Zu anständig, dem lasziven „holà“ der leicht bekleideten Damen zu folgen, zu schlau den Schleppern auf dem Leim zu gehen. So wandern wir weiter durch unser Viertel, auf der Suche nach einer gemütlichen bayrischen Kneipe, aber eben Cuban Style. Ich reflektiere, warum mich das nicht nervös macht – die heruntergekommenen, teilweise eher verlassenen, Häuser sind nicht erhebend, die Straßenbeleuchtung schafft punktuell Licht und großflächig Schatten, Schatten und dunkle Hauseingänge, wo einiges zu laufen scheint; man will ja nicht zu aufdringlich oder neugierig sein. Ab und zu dringt kaltes Neonlicht durch vergitterte Fenster nach außen, Katzen huschen vorbei als fürchten sie Prügel. Nach einer halben Stunde geben wir auf, kaufen an einem Kiosk eine halbe Flasche Rum, und hocken uns auf den Balkon unserer Casa Particular. Zigarren schmauchend beenden wir unseren Abend in Havanna.
Von unserer Unterkunft, einer eher privaten Pension die in Cuba ‚Casas Particulares‘ heißen, sind wir positiv überrascht. Offensichtlich handelt es sich um die Wohnung der Großmutter, die aber meist bei den Enkel wohnt. So bleiben zwei Gästezimmer übrig, unseres hat ein eigenes Bad. Aus den Erlösen der Vermietung wurde die Wohnung offensichtlich punktuell modernisiert, auch wenn das Haus von außen noch etwas Pfui ist, ist das Bad auf neuestem Stand. Auch eine Klimaanlage hat es, auch wenn die riecht, als ob dort ein Erdnussflip mit Käsegeschmack zu Tode gekommen wäre – kalt macht sie.
Es ist unser letzter Abend in Havanna, morgen geht’s weiter nach Westen. Mich begeistert die Stadt – dieser Gegensatz von verfallendem Prunk und aufgefrischten Denkmälern. Diverse berühmte Kneipen säumen die Straßen von Havana Vieja. ‚Sloppy Joe’s‘ – ursprünglich kam es zu dem Spitznamen, da vor langer Zeit der Eigentümer mehr Wert auf vernünftige Drinks legte als auf vorbildliche Hygiene, strahlt nun frisch renoviert vor Sauberkeit; Bilder von Hemingway an der langen Bar aus Mahagoni belegen die Geschichte dieses Ortes. An diese Mojitos könnte ich mich gewöhnen.
Das Museo de la Revolución hält diverse Schaustücke bereit – ein altes Hemd im 50ties Design, mit einem Loch und einem dunklen Fleck – Blut, für das kubanische Vaterland vergossen. Im Hof des Museums finden sich ein paar Trümmerteile amerikanischer Flugzeuge – von Helden abgeschossen. Hinter Glas findet sich auch das Schiff „Granma“, mit dem Castro und weitere Revolutionäre 1956 von Mexiko nach Kuba zurückkehrten um den Kampf gegen den korrupten Diktator Batista aufzunehmen – Zyniker behaupten, dass es hinter Glas ist, damit es keiner klaut um nach Florida zu fliehen.
Verschiedene andere Museen über die wechselhafte Geschichte des Landes werden besucht. Dabei werden wir immer wieder Kubanern gefragt, ob wir nicht Geld tauschen wollen: hier allerdings mal etwas anders – die Museumswärterin hält mir ca 0,85€ in Münzen hin. Ob ich ihr dafür nicht ein Peso CUC geben könnte? Ich würde ja, hab aber leider nix passend.
Einem Tipp unseres Lonely Planet folgend, suchen wir den „Paladar Doña Eutemia“ auf; die Spezialität hier ist ‚Ropas Viejas‘, welches sich mit ‚alten Klamotten‘ übersetzen würde, aber ich hier zur Andeutung der Leckerheit mit ‚pulled Beef‘ beschreibe. Ein erster Versuch, das Restaurant zu besuchen, scheiterte – aber wir können für den nächsten Tag einen Katzentisch von 14:15-15:00 reservieren. Das Doña Eutemia liegt in einer Sackgasse an der Calle San Ignacio, und in jener Straße bietet ein Künstler seine Werke feil. Mir fällt ein prominent aufgestelltes impressionistisches Bild einer Straßenszene in Havanna auf. So ein Schmarrn – ich versteh‘ nix von Kunst; wahrscheinlich werde ich sowieso über den Tisch gezogen; wie unpraktisch jetzt mit einem 1,3×0,9m großen Bild durch Kuba zu reisen… Aber auch Frank findet ein Bild, welches ihm gefällt, und nach etwas Beratung in der nahe gelegenen Catedral de San Cristóbal beschließen wir, dass man für 225$ pro Person eigentlich nicht soooo viel falsch machen kann. Fortan reisen wir also mit einer ca. ein Meter langen Papprolle durch Kuba.
Ein praktischer Nebeneffekt der privaten Casas Particulares ist der aufkeimende kapitalistischen Service-Gedanke. So hat unsere Herbergsmutter uns eine Busfahrkarte nach Vinales organisiert, brav aufgeteilt in tatsächliche Ticketkosten und die $10 für den Typen, der zum Busbahnhof flitzt und sich für uns nach Karten anstellt. Unserer Faulheit folgend buchen wir auch noch eine Taxifahrt mit dem Schwippcousin der Freundin unserer Herbergsmutter, und so wartet am nächsten Morgen pünktlich um 8:30 José in einem blauen Ford Fairlane aus den 50er Jahren auf uns. Ich unterhalte mich mit José über die alten Autos. Man merkt deutlich, er ist weniger sentimental als die Touristen die er herumfährt. Ich glaube, er würde lieber in einem modernen Mercedes Taxi fahren, wie es bei uns in Deutschland üblich ist, aber er gibt zu, dass das alte Auto ‚good for business‘ ist. Er deponiert uns an dem Terminal der Viazul Busgesellschaft, wo wir unsere sämtlichen Zeitpuffer gelangweilt in der Cafeteria absitzen.