Huch, da hat’s geblitzt. Jedenfalls war das Vorsegel kurz etwas heller erleuchtet – aber von Gewitter war nirgendswo die Rede. Da, schon wieder. Ich schaue mich um – könnte es tatsächlich von dem Leuchtturm kommen? Der Leuchtturm auf Sa Dragonera – am westlichsten Ende von Mallorca – ist ca. sieben Meilen entfernt, aber zaubert doch etwas Licht an unser Segel. Das Leuchtfeuer – sagt unser Navi auf Anfrage – ist 130m über dem Meeresspiegel, blinkt alle 7,5 Sekunden auf, und hat eine Tragweite von 21 Seemeilen. Also bei guter Sicht wäre das Licht aus ca. 40 Kilometern zu sehen. Was gibt’s sonst noch zu sehen? An Steuerbord ist ein helles Licht, welches zu dem AIS Target der „Sara y Thesa“ passt, ein Fischerboot. Etwas daneben ein einsames rotes Licht – das wäre dann wohl ein Segelboot, dessen linke Seite wir sehen. Ziemlich direkt hinter mir blinkt es viermal auf, dann bleibt’s etwas dunkel, das ganze wiederholt sich nach 20 Sekunden. Das ist der Leuchtturm auf dem Cap de Cala Figuera (mit unserem Hafen von vor 1,5 Wochen weder verwandt noch verschwägert). An dem sind wir sehr nah vorbei gefahren, als wir so gegen 21:30 aus unserer Abendessen-Bucht gestartet sind. Interessanterweise hat der Leuchtturm geschielt – die vier Lichtkeulen waren nicht auf die gleiche Höhe ausgerichtet, zwei davon gingen tiefer. In der Zeit bevor man ein präzises GPS Navigationsgerät hatte, waren diese Leuchtfeuer das A und O der Navigation. Die Leuchttürme heben sich immerhin recht gut ab von den Lichtern der Stadt. Üblicherweise saß damals einer unter Deck an der Karte, und einer war mit Fernglas an Deck. Man sieht das Leuchtfeuer, man versucht die Kennung zu beschreiben. Hmmm – es blinkt viermal, dann bleibt es dunkel. Nochmal. Dann fängt man beim ersten Blinken zu zählen. Einundzwanzig, zweiundzwanzig… fünfunddreißig. Gibt das runter an den Navigator. Der sucht, findet etwas ähnliches (der kennt das schon, Chris zählt zu langsam) „Könnten es auch 20 Sekunden sein?“. Ich zähle etwas zügiger – einundzwanzig, zweiundzwanzig… einundvierzig. Ja, das ist er wohl. Dann würde man die Richtung zu dem Leuchtturm ermitteln, einen Strich auf die Karte machen – irgendwo auf dem Strich, da ist jetzt das Schiff. Dann sucht man sich ein zweites Leuchtfeuer, same procedure, und wo die beiden Striche sich kreuzen, da ist jetzt das Schiff. Wahnsinn, wenn man daran zurückdenkt. Heute drückt man ein wenig auf seinem Navi-gerät, eine gepunktete Linien zeigt den Weg zu dem nächsten Wegpunkt, die grüne Linie zeigt den aktuellen Kurs des Schiffes an, und parallel errechnet das Ding, dass man in 10h 35m 17s an dem Wegpunkt ankommen wird – der Puerto de San Miguel an der Nordküste Ibizas. Das natürlich nur wenn man genauso weiterfährt wie bisher (Wind, Welle, Kurs), also eigentlich sicher nicht in 10h und 35m. Stimmt, meint das GPS, 11 Stunden, oder doch nur 9?
