die man nur mit genügend Abstand zum Schiff überhaupt erkennt), und dass wir bei genügend Belastung Gefahr laufen würden, unseren Mast zu verlieren. Der Grant der Crew auf das Schiff wächst weiter. Mit Rumpunsch besänftigen wir den Ärger, schaffen es aber dennoch am nächsten Morgen leidlich früh aufzustehen.
Die Tobago Cays sehen auf einer Seekarte wie ein weitläufiges Lagunensystem – mit einem großen Hufeisenförmigen Stück Land als Schutz gegen den Atlantik, doch die Seekarte täuscht. Tatsächlich sieht man von den Cays bei normalen Wasserständen nur vier kleine Inselchen – das gelbe Hufeisen ‚könnte‘ bei Spring-Niedrigwasser (also Ebbe bei Vollmond) mal kurz zwischen den Wellen zu sehen sein, bei dem vorherrschenden Wasserstand erkennt man das Riff nur durch die sich dort brechenden Wellen. So ergibt sich aus bestimmten Perspektiven auch ein unwirkliches Bild. Da ankern Segelyachten mitten im Meer, scheinbar ungeschützt vor den wilden Fluten des Atlantiks. Hinter den Booten tobt das Meer (die Brecher am Riff), und sie sind dem vorherrschenden Nordostwind eher ungeschützt ausgesetzt. Eine ruhige Nacht werden die wohl nicht haben. Olaf und ich sind auf die Jagd nach den hier zahlreich vorhandenen Meeresschildkröten gegangen. Aber auch in deren beliebtesten Revier erschnorchelt sich Olaf keine der Schildkröten. Ich schätze, es liegt am perfiden Humor der Schildkröten: ich habe einige gesehen; sie tauchen auf um Luft zu schnappen, beobachten einen dabei ganz genau, warten, bis man die Kamera in ihre Richtung hält, und tauchen dann schnell unter. Ähnlich werden sie wohl mit Schnorchlern verfahren.
Am Donnerstagmorgen müssen wir die Rückreise antreten. Unter Motor fahren wir noch ein wenig durch die Cays. Mit zwei GPS Kartenplotter, die sich nur unwesentlich widersprechen, ist das für uns Hobby Segler spannend – sorgfältig stecken wir unsere Route ab, links und rechts vom Schiff lauert das Verderben in der Form von versteckten Riffen (und wenn nicht das Verderben, so zumindest der Verlust der Kaution). Mehrmals denken wir in Respekt an die Entdecker vor einem halben Jahrtausend, die hier noch gänzlich ohne Seekarten unterwegs waren, immerhin haben die sich für so etwas ordentlich Zeit genommen – erst mal Ankern, und dann mit dem Beiboot einen Weg durch den Riff erkunden. Wir umrunden noch die kleine Insel Petit Tabac – Fans von ‚Pirates of the Carribean‘ könnte sie ein Begriff sein; hier wurde Capt. Jack Sparrow ausgesetzt – und machen uns wieder auf den Weg nach Union Island, um auszuklarieren. Dann geht’s weiter nach Carriacou, wo wir am nächsten Morgen die letzte Etappe starten wollen.

