The Mystery Woman – Codename: Nikita

In Lagos machen wir einen Crew-Wechsel. Doro hat uns für den Komfort eines schnöden Hotels verlassen, dafür kommen Udo und ‚Mystery Woman‘.

Udos Geschichte ist traurig und schnell erzählt: Ich hatte vorgehabt, ihn am späten Nachmittag noch aus Faro abzuholen – so hätte er mit uns Abendessen können. Während ich am Strand in der Sonne lag, und mich geistig auf den Abend vorbereitete, rief Udo an. Er wurde am Gate in Memmingen von Ryanair zurückgewiesen. Offensichtlich verlangt Portugal für die Einreise einen sogenannten „RT-PCR Test“. Udo hat aber nur einen normalen. Die Kollegin am Gate ließ nicht mit sich verhandeln, und er und mehrere andere Fluggäste wurden abgewiesen. Im Laufe der nächsten Tage machen wir uns schlau. Das RT steht für ‚Real time‘ und würde ein Quantifizierung der Virenlast erlauben, wenn man wollte (Hat mir ein befreundeter Arzt erklärt). Aber die Informationen im Internet sind nicht ganz eindeutig. Man findet „RT-PCR Test“, aber nirgends einen klaren Hinweis was denn ein ‚Nicht RT‘ PCR Test wäre. Auf anderen Seiten werden die Begriffe eher austauschbar verwendet. Es dämmert uns: fast alle in Deutschland durchgeführten PCR-Tests werden nach dem RT Verfahren durchgeführt, aber es steht halt nicht überall drauf. Jedenfalls nicht auf Udos negativem Befund. Das wird jetzt ein interessanter Streit: ist Ryanair schuld, weil sie das nicht wussten, und haben ihn zu Unrecht abgelehnt? Oder hätte sich Udo die (später erhaltene) Bescheinigung des Labors, dass ihr PCR Test selbstverständlich ein RT-PCR Test sei, halt früher organisieren müssen? Die Meinung an Bord: Ryanair war überbucht, und hat das als Ausrede genommen, die überzähligen Gäste loszuwerden. Mal sehen, wie das mit Udos Beschwerde läuft.

Aber nun zu ‚Mystery Woman‘. Niemand darf wissen, dass sie an Bord ist, nicht einmal, dass sie in Portugal ist. Kriminelle Aktivitäten? Flucht vor dem KGB? Eine Attentäterin? Ein geheimer Auftrag? Wir ergreifen Vorsichtsmaßnahmen. Als erstes bekommt sie einen Codenamen: „Nikita“, nach dem Film von Luc Besson. Nicht sehr kreativ, aber immerhin hält es die Spannung aufrecht. Wenn an Deck ein Foto gemacht wird, muss Nikita unter Deck – nicht, dass sie sich in dem blitzenden Chrom unserer Winschen spiegelt, wissen wir doch alle, dass Geheimdienste aus den 10 Pixeln, die das auf einem Foto ausmacht, mit mehreren Durchläufen ein genaues Bild erstellen können. Jedenfalls fliegt Nikita nach Lissabon, provoziert einen Streik der Bahnarbeiter um dann unauffällig mit anderen Leuten mit dem Taxi nach Lagos zu fahren – eine Meisterin der Verwirrung und Vertuschung. Dennoch vereinbaren wir ein geheimen Treffpunkt (Im Lazy Jack’s an der Marina), und wir nehmen sie im Schutze der Dunkelheit an Bord. Am nächsten Vormittag laufen wir aus – Ziel Lisboa.

Die Fahrt nach Norden an der portugiesischen Küste ist nicht besonders einladend. An der Küste gibt es einen relativ konstanten Wind aus Nord. Da das Ganze dann offener Atlantik ist, kann sich auch eine beständige Welle aufbauen. Aus Nord. Und dann gibt’s noch etwas Strömung. Wer errät’s? Aus Nord. Wir sehen das natürlich nur als Herausforderung, konsultieren Windfinder, und erschrecken irgendwann vor der eigenen Courage als wir aus der Abdeckung von Cabo Sao Vicente kommen. Es pfeift ordentlich, und die Wellen schütteln uns durch. Plan B. Am darauffolgenden Tag soll der Wind etwas nachlassen, also fahren wir in zurück in die uns bekannte Ankerbucht am Cabo Sagres. Die ganze Nacht pfeift es, aber unser Anker und der Ankergrund sind gut. Wir liegen sicher.

Am nächsten Morgen ist der Wind laut Windfinder weniger. Gefühlt nicht, aber was wollen wir tun? An der Algarve zu bleiben ist keine langfristige Option. Also Segel mit ordentlich Reff gesetzt, und los geht’s. Bei der Abfahrt verrät unser Navi: 57 Seemeilen bis Sines, der erste sichere Hafen auf der Strecke. Wir beginnen das mühsame Kreuzen nach Norden (also im Zick-Zack gegen den Wind, so dass er immer schräg von vorne kommt). Etwas weiter draußen sollte der Wind für uns etwas günstiger sein, aber die Wellen werden auch größer. Insgesamt fahren wir recht lange Schläge.

Es ist gut, dass Nikita ihren geheimen Auftrag offensichtlich nicht auf der Seestern ausführen muss. Obwohl sie schon öfters segeln war, hat ihr Gleichgewichtssinn wohl nicht mit atlantischen Wellen gerechnet. Sie hat – glaube ich – keine große Freude an der Fahrt. Frank und ich teilen uns also zu zweit die Wachen auf, Nikita liegt als Häufchen Elend erst auf dem Sofa, dann auf der Cockpit-Bank an der frischen Luft, und zuletzt auf dem Fußboden in dem Gang zu ihrer Kabine. Das ist jetzt keine Schikane unsererseits, um Gequälte noch mehr zu quälen – der Fußboden ist recht nah am Schwerpunkt des Schiffes, deshalb sind dort die Rollbewegungen weniger zu spüren als würde man zB an der Mastspitze sein. So geht es den Tag durch, und den längsten Teil der Nacht. In der Nacht nimmt der Wind deutlich ab, aber den Wellen macht es Spaß – sie schaukeln fröhlich weiter. Kurz nach Beginn meiner Wache hat der Wind so weit abgenommen, dass wir praktisch keine Fahrt mehr auf das Ziel zu machen können. Resigniert rolle ich das Vorsegel weg, starte den Motor, und lasse den Autopilot die Seestern weiter nach Sines lenken. In ungefähr zwanzig Stunden haben wir 39 Seemeilen in Richtung auf unser Ziel zurückgelegt. Also ein Schnitt von ca. 3,6km/h. Beeindruckend, oder?

Während der Fahrt sehen wir kaum andere Schiffe. Die Berufsschiffahrt hat keinen Grund, so nah an der Küste zu fahren, und zum Spaß sind nicht allzu viele unterwegs. Am Ende immerhin noch ein Schiffskontakt: Während ich parallel zur Küste auf den Hafen zufahre, sehe ich auf dem AIS ein Kontakt von See kommend. Ich spiele mit dem Gerät: es ist die „Hoegh Gallant“, ein 241m langer Tanker, die mit 10,5 Knoten ankommt, und unserem Schiff gefährlich nahekommen würde, wenn beide Kurs und Geschwindigkeit beibehalten. Ich bin hin und her gerissen: a) als Motorschiffe untereinander müsste er mir ausweichen b) ist es sinnvoll, bei 110.000 Tonnen gegen 13 auf diese Regel zu bestehen? c) er fährt auf die Nahe Küste zu – wahrscheinlich wird er bald bremsen oder den Kurs ändern d) Will ich mich darauf verlassen? Ich ändere den Kurs, so dass ich klar hinter ihm vorbeifahren würde, und beobachte weiter. Wie geahnt, er wird langsamer; ich fahre dennoch hinter ihm vorbei, und dann dreht er auch in Richtung Hafen, also parallel zu mir, dann sogar wieder in Richtung auf meinen Kurs. Fahre ich jetzt einen Kurs, der mich zwischen ihn und eine Kaimauer bringt? Ohgottohgottohgott. Ich greife zur Funke und rufe ihn an. Mein Gefühl beim Funken ist immer etwas zwiegespalten. Wenn man auf Kanal 16 etwas von sich gibt, das hören alle. Die Küstenfunkstellen, die Rettungswachen, jedes Schiff mit ordentlich besetztem Steuerstand, also auch die ganzen anderen Segler, die man dann im Hafen sieht. Viele von denen haben da Routine, ein gutes Gespür dafür, was auf den Kanal gehört, wie man sich ausdrückt (Gut, es gibt auch andere, die spielen Musik oder unterhalten sich länger wohin zum Bier [auf dem Not- und Anrufkanal!]). Und ich vermute, dass die Berufsschiffer auf uns Segler herabschauen wie eben Profis auf jede Gruppe, die zu einem Großteil aus Dilettanten besteht. Also immer etwas nervös, auf den Knopf drücken, auf ruhig bestimmte Telefonstimme achten, jetzt bloß nicht verhaspeln. Wie immer bisher völlig problemlos. Der Funker der Hoegh Gallant gibt mir die Auskunft, dass sie jetzt hier Ankern werden, und bestätigt, dass wir uns nicht ins Gehege kommen, wenn ich an seiner Backbordseite vorbeifahre. Ich tuckere weiter und mache ein paar Handyfotos in der aufkommenden Morgendämmerung.