Wieder ein langer Rundumblick: der Fischer hat sein Licht ausgemacht, der Segler ist wohl abgebogen, Sa Dragonera ist zwar noch gut zu sehen, erleuchtet aber nicht mehr das Segel, und die Lichter von Mallorca hinter uns tauchen langsam hinter den Horizont. Vor uns: Nur Dunkelheit, und ca. 40 Meilen weiter, Ibiza. An vielen Stellen, wo die Seestern das Meer aufwühlt (also im wesentlichen in der Bugwelle) ist Photoplankton zu beobachten. Das gibt kleine Lichtblitze von sich, wenn es ‚erregt‘ wird. Sieht man natürlich nur bei ordentlich Dunkelheit, aber davon kann man ja jetzt sprechen. Es ist 01:30 morgens. Die Gesamtstrecke zu unserem Ziel war ca. 60 Meilen, bei dem vorhergesagten Wind mehr als 12 Stunden. Wir haben uns entschieden einen ‚late check-out‘ in Palma zu machen, kurz in einer Bucht zum Abendessen zu halten, und dann weiter zu fahren. So sind wir irgendwann am Vormittag da.
Nach Cabrera waren wir wieder drei Tage auf Mallorca selber. Die erste Nacht in der Cala Pi – eine enge und beeindruckende Bucht mit nahem Ferienort. Wie üblich hat Trip-Advisor einem mit leckeren Restaurants den Mund wässrig gemacht, die Nachsaisonsrealität führte zu einem dunklen Spaziergang durch ein gänzlich ausgestorbenen Ort, vorbei an verrammelten Kneipen mit 4,7 Sternen als Bewertung und dem Hinweis ‚opens at 19:00‘. Man will sein Handy anbrüllen – guck hin, es hat nicht auf!!! Also doch mal wieder Spaghetti Pesto am Schiff. Am Tag drauf ausschlafen, etwas baden gehen, etwas in der Sonne sitzen, und das Leben genießen. Uns fällt wieder auf, wie schön das Deck von der Seestern ist, wenn mal das Dinghy neben dem Schiff im Wasser dümpelt. Auf der freien Fläche wäre noch Platz ?. Später am Tag fahren wir nach Palma – ein riesiger Hafen, einige Marinas, wir haben uns die günstigste ausgesucht. Wir könnten das Schiff auch länger hier lassen, falls es einen Lockdown geben würde. Der Liegeplatz (also eine 13×3,8m große Pfütze) kostet für einen Monat so viel wie eine Zwei-Zimmer-Wohnung in München, wir haben auch schon andere Angebote für knapp 2000€ bekommen – in der Nebensaison. Die spinnen.
Tatsächlich sind wir im „Real Club Nautico Palma“ untergekommen. Das Real hat hier eine ganz andere Bedeutung als zB in @RealDonaldTrump, hier in Spanien heißt das königlich – wäre DeppenDonald wahrscheinlich auch ganz lieb gewesen; keine nervige Wahl deren Verlust einem noch diverse Gerichte erklären müssen. Was macht den Club ‚königlich‘? Ist es der Dieselfilm auf dem Wasser, der etwas purpurner schimmert als anderswo, oder Zigarettenstummel der Marke „Lord“? Nein, tatsächlich war Don Juan Carlos I, der abgedankte spanische König hier Mitglied, er war ein begeisterter Segler. Juan Carlos hat sich gegen Ende seiner Regentschaft in einiger Hinsicht etwas disqualifiziert – Affären, Korruptionsvorwürfe, und eine teure Safari mit Elefantenjagd als Spanien 2009 unter der Finanzkrise litt. Ich mag ihn trotzdem. Ich lebte ja in Spanien anfangs in einer absoluten Diktatur – gut, das hat mich als fünfjährigen noch nicht so arg getroffen, aber ich erinnere mich noch dunkel, den Trauerzug für Francisco Francos Begräbnis im damaligen Schwarz-Weiß-Fernseher zu sehen, und dass sich meine Eltern fragten, was denn nun in Spanien sein würde. Don Juan Carlos drehte das Land zu einer Demokratie um. Wenn ich jetzt Wikipedia lese, hat er das vielleicht nicht sofort und alleine gemacht, aber war sicherlich eine treibende Kraft.