Das Kreuz mit der Mutter

Der erste Segeltag geht zu Ende. Wegen kleinerer Reparaturen sind wir etwas später losgekomnmen, darüber sind wir verärgert aber nicht überrascht. Immerhin hat sich Richard und sein einheimischer Kollege Dwight um unsere Probleme gekümmert, repariert was zu reparieren war. (Die Treppe vom Niedergang ist ausgebrochen, die erste Verletzung des Urlaubs verursachend, der sechste Fender hat gefehlt – nun stehen auf der Check-Out Liste nur noch fünf, das Inspektionsdatum der Rettungsinsel war abgelaufen – „Well boys, I’m afraid there’s nothing I can do about that now, but thanks for bringing it to my attention“, und am Ende haben wir noch einmal eine Stunde gewartet bis Dwight das Dampferlicht wieder am Mast festgenietet hat.) Der Wind an der Westküste Grenadas ist zwar etwas böig, macht uns aber Spaß. Aber, unser ursprünglicher Plan bis nach Sandy Isle vor Carriacou zu kommen war zu ambitioniert, es wird langsam dunkel, und wir suchen vor der Isle de Ronde Schutz für die Nacht. Wie so oft beim Ankern sitzt es nicht beim ersten Mal. Zu nah an einem fetten Katamaran, wo uns eine ältere deutsche Frau ihr Missfallen ausdrückt, dass wir so nah an ihrem Schiff ankern wollen. Auch wir wollen nicht so nah an der Pissnelke liegen, also nochmal. Nachdem wir etwa sieben Meter Ankwerkette ausgebracht haben, versagt die Ankerwinsch. Jedenfalls in ihrer wichtigsten Aufgabe; sie verwandelt weiterhin elektrischen Strom in hässliches Quietschen. Aber der Anker bewegt sich keine Millimeter. Frank tauscht mit mir Platz, aber auch ich kann nur feststellen: der Anker bewegt sich nicht. Krisenbesprechung, ob schon genug Anker liegt, um uns zu halten? Während wir uns beraten treibt das Schiff auf’s offene Meer – also nein. Wir rufen Richard an, er hatte ja von seinen guten Kontakten gesprochen, „überall kann ich Euch zügig helfen lassen!“ OK, auf der Isle de Ronde nicht. Wir sollen den Anker behelfsmäßig von Hand ausbringen, und uns morgen in Tyrell Bay helfen lassen. Leider bewegt sich der Anker auch von Hand nicht. Wir erkennen die Ursache: wo früher eine Umlenkrolle war, ist jetzt nur noch ein Stift, da hakt die Kette natürlich – vielleicht, so überlegen wir langsam, hätten wir doch ein teureres Boot nehmen sollen. Wir frickeln weiter, irgendwann liegen wir sicher, der Muskelkater ist gebucht. Am nächsten Morgen bergen wir den Anker mit ein paar Tricks und Muskelkater für Torsten und Olaf, und machen uns auf den Weg nach Tyrell Bay. Richard avisiert uns telefonisdch, dass in der Mitte der Bucht, neben der Motoryacht Spirit, eine freie, rote Boje mit einem Stück Leine zu finden sei, da sollten wir uns festmachen und auf seinen Kumpel warten. Wir finden zwar die Spirit, und ein paar rote Bojen in der Nähe, aber alle liegen zu nah an anderen Schiffen. Wir suchen etwas weiter, erregen Aufmerksamkeit. Die spießigen kanadischen Eigner beschimpfen uns, dass wir hier ihre Ruhe stören, und so nah an ihren geleckten Schiffen manövrieren. Wir trollen uns etwas weiter aus der Bucht und warten auf den versprochenen Kumpel. Außer einer Nussschale mit einem Aussteiger und einem Hund rührt sich nix. Richard ruft an, wo wir denn blieben – offensichtlich gehört der Hund mit Aussteiger zum Empfangskomittee.
Paul klettert in den Ankerkasten, und stellt nach einiger Zeit fest, dass die Feder, die in die Nut der Ankerwelle gehört, fehlt. Ein paar Minuten später findet er sie in der Ankerlast, zusammen mit einder windigen Unterlegscheibe. Jetzt bewegt der Motor wieder die Ankerkette. Aber, so meint Paul, da würde noch eine Mutter hingehören, und die bleibt verschwunden, auch nachdem wir die gesamte Ankerkette auslaufen lassen. Paul telefoniert mit einem German friend, Jörg, der denkt eine passende Mutter zu haben. Paul und sein Hund verschwinden für eine halbe Stunde, aber auch Jörgs Mutter passt nicht. Vielleicht hält es ja auch so, meint Paul, oder er könne weiter nach der passenden Mutter im Dorf suchen? Mittlerweile ist es 14:00, wir beurteilen unsere Chancen heute noch sinnvoll an ein Ziel zu kommen als gering ein. Also geben wir Paul noch etwas Zeit und machen einen ungeplanten Tag Urlaub in Tyrell Bay. AlsVertrauensbeweis lässt Paul sein Werkzeug an Bord, dort liegt es auch noch als wir um 19:00 mit dem Beiboot in die Stadt aufbrechen, um etwas zu essen. Leider ist heute Rosenmontag, fast alle Kneipen der Stadt haben zu; so fallen alle unsere empfohlenen Kneipen aus. An Ende nehmen wir den ersten Wirt, der zusagt, für uns zu kochen. „Fish or chicken, beer or rum?“ Der Abend nimmt seinen Lauf, als wir auf’s Boot zurückkommen, ist Pauls Werkzeug weg, die Ankerkette verstaut und wir feiern die erfolgreiche Reparatur mit weiterem Rum-Punsch.
Am nächsten Morgen die Erkenntnis, dass zuviel Punsch nicht gut ist, und dass Paul offensichtlich beschlossen hat, dass es auch ohne Mutter halten wird. Also klettere ich in die Ankerlast, sehe sofort, dass es gar kein Gewinde für eine Mutter hat, sondern eine Nut für einen Sprengring (den aber auch niemand hat). Vielleicht hält es auch so – warum sind wir nur so deutsch?

