Nach Sardinien

Es ist acht Uhr morgens, der Beginn meiner Wache – es war die ganze Nacht ruhig. Der seefahrerische Höhepunkt: Die Maersk Arun ist laut AIS in unsere Richtung unterwegs. Der Plotter beruhigt – sie wird weit vor uns vorbeifahren. Aber sonst gibt’s nix zu sehen. Als der Abstand noch 10,79nm beträgt – rund 20km – sehe ich am Horizont einen kleinen weißen Block – das wird wohl die Brücke sein. Über die nächsten drei Stunden wächst der weiße Punkt zu einem mittelgroßem Containerfrachter an, bevor er an Backbord wieder zu einem weißen Block zusammenschrumpft. Der Wind ist mittlerweile komplett aus, und die Wellen haben sie sehr beruhigt. Nur selten gibt es eine Resonanz mit den 20cm Wellchen, und dann schaukelt sich die Seestern unverhältnismäßig auf. Frühstück: eine Dose Cola und eine halbe Packung Butterkekse. An Backbord erkennt man langsam die Berge Sardiniens.

Am Dienstag haben wir die Marina in Marsala verlassen – unseren negativen Covid-19 Test hatten wir dort nun genügend ausgekostet. Wir fahren auf die Sizilien vorgelagerten Isole Egadi, so 10 bis 20 Meilen in die richtige Richtung. Dort wollen wir zwei Nächte warten, bis der Wind auf dem Weg nach Sardinien wieder etwas gnädiger ist – wir haben aus unserer Erfahrung gelernt – über 20 Knoten Wind mit entsprechender Welle machen hart am Wind kein Spaß. Außerdem wollen wir auf Favignana tanken – zur Sicherheit. In Marsala ist die Tanke nicht gut zugänglich, und Sybille und Burkhardt hatten gemeint, der Hafen von Favignana wäre super geschützt, mit einfach zugänglichem Treibstoffhändler. Wir haben uns Zeit gelassen, waren noch einkaufen und haben gemütlich Mittag gegessen – wenn wir jetzt kreuzend nach Favi wollten, kommen wir im Dunklen an. Nach studieren der Windprognose stellen wir fest, dass eine Festmacherboje im Süden der gleichen Insel auch guten Schutz bieten müsste. Die Bojen der Area Marina Protetta (AMP) Isole Egadi verhindern, dass hunderte von Ausflugsbooten mit ihren Ankern ständig das geschützte Seegras durchpflügen und sind online zu buchen. Wir fahren erstmal hin, da man keine spezielle Boje reserviert, und einige Masten sieht man schon in unserer auserwählten Bucht. Wir hätten uns keine Gedanken machen müssen. Von ca. 20 Bojen ist eine besetzt. Ich fahre noch ein paar Kringel, Frank bucht (es heißt, online gibt es einen Preisvorteil). Dann machen wir an der Boje fest, und tatsächlich, 10 Minuten später kommt ein übermotorisiertes Gummiboot des Nationalparks mit drei Mitarbeitern. Wir geben ihnen Bescheid, dass wir vor zwölf Minuten online gezahlt haben. Sie freuen sich, können es offensichtlich nicht bei sich auf irgendeinem Gerät sehen. Allerdings erklären Sie uns: bei unserem Bootsalter – mit Schwarzwassertank – gibt es einen Discount: nur 31,50 statt 38,00 Euro. OK, va bene, domani. Frank und ich bleiben kopfschüttelnd zurück – schöne neue Welt, aber von einem Discount war online nix zu lesen.

Wie erwähnt, der Wind wäre jetzt auf offener See nicht schön, auch hier in der Bucht pfeift es ordentlich (beobachtetes Maximum: 30 Knoten, so 55km/h), und trotz dem, dass die Bucht eigentlich gegen den Wind und die Welle geschützt ist, kommt etwas Schwell in die Bucht (Wellen, die quasi zurückkommen, weil weiter draußen auf See das Meer sehr bewegt ist). Es werden zwei unruhige Nächte, denn teilweise schaukelt sich die Seestern ziemlich auf. Und auch wenn das irgendwie mit ‚in den Schlaf wiegen‘ bezeichnet werden könnte – so einfach ist es nicht. Ich schlafe meist auf der Seite. Probiere ich das – ganz entspannt, beutelt es mich hin und her, nicht so, dass ich wegrolle, aber automatisch erhöht man in allen Muskeln die Körperspannung, versucht sich mit einem miserablen Hebel stabil zu halten. Schnell stellt man fest, dass die beste Schlafhaltung diese wäre:

Schematische Darstellung der optimalen Schlafhaltung

Am Ende wird’s ein Kompromiss: stabile Seitenlage, wie im Erste Hilfe Kurs gelernt, möglichst breit. Dennoch – richtig ruhig ist anders, und dann pfeift es wieder im Rigg, dass man erschrickt, dann klappert hier was, dann dort. Öfters in der Nacht treffen wir uns, wie wir gerade an Deck gehen, um nach etwas zu gucken. Der starke Wind – extrem böig übrigens, in einer Minute über 25 Knoten, in der nächsten wieder 5 – federt auch die Boje. Starker Wind – die Seestern zieht, die Boje (groß wie ein 30Liter Bierfass), wird auf gerader Linie zwischen ihrer Befestigung am Boden (meist ein fetter Betonklotz) und der Seestern unter Wasser gezogen; lässt der Wind nach, taucht die Boje wieder auf, und zieht die Seestern wieder zwei Meter nach vorne, wo sie dann ungebremst in die Boje rumpelt. Das hört man deutlich im Schiff, und wir haben jetzt auch einige Souvenir-Kratzer am Bug.

