Last day in Istanbul. Zum Anlass des Tages gibt’s nochmal Sonnenschein, endlich kann ich des Hotels Dachterrasse nutzen und mit Blick auf die blaue Moschee frühstücken. Dann Krempel zusammenpacken (es wird nicht weniger), in der Lobby unterstellen und nochmal mit Kamera bewaffnet in die Stadt. Schon auf der Terrasse war mir aufgefallen, dass in der Stadt was los ist. Lautsprechergequäke, Applaus war zu hören. Ich tippte auf eine politische Veranstaltung, aber es entpuppt sich als der Istanbul Marathon. Neben der blauen Moschee ist die Zielgerade, verschwitzte Läufer sehen glücklich aus, ihnen wird zugejubelt als sie diesen letzten Hügel erklimmen, letzte Reserven werden mobilisiert. Zeitweise ist im Zieleinlauf eine Katze unterwegs, eine von tausenden die ich in Istanbul gesehen habe, aber sie behindert die Läufer nicht sondern interessiert sich eher dafür, ob die Zuschauer ihr was abgeben. Die Katzen sehen übrigens fast alle gesund und wohl genährt aus. Ein paar haben besonders ihre charmante Seite entdeckt, sehen professionell süß aus. Andere sehe so aus, als kämen sie ganz gut alleine klar, halten wahrscheinlich die Nagetierpopulation in Grenzen. Ich muss an Nermal denken, der hier bessere Chancen hat als Garfield. Dem Sonnenschein geschuldet umrunde ich noch mal die wichtigsten Baudenkmäler, um sie auch von der beschienenen Seite abzulichten.
Dann mache ich mich weiter zum großen Bazar auf, dem Kapalı Çarşı. A) weil’s einfach dazu gehört und B) weil ich meinen AirB’n’B Gastgebern in Aussicht gestellt habe, Ihnen aus Europa Käse mitzubringen. Aber je näher ich dem Bazar komme, um so ruhiger wird’s. Schließlich stehe ich vor einem eindrucksvollen Tor, eindeutig beschriftet. Aber auch genauso eindeutig zu. Ein Sicherheitsmensch von der Moschee erklärt mir, dass Sonntags hier zu ist. Warum denn das? Wenn auch weitestgehend modern, so ist das doch ein Islamisch geprägtes Land. Warum machen die also am Sonntag zu, wenn der Freitag der viel heiligere Tag ist? Nun ja, in der Nähe meines Hotels gibt’s auch ein paar kleine Kramerläden, irgendwo wird’s wohl noch einen Käse geben. Dann noch den Topkapi Palast den hätte ich fast vergessen. Da das Wetter noch immer mitspielt zeigen sich die alten Gemäuer von der Zuckerseite. Ich löse auch die Zusatzkarte für den Harem, aber hier wird man von der Tourismusbehörde richtig über’s Ohr gehauen. Lauter prachtvolle Räume, aber alle leer (die Touris und Wachleute machen’s auch nicht wett). Enttäuscht beschließe ich, Istanbul zu verlassen – ich lasse mir doch nicht alles bieten.
Meine freundliche Anfrage sichert mir für den Flug nach Dubai einen Platz am Notausgang, aber erst trinke ich noch ein Bier mit Doug. Der Kanadier ist auf dem Weg zu der Segelweltmeisterschaft im Oman in der Laser-Klasse und hat durch einen verpassten Anschlussflug 23h in Istanbul gewonnen. Restlos begeistert hat er eine ganze Tüte voller Gewürze eingekauft, Eulen nach Athen wenn man danach im Oman unterwegs ist. Im Flieger kann ich mein Glück kaum fassen – eine Dreierreihe am Notausgang alleine für mich! Bitte bitte lass es so bleiben. Das Boarding ist auch schon ziemlich am Ende… aber nein. Fast zeitgleich mit der Durchsage ‚boarding completed‘ kommen noch zwei möglicherweise reizvolle Damen und setzen sich neben mich. Die beiden sind Araberinnen, da lässt sich das nicht so eindeutig feststellen. Aber eine grüßt freundlich beim Hinsetzen, vielleicht eine Gelegenheit Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen? Es kommt eher anders. Die Reihe mit dem Notausgang hat ja so ein paar Sonderregeln, zusätzlich zu den üblichen Flugzeugregeln. Die sind ja total unnötig, davon sind jedenfalls meine Sitznachbarinnen überzeugt. Als ein Steward sie bittet Handtaschen in die Fächer zu verstauen statt auf dem Boden vor der Tür liegen zu lassen, und auch das Handy auszumachen, endet die Geduld der Damen. Lautstark diskutieren sie, gehen den sachlichen Steward an, er möge sich nicht so aufführen – Drama an Bord noch vor Beginn des Entertainmentprogramms. Man muss dazu sagen, dass Emirates das Personal sehr bunt gemischt einsetzt. Diversity gelebt. Stolz werden auch am Anfang die Sprachen aufgezählt, die an Bord seitens des Personals verfügbar sind. Gilles der Steward ist Senegalese, und so sieht er auch aus. Und arabisches Geld will sich jetzt mal nicht von so einem vollpigmentierten Mensch aus Sub-Sahara Afrika was sagen lassen. Ich versuche Gilles zu unterstützen „Madam, the steward was being quite reasonable and not shouting“, aber im Rahmen der Deseskalation tauscht Gilles zum Start mit dem spanischen José, der schließlich einen Kompromiss erreicht: Das Telefon wird ausgeschaltet, und die offensichtlich mit Dollarnoten gefüllte Handtasche kommt auf den Schoß. Am Ende trug’s doch zur Völkerverständigung bei – Gilles serviert mir gleich zwei Miniaturflaschen Rotwein, und gesteht mir etwas später in der Galley, wie sehr er Flüge nach Deutschland schätzt – so diszipliniert, die Teutonen.
Nachts um drei in Dubai, mittags drauf dann in Bangkok – sahen Flughäfen schon immer so gleich aus? Überall die gleichen, teuren Läden – wer kauft das Zeug eigentlich? Lässt sich mit dem schlechten Gewissen gegenüber daheimgebliebenen (und evtl. betrogenen) Partnern wirklich so viel Geld verdienen? Von Bangkok nach Yangon merkt man dann die ersten Zeichen von Asien – die Bordküche ist eindeutig Thailändisch, eine willkommene Abwechslung zu dem Hühnerschnitzel mit Pasta was sonst bis auf Vegetarier eigentlich jedem recht sein müsste. Dafür hat der O-Saft den Namen nicht verdient. Yangon setzt als Flughafen immerhin einen kleinen lokalen Akzent: Das Hauptgebäude ist teilweise der burmesischen Blattgoldarchitektur nachempfunden. Das Abenteuer geht in die nächste Phase.
Technische Anmerkung: das Internet ist hier wirklich laaaangsam. Da wartet man schonmal 20 Minuten bis sich ’ne Website aufgebaut hat. Das Veröffentlichen von Blogs kann also auch mal dauern.
Hört sich alles sehr klasse an. Gute Reise noch 🙂
Chris, du hast deutlich zu viel Zeit, wer soll das alles lesen…………
Apropos Bettler, der Profi-Reisende – ist bei mir schon eine Weile her! – hat natürlich Sachwerte dabei: Kugelschreiber, Buntstifte, Blöcke…. ist bei bettelnden Kindern rund um die Welt beliebt, auch wenn man es nicht essen kann…….
Kugelschreiber habe ich immerhin dabei. Aber einen dürren Jungen, der abwechselnd auf Bauch und Mund deutet, mit einem Kugelschreiber abzuspeisen finde ich zynisch, oder?