Es geht wieder los

„Werden Sie jetzt nicht nervös“, meint die freundliche Dame am Check-In, „aber irgendetwas stimmt nicht mit Ihrem Weiterflug – ich kann Ihre Bordkarte nicht ausdrucken“. Frankfurt am Main soll ja um die Jahreszeit auch sehr schön sein. Irgendwie erinnert mich das an mein Check-In in Darwin, als das Reisebüro sich bei der Buchung meines Fluges mal um vier Monate vertan hat. Und so bin ich eine knappe Stunde nachdem ich die Haustür abgeschlossen habe, wieder in Urlaubsstimmung. Ich werde nicht nervös, ich hatte sowas schon öfters erlebt, es steht in meinem Blog.
Tja, da bin ich wieder. Das Blog schreiben ist mir abgegangen, wenn ich dem Feedback einiger glauben darf, einigen von Euch auch. Ich habe fuer diesen Urlaub darauf verzichtet, einen Laptop mitzunehmen, habe mir am Tag vor der Abreise eine Blauzahn-Tastatur gekauft, mit der ich jetzt mein altes Reise-iphone traktiere. Noch werden wir keine Freunde, die Ultrakompakte Tastatur und meine Wurstfinger. Ausserdem habe ich mir das Bedienungsanleitung lesen gespart, so gibt die deutsch beschriftete Tastatur amerikanische Zeichen von sich – man moege mir vertauschte z und y verzeihen, keine Umlaute, und eine etwas eigenwillige Interpunktion. Mal sehen, ich denke ich veroeffentliche eine aktuelle Version waehrend der Reise, und korrigiere es danach. Ich muss feststellen, den Blog schreibe ich ebenso fuer mich. Ich habe umlängst einer Kollegin ein paar Reisetipps zu Myanmar gegeben, einer davon war es, mit dem Zug nach Kyaitko zu fahren. Also kurz den Blog aufrufen, um den Link zu kopieren, und ich war beschäftigt. Zwar nicht nur damit, den Link zu kopieren sondern mit Lesen. Obwohl ich zur der Zeit hundemüde war, habe ich – in Erinnerung schwelgend – gelesen, bis ich wieder in Australien war. Dabei musste ich oft lachen, nicht nur wegen verquerer Formulierungen meinerseits, sondern weil die ganzen Erinnerungen damit wieder wach wurden. Wie auch immer, ich bin wieder auf Reisen, und ich schreib mal wieder. Diesmal ist’s nicht so lang, und auch etwas deutlicher geplant.
Schon seit langem wollte ich mal in der Karibik Segeln gehen, mehrere Anläufe wurden unternommen, immer scheiterte es an irgendwas. Auch diesmal sah es schlecht aus, hatte mich geistig schon auf die Alternative – zwei Wochen in Kuba – eingestellt, da kam noch einmal ein günstiges Angebot für ein Schiff, und genügend Zusagen. Also: Eine Woche Segeln von St. Georges auf Grenada. Nicht dass wir deshalb Kuba sein lassen, da fliegen wir nach dem Segeln hin. Zwischenzeitlich vereinbarten die USA und Kuba eine Annäherung, langsam gehen die ‚Reiche des Bösen‘ aus. Also schnell hin, bevor es an jeder Straßenecke einen McDonalds gibt. Der nächste Trip vielleicht: Um Nordkorea Segeln.
Wir, das sind auf der ersten Etappe der Reise Torsten und Olaf aus Gera, und Frank und ich aus München. Nach Kuba reise ich dann mit Frank weiter, die anderen beiden bleiben noch die Woche in Grenada. So gesehen auch etwas Neues – Blog schreiben trotz Gesellschaft.
In Frankfurt klappt es dann übrigens doch mit der Bordkarte – offensichtlich war meine Vornamensammlung in den beiden Systemen nicht identisch erfasst. Der Non-Stop Touribomber der Condor fliegt ca zehn Stunden nach Grenada, und vieles an Bord ist aufpreispflichtig – mutig verzichte ich darauf, acht € für das volle Medienprogramm zu zahlen – so vermeide ich Medien-FOMA (Fear of missing out – wenn man jeden Schmarrn mitmacht um nur nix zu verpassen), und kann etwas im Flieger dösen – der Flug ab München ging um 07:00, viel habe ich nicht geschlafen in der Nacht zuvor. Immerhin einen Film gab’s kostenlos: „The Notebook“, auf Deutsch „Wie ein einziger Tag“ – eine wunderbar romantische Schnulze, die mann sich unbedingt mit einer Frau ansehen sollte. Bei mir waren’s ungefähr hundert, obwohl ich nicht garantieren kann, dass die alle den gleichen angesehen haben. (Erst heute, wo ich nach dem deutschen Titel suchte, musste ich feststellen, dass der Film schon über 10 Jahre alt ist).
Um 14:20 Ortszeit landen wir auf dem drolligen Flughafen von Grenada. Die Hitze schockiert wie erwartet. Ich ziehe möglichst viele der Klamotten aus, in denen ich am Morgen noch am Ostbahnhof gefroren habe – es leben Wanderhosen mit abnehmbaren Beinen! Wir finden ein Taxi zur Marina, unser Schiff ist bestimmt bald fertig, und wir trinken erst einmal ein kühles „Carib“-Bier. Es kann losgehen.

Wer Karten mag

OK, ich geb’s zu – ich habe mir bei der Reise in 2013 und 2014 keine Mühe gemacht, ein Karte zu erstellen oder einzubetten. Wahrscheinlich war es vor vier Jahren auch VIEL KOMPLIZIERTER, und weit über meine geistigen Fähigkeiten hinausgehend (Plus, ich hab mit gegen ein Google-Konto gesträubt). Aber nun – hier ist sie…

Ich gebe zu, sie ist noch etwas grob, also nur gerade Linien zwischen den jeweiligen Stops.

Die Fazits

An dieser Stelle kommt natürlich das Fazit aller Fazits, es gibt so viel zu bewerten. So wie die letzten Artikel über den Iran entsteht übrigens auch dieser im Sommer 2016 – das ‚Veröffentlichungsdatum‘ lässt sich beliebig ändern und ich habe eines genommen welches zum Handlungszeitraum passt. Vielleicht habt Ihr’s Euch schon gedacht: aus einem bloßen Einbinden von Fragmente ist nichts geworden. Die wichtigsten Erinnerungen und Eindrücke sind präsent, mit meinen Fotos, Google Maps und Wikipedia lassen sich die Namen der vielen Moscheen rekonstruieren, und was ich vergessen habe, war wohl nicht so wichtig. Das Schreiben macht Spaß – immer noch oder wieder – und so habe ich wieder munter so geschrieben, als säße ich in einem iranischen Straßencafé und erinnere mich an gestern. Es würde mich interessieren, ob man es am Stil erkennt, was ein zwei Jahre altes Fragment ist, und was frisch geschrieben ist…

Doch nun zum Fazit: Iran.

Tatsächlich hätte ich den Blog wahrscheinlich nicht in aller Öffentlichkeit geschrieben, das Straßencafé ist also ein Trugbild. Der Iran ist sicherlich noch immer ein strenges Land, welches mit abweichenden Meinungen nicht unbedingt zimperlich umgehen würde. Also habe ich ein paar der verfänglicheren Sachen ausgelassen, die man mir erzählte, und nebenbei noch alle Namen geändert. Nach zwei Jahren wirkt es reichlich paranoid, denn ich habe mich im Iran wohl gefühlt, konnte mich frei bewegen, habe mit allen möglichen Leuten gesprochen und fühlte mich auch nicht beobachtet oder überwacht. Auch habe ich aus dem Iran nicht auf meinen Blog zugegriffen, und die ersten beiden Artikel – im Iran fertiggestellt – erst in Istanbul am Flughafen veröffentlich. Wahrscheinlich entspannt sich die Situation zusätzlich mit der Zeit, mittlerweile ist ja das Atomabkommen unter Dach und Fach, und die aktuelle Regierung wirkt etwas liberaler als die Herrscher zuvor.

