[Ja, da fehlen noch einige Berichte zwischendrin, aber hier mal etwas Bilderlastiges]
Nichts hält so lange wie ein Provisorium, und manchmal bietet eine Notlösung ein tolles Erlebnis. Als Segler ist man ein Spielball der Naturgewalten, hilflos den Elementen ausgesetzt. So müssen wir uns nach Wind und Wetter richten. Eigentlich wollten wir etwas länger in dem Schärengarten zwischen Turku und Åland bleiben, und erst dann nach Norden weiterfahren, aber die Spielball-Vorhersage meint am Freitagabend: Morgen gibt’s nochmal guten Wind um nach Norden zu fahren, dann regnet es zwei Tage, und guten Wind gibt’s auch nicht mehr. Also beschließen wir, die Reise nach Norden entlang der finnischen Westküste anzutreten. Eigentlich wollen wir nach Rauma, ein als nette Altstadt mit alten Holzhäusern (in den meisten Städten sorgten große Brände für einen Neuaufbau in Stein) beschriebenen Stadt an der Westküste. Das sind aber über 60 Seemeilen, also 12 Stunden Segeln bei möglicherweise heftigeren Bedingungen. Oder vielleicht nach Uusikaupunki (kann ich mir nicht merken, den Namen, ich nenne es Uli-Kaugummi), auch 40 Seemeilen, und man muss ein ganzen Stück vom offenen Meer rein in die Stadt, und am nächsten Tag wieder raus. Aber die finnische Website mit Gästehafen zeigt noch einen Hafen mitten im Meer auf einer kleinen Insel namens Isokari. Vielleicht probieren wir’s dort?
Am Samstagmorgen zweifeln wir noch an dem Plan – es pfeift gar garstig über den Hafen, und die Windprognose sagt 20 Knoten, mit Böen bis zu 35 Knoten. Das sind 65 km/h – das kann das Boot zwar ab, ohne dass es gefährlich ist, aber angenehm ist es nicht mehr; eher wie bei Schneesturm weiter Ski zu fahren, damit sich die Liftkarte gelohnt hat. Ich hadere noch ein wenig, wir trödeln noch mit einem Kaffee, aber dann – los geht’s, es hilft ja nicht. Wir setzen das dritte Reff im Großsegel, und auch sonst so wenig Segelfläche wie möglich, und fahren aus der Abdeckung der Insel vor dem Hafen nach Norden auf’s offene Meer. Der Windmesser fällt auf 9 Knoten. Murphy segelt mit. Danach entwickelt sich der Tag positiv. Es hat 20 Knoten Wind, da wirkt unsere reduzierte Segelgarderobe nicht gaaaanz lächerlich, und die Richtung erlaubt uns zwischen den Inseln die direkte Route nach Norden. Nach ein paar Stunden hat der Wind etwas nachgelassen, wir lassen noch alle Segel raus, und es geht weiter. Murphy wäre nicht Murphy, wenn der Wind nicht 20 Minuten vor dem Einlaufen in den Hafen wieder ordentlich auffrischt – Anlegen mit 20 Knoten Seitenwind gehört zu den Highlights im Seglerleben.
Der Hafen ist winzig – für Schiffe unsere Größe gibt es zwei Plätze, einer ist schon belegt. Der zweite Platz ist aber super-easy – nebendran fahren, aufstoppen, vom Wind an den Steg drücken lassen. Hello Isokari.
Auf Isokari gibt es eine Lotsenstation, die Schiffen in den Hafen von Uli-Kaugummi lotsen könnten, aber viel Betrieb scheint da nicht. Ansonsten macht nicht nur der Hafen, sondern die ganze Insel den Eindruck – winzig und verschlafen. Eher spöttisch frage ich, ob wir hier Essen gehen wollen, oder doch selber kochen, und JUB – Herausforderung angenommen – schaut nach Restaurants auf der Insel. Es soll tatsächlich eines geben, es ist gut bewertet. Ich frage die Hafenmeisterin, und sie weist auf eine nur in finnisch gehaltene Karte. Wir müssten eine Stunde vor dem Besuch bestellen, aber dann würden sie sich auf uns freuen. Wir suchen auf der von Google drollig übersetzten Karte etwas zu Essen aus, ein Fischteller als „erste Strasse“, als „Rektor“ ein „Als Fischer auf gepresstem Brot“ und danach ein „Schlammkuchen“.
Eine knappe dreiviertel Stunde später machen wir uns auf zum Leuchtturm in der Mitte der Insel, daneben in einem ehemaligen Kasernengebäude das Ravintola Mainio. Auf der Terrasse sitzen noch zwei andere Gäste. Mittlerweile schockieren die Preise in Finnland nicht mehr so sehr, wir bestellen eine Flasche Wein dazu und genießen das überraschend gute Essen. Das hätte ich nicht erwartet. Wir unterhalten uns mit der Bedienung, das Hauptgeschäft wären Tagestouristen die mit einem Ausflugsboot zum Leuchtturm kommen, am Abend ist es eher weniger, aber da noch ein paar andere Gebäude der ehemaligen Militäranlage als Ferienhäuser vermietet werden, müssen ja auch die Gäste gefüttert werden.
Nach dem Essen, und – warum nicht? – einer kleinen Flasche Sanddorn-Sekt, gehen wir noch zum Leuchtturm, und dann an die Westseite der Insel, um den Leuchtturm in der untergehenden Sonne zu fotografieren. Die Westseite der Insel ist eine wunderschöne Felsküste, und wir stromern ein wenig nach Norden. Boah, ist das schön hier.
Wir bekommen die Idee, einfach um die kleine Insel herum wieder zum Hafen zu gehen, nach einer knappen Stunde schaue ich mal kurz auf Google Maps: Huch, ganz so klein ist die Insel gar nicht. Immer wieder gibt es sumpfige Einschnitte, und durch den Wald in der Mitte scheint auch nicht sinnvoll. Außerdem geht die Sonne gerade unter (na gut, das ist kein Argument, auch nach Sonnenuntergang bleibt es hell genug). Anyway, wir drehen um und gehen zum Schiff zurück, und sehen noch die letzten Minuten vom Achtelfinale Deutschland gegen Dänemark. Ein gelungener Tag, was sind wir froh, dass wir hierher gefahren sind.