Unter Motor brauchen die letzten 18 Seemeilen nur noch drei Stunden – schaukeln tut es aber immer noch, und zwar fast unangenehmer – Segelwind stabilisiert das Schiff in seiner Lage, unter Motor kommt man sich mehr vor wie ein Spielball der Wellen. Dann fahren wir endlich in den Hafen von Sines ein. Dieser besteht aus zwei Teilen: der große Industriehafen für Erdöl und andere Massengüter (zB Chemie – schon seit einigen Stunden riecht es wie Mannheim), und einem kleinen inneren Hafen mit Strand, ein paar Fischerbooten, und der Marina. Eigentlich hatten wir geplant, dort erst zu ankern, bis die Marina aufmacht, aber als wir die Gästeliegeplätze klar erkennen, beschließen wir einfach dort zu parken, wo sie uns wahrscheinlich sowieso hingeschickt hätten. Es ist kurz nach halb sieben Uhr morgens. Wie es die Tradition verlangt, erst einmal ein Anlegebier. Allerdings nur für Frank und mich. Nikita wehrt sich gegen die Tradition des Anlegeschlucks und macht sich einen Pfefferminztee. Danach legen sich alle erst einmal schlafen, fest vertäut und ohne schaukeln.

Die Stadt Sines ist ’nothing to write home about‘. Nikita und Frank erkunden die Stadt ab dem Nachmittag, ich schreibe Blog (nicht diesen hier) und lasse es mir faul gehen. Irgendwann werde ich auf Aktivität auf dem Steg neben dem Schiff aufmerksam. Drei Männer in Tauchanzügen, und zwei Gitterboxen voller Wein. Wirklich: Wein. Ich muss es mir auch erst bestätigen lassen, sie werden die Weinflaschen hier im Hafenbecken versenken. Einer der Taucher kann genug Englisch, um es so halbwegs zu erklären: Der Wein wird hier werbewirksam gereift: bei relativ konstanten kühlen Temperaturen, im Dunkeln, ohne Sauerstoff, und unter einem Druck von ca. 1 bar. Soso. Eine derart gereifte Flasche Wein soll ca. 40 Euro kosten. Als ich zu erkennen gebe, dass das jetzt nicht so mein Budget wäre, isb. für Wein, den ich nicht kenne, biete der Kollege an, mich mal probieren zu lassen, eine ‚inoffizielle‘ Flasche. Bevor es aber so weit kommt, werde ich genötigt, mich meinen beiden Mitseglern auf ein Sundowner-Bier auf einer Terrasse über der Stadt anzuschließen. Am nächsten Morgen geht’s weiter, wir haben erst die Hälfte der Strecke nach Lissabon geschafft.

Eigentlich ist Sines der einzige wirklich gute Hafen zwischen der Algarve und Lisboa. Die anderen bieten keinen tollen Schutz oder sind einfach immer mit Dauerliegern voll. Aber auch um unserem Gast eine weitere Nachtfahrt zu ersparen, finden wir ungefähr auf halber Strecke einen Ankerplatz, der vielleicht ginge. Er befindet sich hinter einem Gewirr aus Sandbänken und unmarkierten Fahrrinnen. Häufig sind in der Karte Tiefen von 2m eingezeichnet, das ist etwas wenig für uns (2,10 Tiefgang). Aber es ist ja gerade kein ‚Spring-Niedrigwasser‘, also müssten überall noch 30cm Wasser mehr sein. Gaaaanz vorsichtig tuckern wir über die Sandbänke. Einmal (am nächsten Morgen) sitzt die Seestern auch kurz auf, aber harmlos. Durch Fallböen an den Klippen bläst ein kräftiger Wind – draußen auf dem Meer war davon nichts zu spüren. So Ankern wir wieder, während es draußen schauderlich pfeift – aber der Anker hält.

Am nächsten Tag geht’s weiter nach Lisboa. Leider ist das etwas komplizierter: Es gibt in Lisboa zwar 5 Marinas, in die wir reinpassen würden, aber die vier stadtnahen sind alle voll. Eine davon – die Marina Alcantara vertröstet uns immer wieder auf „morgen“. Vielleicht hätten sie dann Platz für uns. Dann gibt es noch eine weitere Marina, am Parque de Nacoes, aber die ist sehr tidenabhängig. Einfahrt eigentlich nur in den zwei Stunden vor Hochwasser. Das wäre etwas ungünstig, heute. Also einigen wir uns auf eine Marina kurz vor Lissabon, in Oeiras. Wie häufig zeigt hier der Gott des Windes seinen seltsamen Humor. Auf den letzten Meilen dorthin schläft der Wind ein, wir müssen den Motor anmachen; kurz vor dem Hafen frischt es wieder gewaltig auf. Die Hafeneinfahrt ist sowieso tricky (sie ist recht eng, und davor fließt der Rio Tejo mit ordentlich Tidenströmung – da gibt es dann einen kritischen Moment wo der Bug schon im stillen Wasser der Einfahrt ist, aber das Heck des Schiffes noch im Strom ist. Heftiges Gegenlenken und ordentlich Fahrt ist angesagt. Aber am Ende liegen wir sicher und freuen uns auf ein paar Tage in und um Lisboa.

Doro – oder: „wie ich (sie) lernte, Wellen zu lieben“

Ich laufe eine halbe Stunde zum Mietwagenbüro, bekomme einen Upgrade auf den gebuchten Fiat Panda: Einen Smart ForFour. Echt, das ist ein Upgrade? Ich sammle Frank ein, und wir fahren zum Flughafen Faro. Eine ökonomische Analyse hat Vorteile des Mietwagens gegenüber mehreren Taxifahrten ergeben. Durch eine perfekte WhatsApp-Abstimmung finden wir Doro sofort in der Abholzone. Interessant: Es müsste eigentlich einen Euro kosten, in die Abholzone zu fahren. Bei der Einfahrt hat mir das Gerät kein Ticket gegeben, sondern nur einen Hinweis ausgespuckt, den ich als „Nummernschild registriert“ interpretiert hätte. Bei der Ausfahrt ist einfach nur die Schranke aufgegangen. Vielleicht hat da ein vorheriger Mieter eine Registrierung gemacht, wie wir in Sevilla? Blöd, blöd, blöd.

Wir fahren nach Faro, finden einen Parkplatz am Hafen (Fischer- und Motorboote, nix mit Tiefgang) und beginnen Doros Urlaub mit einem Bier und einem Mittagessen. Kultur in Faro ist angesagt. Doro hat einen echten Reiseführer, also besuchen wir die Kathedrale in der Altstadt, gucken Störche an, und suchen die Kirche mit der ‚Knochen-Kapelle‘. Mit einigen Stopps an Orten, wo es Getränke gibt. Eine Nachbarin fragt, wie wir Faro fanden: es war ausgeschildert, antworte ich. Am Hafen versucht uns eine junge Dame für einen Ausflug zu begeistern, einen „small boat trip“. Um das Gespräch kurz zu halten antworte ich „no, sorry, we have a large boat“. Doro und Frank brechen fast ab, schimpfen mich ob meiner Frechheit.

Tatsächlich ist Faro selber jetzt keine Schönheit. Die Störche sind häufig vertreten. Ob die Stadt wohl kinderreich ist? Als wir später am Nachmittag in El Castelo mit Blick auf’s Wasser ein Bier genießen, verstehe ich, warum es so viel dieser Vögel hier gibt. Es ist Ebbe, und das Sumpf-/Wattgebiet liegt in der Form von schlammigen Sandbänken frei. Da staksen die Störche und jagen Salzwasserfrösche, oder was auch immer da essbares wohnt. Die Kathedrale bietet vom Turm aus einen netten Rundumblick über Stadt und Sumpf, ansonsten sieht sie ähnlich aus wie alle portugiesischen Kathedralen. Doro war schon öfters in Portugal. Ich vermute einen Grund: Portugal wurde am 1. November 1755 von einem starken Erdbeben heimgesucht, welches isb. Lissabon zerstörte, aber auch andere Städte. Scheinbar hat es auch in Faro gewütet, und sicher auch in anderen Städten – wahrscheinlich wurden danach die Kirchen nach damaligem Architekturgeschmack wieder aufgebaut, und sehen deshalb nun alle ähnlich aus. Als letzter offizieller Kulturpunkt ist die Capela dos Ossos (Knochenkapelle) in der Barockkarmeliterkirche Nossa Senhora do Carmo angesagt. Scheinbar wurden da die Gebeine von mehr als 1000 Mönchen ‚verbaut‘. Da sich die Kirche ein wenig versteckt, sehen wir auf dem Weg noch genügend andere Kirchen und Störche. Nach dem Abendessen fahren wir zurück nach Vilamoura und trinken noch ein Glas Wein an Bord.

Ende Mai kommt noch eine Freundin von Doro nach Lagos, und die beiden haben dann ein Hotel. Wir haben also sowohl einen Zeitrahmen und eine Strecke als Planungsparametern, und beides zusammen ist jetzt nicht seglerisch anspruchsvoll – auf dem Landweg sind es ca. 50km. Viel Wind ist auch nicht angesagt. Also gemütlich aufstehen, frühstücken gehen, und dann mal Raustuckern. Wir bringen Doro das Boot näher; stellen sie dazu ans Steuer. Ich bin an dem Tag total wankelmütig unterwegs. Erst schlage ich vor, dass wir nach links einen Bogen fahren, dann nach rechts, dann auf das Hochhaus zu, dann mit Kurs 180°, dann aufstoppen (anhalten), dann eine Acht. Am Ende ist Doro schwindelig, sie kaut Ingwer und nimmt Drogen, bis wir im Hafen von Albufeira sind, nur ein paar Meilen weiter. Der Hafen ist OK, pragmatisch und sicher, aber keine Schönheit. An einem der Hafenrestaurants essen wir abends Sushi. Am nächsten Tag geht’s weiter nach Portimao, mit einer sail-by Besichtigung der Höhle von Benagil.

Frank und ich waren im Frühjahr 2018 mal in der Ecke, um die Pennypincher zu besichtigen (Europareisen) . Damals hatten wir auch ein paar Tage totzuschlagen, und haben Benagil und Portimao von der Landseite gesehen. Ein Restaurant am Strand von Portimao ist uns dabei in Erinnerung geblieben, anhand eines alten Handy-Fotos identifizieren wir es genauer. So gesehen, ist dieser Teil der Reise auch eine Art ‚walk down memory lane‘, und auch wenn es bei längerem Nachdenken Quatsch ist – irgendwie schließt sich damit für mich ein Kreis (Jaja, ein echter Kreis wäre es, wenn wir die Pennypincher tatsächlich gekauft hätten, dann drei Jahre im Mittelmeer rumgefahren gewesen wären und nun wieder hier, und das trifft ja nicht zu). Aber auch als wir später in der selben Marina de Lagos mit unserer HR 42E liegen, als wir in der Altstadt von Lagos Restaurants wiederfinden, die damals gut waren; irgendwie wirkt es vertraut.

Nach Portimao wäre der nächste Hafen an der Küste Lagos, aber das ist uns noch ein Tag zu früh. Endlich spielt auch der Wind ein wenig mit – Wir kommen tatsächlich mal dazu, Doro zu beweisen, dass wir ein SEGELschiff haben. Wir segeln an Lagos vorbei, um in einer Bucht unter dem Cabo de Sagres zu ankern. Die Südwestspitze Portugals, direkt neben Cabo de Sao Vicente. Es bläst ordentlich in der Nacht, aber unser Anker hält einwandfrei. Beim Segeln hat Doro keine weiteren Probleme mit Übelkeit; sie verkündet stolz, dass sie viel lieber segelt als unter Motor zu fahren, und ich habe das Gefühl, dass da evtl. ein neuer Segelfan geprägt wurde. Der Eindruck soll sich in den nächsten Tagen noch verstärken. Am 29. segeln wir zurück nach Lagos, am 30. kommt Andrea. Entspannende Tage, wir können noch ein wenig am Schiff basteln.

Andrea hätte auch Mitsegeln dürfen, aber es wirkt so, als steht sie dem Geschaukel und der eher kompakten Größe unserer Dreizimmerwohnung mit Masten noch skeptischer gegenüber als Doro. So haben die beiden sich in einem mondänen Beach and Spa Resort eingemietet, und besuchen nur noch ab und zu die armen Freunde auf dem alten Boot. Immerhin – Abends machen wir Lagos unsicher, gehen portugiesisch spät zum Essen, aber leider müssen die Restaurants hier auch relativ früh zumachen. Hier scheint der magische Zeitpunkt 22:00 oder 22:30 zu sein. Danach gibt es aber auch immer noch etwas Wein und Snacks auf dem Schiff. Am Dienstag aber dann doch ein gemeinsamer Bootsausflug zu viert. Wir haben die Marina schon bezahlt (für eine Woche, war günstiger als die geplanten fünf Nächte) damit die nicht schockiert sind, wenn wir plötzlich auslaufen, und es hat auch etwas Wind. Doro erwägt mittlerweile, einen Segelschein zu machen, und Andrea stellen wir ans Steuer, dass ihr nicht schlecht wird. Ich bringe Doro zwischenzeitlich die acht Knoten für die Prüfung bei, und das wichtige Belegen einer Klampe (was im Segelschein nicht prüfungsrelevant war). Auch das wieder ein schöner Tag auf dem Wasser. Am Mittwoch kommen unsere beiden nächsten Gäste, aber erst abends – so probiere ich den Strand in der Nähe des Hotels der beiden aus, und am Abend gab es wieder eine leckere Mahlzeit mit Wein danach an Bord. Danke für die schönen Tage, Mädels, ich bin sicher wir sehen uns wieder (Doro – so könnt ich mir vorstellen – auf dem Boot).

Far away, in Faro – oder: wie wir nach Portugal kamen.

Plötzlich bricht die Hölle los. Eben noch leicht geschlummert, da bricht eine große Welle über das Schiff. Es prasselt auf’s Deck, auf die Sprayhood, auf das Sofa neben mir (das ist eine andere Geschichte) und die Erfahrung sagt: auf Frank. Dann fängt das Radio noch hektisch an zu piepen: Mann über Bord!!! Vom Cockpit blinkt es hektisch rot! Schlaftrunken versuche ich mich zu orientieren. Frank steht tropfnass wie ein begossener Pudel am Steuer und flucht wie ein Rohrspatz. Wir sind nur zu zweit, Mann über Bord kann also nicht stimmen. Außerdem blinkt Frank rot. Warum ist das so, wie konnte es so weit kommen? Also, der Reihe nach:

Aus deutscher Sicht ist Festland-Portugal schon länger kein Risiko mehr, seit wenigen Tagen auch die Algarve nicht mehr. Tja, aber für die Portugiesen waren die Deutschen dennoch eines. Einreisen aus Gründen des Tourismus aus Ländern mit einer Inzidenz höher als 150 sind verboten. Aber offensichtlich hat Deutschland diese Marke nun unterschritten, Doro kündigt sich an. Das ist nun also unsere Mission (neben der allgemeinen, nach Norden kommen): Doro am 25.5. in Faro einsammeln. Dazu müssen ja wir auch nach Portugal einreisen – ist unser aktuelles Herkunftsland, Spanien, schon unter der Grenze? Brauchen wir einen PCR-Test, wie alle Flugreisende? Wir haben schon länger über das Thema debattiert. Machen wir’s einfach mediterran (Still einreisen, Klappe halten)? Oder lieber offiziell (bei deutscher Botschaft oder Hafenbehörde anfragen)? Wir favorisieren lange die Idee, in den Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal fahren, und dann ganz zufällig in Portugal anzulegen (Vila Real de Santo António), und wenn die schockiert sind mit einem bedröppelten ‚Tut uns leid, war nicht so gemeint‘ auf die spanische Seite zurückkehren (Ayamonte). Aber in Cadiz sind ein paar andere Segler überzeugt: in Spanien PCR Test machen, und dann geht das problemlos. OK, dazu wären wir bereit. Aber das lassen wir uns lieber bestätigen. So rufen wir in der Marina von Vilamoura an (Taxinähe zu Faro, und alle Behörden vor Ort), um eine Reservierung zu machen). Die Reservierungsdame ist überzeugt: wir brauchen GAR NIX, außer den üblichen Papieren. Wir machen also die Reservierung per email, schreiben nochmal den ’no problem‘ Sachverhalt rein, und bekommen kurz darauf unsere Bestätigung. Also: Auf nach Vilamoura. Wir beschließen, die restlichen Häfen auf der Strecke beiseite zu lassen; sollte die problemlose Einreise nicht funktionieren, haben wir so zwei Puffertage die Probleme zu klären.

