Die Strecke zwischen Hue und Da Nang ist – laut Reiseführer – eine der schönsten in ganz Vietnam. Ach ja? Ein katastrophales Verkehrsnadelöhr, der Hai Van Pass, wurde mittlerweile mit dem längsten Tunnel Südostasiens entschärft, den natürlich alle vernünftigen Verkehrsmittel nehmen, um Zeit zu sparen. Will nicht sparen, nicht vernünftig sein, deshalb fallen die üblichen Möglichkeiten mit Bus oder ähnlichem aus. Mit Thomas beschließe ich, dass wir die Fahrt mit dem Privatauto bestreiten müssen, kostet halt sechzig Dollar. Dabei tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf; das Auto könnte ja vorher noch an der einen oder anderen Sehenswürdigkeiten außerhalb von Hue anhalten, und ich kann ein Teil meines schlechten Gewissens besänftigen, Hue nicht intensiver angesehen zu haben. Nachdem wir Pagode und Kaisergrab mit in die Tour geplant haben, ist der Preis auf achtzig Dollar gestiegen, kurz an einem der berühmten Gartenhäuser anhalten kostet nochmal drei Dollar. Am Ende einigen wir uns auf special price, 75 USD. Die Fahrt an sich dauert nur dreieinhalb Stunden, wir halten ja nur kurz, also haben wir morgens sogar noch Zeit, den empfohlenen Spaziergang entlang der Le Loi Straße zu machen. Abfahrt um 11:00. Good news, bad news: Anstatt einer abgewrackten Rostschüssel bekommen wir einen relativ schicken Ford Everest Geländewagen mit gediegener Lederausstattung, aber es regnet. Regen ist natürlich auch toll, da gibt’s diese mystischen Fotos mit Nebelschwaden – bei Sonne kann jeder fotografieren.
1. Stop – Gartenhäuser: hier wohnten vormals die Mandarine am kaiserlichen Hof, das alte Mütterchen, was uns dieses mitteilt, behauptet in neunter Generation in diesem Haus zu wohnen, und erklärt ein paar Details: Das Haus wurde gänzlich ohne Nägel gebaut, mit einer prächtigen Seite für die männlichen Mitglieder der Familie, und einer eher funktionalen Seite für die weiblichen. Der chinesische Einfluss ist deutlich spürbar, überall hat’s chinesische Schriftzeichen, und Haus und Garten sind nach den Regeln des Feng Shui angelegt. So wird die Hauptachse von Gartentor zum Haus durch eine Mauer unterbrochen, die die bösen Geister fernhalten soll. Die Geister sind nämlich nicht nur böse, sondern auch sehr ungelenk, und können keine Kurven navigieren, somit also die Mauer nicht umgehen. Es entstehen in dem Gartenhaus tatsächlich ein paar mystisch-trübe Fotos, ein geklautes Hochzeitsfoto sieht so nachdenklich-melancholischer aus als es sich die Braut wahrscheinlich gewünscht hat.
2. Stop – Die Thien Mu Pagode: Der Regen hat leicht zugelegt. Gegen das Versprechen, danach in der Kneipe (=Überdachung mit Plastikstühlen und einer Thermotruhe) ein Bier zu trinken bekommen wir einen Schirm von der Wirtin geliehen. Mich beruhigt, dass das Foto in meinen National Geographic Reiseführer bei gleichem Wetter aufgenommen wurde – entweder sieht’s so besser aus, oder das Wetter ist hier halt einfach häufig regnerisch. Neben verschiedenen Sakralbauten steht hier der blaue Austin, mit dem der Mönch Thich Quang Duc nach Saigon fuhr, um sich 1963 im Protest gegen anti-buddhistische Tendenzen der südvietnamesischen Regierung selber zu verbrennen. Ein makabres Foto zeigt sein Herz auf einer Kristallschale, mit der Beschriftung, dass es die Stärke seines Glaubens war, die das Herz erhalten hat. Ich tippe still eher auf rechtzeitig gelöscht, ich Ketzer.
