Famoses Formosa

Mittwochmorgen verlasse ich mein Hotel in Kyoto und mache mich auf den Weg zum Kansai International Airport, der die gut zu merkende Kennung KIX hat. Mittlerweile habe ich eine gewisse Routine mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Vorortzug nach Osaka und dann einen Airport-Bus vom Bahnhof Umeda. Durch den Erwerb einer Wagyu-Krokette gebe ich mein letztes japanisches Bargeld aus, den kläglichen Rest auf meiner Suica-Karte setze ich an einem Automaten für einen Sprudel ein. Der Flug dauert gute drei Stunden, dann bin ich in Taipeh. Hier ist es nochmal ein Stück wärmer und feuchter; Puh. Ich habe mich ins CitizenM Hotel eingebucht, eine Viertelstunde Laufentfernung zum Hauptbahnhof. Dort bekomme ich ein kleines Zimmer im 20 Stock, und hätte einen direkten Blick auf das Taipeh 101 Gebäude – wenn da nicht auf halber Strecke das Ich-Bin-Im-Weg 60 Gebäude stehen würde. Trotzdem ein cooler Ausblick. Bei CitizenM denke ich sofort an „M – eine Stadt jagt einen Mörder“, aber meine Zeit im Hotel bleibt ruhig. Da Hotel versucht möglichst modern zu sein, wir sind ja alle so coole travelling citizens. Das Zimmer lässt sich mittels des zur Verfügung gestellten iPads steuern, ich probiere am nächsten Morgen die Stimmung „Fokus“ aus, aber hab nach kurzer Zeit eher die Stimmung ‚genervt‘. Auf dem Bildschirm laufen psychedelische Muster, die Decke des Bades (mit einer lichtdurchlässigen Scheibe vom Rest vom Zimmer abgetrennt) zeigt welche Farbkombinationen sich mit modernen RGB LEDs erzeugen lassen.

Ich bekomme Hunger. Eigentlich gibt es viel in der Umgebung, aber die meisten Restaurants sind dann japanisch, koreanisch, amerikanisch oder sonstwas. Taiwanesisch und gut bewertet sind nicht so viele. Ich suche und finde Dong Yi Pork Chop Main Store, etwas versteckt im 2. Stock. Nix auf der Speisenkarte macht mich so richtig an, am Ende nehme ich etwas Chicken. Es kommen ein paar Stücke Huhn in einer Brühe, in der noch zwei Würfel schwimmen, die evtl. Blutwurst sein könnten. Es ist wahrlich chinesisch, die Hühnerteile mit Knochen, eher zu gewichtig um sie von den Stäbchen zu essen, aber halt auch suppennass. Immerhin habe ich noch ein paar frittierte Shrimps bestellt, die sind uneingeschränkt lecker. Ca. 60 Sekunden nachdem das Essen auf dem Tisch steht, kommt die Überraschung. Der Kellner fordert sofortige Barzahlung. Ooops. Ich mache ihm klar, dass ich kein Bargeld habe, und dass ich jetzt erst esse, und wir das dann klären. Nach dem Essen hinterlasse ich meinen Personalausweis als Pfand und hole im 7-11 gegenüber am Geldautomaten genügend Bargeld für die nächsten drei Tage (Spoiler: ich bleibe vier). Das Hotel liegt im HiFi/Audio-Viertel. Fast jeder zweite Laden verkauft teure Kopfhörer, teure Verstärker und noch teurere Lautsprecher. Ich schwitze mich zum Hotel zurück, und nutze die Happy Hour für zwei Cocktails. Dann verziehe ich mich in mein kühles Zimmer – eine Wohltat – und plane ein wenig. Für den nächsten Abend buche ich eine Food-Tour, damit ich an den restlichen Abenden weiß, was mir schmeckt. Da ich auch andere Touren gebucht habe, lasse ich den Donnerstag gechillt angehen. Also Ausschlafen, ein bisserl am Laptop machen, mittags einen kleinen Ausflug in das XiMen Viertel zum Essen (nicht begeistert, aber ok).