Aber der Iran war faszinierend – ich empfehle jedem mit etwas Abenteuerlust dahin zu fahren. Die Kultur ist faszinierend, die Leute aufgeschlossen und freundlich, das Land überraschend modern, besonders wenn man überlegt, wie viele Jahre es schon politisch isoliert ist. Die Empfehlung gilt auch für Frauen – wenn frau sich mit dem Kopftuch in der Öffentlichkeit abfinden kann. Ein paar alleinreisende Frauen habe ich getroffen, die haben von keinen größeren Problemen berichtet. Eine etwas ältere Frau hat zwar von einem deutlichen Unterschied in dem ihr entgegengebrachten Respekt erzählt, abhängig davon ob sie mit oder ohne ihren Mann unterwegs war, aber das war das ’schlimmste‘.

Fazit: Die Länder der Reise

„Türkei, Myanmar, Laos, Cambodia, Vietnam, Thailand, Australien, Indonesien, Brunei, Malaysia, Singapur und Iran – wo hat’s Dir am besten gefallen?“ Wie oft habe ich diese Frage seitdem gestellt bekommen? Für die Aufzählung gehe ich im Geiste immer die Strecke durch, deshalb kommt als letztes der Iran, und spätestens dann gehen beim Gesprächspartner die Augenbrauen hoch. So relativiere ich meist: Der Iran war der interessanteste Teil der Reise; am exotischsten für mich, der ja schon einmal länger in Asien war, die meiste Spannung im Vorfeld, die meisten über den Haufen geworfenen Vorurteile. Aber dann kommt die eigentliche Anwort: Laos. Ich versuche seitdem auch zu ergründen, ob mein Urteil dadurch beeinflusst ist, dass sich in Laos das Abenteuergefühl erstmals eingestellt hat (alleine unterwegs nach der Gruppenreise, jetzt sechs Monate Neues vor mir), aber wie auch immer: nach Laos würde ich sofort wieder reisen. Das toll hergerichtete Luang Prabang mit dem Kontrast zwischen französischem Kolonialflair und laotischen Tempeln, das fast meditative Muong Ngoi, und auf Don Det mit lauter Bekifften abhängen – die perfekte Mischung aus Abenteuer und Urlaub. Super fand ich auch Vietnam und Bali, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich dort war. Tatsächlich habe ich mir mal eine Reise-Bucket-List erstellt, und da findet sich ein Trip von Hanoi nach Nordlaos auf dem Landweg. Will jemand mit?

Fazit: Die Reise

„Will jemand mit?“ – ich hab’s mir gespart, vor der Reise diese Frage zu stellen. Keiner meine Freunde konnte die glückliche Kombination aufweisen: Gerade keine Arbeit, erst beim üblichen Gehalt freigestellt, dann mit einer Abfindung ausgestattet, und keine Familie die wegen Schulferien oder Beruf des Partners nicht hätte mitkommen können – oder sich Sorgen gemacht hätte, weil ich nicht sofort wieder Arbeiten wollte. Ich war frei, so frei wie nie zuvor. Aber es war auch klar, dass ich diese Reise alleine antreten müsste – und ich war vorher eigentlich noch nie alleine im Urlaub. Ich hatte schon etwas Bammel, wie das wird. Ich war erstaunt, wie toll es war, alleine zu verreisen. Obwohl meine Eigenwahrnehmung mich immer noch als etwas schüchtern führt, kann ich das mittlerweile wohl ganz gut verbergen. So habe ich häufig am Gepäckband andere Reisende angesprochen, deren Gepäck einen ähnlichen Reisestil verraten hat, und das hat sich bewährt. Eine wichtige Erkenntnis auch: je billiger die Unterkunft, desto aufgeschlossener die Leute. In einem preiswerten Backpacker-Hostel kann man jeden ansprechen, im Hilton kassiert man eher den abschätzigen Blick eines Super-Wichtig-Geschäftsreisenden, der halt jetzt am Abend in Zivil unterwegs ist. Asien macht es einem auch besonders einfach – man erkennt sofort, wer nicht von hier ist, und man kann jede Unterhaltung mit einem „Hi, where are you from?“ einleiten. In Australien ist das schwieriger.

Leider tue ich mich weiterhin viel leichter, männliche Reisende anzusprechen, jedenfalls viel leichter als hübsche Frauen. Das ist schade. Von der Logik betrachtet, gibt es ja eigentlich keinen Grund, warum eine reisende hübsche Frau so andere Bedürfnisse haben sollte als ein reisender Mann. Die freut sich doch auch, wenn man dem Minibusfahrer gegenüber eine bessere Verhandlungsposition erreichen kann. Aber das Mammut des sozialen Überlebens, welches sich um gruppenkonformes Verhalten kümmert (damit man nicht von seinem Stamm ausgeschlossen wird) hält mich zurück. Es erkennt dass die Tatsache des Ansprechens auch falsch verstanden werden könnte, Chris könnte sich auch eine Abfuhr abholen. Das Mammut weiss, dass das nicht gut ist für das soziale Standing. Gut, vielleicht wäre es ja auch nicht so falsch verstanden, warum sollte ich es sonst schade finden. So eine Zweckgemeinschaft könnte sich auch zu mehr entwickeln. Wahrscheinlich sollte ich mich damit trösten, dass – hätte ich mehr Erfolg bei Frauen – ich vielleicht nicht mehr Single gewesen wäre, und aus der ganzen Reise nichts geworden wäre. Trotzdem – Hallo Mammut! Mein Stamm kann mich hier in Asien nicht sehen, die Abfuhr wäre total anonym und unbemerkt von der Welt gewesen, und außerdem würden wahrscheinlich die meisten meiner Stammesgenossen mich dazu ermuntern, endlich Eine zu finden. Scheissviech! (Wer sich wundert, wo das Mammut auf einmal herkommt, der folge dem Link)