Am Freitagmorgen brechen wir so auf, dass wir in Favignana-Hafen noch tanken können. Wir fahren ab sieben um die Insel, fahren zum Hafen, und drehen ein paar Kreise, ob denn sich jemand der verlassenen Tanke erbarmt (aperto tutto giorni, 8:30-13:00). Niemand kommt. Außerdem steht ordentlich Welle an dem Kai, auf dem die Zapfsäulen sind – wäre eine echte Herausforderung, da schadensfrei anzulegen, und danach wäre noch das Risiko, durch die Schaukelei weitere Kratzer ins Schiff zu machen. Am Ende überschlagen wir das Risiko, und lassen es mit dem Tanken sein – immerhin sind wir ein Segelboot, und sonst tuckern wir halt sparsam.

Exkurs, unsere Tankerei: Wir wissen leider nicht genau, wie voll unsere Tanks sind. Wir haben zwei: einer unter dem Motor, ca. 250 Liter, mit neuem Geber und Tankanzeige, hier holt sich der Motor seinen Treibstoff. Leider funktioniert die Anzeige noch nicht richtig, zeigt immer zwischen 7/8 und 9/8 voll. Dann noch einen zweiten, unterm Sofa, ca. 150 Liter, ohne Anzeige, aber mit einem Ventil vom unteren getrennt. Die allgemeine Weisheit sagt, dass so ein Schiffsdiesel ca 5 Liter in der Stunde verbraucht, also können wir mit 400 Litern wohl 80 Stunden fahren. 40 sind’s seit dem letzten Tanken, ca. 36 Stunden nach Sardinien, dass müsste reichen, außerdem wollen wir ja Segeln. Allerdings habe ich auch eine Tabelle im Internet gefunden, die den Treibstoffverbrauch nach Drehzahl aufschlüsselt, diese gibt 5 Liter an, wenn man mit ca. 2000 Umdrehungen fährt, aber nur noch 2,7 Liter bei 1600 Umdrehungen. Auf der Fahrt von Griechenland nach Sizilien haben wir’s mit 1800 /min probiert, und die Tabelle hat mit 3,7l recht gut gepasst. Nebenbei: Sybille und Burkhardt mit dem neueren Schwesterschiff fahren auch nur nach Motorstunden, offensichtlich haben das Problem einige Hallberg Rassy.

Jedenfalls segeln wir von Favignana los, auf nach Sardinien. Wind aus Nord, wir segeln am Wind nach Nordwest. Auch wenn’s noch ordentlich Welle hat – unsere Ketch segelt stabil ohne lenken. Wenn man Wache hat, sitzt man windgeschützt unter der Sprayhood, und schaut alle 10 Minuten, ob da irgendwas ist, was nicht schon seit langem auf dem AIS zu sehen ist. Vielleicht kommt man noch etwas härter an den Wind (segelt also mehr nach Norden, was gut wäre), wenn man selber lenkt, aber macht man das nicht konzentriert, macht man wahrscheinlich mehr kaputt, weil man ab und zu daneben lenkt. Von 10:00 bis 19:00 rauschen wir also mit ca. 6 Knoten nach Sardinien, dann dreht der Wind komisch, und geht kurz darauf aus. Also Motor an, Sparmodus mit 1400 Umdrehungen (2,1 Liter), wir schaffen noch ca. 3,5 – 4 Knoten gegen die Welle.

Man glaubt gar nicht, wie sehr so Wellen bremsen. Als sie langsam nachlassen, wird die Seestern immer schneller. Am Ende fahren wir mit 5,1 Knoten bei 1400. Blöd – wir hatten eigentlich so geplant, dass wir eben nicht in der Nacht in einem fremden Hafen anlegen müssen. Noch langsamer? Das ist dann schon Leerlauf. Oder schneller – haben wir noch genug Diesel? Und was ist, wenn dann plötzlich etwas Wind kommt, wir segeln können, aber eben nicht sooo schnell? Wir finden einen Kompromiss – kurz vor Arbatax gibt es eine Bucht, bei fast Windstille sicherlich auch kein Problem, und im Dunkeln den Anker ins Wasser werfen – das werden wir schon hinbekommen. Dann schlafen wir bis zum Morgengrauen, und laufen in Arbatax ein. Um 18:00 kochen wir auf See, um 22:00 sind wir in der Bucht – Welcome to Sardegna!

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