Nebenan wird eine Katzen-Großfamilie ermordert. Die noch lebendigen Tiere klagen lauthals über das Schicksal. Oder es ist eine Gruppe pubertierender Kater, die sich alle um ‚Miss Cat Muong Ngoi‘ bemühen. Untermalt wird das ganze von leiernder Musik. Karaoke has come to Loas. Bis eben hatte ich in meiner Hängematte noch Ruhe, Elizabeth George spann die Fäden ihres Krimis zu meiner Zufriedenheit, der Nam Ou River zog ruhig unter meiner Veranda dahin, life was good. Doch dann begann der Spaß. Jemand sollte dem Typen sagen, dass er beim Singen noch weniger Talent hat als ich. Oder ich singe mit, und vertreibe alle anderen, mit meinem Neneris-Gesang (Gegenteil von Sirenen-Gesang, der ja bekanntlich lockt).
An easy day in Muong Ngoi. Findet sich dieses Ein-Straßen-Dorf überhaupt in einem Atlas? Das würde mich wundern. 80 Minuten nördlich von Nong Kwai mit dem Boot, und Nong Kwai vier Stunden nordnordöstlich von Luang Prabang mit dem Minibus. Muong Ngoi ist das schöne Ende der Welt, oder jedenfalls unweit davon entfernt. Internet ist hier eine komplette Fehlanzeige, bis vor kurzem gab es hier offensichtlich nur für wenige Stunden am Abend Strom. Der Preis für meinen Bungalow liegt bei 70.000 Kip, unter sieben Euro. Eine warme Mahlzeit mit Vorspeise und BeerLao schlägt mit unter fünf Euro zu Buche. Ambitioniert sparsame Traveler kommen mit unter acht Dollar am Tag aus. Das gesparte Geld lässt sich hier auch offensichtlich anders investieren. Öfters schwebt der Duft einer nicht handelsüblichen Zigarette vorbei.
Heute ist es trüb und kühl, somit der perfekte Tag für’s faulenzen. Das Wetter animiert nicht einmal dazu, den Viewpoint zu erklimmen. Gestern war ja stressig genug. Minibusfahrt hierher, wir ziehen wohl den Jackpot. Statt der üblichen Überschreitung der Zwölfpersonen Zuladungsgrenze sind wir nur zu acht in dem Bus. Kinaro, Kanadier japanischer Abstammung erzählt von seiner letzten Fahrt, wo er über acht Stunden einen älteren Mann auf dem Schoß sitzen hatte, der wiederrum einen Sack Reis auf dem Schoß hatte. Ich glaube es hätte ihn interessiert, wenn der umgefallen wäre, wir sind hier ja nicht in China. Nach Schaukelfahrt und erfolglosen Versuchen unseres Fahrers, die Auslastung des Busses mit am Straßenrand stehenden Laoten aufzubessern kommen wir an und suchen das Fährterminal, bzw. die Treppe zum Flussufer. Wie die meisten Boote, die ich bislang in Asien sah, ist auch dieses lang und schmal. Mit ca. 20 Personen und deren Gepäck ist’s für meinen Geschmack gut gefüllt, aber es hätten sicherlich auch noch weitere 20 reingepasst. Damit beginnt dann die Fahrt flussaufwärts. Der Nam Ou ist kein reißender Strom, aber an einige Stellen hat es durchaus spürbare Stufen. Geschickt fährt der Fahrer in dem Rückstrom neben der auslaufenden Stromschnelle mit, um dann das Boot über die Stufe zu schummeln. Der Motor, der sich schon bei normaler Fahrt recht gequält anhörte, gibt eine wahre Kakophonie der Höchstleistung von sich. Als Ingenieur empfinde ich fast Mitgefühl. Dass das Ganze nicht ohne ist, höre ich am Abend. Der Schwager des Barbesitzers hatte mitten an einer Dreifachstufe eine Motorpanne, und konnte nur mit großem Einsatz und geschundenem Körper das Boot mit seiner Familie vor dem Kentern retten. Wenn so ein Langboot hier mal quer kommt, ist es schnell vorbei.
Wieder kommen mir bei der Flussfahrt Assoziationen zu „Apocalypse Now“ auf. Hier sind sie sogar berechtigter. In Laos wirkte von 1967-72 der CIA-Agent Tony Poe, dessen Vorbildfunktion für Colonel Kurtz immer wieder bestritten wird. Er sollte wohl den dem Kommunismus nicht zugeneigten Hmong-Kriegern durch Ausbildung helfen, eben diese Kommunisten im größeren Stile um die Ecke zu bringen. Offensichtlich hat er sich das Ganze aber doch ein wenig mehr zu Herzen genommen, mitgekämpft, und sich dabei einiger unorthodoxer Methoden psychologischer Kriegsführung bedient haben (Abgeschnittene Ohren als Beweise für erledigte Feinde, diese auch mal als Erfolgsnachweis per Diplomatenpost an die US-Botschaft in Vientiane geschickt, abgetrennte Köpfe im Lager von Feinden abgeworfen, wer könnte da auf Parallelen zum Film kommen? Ist das nicht üblich?). The horror, the horror, das ist also das Herz der Finsternis. Das diese Zeit für die Laoten aber wirklich todernst war, davon zeugen einige im Ort ausgestellte militärische Überbleibsel, die nach meiner Einschätzung die Hülsen von Streubomben sind. An anderer Stelle habe ich gelesen, dass während dieser Zeit über Laos mehr Kilo Sprengstoff abgeladen worden sind, als im zweiten Weltkrieg über Deutschland.
