Wir ignorieren jetzt mal ganz geschmeidig dass ich auf den Ausflügen der letzten beiden Tagen auch jeweils in Europa war, denn so klingt der Titel besser.
Um 6:30 verlasse ich mein Hotel, und mache mich auf dem Weg zum Bus, „at the ferry“. Es stellt sich heraus, dass der Bus bereits auf der Fähre steht. Ungehindert laufe ich auf die Fähre, der Schaffner verstaut mein Gepäck. Der Bus ist voller schlafender Türken. Irgendwer erklärt mir, dass der Bus aus Antalya kommt. Mein Ziel ist Edirne, die Grenzstadt sowohl nach Bulgarien als auch Griechenland. Naiv, wie ich nun mal bin, nehme ich an, dass vom Busbahnhof aus auch ein Bus nach Sofia geht. Nein. Ein Minibus ins Zentrum (der Busbahnhof liegt ähnlich günstig gelegen wie der Münchner Flughafen), dann ein weiterer Bus nach Krglvmfst oder so ähnlich. Im Zentrum bugsieren mich freundliche Passanten auf meine Anfrage nach Bulgaristan hin in einen weiteren Minibus. Ich mache meinem Nachbarn mein Anliegen klar, und er bedeutet mir nach 20 Minuten Fahrt: hier raus!
Ah so. Offensichtlich überquert man die Grenze zu Fuß, das spart der Busgesellschaft die Fahrzeugkontrolle. Logisch. Ich laufe los. Die Grenze ist nicht für Fußgänger gebaut. Hm. Soll ich mich jetzt hinter dem letzten Auto in der Schlange anstellen, oder einfach dran vorbei? Als der Passkontrolletti meinen deutschen Pass sieht, muss er lachen, und zeigt mir seinen Mr. Wichtig Fahndungscomputer. Da läuft gerade das Video „Der Untergang“ und Hitler putzt sein Generäle runter. Ich wusste gar nicht, dass Adolf Türkisch konnte. Auf bulgarischer Seite ist eine der Schranken kaputt, ein kaputter Bürostuhl blockiert statt dessen die Durchfahrt. Nach insgesamt sieben mal Pass vorzeigen bin ich in Bulgarien. Hier ist: Nichts. Kein Busterminal, kein Bus, keine Haltestelle. Nur eine Autobahn, die ungehindert zum Horizont führt. Und ein alter Passat, aus dem ein Bulgare „Taxi“ ruft. Nein,nein, Autobus, rufe ich zurück. Er zuckt mit den Schultern – ich werde schon wieder kommen. Ich erwäge kurz zu trampen, aber einige mich dann doch auf knapp 20€ für die Fahrt nach Svilengrad – von da aus soll’s einen Bus in die nächste größere Stadt Haskovo geben, von dort aus stündlich einen Bus nach Sofia.
Schon an der Grenze beschlichen mich Zweifel, ob die Landroute auf eigene Faust so ’ne tolle Idee war. In Свиленград denke ich mir: Nein, bisserl doof. Gegen dieses Nest war Smolensk eine moderne, mondäne Stadt voller beautiful people. Leicht paranoid fühle ich mich von ca. 50% der Bevölkerung auf mein Ausraub-Potential hin gemustert. Nach ca 30 Minuten kommt ein klappriger Bus an, der für die 40km nach Haskovo geschlagene 90 Minuten braucht. Und das soll EU sein, frage ich mich. Es ist. In regelmäßigen Abständen steht ein topmodernes Schild neben der holprigen Landstraße, dass die EU hier 12 Mio Euro in ein Straßenbauprojekt investiert. Wahrscheinlich werden neue Blumenkübel angeschafft.
In Haskovo angekommen, halte ich Ausschau nach einem Bus. Der nächste der stündlichen Busse fährt in guten drei Stunden. Immerhin sieht’s hier schon besser aus, ähnlich wie Smolensk immerhin. (Dass mir so eine Formulierung mal aus den Tasten kommt, hätte ich nie gedacht). Schmutzige Jogginghosen sind hier durch saubere Trainingsanzüge und billige Jeans verdrängt worden. Ich finde einen Bankomaten und ein Café. Meine Zeit in Russland hat hier übrigens einen Nutzen: ich kann das kyrillische noch einwandfrei lesen, und ein paar der Vokabel verstehe ich beim Lesen auch. Langsam lässt das Gefühl nach, dass ich so schnell wie möglich aus diesem Land flüchten will. Bin gespannt auf Sofia.
Der Bus ist ganz normal, es riecht besser als im Letzten. Wir fahren längere Zeit über eine einfache Landstraße, aber mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir auf eine Autobahn, und es geht zügig nach Sofia. Noch in Haskovo habe ich mir ein Hotel organisiert, ein Ramada welches ich zwischen Busbahnhof und Stadtzentrum vermute, für nur 48€ die Nacht. Sofia bei Nacht erscheint tatsächlich ganz modern, und das Hotel sehe ich in dem Moment, als ich aus dem Busbahnhof trete. Der Check-In ganz professionell (ich merke, die letzte Geschäftsreise ist länger her), das Zimmer der Standard-Kategorie bedeutet offensichtlich ‚Werden wir demnächst mal renovieren müssen‘, aber Längen besser als ich es gewohnt bin. Da es mittlerweile nach zehn ist, beschließe ich, das Hotelrestaurant zu bemühen. Der Rat meines Vaters, nicht in Hotels zu essen, bewahrheitet sich: Ich hab noch nie so gänzlich geschmacklose Pasta Carbonara gesehen. Als ich mich beschwere, dass der Speck fehlt, entschuldigt sich der Kellner, nimmt meinen Teller, und bringt ihn nach ein paar Minuten wieder – mit vier Scheiben Frühstücksspeck obendrauf.
Nachtrag: Der Carbonara-Verhunzer macht auch morgens das Rührei.
Übrigens: ich möchte mich bei den Menschen entschuldigen, die ich hier irgendwie bloßgestellt habe. Ich bin mir sicher, dass ungepflegte Haare und dreckige Klamotten keine Fashion Choice sind, sondern mich daran erinnnern sollten, wie gut es mir (uns) eigentlich geht.