In der Windfinder-App gibt es die Auswahl zwischen zwei rechnerischen Vorhersagemodellen: Super-Forecast und GFS-Modell. Eines habe beide gemeinsam: Sie stimmen nicht. Aber immerhin – wenn beide Modelle übereinstimmen, wird der tatsächliche Wind nicht diametral anders sein, sondern nur stärker, schwächer, oder aus einer anderen Richtung kommen. In Cadiz angekommen, konnten wir beruhigt feststellen, dass der nächste Tag windtechnisch blöd wäre. Passt uns gut, ausschlafen, Cadiz ansehen. Am nächsten Tag sollte der Wind passen: Aus der richtigen Richtung immerhin (Norden, so dass wir mit halben Wind fast die ganze Strecke segeln könnten), aber zwischendrin etwas stark. Wir beschließen also einen Kurs, der uns näher an Land hält, dort sollte weniger Wind sein, und – viel wichtiger – weniger Welle. (Wind macht uns mittlerweile weniger Sorgen – einfach weniger Segeltuch, und es läuft – aber viel Welle macht das Schifffahren wirklich ungemütlich. Es gibt zwar einen Zusammenhang [Wind macht Welle], aber er ist nicht so direkt, sondern zeitlich versetzt. Also manchmal besser, in den aufkommenden Starkwind zu Segeln, als in die abflauende steife Brise).

Von Cadiz nach Vilamoura sind ungefähr 95 Seemeilen Luftlinie (180km, ca. 19h Segeln bei vernünftigen Bedingungen). Natürlich sind die Bedingungen nicht ganz vernünftig – Statt halben Wind müssen wir eher hart am Wind segeln, und dabei automatisch an der Küste entlang. Wie so oft in letzter Zeit also eine Etappe mit Nachtfahrt – hat mir am Anfang meiner Segelzeit einen Heidenrespekt abverlangt, aber heute mit einer Kombination aus mehr Erfahrung und (wichtiger) einem guten Navigationsgerät gewöhnt man sich dran. Wir versuchen noch bei Tageslicht eine Segelgarderobe zu wählen, mit der man durch die Nacht kommt (bei Dunkelheit mit viel Wind und Welle auf’s Deck vor an den Mast macht echt kein Spaß) und dann beschränkt man sich auf’s Reffen und Ausreffen des Vorsegels. In der Nacht wird es – entgegen der Prophezeiung – etwas stürmisch, es hat sich eine Welle aufgebaut, die in regelmäßigen Abständen über’s Deck kommt. Frank steht am Steuer, ich versuche mich für die nächste Schicht auszuruhen. Da ereignet sich die Anfangssequenz dieses Eintrags.

Was ist passiert? Frank hat ein AIS-MOB Sender an seiner Weste. Das gleiche Gerät habt Ihr (einige von Euch zusammengelegt) zum 50. Geburtstag geschenkt. Wird der Sender in Wasser getaucht, löst sich mit einer Salztablette eine Sperre, und es gibt Alarm. Wir wissen nun, dass a) auch das Wasser einer fetten Welle ausreicht, und b) das Gerät funktioniert. Wäre es Ernst gewesen, hätte mich der Notruf auf dem Radio geweckt, und das AIS Signal hätte mich zum Opfer zurück gelotst. Fein. Aber – da Fehlauslösung, gibt es niemanden zu retten, und das laute Piepsen und rote Blinken an Deck nervt. Theoretisch kann das Gerät auch einen allgemeinen Notruf an alle Schiffe schicken, aber dazu muss man wohl noch einen anderen Knopf drücken. Jedenfalls eilt uns niemand zur Hilfe, und es kommt auch keine Nachfrage per Funk. Nach einer Minute ist alles still (gut, weiterhin heftiger Wind und Welle), die Situation geklärt, und es ist sowieso Zeit für meine Schicht. Ich schaffe die Strecke bis Faro, Vilamoura ist (gefühlt, leider nur gefühlt) direkt dahinter um die Ecke. Es ist wieder Franks Wache. Der Wind ist auch nicht mehr günstig für uns, wir müssen kreuzen, so sind wir erst nach 10:00 in der Marina. Es interessiert niemanden, dass wir aus Spanien kommen.

Die Marina von Vilamoura ist eine große Retorten-Marina mit Retorten-Feriendorf dazu. Wenn es hier eine Altstadt gibt, ist sie von 1980. Die meisten Schiffe im Hafen sind schicke Motoryachten (gut, ein Widerspruch in sich, Motorschiffe sind per Definition hässlich), die Kneipen am Hafenbecken haben als Klientel reiche Angeber mit mehr Geld als Geschmack; aber die Duschen sind der bisherige Höhepunkt meiner Segelkarriere: Die Duschen haben einen Vorraum, der durch eine echte Tür von der Dusche abgetrennt ist (Klamotten bleiben wirklich trocken), und der gesamte Bereich hat eine Fußbodenheizung (!) (in Portugal (!)). Wenn wir von ‚goldenen Wasserhähnen‘ reden, meinen wir eigentlich so genau das.

Wie üblich nach einer ~24h Etappe (theoretisch haben wir in der Zeit zwar jeweils die Hälfte der Zeit geschlafen, aber das ist halt nur Theorie), gibt’s beim Einlaufen erstmal ein Bier, und dann machen wir beide ein Nickerchen. Es ist Sonntag, Doro kommt am Dienstag in Faro an. Da Faro einen Flughafen hat (eigentlich DER Ferienflieger-Flughafen der Algarve ist), muss es wohl eine wichtige Stadt sein, und so eine Stadt hat doch sicher auch einen vernünftigen Hafen, oder?

Tatsächlich liegt Faro hinter einem ausgedehnten Sumpf-/Watt-Gebiet. Mit unserem Tiefgang von 2,10m haben wir dort nichts zu suchen, außer wir werden noch viel entspannter mit Grundberührungen oder halben Trockenfallen. Das hätten wir mit einem intensiven Studiums des Revierführers eigentlich auch in Vilamoura feststellen können. Haben wir (ich) aber nicht. Erst mal hinfahren. Als wir uns dem Cabo de Santa Maria nähern, lesen wir nochmal genauer: a) interessante Strömungen bei Ebbe und Flut (Entschuldigung: Im Mittelmeer ist Ebbe und Flut ehrlich gesagt wurscht.), und b) bei Faro enge und vollbesetzte Ankerplätze, deren Ansteuerung noch genaue Ortskenntnisse erfordert. Wir entscheiden uns für Plan B. Wir fahren am Cabo de Santa Maria in das Gebiet rein, Ankern dort wo es problemlos möglich ist, und fahren danach nach Vilamoura zurück, nehmen einen Mietwagen, und holen damit Doro vom Flughafen ab, kombiniert mit unserem Ausflug nach Faro.

Wir setzen den Plan um. Einfahrt beim Cabo de Santa Maria – es ist gerade der Übergang von Flut zu Ebbe. Interessante Effekt, nicht nur deshalb. Vor dem Kap gibt es eine Sandbank, wo innerhalb von gefühlten fünf Schiffslängen die Wassertiefe von 45m auf 12m ansteigt. Es braucht Vertrauen, dass es bei 12m bleibt, der Instinkt sagt: Stop the fucking ship & turn around. Dann ergeben sich durch das auslaufende Wasser und dem Meer noch interssante Effekte: Hier mal etwas Brandung, hier ein paar Flächen glasklare See, die sich dann aber als böse Strudel entpuppen, und insgesamt ca. 4 Knoten Strömung zwischen den Wellenbrechern. Der Motor strampelt, die Logge zeigt gute Fahrt durch’s Wasser, der GPS gähnt nur liest vor sich hin. Im Schatten der Ilha de Culatra snacken wir etwas, dann fahren wir zurück in Richtung Vilamoura. Diesmal zeigt die Logge wieder gute Fahrt durch die Wellenbrecher, das GPS jubelt mit 10 Knoten! Teilweise ein Wellenbild wie in leichten Stromschnellen; und das mit unseren alten Dame.

In Vilamoura kommen wir noch bei den letzten Sonnenstrahlen an, aber die Reception hat schon zu. Wir bleiben also die Nacht am Empfangskai (und vergessen am nächsten Morgen dafür zu zahlen {wieso vergessen? Wir hatten ja auch keine Karte für die Duschen}. Nur das Abendessen wir etwas hektisch. Wir laufen um 22:20 in das Restaurant ein, uns wird erklärt, dass wir um 23:00 fertig sein müssen (Corona Regel), schaffen wir das? Es dauert etwas länger, bis das Steak geliefert wird, aber um 22:58 kann ich vermelden: geschafft! Wir freuen uns, morgen Doro wieder zu sehen.

Die Schlacht von Trafalgar

Die Stadt Cadiz im westlichen Andalusien liegt am Eingang einer weiten Bucht, die einen der wichtigsten Stützpunkte der spanischen Marine (span: „Armada“) beherbergt; durch Ihre Lage beschützt sie die Bucht mit mehreren Castillos. Solange die Armada also in Cadiz liegt, ist sie sicher – aber dafür sind Kriegsschiffe ja nicht da. Auf dem offenen Meer ist die Flotte auf sich allein gestellt, und ein entscheidender Schlag könnte…

Trafalgar war mir lange Zeit nur als wichtiger Platz in London bekannt – „Trafalgar Square“. Mit wachsenden Kenntnissen über die europäische Geschichte erkannte ich, dass der Platz nach einer wichtigen Schlacht mit der Vernichtung der spanischen Armada im Zusammenhang war, aber ich hätte dann gedacht, dass es irgendeine Insel im englischen Kanal wäre. Aber nein – Trafalgar ist ein Kap westlich von Gibraltar, südlich von Cadiz, an der südlichen spanischen Atlantikküste. Klar – Ihr wusstet das schon alles.

Als wir auf Kap Trafalgar zufahren, sehen wir hinter uns auch ein einzelnes Schiff der Armada vorbeifahren – Geschichte wiederholt sich. Es ist an uns, die britische Flotte unter Lord Nelson zu warnen, wie es einst der englische Aufklärer Sirius im Jahre 1805 getan hatte. Damals war in Cadiz eine kombinierte Spanisch-Französische Flotte gelegen, die Napoleon brauchte, um seine Truppen sicher über den Englischen Kanal zu bringen, um den bösen Albion in die Knie zu zwingen. Vizeadmiral Horatio Nelson blockierte also damals den Hafen in gebührender Entfernung, und als er von der Sirius Nachricht bekam, dass die Armada sich zum Auslaufen vorbereitete, war er bereit. Er konnte einen Schlachtplan entwerfen, sandte ein paar heroische Botschaften an die anderen 26 Schiffe seiner Flotte „England expects that every man will do his duty“, später „engage the enemy more closely“, und in einem heroischen Schlag vernichtete er 20 der 33 Schiffe der Spanisch-Französische Flotte, ohne ein einziges Schiff zu verlieren. Er selber wurde allerdings tödlich getroffen, und konnte somit seine Siegesfeier alias Heldenbegräbnis nicht mehr genießen.

Für uns ist Lord Nelson eine Teemarke der Kette Lidl, und meine Schlacht vor Trafalgar fällt auch weniger dramatisch aus. Ich kämpfe gegen die ganzen Wulinge in unserem Besanfall (Ködel in dem Strick, der das Flatterzeug an der hinteren Segelhochhaltestange hochzieht). Doch wie kam es dazu?

In einem längeren Beitrag, den ich parallel schreibe, wird man Details erfahren, warum wir bis Mittwochabend in Marbella geblieben sind (es hat was mit spanischen Handwerkern zu tun). Mittwoch um 22:00 legen wir dennoch in Marbella ab, der Wind ist in der nächsten Zeit aus Ost zu erwarten, er wird also durch die Straße von Gibraltar pusten. Wie planen, Gibraltar im Schutz der Dunkelheit zu durchfahren (wer den Film „Das Boot“ kennt, versteht warum), aber auch weil die Strömung in der Meeresenge dann nicht gegen uns läuft (Im Atlantik herrschen Ebbe und Flut, im Mittelmeer kann das Wasser aber fast nirgendswohin – also versucht bei Flut der Atlantik das Mittelmeer zu füllen, bei Ebbe läuft das ganze Wasser wieder zurück, und so ergeben sich heftige Strömungen). Leider haben wir uns (ich mich) dabei irgendwie verrechnet, wir kommen nicht annähernd so schnell nach Gibraltar, wie wir es uns gedacht hatten, also wird es weder mit dem Schutz der Dunkelheit, noch mit der mitlaufenden Strömung etwas. Im Morgengrauen fahren wir durch eine Reede östlich von Gibraltar, zwischen riesigen Schiffen, die bei Nacht deutlich mehr nach beleuchteter Stadt aussahen als Gibraltar dahinter. Auch der Leuchtturm am Europa Point (der ja recht symbolisch sein könnte) ist am Anfang ein müdes Blinken zwischen den grell natriumgelb beleuchteten Tankern.

Wir hatten angefragt, ob es in der Marina von Gibraltar Platz für uns gibt, aber leider – nein. Wir überlegen noch kurz eine Hafenrundfahrt durch die Bucht von Gibraltar zu machen, aber es ist trüb, nieselt sogar ein wenig, und es wirkt recht stressig (In der Bucht von Gibraltar ist auch noch der Hafen von Algeciras) – so wissen wir nicht einmal genau, ob wir einfach durch die britischen Hoheitsgewässer fahren dürften. Ständig tauschen sich die Profis auf Funk aus – Liegeplatz hier, Lotse dort, vor Anker warten oder reinfahren dürfen. Scheiß drauf, auch wenn wir trotz ordentlich Wind von hinten wegen einer Strömung von vorne praktisch keine Fahrt machen würden – auf und durch. Meine Wache ist vorbei, ich lege mich schlafen. Als ich wieder wach werde, ist Frank gerade an Tarifa vorbeigefahren, dem südlichste Punkt Europas, jedenfalls in der Gegend. Der Wind von hinten ist kräftig, macht jegliche Strömung wett, und wir düsen im Sauseschritt in den Atlantik. Wie wir es häufig bei achterlichem Wind, und insbesonders bei Nacht machen, wollten wir nur mit Vorsegel fahren, auf einen Tipp von Ralf hin probieren wir es diesmal auch mit Besansegel – es soll das Rigg entlasten. Das Besansegel ist direkt hinter dem Steuerstand, man kann es eigentlich auch nachts aus dem Cockpit vernünftig bedienen. Es bläst ordentlich, in Böen mit zu 45 Knoten (ca. 80 km/h). Das Besansegel wird zur Last, denn es lässt das Heck der Seestern immer ausbrechen, und man ist kräftig am Steuern. Bei der Wachübergabe beschließen wir, es wegzupacken. Also Motor an, gegen den Wind – AUF EINMAL HABEN WIR WIND UND WELLE VON VORN. Ich bekomme meine morgendliche Dusche, wir zerren das Segel gegen das verworrene Besanfall runter, und können wieder vor den Wind zurück. Gutmütig fährt die Seestern weiter, mit einem auf Badetuchgröße gerefftem Vorsegel und mit bis zu neuen Knoten auf der Logge. Kurz vor Trafalgar wird es etwas normaler, und ich nehme ich Schlacht mit dem Besanfall auf.

Auf der Fahrt macht die spanische Armada übrigens öfters auf sich aufmerksam: Wir hören ständig Funksprüche „this is Spanish Warship L61, come in please“. Wenn sich das angesprochene Schiff dann meldet, erfolgt ein Funk-Interview im Rahmen der Nato-Aktion „Sea Guardian“, wichtigste Frage: „Haben sie etwas verdächtiges bemerkt?“. Interessant auch, als ein Schiff sich erst meldet, aber dann tot stellt – Kein Schuss vor den Bug, kein Raketenangriff, eher ein immer hilflos klingenderes „Motor Vessel Schlagmichtot, come in please? Please? PLEASE?“. Gegen Abend laufen wir in Puerto Americas ein (haben es also doch mal in die Americas geschafft, ach nee, das ist der Sportboothafen von Cadiz). In Cadiz bleiben wir zwei Nächte, bis der Wind für einen weiteren Schlag nach Portugal günstiger erscheint, gehen ausgiebig essen, besichtigen die Kathedrale von außen, den Strand, und die Festungen; die, die nach der Schlacht von Trafalgar etwas arbeitslos waren.