3. Stop – Das Grabmal des Minh Mang: nach einer halben Stunden Fahrt über Land erreichen wir den Palast / das Grab des Kaisers Minh Mang; eine große Anlage, die streng den Feng Shui Regeln folgt. Mit das schönste, was ich bislang in Vietnam gesehen habe. Es hat aufgehört zu regnen, und tatsächlich wirkt’s im Trüben etwas mystisch. Jedenfalls schlendern wir fasziniert durch die Anlage, und ärgern uns, nur eine der insgesamt sieben Grabanlagen zu besichtigen – wir begreifen es als Herausforderung, unserem Fahrer (der kein Englisch spricht) dazu zu bewegen, noch eine weitere Anlage anzusteuern. Tatsächlich ist es keine Frage der Sprachgewandtheit, sondern von fehlenden zehn Dollar, doch wir einigen uns. Dem Grabmal von Kaiser Tu Duc sind offensichtlich noch nicht die vollen Segnungen eines Unesco Kulturdenkmals zuteil geworden. Einige der Tempel sind lieblos mit Wellblech gedeckt, und abseits des „way of visit“ sieht es eher aus wie in einem vernachlässigten Schrebergarten. Immerhin beruhigend, dass wir wohl mit den restlichen fünf nichts groß verpassen, denn die beiden bisher waren die Top-Tipps.
4. Die Fahrt: Mittlerweile ist es halb vier, und wir sollten uns langsam auf den Weg machen, damit wir nicht in der Nacht ankommen. Es wird zum Mäusemelken. Aus unerfindlichen Gründen hält sich der Fahrer plötzlich an Regeln, wir kommen nicht voran. An Bergen die alte Krankheit. Immer, wenn er gerade so weit beschleunigt hat, dass der Motor beginnt rund zu laufen, schaltet der Fahrer hoch, eine elendigliche Zuckelei. Kurz vor fünf erreichen wir den Fuß des Hai Van Passes. Der Fahrer bedeutet uns, dass es wesentlich sinnvoller wäre, einfach durch den Tunnel zu fahren, wir lehnen entrüstet ab. Natürlich ist es rational betrachtet die sinnvollere Entscheidung, sinnvoller als bei trüben Wetter und aufkommender Dunkelheit über den Pass zu fahren. Aber emotional haben wir einfach keine Wahl – wir haben das Privatauto ursprünglich ja nur deshalb gebucht, um nicht durch den Tunnel zu fahren. Der Fahrer zuckt mit den Achseln; ich bin mir sicher dass er innerlich wie ein Rohrspatz flucht. Immerhin – durch den Tunnel ist der Pass leer. Wir fahren zügig hinauf, und müssen uns die Straße nur mit ein paar Mopeds teilen (d.h. ein paar Mopeds müssen uns ausweichen, während wir souverän den Pass erklimmen). Es wird deutlich, dass die Strecke bei besserem Wetter und mehr Tageslicht wirklich atemberaubend sein könnte – ein mit dichtem Dschungel bewachsener Berg, Schiffe, die im Meer unterhalb ankern, eine Straße die ich soooo gerne mal selber mit ein paar PS mehr fahren würde – am Ende machen wir auf der Passhöhe ein paar Fotos von alten amerikanischen Bunkern, und sehen zu dass wir weiter kommen. Immerhin hält sich der Fahrer bergab an die alte Regel: ‚im gleichen Gang den Berg runter, wie man ihn hinauf gebraucht hätte‘, nur dass das hier bedeutet, dass er wieder immer im zu hohem Gang unterwegs ist. Egal, wir kommen unten an, und sind kurz nach sieben in Hoi An.
Cool! Unser Eingang ist ja dann auch nach Feng Shui, ohne dass wir das bewusst so gebaut hätten.
Amüsant und locker geschrieben! Die perfekte Lektüre für Wartezeiten am Flughafen 🙂