Natürlich hat’s auch Nachteile, alleine zu verreisen. Zu zweit zu sein ist praktisch. Es fängt bei so kleinen Sachen der persönlichen Paranoia an – ich werde mein Gepäck nicht alleine lassen, nicht nur am Flughafen, wo man es nicht darf und die schmutzige Wäsche dann vielleicht aus Bombenverdacht gesprengt wird, sondern auch in einer vietnamesichen Kleinstadt am Bahnhof nicht. Also mit Rolltasche durch den Convenience-Laden, bloß um sich ein Wasser zu kaufen. Da freut man sich, wenn eine Reise-Abschnitts-Partner aufpassen kann, während man selber behände wie ein junges Reh nach dem richtigen Ticketschalter und einem Snickers sucht. Es geht bei den Kosten weiter, Doppelzimmer sind pro Person preiswerter als Einzelzimmer, Taxis kosten meinst das gleiche wenn man sie zu zweit nutzt, und man kann mit guten Freunden im Restaurant weit mehr Speisen probieren als alleine. Außerdem – wer mich kennt, kann sich vorstellen, dass ich auch auf der Reise nicht zum Frühaufsteher mutiert bin. Ein Check-Out Time von 10:00 morgens hilft mir schon dabei, um 9:58 wieder unterwegs zu sein, aber jemandem zu versprechen, morgen um 08:00 am Frühstückstisch zu erscheinen ist eine positive Motivation. Gegen das Ausschlafen gibt es übrigens ein Hilfsmittel: Ausflüge buchen. Wenn der gebuchte Minibus morgen um 7:30 vor dem Hotel stehen wird, stelle ich mir durchaus den Wecker auf 7:05, und beachte ihn.

Aber der wichtigste Unterschied beim alleine Reisen ist natürlich das Thema Ansprache oder das Teilen von Erlebnissen. Ein Teil lässt sich natürlich mit den flüchtigen Reisebekanntschaften wett machen. Die haben das Gleiche gesehen, interpretieren es teilweise vor ihrem persönlichen Hintergrund anders, und haben meist ganz Neues zu erzählen (für mich). Auch umgekehrt – denen kann ich alte Kamellen aus meinem Leben erzählen, die hören noch aufmerksam zu, weil sie nicht wissen, was sie erwartet. Man kann das Erzählen seiner Lebensgeschichte üben: immer wieder erzählt, merkt man welche Elemente gut ankommen und welche nicht so interessant sind. Nicht dass ich lügen würde, aber der Spin ist mittlerweile besser eingeschliffen – ich wurde nachträglich viel interessanter. Dennoch – mit Freunden zu verreisen, die Vertrautheit – das ist schon klasse. So viele Kalauer oder amüsante Beobachtungen die ich niemandem erzählen konnte… Aber auch dafür gab es die Lösung: Blog schreiben.

Fazit: Der Blog

Es wurde schon fast zum Ritual: Reiseführer und Laptop schnappen, und ab ins Restaurant. Intensiv die Karte studiert, Bier und Essen bestellt, Laptop aufgeklappt und weitergetippt. Das Bier kommt – das trinkt sich nebenbei; das Essen kommt, lecker – ob ich hier mal einen Kochkurs machen sollte? Die Teller werden abgeräumt, ein zweites Bier wird gebracht, und wieder sind zwei Absätze fertig. Und die sind nicht nur für den Laptop – die sind meine Unterhaltung mit Euch allen. So gesehen war ich nie alleine beim Essen – es saßen fast immer ungefähr 30 Leute am Tisch.

Ich hatte nicht gedacht, dass der Blog so lang wird. Die ersten Artikel – im Herbst 2013 – waren ja noch reichlich hölzern und kurz. Der Blog sollte eine pragmatische Alternative zu e-mails sein. Ich hätte eines an meine Eltern geschrieben, was interessiert die? Chris ist gesund und macht kein Schmarrn; war gestern an dem Tempel (ist ja kulturell interessiert der Bua, und kein völliger Banause geworden). Dann vielleicht einem Kumpel: Der Tempel war ganz cool, und ich bin erstaunt, wie selbstverständlich für dieses Entwicklungsland Internet auf dem Smartphone. Hmm, das könnte ich auch meinem Vater schreiben. Natürlich ist man nicht doof, einige Absätze hätte ich wieder verwendet. Und wieder. Und wieder. Immer mal wieder ein paar persönliche Bezüge eingeflochten, wo es halt passt. Bis sich ein Kumpel wundert, warum ich von dem romantischen Strand schwärme, wo wir damals… oops, das war doch nicht für Dich bestimmt. Der Blog sollte praktisch sein, ich bin kein Schriftsteller. Ganz so sicher bin ich mir da heute nicht mehr; ich bezweifele zwar dass ich mein Geld als solcher verdienen könnte, aber schon öfters haben mich Leute, die mich sowieso bezahlen, gebeten mal dieses oder jenes zu formulieren und zu schreiben.

Wie auch immer, Euer Feedback hat viel geholfen. Danke den eifrigen Kommentatoren. Aber danke auch den stillen Lesern, die nach Monaten mal kurz was geschrieben haben und dabei offenbarten, dass sie schon seit Wochen täglich morgens in der Arbeit als erstes geguckt haben, ob ein neuer Beitrag veröffentlich wurde. Und dann gibt es natürlich noch einen etwas speziellen Leser: ICH. Ich habe nie ein Tagebuch geschrieben, kam mir immer doof vor. Auch der Blog sollte keines sein. Doch schon oft nach der Reise ist mir folgendes passiert: ich unterhalte mich mit jemandem in der Arbeit, sie will demnächst nach Myanmar. Man redet ein wenig darüber, verspricht ihr einen Link zu schicken, den speziell zu Mandalay. Abends hocke ich mich an an die Kiste, tippe: www.torfprogramm.de. Menüpunkt: „Archiv November 2013“, da war Mandalay. Als Artikel erscheint der „Der alte Segler am Inle See“. Nee, Mandalay war davor. Vorheriger Artikel: Bagan. Vorheriger Artikel: Fotos. Vorheriger Artikel: „http://torfprogramm.de/the-road-to-mandalay/“ – genau den Link verschicke ich. Und lese den Artikel zuende. Und den nächsten. Bis es wieder ein Uhr morgens ist. Auf die Art habe ich den Blog bestimmt schon fünfmal komplett gelesen. Dabei gegrinst, gelacht, an Leute gedacht von denen man nie wieder hören wird, und festgestellt, wie toll die Reise war. Keine effektive Art um Fernweh und Reisefieber zu bekämpfen, aber ganz ehrlich: Das will ich auch gar nicht.