Málaga zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten!

Noch waren wir guter Hoffnung. Der neue Boiler ist angekommen, der Service redet von einem Techniker. Freitag haben wir zwar nichts mehr erreicht, aber bestimmt klappt’s am Montag. Somit stehen wir wieder vor der Frage: was tun am Wochenende. Hey – da kennen wir doch zwei nette Mädels in Málaga. Diana hat wieder Besuch. Natalia, aus Russland. Geht da ein interessantes Wochenende ‚zam? Nach einigem WhatsApp-Chatten ist ein Konzept gefunden: Diana und Natalia kommen am Samstagmorgen nach Fuengirola (die Stadt mit dem Zug), ich hole sie dort ab, wir machen einen Bootsausflug, und am Abend fahren wir alle nach Málaga und machen dort einen drauf. Gesagt, getan. Leider spielt der Gott des Windes nicht so richtig mit. Flaute. Egal, Hauptsache Bootsfahrt. Wir legen ab, und tuckern gemütlich die vier Seemeilen nach Puerto Banus. Puerto Banus, das ist dekadenter Luxus an der Costa del Sol. Wenn man da auf der Straße nicht aufpasst, wird man wenigstens standesgemäß von Porsches, Mercedes oder noch teurerem überfahren. Direkt am Hafen eine Ansammlung von teuer. Bulgari, Dolce & Gabanna, Rolex – ich wollte da mal einen 38mm Schlauch im Schiffszubehörladen kaufen, und bin gescheitert. Im Hafenbecken selber liegen Milliarden an Luxusyachten, hauptsächlich Motorboote, da lässt sich auch ohne Spaß am Segeln mehr Geld ausgeben. Wir fahren in den Hafen. Die Marineros an der Tankstelle / Willkommensmole gehen in Habacht-Stellung, aber wir zeigen mit einem kreisenden Finger, dass wir nur eine Hafenrundfahrt machen wollen. Sie grinsen. Wir sind wohl auch nicht das einzige Schiff. Kurz vor uns ist eine Segelyacht eingelaufen, die uns mittlerweile wieder entgegenkommt. Die Mädels machen Selfies vor der Kulisse des hässlichen Protzes. Nach dem kurzen Sightseeing fragt Diana, warum wir nicht Angeln. Wir hätten alles da, haben’s aber noch nicht ausprobiert, entgegnen wir. Na dann, meint Diana, her damit. Sie schickt unseren für den Atlantik gedachten Thunfischköder (ein bunter Plastik-Tintenfisch) an unseren langen Leine ca. 4m tief ins Wasser. Da hängt er etwas traurig. Nun ja, aber immerhin könnten wir ja noch schwimmen gehen. Wir holen den Angelhaken wieder ein (wäre ja zu blöd, uns selber zu fangen), und ab ins Wasser. Es ist noch ordentlich kalt, aber egal. An Deck in der Sonne ist man schnell wieder getrocknet und aufgewärmt.

Dann Einlaufen, Anlegerbier, ab ins Auto Richtung Málaga, noch kurz im Supermarkt anhalten (Natalia spanische Spezialitäten als Souvenirs, Diana den Wocheneinkauf, mir holen vorsorglich noch etwas Bier), und ab in die Stadt. Adriana und Diana kennen einen leckeren Venezolaner, auch mit leckeren Cocktails. Dennoch – danach noch ein kurzer Wein auf der Dachterrasse, dann geht der Rest ins Bett, und ich schreibe noch ein paar Blog-Beiträge.

Am nächsten Morgen ausschlafen, Frühstück über den Dächern von Málaga, und dann wird Adriana nervös – das Finale des Padel-Tourniers in Vigo kommt auf dem Live-Stream. Am Ende sehen wir alle gebannt zu, und dann müssen wir aufbrechen – wir treffen Erhard zum Mittagessen in Fuengirola – so ein Stress.

Übrigens – habt Ihr schonmal von Padel gehört? Eine Mischung aus Tennis, Squash, Tischtennis und surfen, meist als Doppel gespielt. Tennis, da Netz, und ein so ähnlicher Ball. Squash, weil man dabei in einem Kasten spielt, und auch über die Wände spielen kann. Tischtennis, weil der Schläger wie ein überdimensionierter Tischtennisschläger aussieht, der aus dem gleichen Material wie ein Surfbrett besteht.

Der Abschied fällt nicht leicht – wir haben uns in der Calle Granada mit den Mädels sehr wohl gefühlt, und Adriana hat jetzt eine andere Einschätzung deutschen Humors.

Kultur mit den Kulturbanausen

Es war immer die Maxime meiner Eltern – während wir durch die Siemens Entsendungen meines Vaters im Ausland sind, wird die Gelegenheit auch ausgiebig genutzt, um das entsprechende Land zu bereisen. Meine Eltern haben sie ausgiebig vorbereitet; wenn der Baedeker Reiseführer in einer Stadt ein gotisches Kirchenportal mit einem ‚besonders sehenswert Stern‘, dann sind wir da hin gefahren. Gefühlt: Jedes. Geschissene. Kirchenportal. Für einen fünf bis neun jährigen sind gotische Kirchenportale aus dem Baedeker natürlich ein besonderes Highlight. Auch die Fahrt dorthin in einem nicht klimatisierten Auto über schlechtere Landstraßen als heutzutage war immer wieder erfreulich. Ich wurde mit Hörspiel-Kassetten von Pumuckl, Urmel aus dem Eis und Winnetou 1-17 bei Laune gehalten. Ganz kann ich diese Prägung nicht verleugnen, jetzt wo wir in Andalusien sind und Zeit haben, schauen wir uns das ganze halt auch mal an. Allerdings haben wir keinen Reiseführer, Granada, Cordoba und Sevilla hatte ich irgendwie als ‚wichtig‘ im Kopf, Details finden wir auf Wikipedia während der Fahrt heraus, andere Tipps bekommen wir von Freunden per WhatsApp – „Ach, Ihr seid in Sevilla? Da besucht Ihr auch sicher die Plaza de España, die ist toll“. Hüstel, Hüstel, na klar wollen wir da noch hin. Frank bringt es auf den Punkt, als wir in der Kathedrale von Cordoba stehen, noch 15 Minuten bis zur Schließung für den Nachmittagsgottesdienst haben, und er noch schnell ein paar wichtige Fakten auf dem Handy recherchiert: „Was sind wir doch für Banausen, dass so im Vorbeilaufen zu machen“. „Ja,“ gebe ich zu bedenken, „aber immerhin sind wir überhaupt hier, also sind wir keine kompletten Banausen“. Doch nun unsere Erlebnisse, in etwas chronologischer Reihenfolge.

Nachdem ich den Artikel über die Alhambra veröffentlicht habe, machen wir uns auf die Jagd nach etwas essbaren in Granada-Albaicín. Die covid-bedingte Touristenarmut (die sich in den Sehenswürdigkeiten toll auswirkt), verknappt hier allerdings das Angebot an tollen Lokalen. Wir sind länger im Viertel unterwegs, bis wir endlich ein offenes und nicht miserabel bewertetes Lokal finden. Leider haben das auch andere Menschen gefunden, die Kellner sind überfordert und es dauert eine Ewigkeit, bis wir unsere mittlerweile eher nur lauwarmen Speisen bekommen. Heiß waren sie aber bestimmt toll. Auf dem Heimweg macht uns keine Kneipe mehr richtig an, aber ein allgemeiner Eis- und überhaupt Verkäufer kramt noch eine Flasche Rotwein aus dem Lager und macht sie uns auch auf. Aus Umweltgründen wollen wir auf die Tüte verzichten, aber besteht darauf und bittet uns, die Flasche möglichst ‚unauffällig‘ zu transportieren. Zahnputzbecher im Hotel sind unser stilvollen Rotweinpokale.

