Aa-choo

„Aa-choo“, meint die Rezeptionistin des Magnus Hotel in Kaunas. Ich bin geneigt, ihr Gesundheit zu wünschen, aber eigentlich sah es gar nicht nach nießen aus. Wie üblich in einem neuen Land habe ich nach dem geschäftlichen Teil danach gefragt, wie man hier Danke sagt, und sie meinte „aa-choo“. Ich bekomme es nicht aus meinem Kopf, das lautmalerische Comic-Nießen; die verarscht mich doch. In meinem Zimmer frage ich Google, „Danke“ heißt auf litauisch „Dėkoju“. Die Szene aus Monty Phyton’s Flying Circus kommt mir in den Sinn, mit dem falschen Sprachführer („könnten Sie mir bitte heftig den Popo streicheln?“ – „Ah ja, der Bahnhof ist da hinten, zweite Straße links“). Am nächsten Morgen probiere ich es beim Taxifahrer, auch er nießt als Antwort. Etwas später klärt es sich auf. Ein mehrsprachiges Schild in einer Kirche bedankt sich für die Spende mit „Ačiū“, obwohl ich gar nichts eingeworfen habe. So verarsche ich Litauen zurück.

Ich bin in Kaunas. Die erste Version der Törnplanung hätte uns ja die polnische Küste entlanggeführt, und wir hätten wahrscheinlich in Klaipėda Halt gemacht. Durch unsere Umplanung über Schweden haben wir aber Litauen ausgelassen, und das sehe ich gar nicht ein – da war ich noch nie! Wahrscheinlich ist auch so die ganze Idee mit dem Rückweg über Land gekommen; das etwas zu kurz gekommene Baltikum und Polen eben alternativ zu erleben. Die Verkehrsverbindungen hier oben sind etwas gewöhnungsbedürftig – es geht nicht jede Stunde ein Bus, und schon gar kein Zug. Tatsächlich wäre die Zugverbindung von Riga nach Kaunas oder Vilnius richtig abenteuerlich gewesen, und so nehme ich am Ende einen Flixbus, der ein paar Umwege fährt, und erst um ein Uhr morgens in Kaunas ankommt. Die späte Abfahrt ist dem geschuldet, dass ich versprochen hatte, von unterwegs auch etwas zu arbeiten, und so am Montagnachmittag ein paar Calls anstanden.

Kaunas, so lese ich irgendwo, war in 2022 Kulturhauptstadt, und ich lege hier einen kurzen Stop ein. Am frühen Nachmittag geht es weiter per Zug nach Warschau. So stehe ich für meine Verhältnisse früh auf, lasse mich mit dem Taxi in die Altstadt fahren, und gehe dann langsam zurück. Eine nette Stadt, aber hin- und weg ist anders. Kaunas liegt wie Klaipeda an der Memel, und den Fluss kennen wir aus dem verbotenen Teil unserer Nationalhymne. Bis hierhin ging also mal das Deutsche Reich (also bis zum anderen Flussufer, die Altstadt ist auf der Nicht-Reichs-Seite). An die Mischung von Vorkriegs-Alt, Sowjet-Ungepflegt und aufstrebend EU-Modern habe ich mich mittlerweile gewohnt, und die Sprache scheint ähnlich; die Situation bei Danke (das lettische Paldies vs. Ačiū) muss ich wohl als die regelbestätigende Ausnahme annehmen. Aber die Litauer scheinen sich weniger Gedanken zu machen. Hier steht fast alles nur auf Litauisch, man sieht kaum kyrillisch, aber auch wenig Englisch. Witzige Ausnahme: Das Taxameter und die Supermarktkasse, hier erkenne ich Russisch.

Zugfahrt nach Warszawa

Um 13:05 bin ich am Bahnhof, bereit für das Eisenbahnabenteuer. Ich werde enttäuscht: die Litauer setzen einen modernen Dieseltriebwagen ein, der bis kurz vor die polnische Grenze fährt, in Mockava müssen wir umsteigen; ein polnischer Intercity holt uns ab. In Litauen, wie im gesamten Baltikum wird noch auf russicher Breitspur mit 1520mm gefahren, auf der anderen Bahnsteigsseite in Mockava ist dann europäische Normalspur mit 1465mm. Es gibt zwar Pläne – ein hochpriorisiertes Projekt der EU – mit Rail Baltica eine Hochgeschwindigkeitsstrecke in Normalspur Wahrschau bis Tallin bzw. mit Tunnel nach Helsinki zu machen, aber außer Bauarbeiten am Rigaer Bahnhof sehe ich bislang wenig davon.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert