Im Rahmen meiner aktuellen Tätigkeit (Sommer 2016) arbeite ich mit Татяана Александровна zusammen, die aus Russland kommt. Ich glaube, Tatjana ist betrübt, dass ich für ihr Heimatland – selbst bei diplomatischster Ausdrucksweise – nicht viel Begeisterung aufbringen kann. „Warum?“ fragt sie. Bilder sagen mehr als Worte, so will ich mich diesmal auf ein paar erklärende Kommentare beschränken.
Das Werk.
Form follows function, so heißt es doch. In dem Werk in Russland hat Function die Form allerdings meilenweit abgeängt. Besonders am Anfang fanden sich Anblicke, das braucht man einfach nicht. So die sanitären Einrichtungen:
Oder aber auch die Elektroinstallation. Das grüne Kabel führt zu der Kabeltrommel im zweiten Bild. Kenner der Materie mögen beachten, dass das Verlängerungskabel nicht etwa hinter einer der 100 Ampere Schmelzsicherungen angeschlossen ist, sonder direkt an der Stromschiene.Das mag etwas unsicher erscheinen – aber es war auch für den Ernstfall vorgesorgt. Hier eine Brandbekämpfungsstation:
Natürlich hatte auch in Smolensk die Neuzeit schon Einzug gehalten. So gab es sowohl Telefonverteiler als auch einen echten Netzwerkschrank für die IT:
Was immerhin nett war, waren die diversen Maßnahmen zur Bekämpfung von Nagetieren; es wimmelte im Werk von Katzen, und ich mag Katzen.
Bewundernswert ist das Improvisationstalent der russischen Kollegen, Nichts wird verschwendet, nichts kann nicht selber gemacht werden.
Ein Stahlbügel wurde zu kurz ausgeführt. Über 50 Stück wurden deshalb wir folgt verlängert. Wie, neu machen? Ist doch viel zu teuer.
Während Chris noch überlegte, wo man denn hier einen ausreichend leistungsfühigen Stapler mieten könnte, war die Lösung schon gefunden: Zwei Löcher ins Dach, Flaschenzug dran, basta! Der Begriff ‚Unversehrtheit der Dachhaut zur Sicherstellung der Dichtigkeit“ hat hier wohl einen anderen Stellenwert.
Natürlich wurde mit dem neuen Kapital aus dem Westen einiges renoviert und saniert. Alte, hässliche Wände wurden mit Gipskartonplatten verkleidet. Durchschnittlich wird jedes Zimmer bei jeder Renovierung ca. 2 Quadratmeter kleiner.
Leider arbeiten nicht alle Gewerke perfekt zusammen. Bevor der Trockenbauer auf einen Elektriker warten, damit der Lichtschalter versetzt wird, findet sich eine pragmatischere Lösung. Auch lässt sich der Maurer nicht von einem vorhandenen Deckenspiegel stören. Mein Plan sagt: Die Wand kommt hier hin, der Rest ist nicht mein Problem.
Natürlich weckt das frische Kapital auch Begehrlichkeiten. Hier die Fliesenauswahl für ein Chemielabor – „Aber Herr Merz, die schöneren Fliesen sind gar nicht viel teurer…“
…und manche moderne TPM Maßnahme scheitert an der Angst vor Diebstahl:
Doch auch im Werk ist für das leibliche Wohl gesorgt. Man hat sich – in der Angestelltenkantine – Mühe gegeben, freundliche Dekore für das Geschirr zu finden.
Das sonstige Leben in Smolensk:
Untergebracht war ich im Tourismus-Komplex Rossija. Es gab dabei die unrenovierten Zimmer, und die renovierten im siebten Stock. So viel Russisch konnte ich schnell, um an der Rezeption ein Zimmer im 7. zu fordern:
Egal wie das Zimmer war, es gab Morgende, wo man sich dachte: „So schmutzig bin ich nicht, dass mir dieses Wasser hilft“
Doch Abends gab es eine leckere Mahlzeit…