Am Morgen hat Lola, unsere Wirtin, ein kleines Buffet aufgebaut. Etwas asozial (sollen doch die andere Gäste sehen wo sie bleiben) nehmen wir den Schinken-Käse Teller einfach zu uns an den Tisch, aber Lola stört sich nicht daran. Stolz erzählt sie auf Spanisch, dass die Orangen (zwischen Granada und ‚dem Strand‘ gewachsen) die besten in Spanien seien, und die Eier von einem befreundeten Hof kommen. Wenn ich’s richtig verstanden, werden dort auch Speisereste aus dem Hotel verwertet. Wir werden herzlich verabschiedet, Lola weigert sich, dass wir für die drei Biere vom Vortag im Patio bezahlen. Sollte einer meiner Leser mal in Granada sein, dem lege ich das Hotel hiermit ans Herz: https://www.hotelsantaisabellareal.com

Wir fahren nach Córdoba, nehmen die Landstraße durch eine von Olivenbaum-Zucht geprägte Landschaft. Das sind keine romantischen Haine mehr, das ist Industrie. Die Olivenbäume stehen einzeln in Reih und Glied, mit überraschend großem Abstand. Keine Ahnung ob das dazu dient, um die Konkurrenz ums knappe Wasser in Grenzen zu halten, oder damit die Bauer auch mit großen Treckern zwischen den Bäumen durch können, jedenfalls ergibt sich ein von weitem erkennbares Bild – olivgrüne Bäume als Punkte auf heller Erde. Es ist hügelig, wenn man die Landstraße nach einem Hügel erklommen hat, bietet sich ein unwirklicher Ausblick auf ewig weite Hügel, nur mit Olivenbäumen. Das ganze über den meisten Teil der ca. 150km bis Córdoba. Ich habe mich mal auf Wikipedia schlau gemacht: ca. 1/3 der Welt-Oliven-Produktion wird in Spanien angebaut, über sechseinhalb Millionen Tonnen, auf 25.000 km² (ca. 1/3 von Bayern). Again what learned.

Dann sind wir in Córdoba – DIE Sehenswürdigkeit hier ist die Mezquita Kathedrale, wir finden ein Parkhaus in der Nähe, aber heben uns das als Zuckerl noch ein wenig auf. Vorher überschreiten wir den Guadalquivir-Fluss auf einer römischen Brücke, die offensichtlich auch in Game of Thrones mitgespielt hat (keine Sprechrolle, und offensichtlich etwas digital verändert).

Dann erwerben wir Tickets für die Mezquita. Diese ist von 14:00-16:00 geschlossen, und jetzt ist 13:20. Oh well, power-sightseeing, aber auch ein guter Grund zu einem bestimmten Zeitpunkt die Kultur mal wieder gut sein zu lassen, und ein Bierchen zu trinken. Scheinbar stand hier schon in Frühzeiten ein Tempel der Römer und eine Kirche der Westgoten, aber richtig Fahrt aufgenommen hat das Projekt als Spanien noch Al-Andalus hieß (ca. 700 n.Chr.) und maurisch / islamisch war. Córdoba war damals die Hauptstadt des Kaliphats Al-Andalus und ein Mittelpunkt islamischer Gelehrsamkeit. Jedenfalls wurde im Jahr 785 eine große Moschee gebaut, die in der Folge immer wieder erweitert wurde. Am Ende hatte Sie eine Grundfläche von ca. 25.000 m², also ein millionstel der Fläche, die heute für Olivenbäume verwendet wird (nur um das mal in Perspektive zu setzen). Als die Christen dann – endlich – im Jahre 1236 im Zuge der „Reconquista“ Córdoba zurückerobern konnte, hatten Sie natürlich keine Verwendung für eine so große Moschee (und wenn ich mir das heute so anschaue, so ’ne große Kirche braucht auch kein Mensch), und wandelten sie wieder in eine Kirche um. Die Moschee war damals sehr weitläufig, und offensichtlich konnten sie im achten Jahrhundert auch noch nicht so hoch oder mit großen Spannweiten bauen. Damit nicht immer sofort klar ist, wie wenige Leute eigentlich in die Kirche gingen, wurden lauter Einzelkapellen eingesprenkelt, und in der Mitte noch ein etwas traditionelleres hohes Kirchenschiff gebaut (das allerdings erst ab 1523). [Übrigens, ich hab mir das nicht alles gemerkt – ich lese parallel in Wikipedia und versuche die dort eher trockenen Informationen hier nach Durchlaufen meines Humorfilters wiederzugeben]. Der damalige Bischof wollte das so, die Stadtväter fanden es schon damals ein doofe Idee, und am Ende musste Karl der Fünfte (für Spanier auch Carlos I.) zustimmen. Als er später das Ergebnis sah, soll er ’not amused‘ gewesen sein. Ihm wird ein Zitat zugesprochen, dass sich allerdings schon auf der deutschen, englischen und spanischen Wiki-Seite so unterscheiden, dass es wohl kaum ein Zitat sein kann – kurz paraphrasiert: ‚etwas einzigartiges zerstört, um was gewöhnliches statt dessen hinzustellen‘. Ich sehe darin einfach ein Weitpinkeln der katholischen Kirche. Wir haben da jetzt ’ne riesige Kirche, und die behalten wir auch, weil wir es können. Ganz ehrlich: 25.000m² da bekäme man wahrscheinlich völlig Corona-konform alle aktive Kirchgänger der Provinz rein, und die Provinz hat noch andere Kirchen. Eigentlich liegt der Gedanke nahe, ein Teil des Gebäudes wieder als Moschee zu nutzen – ein tolles Zeichen der Toleranz. Das der Gedanke wirklich nah liegt (nicht nur für mich), zeigt die WhatsApp Antwort meines Vaters auf mein Gruß-Bild, und die Tatsache, dass sich 2006 der katholisch Bischof von Córdoba dagegen ausgesprochen hat – mit Hinweis auf die ursprüngliche westgotische Kirche (nach der Logik sollte man es wieder in einen römischen Tempel umwidmen, beim Jupiter!).

Da wir effiziente Kulturgänger sind, wären wir auch schon zehn Minuten vor der Zeit mit fotografieren fertig, harren aber noch bis zum Rausschmiss aus, und können dann – sicher dass wir es verdient haben – uns auf die Suche nach Tapas und einem Bier machen. Mein Bier, hier in Andalusien, ist übrigens mittags immer öfters ein Tinto Verano – also ein Rotwein-Radler auf Eiswürfeln. Klingt widerlich, ist aber sehr erfrischend. Danach weiter auf die Autobahn nach Sevilla. Das vordringlichste Problem in Sevilla ist das Parken. Nach diversen Irrungen und Wirrungen kommen wir im ‚Parking Magdalena‘ unter. Ein großes Schild an der Einfahrt „8,95€ per dia* | * utilizando nuestra App„. Etwas später (nach einem kühlen Getränk und der Auswahl eines Hotels) fragen wir nach, was es denn ohne die App kostet. 24,90 für 24h – wie bitte?!? Spinnt Ihr?!? Der Wärter zuckt mit den Schultern. Wir fahren aus dem Parkhaus, installieren die App, und fahren wieder rein. Immerhin erkennt die Schranke unser Kennzeichen, sie geht beim drauf-zu-fahren auf.

Billiges Hotel, aber mei, dafür eine nette Tapas-Kneipe in der Innenstadt gefunden. Ready for the next day. Sevilla ist bekannt für die nette Altstadt (stimmt, aber schwer zu fotografieren), eine Kathedrale (nicht schon wieder, von außen reicht), die Plaza de España (weiter unten) und die“Reales Alcázares de Sevilla“. ‚Real‘ ist übrigens doch kein Sponsoring der deutschen Supermarktkette, sondern bedeutet ‚Königlich‘ (vgl. royal), und Alcázar ist ein spanisches Wort für Palast, isb. wenn der Palast maurischen Stil/Ursprungs ist. Als Sicherheitsmaßnahme gegen Corona keine Eintrittskarten mehr ‚in Echt‘ verkauft. Ein Schild am Eingang weist auf die ‚einzige offizielle Website‘ hin. Die einzige offizielle Website ziert sich ein wenig, besonders bei der Kreditkartenzahlung, und offensichtlich nicht nur bei uns. Im Schatten des Eingangshofes stehen die Touristen nun beieinander und tippen frustriert auf ihren Smartphones herum. Wenn mit den Lockerungen wieder mehr Touristen kommen, verfehlt die Maßnahme auch ihre coronaverhindernde Wirkung.