Ab nach Hause

Mein Hotel in Shiraz ist wieder von der historischen Variante, das Niayesh Boutique Hotel. Auch hier ein zentraler Innenhof mit Gastronomie, umgeben von diversen Zimmern. Offensichtlich hatten die reichen Händler, die diese Häuser gebaut haben, selten Backpacker als Gäste – die Navigation durch die engen Treppenhäuser ist mit Gepäck eher schwierig. Wer sich an den Blog mit der Toman-Falle erinnert, weiß seit über zwei Jahren, dass mich in diesem Hotel ein in Teheran gekaufter Teppich erwarten sollte – wahrscheinlich seid Ihr seit zwei Jahren gespannt, ob das geklappt hat (Spoiler: wer seitdem bei mir war, hat ihn schon im Wohnzimmer gesehen, irgendwie muss es also geklappt haben). Aber langsam, es soll ja spannend bleiben. Gespannt wie ein Flitzebogen frage ich bei meiner Ankunft an der Rezeption, ob etwas für mich geliefert wurde. Die Suche im Büro hinter der Rezeption dauert etwas zu lange – ein Teppich als Paket versteckt sich nun mal nicht unter anderen Papieren auf dem Schreibtisch. Eine längere Telefoniererei mit Amon bringt irgendwann die Lösung: der Spediteur traute dem Hotel nicht, wollte den Teppich nicht längere Zeit da rumliegen lassen, und hat deshalb gewartet, bis ich da sei. Tatsächlich wird der Teppich noch am gleichen Abend geliefert.

Jetzt ist mein letzter Tag, in Iran, auf Reisen. Wie verbringt man den angemessen? Wie jeden, hätte ich gedacht. Es gibt doch diesen Spruch: „Lebe jeden Tag als wäre es Dein letzter“ – würde ich heute was Besonderes machen, hätte ich ja die ganze Reise davor was falsch gemacht. Für heute ist kein Fremdenführer gebucht, also schlafe ich entspannt aus, und bummele dann ein wenig durch die Stadt. Der Vorteil am länger ausschlafen ist ja allgemein, dass die Zeit bis zum Mittagessen nicht zu lang wird. Von einem anderen Traveller in Yazd habe ich mir die Seiten über Shiraz aus deren Lonely Planet abfotografiert, da es sich nicht bewährt hat, auf gut Glück ein leckeres Restaurant zu suchen. Das Ferdowsi Café wird als sehr nett beschrieben, in angenehmer Entfernung in einer nicht so touristischen Ecke. Im Reiseführer steht etwas von modern, etwas alternativ, freundlich. Tatsächlich werde ich schon beim Reinkommen namentlich begrüßt. Die drei Polen aus Yazd reisen offensichtlich auch mit Lonely Planet, und winken mich zu Ihrem Tisch. Danach noch ein wenig über den Basar, ich schnuppere in eine Moschee aus dem Reiseführer und treffe dann einen freundlichen Iraner der mir noch eine andere Moschee empfiehlt; er zeigt sie mir gerne, da er sich freut mit Fremden in Kontakt zu kommen. Meine Kamera muss ich am Eingang abgeben, aber aus zivilem Ungehorsam fotografiere ich drinnen mit dem iPhone weiter – wie die ebenfalls ungehorsamen iranischen Touristen. Offensichtlich hat für Ali ben Spiegel für diese Moschee einiges gespendet – im Innenraum ein konzentrierter schiitischer Schrein mit viel Glas, poliertem Metall und eben Spiegel. Mein spontaner Begleiter hat zwar offensichtlich nicht Geschichte studiert, aber er erzählt einiges aus dem täglichen Leben. Irgendwann muss er ‚zur Schule‘ – ich bin mir nicht ganz sicher was er dort tut, aber scheinbar weder Lehrer noch Schüler. Bei der Verabschiedung bittet er noch um Trinkgeld, und hat auch recht genaue Vorstellungen, was er denn angemessen findet. Oh well.

Dann zurück in den Innenhof des Hotels, welches angenehm ruhig ist nach der staubigen, quirligen Stadt. Dort schreibe ich ein paar Zeilen Blog (nicht diese hier), genieße mehr Doogh und Granatapfelsaft, futter noch etwas Kebab, packe meine Tasche ein letztes Mal und versuche etwas zu dösen. Ich bin durchaus etwas aufgeregt – die Reise war toll, aber jetzt will ich heim. Vielleicht ist auch Doogh und Grantapfelsaft keine ideale Mischung im Magen – es grummelt. Mein Flieger geht um 03:45, und ich bestelle ein Taxi um 01:00 zum Hotel. Natürlich war das deutlich überpuffert – Zeit genug ein anderes Taxi zu finden falls es mit dem ersten nicht klappt, Puffer wegen Stau (klar, um 01:00 morgens), Entfernung zum Flughafen (bestimmt acht km, vielleicht sogar sieben), und so stehe ich kurz nach eins vor dem Shahid Dastgheyb International Airport. Vor dem International Terminal ist ein kleiner Park indem ich rastlos umherlaufe; ich versuche erfolglos, mich mit einer iranischen Katze anzufreunden; ich probiere es mit am Brunnen sitzen.

