Fazit Estland und Helsinki

394,1 Seemeilen

Der Euro hat auch Nachteile. Eine Halbe Bier: 12,50€. Ein Teller Spaghetti Carbonara: 19,90€. Wir schlucken ganz schön – am Flughafen in Helsinki. Wäre das alles in einer Fremdwährung könnte man sich einreden, dass man den Wechselkurs nicht richtig gelesen hat, oder es halt einfach ignorieren. In Vietnam hat es mich ja auch nicht gestört, fünfzigtausend für ein Bier zu zahlen. Knappe drei Stunden Aufenthalt bevor der Anschlussflug nach München geht. Das Bier werde ich jetzt mal gaaaanz langsam trinken. Heute ist Samstag, und offizieller Heimreisetag. Flug von Tallinn nach München über Helsinki. Witzig der Flug mit dem kleinen Hupfer von Tallinn nach Helsinki. „Dear Passengers, this is Tomas, your pilot speaking. Welcome on board of our ATR 72-500 aircraft. We have just departed from Talinn airport in a northerly direction and are currently climbing to… oh no, sorry, we’re descending again. Cabin crew, prepare for arrival.“

Gestern hat es eigentlich sehr gut angefangen. Früh aufgestanden, fix die ganzen Klamotten eingepackt, um 9:15 kommt Boris, und fängt an, die Leinen an unserem Schiff zurechtzulegen. Am Ende der Rampe wartet der Radlader mit dem „Roodberg“, ein massiver, gelber, hydraulikbetriebener Slipwagen, mit dem sie die Seestern aus dem Wasser ziehen werden. Das ist neu für uns – bislang war es immer ein Kran mit Schlaufen, der uns aus dem Wasser gehoben hat. Wir bitten noch um drei Minuten, um unser Gepäck zu entladen (das geht leichter auf den Steg, als dann von dem aufgebockten Schiff). Hiller brüllt etwas vom Radlader, und Boris geht mit ihm konferieren: „you have some minutes, still“ meint er. Die Konferenz dauert etwas länger. Dann kommt er wieder. „The bad news: we can’t take your ship out of the water right now, there is a problem with the hydraulic pressure. The good news: the problem didn’t develop while we were taking your ship out.“ Immer diese Ausreden, denke ich mir, und mache mich auf den Weg zu den Hafen-Waschmaschinen. Dabei komme ich an dem gelben Radlader vorbei. Darunter ist ein riesengroße Ölpfütze. Doch keine Ausrede. Ich bin mir nicht sicher, ob die Bremsen bei dem Ding am gleichen Hydraulik-Kreis hängen, aber das wäre tatsächlich ein Spaß gewesen, wenn die versagt hätten, während die Seestern auf der Slip-Rampe gewesen wäre. Doch keine Ausrede. Aber der Plan für den Tag hat ein Loch. Keine Inspektion des Schadens am Kiel von dem kleinen Aufsetzer, kein detailliertes Besprechen der notwendigen Arbeiten. Damit bleibt nicht mehr so viel zu tun, bevor unser Bus um 16:45 ab Kärdla geht. Genaueres aussortieren der Lebensmittel auf dem Schiff (ungeöffnet mit Verfallsdatum ab Frühjahr ’24 darf bleiben, den Rest nehmen wir mit), ich muss mich immer wieder Franks Versuchen, jetzt noch diese oder jene Ecke aufzuräumen, erwehren. Boris hat sich zwischendrin gemeldet. Der Schade ist erkannt, eine kaputte Dichtung, leicht reparabel – mit einem Ersatzteil aus Tallinn. Dann doch noch ein kleines Nickerchen.

Mit viel Puffer laufen wir zum Bus, der fährt zu der und auf die Fähre nach Heltermaa, eine gute Stunde Überfahrt nach Rucola. Die Fähre ist nach „Leiger“ benannt, der Riese von Hiiumaa, und Bruder von Tõll, der die gleiche Funktion auf Saareema wahrnahm. Die Schwesterfähre heißt „Tiu“, das wäre die Frau von Leiger. Der Bus fährt weiter nach Tallinn. Am Abend gehen wir wieder ins „Manna la Roosa“, aber die süße Bedienung hat leider frei.

Jetzt sitze ich also am Flughafen in Helsinki, und schreibe diese Zeilen, damit wird es mal wieder Zeit für das „Fazit“ zu Estland.

Wie schon Estland bin ich absolut positiv von Estland beeindruckt, diesmal halt weniger überrascht. Nix Ex-Soviet, das hier ist eine Kopie von Skandinavien. Die Leute sind freundlich, und die meisten können ganz gut Englisch. Eine andere Deutsche beschrieb mal den „unbedingten Willen, dass aus dem Land was wird“, und ich glaube, da hat sie Recht. Gerade in Tallinn könnte ich es länger aushalten. Der Rest des Landes ist schön, sehr gepflegt; aber auch etwas wenig los. Die Häfen als Ende einer Straße im Wald sind etwas irritierend. Auch die Busfahrt ein bisserl ähnlich wie in Lettland. Viel Wald. Interessant ist die estnische „no fucks given“ Haltung bei ihrer Sprache. War in Lettland noch viel Information sowohl auf Lettisch als auch in Englisch (und oft mehr) vorhanden, sind die Esten da selbstbewusster. Hinweisschild auf eine Touristenattraktion: Das reicht doch auf Estnisch: „Haapsalun piiskopilinna“, das Linna Burg oder Schloss heißt, hat man doch schnell raus, und das Piiskop was mit einem Bischof zu tun hat – jetzt stellt Euch nicht an. Dennoch – ein cooles Land – ich empfehle es weiter.

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