In Palma folgen wir der Empfehlung von einer von Franks Arbeitskolleginnen, und bekommen leckere Tapas und ein T-Bone Steak, was – in mundgerechte Streifchen geschnitten – auch als Tapas durchgeht. Wir schaffen es mit dem Taxi gerade noch vor Beginn der Ausgangssperre auf’s Schiff zurück. Obwohl wir eigentlich nur eine Nacht bleiben wollten, sind wir dann doch zwei geblieben. Am zweiten Abend waren wir dann indisch essen und ich bin danach – ungewöhnlich – früh ins Bett, während Frank noch mit einem Stegnachbarn mit einem ähnlichen Schiff ein paar Bierchen getrunken hat. Was uns wieder auffällt – wie schön Mallorca ist, auch in Palma (wo wir natürlich nicht in der berüchtigten Bier- und Schinkenstraße waren) – passt also gar nicht zu der prolligen Überschrift ;-).
Eigentlich war der Eintrag damit fertig. Es war drei Uhr morgens, meine Schicht zu Ende, und am nächsten Tag auf Ibiza wollte ich alles veröffentlichen. Wie üblich – kleine Verzögerungen. Wir hatten uns eine Bucht für’s ankommen ausgesucht – die Erfahrung zeigt, dass man nach einer durchfahrenen Nacht erstmal nur eines will: schlafen. Tatsächlich war der Schlaf während der Freiwache nicht sehr erholsam – bis dahin gab es eine aufgebaute Welle von hinten, die jetzt nicht wirklich schlimm war (nicht „puh!“), aber doch das Schiff kräftig geschaukelt hat. Einigen von Euch ist aus einem vorherigen Beitrag noch die optimale Schlafstellung in Erinnerung, und auch wenn mittlerweile fast nichts mehr sich selbstständig über den Fußboden verteilt – in den Schränken hört es sich dennoch an, als wären am Ende der Reise nur noch Scherben über. Leider ist die ausgewählte Bucht so geeignet wie gedacht – der optimal geschützte Arm der Bucht mittlerweile aus Naturschutzgründen zum Ankern gesperrt, und in dem anderen Art – dort wo es für uns optimal zum Ankern gewesen wäre (4-8m, über Sand) liegen lauter kleine Bojen, die wir ungern einfach nutzen (vielleicht auf Spielzeugboot ausgelegt), und einfach mittendrin en Anker werfen gibt wahrscheinlich am nächsten Morgen einen bösen Leinensalat. Also fahren wir noch zwei Stunden weiter, liegen jetzt in einer wunderschönen Bucht, aber leider – kaum Internetempfang. Vielleicht morgen.
Praktischer Tipp des Beitrags: Der Supermarkt (na gut, Markt) in dem RCNP hat selbst in der Nebensaison auf, und das Café hat realistische Preise.
Praktischer Techniktipp: ab und zu die Anschlüsse an der Trenndiode daraufhin prüfen, dass sie noch vernünftig angezogen sind, besonders bevor die Lichtmaschine 80 Ampere in die Batterie füttern will (Details kommen mal im Reboot von ‚things that go bump in the night‘).
Ich lese viel über Essen – gutes und schlechtes – aber ich habe immer gedacht, wenn man über die Ozeane fährt ernährt man sich oft von den Früchten des Meeres, die man selber gefangen hat. Habt Ihr keine Angel an Bord oder seid Ihr zu beschäftigt?
Na ja, Teile der Ausrüstung haben wir an Bord, aber noch nicht eingesetzt. Kommt noch.
Also, wenn es bei deiner Gewinnspiel-Einladung auch so ein T-Bone-Tapa gibt, würde ich gerne gewinnen. Wobei – – das schaut so aus als hätte es einer zügig am Feuer vorbeigetragen. War das denn warm?
Neee, es wurde schon langsam am Feuer vorbei getragen, und auf einem Teller serviert, der heiß genug war, dass es unten noch nachgarte. Und ja, so etwas ähnliches wäre geplant…