Ich sorge mich ein wenig um mein Gepäck, und wie streng Turkish Airlines es mit Übergewicht (das vom Gepäck, nicht meines) nimmt. Nachdem ich den größten Teil des Urlaubs recht diszipliniert war, ab und an sogar etwas weggeworfen hab oder per Paket nach Hause geschickt, und meine Tasche bei freundlichen 15-17kg gehalten habe, ist die Disziplin in den letzten Tagen etwas gewichen. Ein Metallteller aus Isfahan, 2 kg Tee (aus der Geschenktüte des Großhändlers), zwei Teppiche (der Gabbeh aus Teheran und ein Kelim aus Isfahan, zusammen ca. 11kg), eine in Singapur gekaufte lange Hose für den Iran – es läppert sich. Zwar erlaubt Turkish Air 30kg (steht jedenfalls so in der Buchungsbestätigung), aber vielleicht sind sie dann ja richtig streng. Außerdem habe ich keine Waage, so packe ich alles was geht in meinen Tagesrucksack. Natürlich habe ich mich umsonst gesorgt; am Check-In-Schalter ist die Waage defekt.

Mittlerweile ist ein Bus vorgefahren, die Reisegruppe entpuppt sich als Studiosus, „Iran – Impressionen“. Ich trolle mich ins Gebäude, werde durch gestrenge Blicke von Ayatollah Chomeini im Terminal begrüßt und aus dem Iran verabschiedet. Die Passkontrolle ist freundlich und unproblematisch, aber danach hält mich ein uniformierter Beamter auf. Er stellt mir alle möglichen Fragen zu meinem Aufenthalt, ich wittere einen Politoffizier der mich über Kontakte mit Landsleuten aushorchen will. Ich passe sorgfältig auf, niemanden mit einer unbedachten Aussage zu denunzieren, und lobe das Land wo ich kann. Das freut ihn aufrichtig, er verabschiedet sich mit einem breiten Lächeln. Rückblickend war ihm wahrscheinlich einfach langweilig und er wollte plaudern, oder er hatte einen Auftrag vom Tourismus-Ministerium und sollte Feedback einholen. Die Minuten bis zum Abflug ziehen sich hin, und der Flughafen ist jetzt auch nicht wirklich aufregend. Endlich geht es weiter, der Bus steht am Gate und fährt uns zu einem Airbus der Turkish Air. Kurz nachdem die meisten Frauen an Bord des Flugzeugs sind, ist das Kopftuch verschwunden – gerade bei den Iranerinnen.

Das Flugzeug fliegt furchtbar langsam in Richtung Istanbul, auch die fünfeinhalb Stunden Aufenthalt in Istanbuls Atatürk Flughafen sind zäh, und dann noch ein ewig langer zweistündiger Flug nach München. Das Gepäckband ärgert mich und behält meine Tasche absichtlich lange, und dann muss ich auch noch den preiswerteren meiner beiden Teppiche verzollen. Überraschenderweise warten meine Eltern am Ausgang. Den Rest des Tages habe ich schon deutsch-diszipliniert durchgetaktet – das verliehene Auto hat Gerri meinen Eltern gebracht, und um 17:00 bekomme ich meine Wohnung von meinen Indern zurück.

Da bin ich wieder.

Es reicht.

Der Eintritt zu Saadis Mausoleum beträgt 150.000 Rial, wie die meisten Sehenswürdigkeiten in Shiraz. Das sind nur drei Euro, an sich nicht tragisch, aber irgendwie ärgert es mich. Es gibt einen Garten, wie er hier um jedes Monument steht, dann ein hohes Gebäude, dem Vierzig-Säulen-Palast in Isfahan nachempfunden, mit dem Sarg drinnen (ein großer Marmorblock jedenfalls, da könnte alles mögliche drunter sein). Persische Schrift schmückt die Wände, und Mehdies erzählt etwas über das Leben des großen persischen Poeten. Was genau, weiß ich nicht mehr, und so überragend ist das Mausoleum auch nicht. Ich bin irgendwie angegrantelt, und rechne im Kopf nach, ob ich noch genügend Rial habe. Basierend auf meinem Ausgabeverhalten der letzten Tage dachte ich die letzten zwei Tage mit dreißig umgetauschten Euros gut auszukommen, aber irgendwie läppert es sich. Zehn Sehenswürdigkeiten, und das Geld ist weg, und ich musste ja auch noch das Mittagessen für die Fremdenführerin und den Fahrer zahlen, und die haben sich ganz selbstverständlich die guten Kebabs gegönnt; es zahlt ja alles dieser seltsame Typ aus Deutschland. Mehdies nervt mich mit ihrer leicht gewöhnungsbedürftigen Interpretation der englischen Sprache gerade, und ich erkenne, dass man es mir wohl nicht mehr wirklich recht machen kann. Also schauen wir noch das Quran-Tor an, und dann lass ich mich ins Hotel fahren. In 35 Stunden startet mein Heimflug, und es wird auch langsam Zeit.
Die letzten beiden Tagen waren etwas nervig, aber vielleicht bin ich auch einfach nicht mehr geduldig genug. Mein offizielles Programm sieht für Montag die Fahrt nach, die Besichtigung von, und die Übernachtung in Pasargard vor, Unesco Weltkulturerbe. Einer Empfehlung von Omids Vater folgend möchte ich zwischen Yazd und Pasargard noch Taft, Abu Kuh# und Abaneh angucken, die würden auf dem Weg liegen, so habe ich mich gestern dazu entschlossen, gute fünfzig Euro für ein Privatauto hinzublättern, statt geschätzter drei Euro für einen Bus. Den Deal mit dem Auto habe ich mit Reza ausgemacht, er nimmt auch Euro, und holt mich morgens um sieben ab. Um sieben ist er zwar da, aber hat noch andere Kunden gefunden, er vertröstet mich auf einen anderen Fahrer, der bestimmt gleich da ist. Also sitze ich eine halbe Stunde in der Hotellobby rum, wer mich und mein Unwillen zu frühem Aufstehen kennt, kann sich meine Begeisterung vorstellen. Ali der Fahrer ist an sich nett, ihm wurde aber nur die Fahrt nach Pasargard angeschafft, nicht aber der kleine Umweg nach Abaneh – der würde extra kosten. Sein Englisch reicht im Gegensatz zu Rezas nicht für Verhandlungen aus, und so vertagen wir das Thema. Per Telefon nehme ich mit Mehdies Kontakt auf, damit das Treffen in Pasargard reibungslos klappt. Auch sie findet die Idee mit Abaneh bescheuert, und da mir nur empfohlen wurde dorthin zu fahren, aber nicht warum, beerdige ich die Idee. Nebenbei, so denke ich mir, entfällt so eine Nachverhandlung des Preises. Während wir an der Abzweigung nach Pasargard warten, zähle ich 55 Euros ab (2.500.000 IR / 45.000 = 55.55€). Ali rechnet nach, setzt einen anderen Kurs an, und will weitere fünf Euro. Innerlich platzt mir der Kragen, und wir warten auf Mehdies Übersetzungskünste. Es ist zwar sicher nicht Alis Schuld, aber eine halbe Stunde später als vereinbart losgefahren, Route um einen Stopp gekürzt, und jetzt noch eine leidige Diskussion um Wechselkurse – ich sehe es nicht ein.
Dann unterhalte ich mich mit Mehdies über das Programm der nächsten beiden Tage – Pasargard, Persepolis und Shiraz. Sie schlägt vor, jetzt die 100km nach Shiraz zu fahren (Dienstag wäre Feiertag, und alles zu), abends wieder zurück nach Pasargard, Dienstag dann Pasargard und Persepolis. Total bescheuert. Ich dachte, heute wäre Pasargard angesagt, und dann morgen weiter auf der Strecke über Persepolis nach Shiraz. Sie zögert ein wenig, und lenkt dann ein. Als ich die ehemalige Metropole Pasargard, Unesco Weltkulturerbe, dann sehe, begreife ich das Problem. Hier gibt es das Grab von Cyrus dem Großen (Einfamilienhaus-groß, zehn Minuten, fünf Fotos), die Reste eines Palastes (fünf Säulen, zehn Minuten, zehn Fotos weil man ein wenig mit anderen Perspektiven bei den Säulen spielt) und ein Hügel mit den Grundmauern eines anderen Palastes (zwanzig Minuten, mit wohlwollend langsamen Erklimmen). Danach muss man Hobbyarchäologe sein, um hier glücklich zu werden, alles andere wurde vor 1400 Jahren von den bösen Arabern zerstört. Nur durch eine List der Perser wurde das Grab verschont – man erzählte den Arabern dass es das Grab von Solomons Mutter wäre, und das wollte sie nicht schänden. Noch fünf Stunden Tageslicht, und nix mehr zu sehen – ich rufe die Reiseagentur an, die ändert zügig meine Hotelreservierung von Pasargard auf Persepolis, und das Problem ist gelöst.

