Crash! Boom! Bang! Pieks.

Es macht einen lauten Rumms! Es ist sechs Uhr morgens. Die Seestern schüttelt sich, das Schiff schaukelt ganz anders – eine Kollision. Ich stand gerade nicht am Steuer, ich stürze hoch, sehe den Schaden. Der Heckkorb ist verbogen, an der Steuerbordseite sind die hinteren vier Relingstützen nach innen abgeknickt, die ganze Reling sieht kaputt aus. Offensichtlich hat auch Frank geschlafen. So ein Malheur!

Das beschädigte Boot dreht noch eine Runde im Hafen, legt dann im Päckchen neben uns an. Ach so – dachtet Ihr, dass wir beschädigt sind, auf der Wache geschlafen haben? Nein. Wir lagen ganz brav im Hafen von Boulogne-sur-Mer, schliefen also den Schlaf der Gerechten. Wir schauen nach unserem Bug, denn dort hat die auslaufende Bavaria uns getroffen. Vielleicht haben sie etwas Kruste von unserem Anker entfernt, sonst sieht alles normal aus. Aber an der Bavaria, da hat unser Anker eher ganze Arbeit geleistet. Auch die Besatzung der neben uns liegenden belgischen Fenix, Anne und Yves, sind nun an Deck. Mit Taschenlampen begutachten wir unseren Schaden, stellen nichts fest. Dennoch, die Bavaria bleibt liegen („it’s not safe, with the damage“), und wir einigen uns darauf, um sieben – bei Tageslicht – noch einmal zu gucken. Ich döse also noch 50 Minuten, dann bestätigt sich: kein Schaden bei uns. Der Hafen von Boulogne-sur-Mer liegt in der Mündung des Flusses Liane, die Strömung quer zur Gasse zwischen den Stegen kann tückisch sein. Innerlich sind wir heilfroh; es hätte uns genau so passieren können. Aber wir sind am Tag zuvor angekommen, in der Dunkelheit ebenso um sechs, und haben uns für ein Platz am Ende des Steges entschieden, im Päckchen mit der Fenix. Für uns wird das Ablegen sehr einfach sein. Ich schlafe nochmal ein, bis 8:15. Eigentlich wollen wir heute noch nach Dünkirchen, geplante Abfahrt um 11:00, um den Tidenstrom bei Calais für uns zu nutzen. Aber vorher will ich noch einmal das lokale Impfzentrum besuchen. Vor neunzehn Tagen war meine Erstimpfung mit Biontech, am Freitag könnte ich lt. RKI-Empfehlung meine Zweitimpfung bekommen.

Frank glaubt nicht daran. Er hat das Internet lange konsultiert, Frankreich impft seine Bürger und Menschen mit ständigem Wohnsitz in Frankreich. Mein Hirngespinst, dass die Franzosen das vielleicht nicht so genau nehmen – mei, probier’s halt, wirst schon sehen; die haben ja auch ihre Vorschriften. Also mache ich mich um kurz nach neun auf zu dem ‚Centre de Vaccination‘ in Boulogne. Ich stelle mich brav an, und versuche auf Französisch mein Anliegen vorzutragen. Es klappt (das mit dem Französich). Der junge Kollege am Empfang verweist mich an seine ältere Kollegin. Die scheint einer Impfung nicht ganz abgeneigt. Ich erkläre, dass ich eigentlich nur theoretisch frage – ich darf ja erst in zwei Tagen. Na gut, meint sie, dann machen wir halt einen Termin für dann. Hmmm. Wollen wir hier warten? Oder in Dünkirchen oder sogar dann in Belgien unser Glück probieren? Wir diskutieren etwas am Schiff – geimpft zu sein wäre schon gut, die Daumenschrauben werden europaweit schon ausgepackt. Seit gestern braucht man in Frankreich einen ‚Pass Sanitaire‘, zu erreichen mit einem 72 Stunden jungen Antigen-Test für 25€. Dass ähnliches auch in anderen Ländern kommen wird, ist klar. Um weiter stressfrei zu leben, bin ich auch bereit, am Wochenende fix nach Aachen zu fahren, und mich dort impfen zu lassen – immerhin wäre ich dann ab September wieder ein relativ freies Mitglied der Gesellschaft.

Am Ende beschließen wir, in Boulogne zu bleiben, aber den Termin jetzt fest zu machen, dass da weniger dazwischen kommen kann. Wir laufen wieder zum ‚Centre de Vaccination‘. Da wir nicht so ganz in den Prozess passen, nimmt uns die gleiche ältere Kollegin auf die Seite. Frank dürfte schon morgen, aber der erste freie Termin auch für ihn ist am Freitag. Ob er auch jetzt könnte? Ja. Er wird ohne weiteres warten abgeführt. Die Dame wendet sich mir zu. Sie versteht schon, dass es erst übermorgen Zeit wäre, aber könnte ich auch jetzt? Klar. Sie schickt mich zu Box 5; mir folgt eine Dame mit einer Schale voller aufgezogener Spritzen. Sie setzt sich an einen Computer, weist mich auf den Platz neben sich. Es fehlt eine französische Sozialversicherungsnummer. Sie tippt die Zahlen meiner Krankenversicherungskarte ein (Die Buchstaben lässt sie weg, die nimmt die Maske nicht). Als Adresse nehmen wir 5 Quai Chanzy, das ist der Hafen. Dann muss sie schnell noch die Erstimpfung eintragen (auch als heute), denn ohne Erstimpfung im System kann man die Zweitimpfung nicht anlegen. Die Warnung, dass drei Wochen Zeit vergehen sollten, klickt sie einfach weg. Mittlerweile ist ein weitere Helfer gekommen, der wie Ghandi aussieht. Er kann ein paar Worte Englisch, freut sich sie anzuwenden, bitte Ärmel hochkrempeln, Pieks, fertig. Das DIN A4 EU-Impfzertifikat fällt aus dem Drucker. Ich versuche noch, mein gelbes Impfbuch gestempelt zu bekommen. Ghandi nimmt mich mit, das muss ein Arzt unterschreiben – bei welchem hatte ich denn mein Beratungsgespäch? „Aucun“, meine ich – bei niemandem. Er schluckt etwas. Das hätte wohl nicht so sein dürfen. Am Ende überzeugt er mich – das DIN A4 Blatt reicht schon. Ich gehe zu Wartezone, Frank ist gleichzeitig fertig geworden. Wir vergleichen ungläubig unsere Erfahrungen. Frank brauchte keine Sozialversicherungsnummer, hat aber einen kleinen Aufkleber mit Impfstoff, Chargennummer und ein paar unleserlich eingetragenen Kugelschreiber-Kritzeln bekommen (er hat sein Impfbuch auf dem Schiff gelassen – undenkbar, dass es sofort klappen würde). Also gehe ich zurück zu Ghandi und bekommen auch den Aufkleber, den ich mir selber ins Buch klebe. Nach fünf Minuten warten beschließen wir, dass wir den Prozess auch abkürzen können. Wir beenden unsere fünfzehn Minuten Wartezeit, und gehen zurück zum Schiff. Weil wir’s können, legen wir uns für den Nachmittag hin. Morgen nach Dünkirchen reicht auch. Es sind jetzt zehn Stunden nach der Impfung, und noch warten wir auf Nachwirkungen…

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