Gleich bekommen wir Schimpfe. Wir stehen auf dem Fahrweg des Werftkrans zwischen diversem Eisenschrott, und wissen, dass wir dort eigentlich nicht sein dürfen. Ich noch dazu in FlipFlops, wo wahrscheinlich Helmpflicht herrscht, und Sicherheitsschuhe gefordert wären. Aber das äußere Trockendock ist nicht mehr trocken, sondern wird geflutet, schon spannend. Es springen diverse Leute umher, und einer kommt auf uns zu; wir bereiten uns schon auf Schelte und Gegenausrede vor. Aber der ältere Herr in T-Shirt und Shorts begrüßt uns freundlich, woher wir kommen? Er erzählt ein wenig von dem weißen Schiff im Trockendock, was nun langsam wieder anfängt zu schwimmen. Es stellt sich heraus, dass er Juha heißt, und der Eigentümer ist, und meint, dass zwei der Helfer auf dem Schiff auch aus Deutschland sind. Kommt mit! Wir laufen über das Schleusentor zwischen den beiden Docks auf die bewaldete Seite. Dort wurden die diversen Spanngurte gelöst, mit denen die Masten an den Bäumen befestigt waren. Der Kollege im weißen Hemd ist Till. Er stellt fest, dass das Schiff noch an einem Baustromverteiler hängt, wir dürfen es ausstecken und das Kabel rüberreichen. Juha erklärt, dass sie das Schiff auf die andere Seite des dann gefluteten Docks fahren werden, um noch ein paar Ausrüstungsteile an Bord zu bringen. Während wir uns noch fragen, wie sie den Dreimaster dort rüber bekommen wollen, machen die Helfer die Leinen los, und ein anderer Helfer zieht an der Wäscheleine, die sie über das Becken gespannt haben. Einer der treidelnden Helfer hat auch nur Crocs an, da fühle ich mich gar nicht so underdressed.
Juha hat uns noch angeboten, dass wir das Schiff ansehen; Till wird uns führen. Wir machen aus, dass wir später wiederkommen, wenn der Stress hier vorbei ist. Am Rande des Docks laufen ein paar rostige Wasserleitungen, an denen binden sie die Anny fest, die Vorleine wird an einer Geländerstütze festgemacht.
Die Anny von Hamburg ist nicht das einzige historische Schiff hier auf der Insel, aber es nähert sich seiner Vollendung. Am Nachmittag schauen wir tatsächlich vorbei, und Till und seine Freundin Nino zeigen uns das Schiff. In den ehemaligen Laderäumen sind 10 stattliche Kabinen, und auch der Salon lässt sich sehen (wird sich sehen lassen, wenn die diversen Kisten mit Werkzeug und Ersatzteilen weggeräumt sind). Till hat ein paar Semester Informatik studiert, aber bei gutem Wetter hat er keine Lust, am Rechner zu sitzen. Er ist auch in einem deutschen Verein zur Erhaltung eines historischen Schiffs aktiv, der „Windbraut zu Stade“, und wurde von Juha angeheuert, um sich bei der Anni um das Rigging zu kümmern. Juha erzählt, dass die Vorschriften in Finnland für den Umgang mit solchen Hobbies sehr entspannt sind, Till nickt zustimmend. Tatsächlich sieht man Sicherheitsvorschriften nicht so eng; Juha meint, es ist hier der ‚Wilde Westen‘. Manches scheint sogar Till nicht ganz geheuer – auf die prekäre Situation mit den Festmachern angesprochen, meint er, dass aus seiner Sicht das Stromkabel auch gewertet werden müsse – es sei schließlich recht dick.
Wir laden Nino und Till noch auf ein Bier auf unser Schiff ein, aber sie können nicht zu lange bleiben – so much work to do.