Auf dem Weg nach Persepolis halten wir noch an den Felsengräber einiger Könige in Naqsch-e Rostam mit dem ‚Würfel des Zarathustra‘ dessen Zweck allerdings nicht wirklich bekannt ist; und dann geht’s in das kurzfristig  arrangierte Hotel, welches sich als etwas verlassene Feriensiedlung an einer Allee nach Persepolis entpuppt. Aber mei, der Bungalow ist sauber, und ich treffe einen Schweizer, der hier mit dem Motorrad unterwegs ist, mit dem schwätze ich ein wenig, aber er ist recht müde, und so mache ich einen ruhigen Abend in dem eher reizarmen Umfeld. Immerhin, kein FOMA. Der Begriff stammt von Caroline, und ist eine wichtige Triebfeder beim Reisen – fear of missing out. Wegen FOMA zieht man abends mit anderen Travellers durch Restaurants und Bars, obwohl man eigentlich mal wieder seine Ruhe haben will. Es schiebt einen auch noch in den nächsten Tempel, obwohl man schon ein wenig ‚templed out‘ ist. Häufig ist ja zu erwarten, dass man hier nie wieder hinkommen wird, und will ja nix verpassen.

Persepolis war eine Hauptstadt des antiken Perserreiches, was recht schlüssig erscheint; der Name stammt aus dem Griechischen und bedeutet eben ‚Stadt der Perser‘. Deutlich vor Christus erbaut, wurde sie weniger deutlich vor Christus von Alexander dem Großen zerstört, der damit der zukünftigen Tourismusindustrie einen Bärendienst erwies – nicht auszumalen wie toll das hier wäre, wenn noch alles intakt wäre. So sieht man reihenweise Fundamente, ein paar Säulen und viele Reliefs. Interessant ist auch die Rolle von Persepolis in der Zeit vor der iranischen Revolution – 1971 feierte der Schah (=König) das 2500-jährige Bestehen der Monarchie in Persien. Er hoffte so ein wenig seine eigene Herrschaft zu legitimieren, durchaus ein valides Anliegen für einen König, dessen Vater aus einfachsten Verhältnissen stammte. Er ließ vor den Ruinen eine luxuriöse Zeltstadt in einer Parklandschaft für die geladenen Staatsgäste errichten; auch diese Zeltstadt ist nur noch in Ruinen erhalten – in dem Park stehen dafür nun einige Pavillons, die Souvenirs an Touristen verkaufen. Wir verbringen einen langen Vormittag in Persepolis, und dann geht’s weiter nach in die Provinzhauptstadt Shiraz.

Shiraz kannte ich bislang hauptsächlich in Flaschen, und ich fand Shiraz immer gut. Offensichtlich hat die Stadt aber nicht wirklich viel mit der Rebsorte zu tun, schade eigentlich. Berühmt ist die Stadt wegen ihrer Gartenkultur, so zählt der Bāgh-e Eram Garten mit eingebautem Palast zu den großen Sehenswürdigkeiten. Auch die Zitadelle des Karim Khan in der Stadtmitte, und natürlich die Mausoleen der berühmten persischen Dichter, für je 150.000 Rial zu besichtigen.