Anyway, irgendwann sind wir drin. Wieder der Vorteil von Corona – auch nicht die riesigen Menschenmassen. Aber man wird halt auch anspruchsvoll – ich will den Innenhof jetzt ganz ohne Leute fotografiert bekommen. Eine Frau in einem rosa Kleid wird zu unseren Intimfeindin – immer etwas voraus, und muss in jedem Torbogen ein aufwendiges Selfie machen; aber es gibt auch die einfachen Nichtdenker, die im Torbogen auf der Hauptsichtachse mal den Reiseführer rausholen um sich über diese Erweiterung von König Schlagmichtot-Dingenskirchen den drölften zu informieren. Wie in der Alhambra – aufwendigste Schnitzereien, keramische Fliesen in aufwendigen Mustern (über das beste Muster konnte man sich wohl nicht einigen – es wechselt immer wieder von Raum zu Raum, teilweise von Wand zu Wand. Nach den Palasträumen dann die Gärten, komplett mit einem Pfau, dem die Tourismusbehörde wohl ab und zu ein Sonder-Leckerli zusteckt, dass er auch die Touristen anbalzt.

Dann ein kühles Getränk, ein paar Tapas, und das königliche Marine Museum im ‚Torre del Oro‘. Er ist so benannt, weil mal ein Teil davon aus Gold war, und er wurde mit einem ähnlichen Turm auf der anderen Seite des Flusses genutzt um mit einer schweren Kette feindliche Schiffe an der Weiterfahrt zu hindern. Den anderen Turm gibt es nicht mehr, an dessen Stelle ein wesentlich rentableres Restaurant mit Aussichtsterrasse. Zwei Sachen in dem Museum finde ich besonders interessant. Ein Portrait von Juan Sebastián Elcano, dem Anführer der ersten Expedition, die die Erde umsegelte. Moment! War das nicht Magellan? Erst nach einigem Forschen stellt sich heraus – es ist die gleiche Expedition, aber da Magellan (ein Portugiese) auf den Phillippinen getötet wurde, erinnert man sich in Spanien lieber an den Rückkehrer mit dem spanischen Hintergrund. Etwas weiter wird noch über den Helden von der Schlacht von Gibraltar berichtet – ein Held wegen seines Heldentodes – und der verschämte Hinweis, dass danach mit der spanischen Marine längere Zeit nicht mehr so viel los war. Lord Nelson wird nicht prominent erwähnt, der Schuft.

Als letzten Kulturpunkt unseres Ausfluges suchen wir noch die Plaza de España auf. Anlässlich der Ibero-amerikanischen Ausstellung von 1929 wurde hier kreisrundes Gebäude um einen dadurch begründeten Platz gebaut. Es scheint, als wären die Vorstellung der Bauherren und Architekten, als auch die Budgetplanung ähnlich abgelaufen wie beim Flughafen BER. Viel Keramik wurde verbaut, und aufwendige Fliesenbilder auf denen jede spanische Provinz einzeln abgebildet ist.

Fertig! Da uns die Füße mittlerweile etwas weh tun, nehmen wir ein Taxi zum Parkhaus, die Schranke erkennt unser Auto und öffnet sofort (wir müssen unbedingt dran denken, die App zu kündigen, sonst parkt jeder Nachmieter des Pandas auf meine Kosten). Rückfahrt nach Marbella durch die Berge, noch eine schnelle Pizza am Hafen – das war Kultur.

Kommerz in Granada

[auch wenn zwischendrin noch einiges passiert ist – hier fix ein bilderlastiger Eintrag aus Granada]

Furchtbar, dieser Kommerz und Ausverkauf. An die Allianz-Arena in München hat man sich ja schon gewöhnt, aber hier in Granada?!? Die ganze Burg von Granada: sponsered by SEAT Alhambra. Der Sommergarten: sponsored by the Generalife Insurance Co. of Dayton, Ohio. OK, ich gebe zu – ganz sicher bin ich mir nicht. Es gibt auch Etymologen, die den „Generalife“ im arabischen verorten, das wäre dann جنة العريف , und ließe sich grob mit Garten des Architekten oder Künstlers übersetzen. Manch einer versucht mich auch zu überzeugen, dass es die Alhambra (aus dem arabischen, grob: Die Rote) vor dem Auto gab, aber ab und zu möchte man seinen Alu-Hut halt aufbehalten.

Frank und ich haben beschlossen, das Warten auf ein Ersatzteil mit einer touristischen Reise durch Andalusien aufzulockern. Heute Granada, morgen Cordoba, Donnerstag Sevilla. In Granada wurde uns ein Hotel von Erhard empfohlen, ein Schmuckstück mit Gebäudeteilen aus dem 13. Jahrhundert. Wie sich herausstellt, freut sich Lola, die Wirtin, fast mehr über die Empfehlung als wir. Ein komplett beschissenes Jahr für die Hotelwirtin, heute haben wir das Hotel – mit Blick aus unserem Turmzimmer auf die Alhambra – ganz für uns alleine. Dennoch erzählt uns die Wirtin stolz, dass der gesamt Stadtteil – Albaicín – älter als die Alhambra ist. Also hat beim damaligen Bau wohl der Blick weniger die Rolle gespielt.

Die Alhambra, die aus mehreren Teilen besteht, hat einen ähnlichen Stellenwert wie Neuschwanstein. Ein Betrieb hier, ich sag’s Euch… durch Corona ist es tatsächlich ein Betrieb wie in einer Behörde um 15:00 am Freitag. Ohne Photoshop schaffe ich einige Motive auch ganz ohne störende Touristen. So gesehen wird das auch einer meiner selteneren Blog-Beiträgen, die eher fotozentrisch sind. Es beginnt mit dem Generalife, oben erwähnter Sommerpalast. Dann gibt es noch den Palast von Karl V, diverse Sondergärten, die Alcazaba (die Festung), und den Nasriden-Palast. Für den Nasriden-Palast werden bei der Bestellung der Eintrittskarten dreißig-minütige Zeitfenster eingeteilt. Streng wird man mehrmals darauf hingewiesen, dass ein verschieben oder überschreiten des Zeitfenster gaaaaar nicht geht. Nun ja, mag sein, aber dennoch entspannt. In dem Palast war ein Kunstschnitzer etwas länger beschäftigt. Wahrscheinlich waren es sogar mehrere. Es gibt deshalb einen besonderen Bilderabschnitt „Schnitzereinen“.

Schnitzereien

Málaga 2.0

Da wir immer noch einiges am Schiff machen müssen, und noch auf die Garantie-Lieferung eines neuen Boilers warten (in viel mehr Detail in einem zukünftigen Beitrag beschrieben), sind wir noch ein weiteres Wochenende in Andalusien. Wir laden uns bei Diana und Adriana ein, und fahren Samstag wieder nach Málaga. Diana hat einen Plan gemacht, einen kurzen Spaziergang an der Küste vom Hafen von Málaga aus nach Osten. Der Spaziergang ist am Ende über zehn Kilometer hin-und zurück, aber wir finden ein paar coole Kneipen (u.a. eine hundert Jahre alte Badeanstalt), wo man heute ein paar Bier schlürfen können. Nach dem Essen gesellt sich noch Francisco zu uns – ein Seemann aus Galizien, dem noch ein paar Monate auf See fehlen, um das professionelle spanische Kapitänspatent zu erlangen. Francisco – Fran genannt – kann nicht so gut Englisch, deshalb ist mein Spanisch auf eine Bewährungsprobe gestellt. Anfangs spricht er schön langsam und deutlich, aber jedes verständnisvolle Nicken meinerseits beschleunigt den Sprachfluss. Ich bin mir relativ sicher, dass Fran es anprangert, dass in Spanien zu wenig für die Nachwuchs bei der Seefahrt getan wird, und ich versuche radebrechend die Vorteile unserer Yacht bei Wellengang zu beschreiben. Wie gesagt – relativ sicher, dass es darum ging. Am Ende noch schnell ein Bier (auf den Spaziergang), und dann etwas Wein bei den Mädels in der Wohnung.

Am nächsten Morgen ein Ausflug in den „Parque Natural Montes de Málaga“ Wir fahren in die Berge, lassen unser Auto an einem Aussichtspunkt stehen, und laufen die Straße weiter bis zu einem Berghotel – Erfrischungen all around. Frank schlägt mit seiner topographischen App noch eine kleine Wanderung vor, ich verzichte und laufe wieder zum Auto. Eine Stunde später kommen die anderen drei auch dort wieder an, nach einer wohl etwas heftigen Querfeldein-Tour. Wir essen in dem Berghotel ein entspanntes Mittagessen, und machen uns wieder zurück auf den Weg nach Málaga. Adriana hat am Abend noch ein „Padel“-Spiel (interessante Mischung aus Squash und Tennis), wir beneiden sie nicht. So fahren Frank und ich nach einem tollen Wochenende wieder zum Schiff – die nächste Woche wartet auf uns.