Treffpunkt für die Food-Tour ist 19:30 am Longshan Tempel, statt der avisierten Cyndi empfängt mich ein Vincent, und unsere Gruppe besteht nur aus vier Gästen. Los geht’s. War ’ne sinnvolle Idee. Alleine hätte ich nicht wirklich verstanden, was es genau ist, dass die ganzen Streetfood Stalls zu bieten haben. Als erstes gibt es einen Oyster-Pancake, eher eierlastig. Interessant, aber wird nicht mein Favorite. Zwischenzeitlich erzählt Vincent ein wenig, er ist in den USA geboren, sein chinesischer Vater kam zurück nach Taiwan, als man dort zum Aufbau der Halbleiterindustrie Fachkräfte suchte. Der Markt hier ist zwischen der alten Innenstadt und dem Fluss, und früher waren hier viele einfacher Arbeiter unterwegs. Die durften ihre Familien nicht mitbringen, aus Angst vor zu viel Aufmüpfigkeit, deshalb war das auch lange Zeit ein Rotlichtviertel. Roter Lichter gibt’s auch noch, aber sie blinken im Takt abwechselnd mit blauen und grünen. Was es aber noch gibt sind einige Massagesalons (ohne happy end), und ein paar DVD-Läden der eindeutigeren Art. Es geht weiter, zu einer dickflüssigen Suppe, gut gestärkt mit Tinten- und normalem Fisch. Auch die Suppe kommt nicht in die Top 10. Offensichtlich hat der Tourenveranstalter mit einigen Läden hier special Deals, vor einem Laden für Suppen-Dumplings bekommen wir fast im Vorbeilaufen ein Tablett mit vier Teigtaschen kredenzt. Da zwei unserer Gäste kein Schweinefleisch essen (Schade, eigentlich), bekommen Emily und ich jeweils zwei. Die Teigtaschen enthalten auch Brühe, und der Guide verrät den Trick: die erkaltete Brühe ist fest genug, dass man etwas davon mit in die Taschen packen kann, welche sich dann beim Garen wieder verflüssigt. Danach mal wieder ein Laden zum Hinsetzen. Es gibt Reis mit geschmortem Schweinefleisch, Kraut, Bambus-Sprossen, gebratener Tofu und ein hartgekochtes Entenei. Eher so meines, aber langsam stellt sich auch ein Sättigungsgefühl ein. Danach noch die Mutprobe: Stinky Tofu. Seinen Namen hat der fermentierte Bohnenkuchen redlich verdient. Er stinkt nicht nur am Tisch hinter dem Verkäufer, sondern strahlt auch auf die Stände daneben aus. Dennoch, probiert muss er werden, denke ich mir. Interessant, deutliche Ammoniak-Noten. Wir haben die gebratene Variante bekommen, da verfliegt schon ein Teil der etherischen Öle, und das finde ich nicht schlecht. Auch das werde ich mir nicht selber bestellen, aber gut es mal probiert zu haben. Noch ein kurzer Ausflug in die auch in Taiwan allgegenwärtigen Convenience Stores. Hier ist mir eine Packung Erdnussflips in Erinnerung geblieben, deren Namen übersetzt so viel wie ‚benimm Dich‘ bedeutet. Die manchmal etwas abergläubischen Chinesen essen sie nicht nur, sondern verwenden auch die vollen Packungen um die ‚Maschinengötter‘ zu besänftigen. Offensichtlich liegt gerne auch auf High-Tech-Maschinen eine Packung davon, damit sich die Maschine benimmt. Tatsächlich liegt in unserem Tourbus am nächsten Tag eine offensichtlich nicht zum Verzehr gedachte Packung ‚Benimm Dich‘ in der Gepäckablage. Es hat wohl schon öfters unter Gepäck gelitten, das Gebäck. Mein Abschluss ist dann noch ein frittierter Fischteig am Stiel, die anderen bekommen noch einen Ice-Cream Burrito, auf den ich verzichte. Fazit: Interessant, aber taiwanesisches Essen wird nicht meine Lieblingsküche. Wobei – wegen der bewegten Geschichte gibt es in Taiwan Flüchtlinge aus ganz China, die jeweils ihre eigenen Gerichte mitgebracht haben. Wahrscheinlich muss man nur die Ecke mit den Geflüchteten aus der Provinz Sichuan finden, und alles ist wieder gut.

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