Am nächsten Tag will ich das Herz der Finsternis mal genauer erkunden. [sicherlich überflüssig, Euch das zu erklären, aber ‚Herz der Finsternis‘ ist ein Roman von Joseph Conrad, über eine Flussfahrt ins belgische Kongo, der von Francis Ford Coppola mit dem Film ‚Apocalypse Now‘ in den Vietnamkrieg verlegt wurde. Bösewicht in beiden Werken ist ein Typ namens Kurtz. Ich empfehle beide.] Gar nicht so finster hier, auch wenn sich die Sonne nur selten durch den Dunst kämpft. Man kann offensichtlich ins Hinterland von Muong Ngoi zu einigen Dörfern laufen, dabei hilft eine auf ein DIN A6 Blatt gekritzelte Karten. Beim Frühstück treffe ich Alain. Bekam mit 50 einen Rappel, dass das wohl noch nicht alles sein kann, hat gekündigt und reist jetzt auch durch Südostasien. Wir beschließen, die Dörfer gemeinsam zu erkunden. Ca. zwei Stunden ins Landesinere finden wir Ban Hoy Seen, sehen auf dem Weg ländliches Idyll, und im Dorf einen verrückten Hund, der sich mit allem anlegt (Federvieh, Ferkeln, andern Hunden). Ob dem ein langes Leben beschert sein wird, wenn er mal die Enten der Dorfbewohner fängt? Ein alter Mann verkauft uns ein Cola, bietet uns Lao Lao (Whisky) an (es ist ja schon elf), und klärt uns über laotische Heiratsgewohnheiten auf. Wegen der Sprachbarriere sind wir nicht sicher, ob drei Millionen Kip, Rinder und Schweine der Preis für die zukünftige Gattin sind, oder für die Hochzeit, oder für die Eltern…
Dann gehen wir weiter nach Ban Na. ‚Mad Dog‘ folgt uns. Eigentlich läuft er ständig vorraus, und schaut vorwurfsvoll wo wir wohl bleiben. Im nächsten Dorf gibt’s Mittagessen. Ich merke, man stumpft langsam ab. Am Anfang des Urlaubs noch peinlich genau geschaut, wie wohl das Glas ausgespült wurde, esse ich mittlerweile meinen gebratenen Reis mit den dargebotenen Holzstäbchen. Noch hat sich weder Montezuma noch die ortsüblichen Herrscher ernsthaft an meiner Verdauung gerächt, obwohl ich am letzten Tag in Yangon doch darauf geachtet habe, keine ordentliche Toilette einfach zu ignorieren. Vorsicht ist die Mutter der sauberen Unterhose. Weiter nach Ban Hoy Bo. Wir sehen ein paar Männer mit langen Stöcken durch die Felder pirschen – vielleicht Angelruten? Kurz darauf knallt’s aus der Angelrute, die wohl keine ist. Als wir die Männer später sehen, erkennen wir die Stöcke als selbstgebaute Frontladermusketen. Leider wollen sich die Männer partout nicht fotografieren lassen. Wir schätzen, die Jagd ist illegal, und da muss man ja nicht unbedingt ständig auf Beweisfotos auftauchen. Ich darf mich aber mit einer Muskete ablichten lassen. Kurz vor der Dunkelheit erreichen wir wieder Muang Ngoi, das Bier heute ist besonders verdient.
Heute zurück in die Zivilisation. Ich bleibe noch zwei Nächte oder so in Luang Prabang, und fliege dann in den Süden. Wieder Internet, die Blogs können gepostet werden.
Geil.
Fühl ich mich gleich wie Cpt. Willard und kanns mir richtig vorstellen.
Wegen dem Film und klingt wie Bali querfeldein vor 20 Jahren, nur feuchter und mit dichterem Dschungel. So stell ichs mir zumindest vor.
Auch alles gegessen, nie krank geworden.
Na ja, der vietnamesische Dschungel, den Cpt. Willard von den Drehorten auf den Philippinen kennt, ist dichter, großblättriger und lässt kein Ufer frei. Hier hat’s im Flachen eher Kulturlandschaft, und am Berg kommt man zweimal nicht durch: zu ursprünglich verwachsen und zu steil.