Was aus dem Archiv – von 2003 an war ich recht häufig in Russland. Hat mir nicht so gefallen. Teilweise fühlte ich mich etwas … alleine. Damals gab es noch keine Blogs, aber einen gewissen Mitteilungsbedarf hatte ich dennoch. Also schrieb ich e-mails, an einen großen Verteilerkreis, und hoffte dass jemand zurückschreibt. Diese Mails habe ich jetzt ausgebuddelt, und teile sie mit Euch. Ich habe außer hanebüchenen Rechtschreibfehlern nichts verändert – wegen der Authentizität, nicht weil ich zu faul bin!
Wahnsinn!!!!
Ich bin sooooo stolz auf mich. Euphorisch fast. Eigentlich wirklich euphorisch. Nach anfänglichen Versuchen, mich mit dem Handy über einen deutschen Provider ins Internet einzuwählen (für schlappe 5€ die Minute) wollte ich es jetzt mit meinem russischen Handy versuchen. Insgesamt zwei Stunden bei dem IT-Fuzzi, Versuche mit und ohne GPRS, als der IT-Mensch mir endlich erklärt wie es in Russland mit Festnetz-Internet funktioniert. Dann habe ich alleine (- ohne Dolmetscherin !!!) bei der russischen Post einen Zugang beantragt, und in der Form einer Karte mit Rubbelfeld auch bekommen. Dann habe ich mich ins Einkaufsgetümmel gestürzt, mich in drei Läden durchgefragt (wieder ohne Dolmetscherin, und die Verkäufer kennen auch keine mir geläufige Fremdsprachen), und dann endlich im vierten Laden einen Telefonstecker, Adapter, Kabel usw. bekommen. (Hardware: 45Rub = 1,30€, Karte 8€, angeblich ca. 0,67 US$ pro Stunde). Dann alleine beim Italiener, Carpacchio und Pizza ohne Karte bestellt, alleine mit der Trambahn heimgefahren – Dieses Land kann mich nicht mehr schockieren. (Vielleicht doch, mehr dazu später) Jetzt im Hotel Laptop eingesteckt, einwandfrei funktioniert’s, viermal so schnell wie im Büro vom technischen Direktor, und unendlich zuverlässiger – ich hatte in zwei Stunden noch keinen Verbindungs-, DNS-, Timeout- oder schlag-mich-tot Fehler. Die Verbindung ist stabil genug, ich höre gerade Bayern-3 WebRadio.
Eigentlich kann ich nur fast euphorisch sein, warum bin ich da nicht schon vor sechs Wochen draufgekommen? Jedenfalls bin ich jetzt nicht mehr so abgeschnitten, wie ich mir bisher vorkam. Gerade passend zur Abreise meiner Münchner Kollegen – die nächsten sieben Tage bin ich jetzt alleine hier.
Ein wenig schockieren kann’s hier trotzdem noch – die letzten Tage wurden ständig Gesprächspartner von mir abkommandiert, um auf dem Werksgelände Eis zu zertrümmern – eine Maßnahme zur Werksverschönerung offensichtlich. Da fallen einem die Augen fast aus, wenn die aufgetakelte Vertriebstussi plötzlich mit Ihren Kollegen in der Grün-Rabatte steht und die Schneehaufen umgräbt, damit der Schnee mittels größerer Fläche schneller schmilzt. Das erklärt auch ein paar der Widerstände zu vorgeschlagenen Maßnahmen. Mein Vorschlag, eine Betonfläche auszubrechen und neu zu machen ist deshalb so unbeliebt, weil die Leute alle Angst haben, dass sie es selber machen müssen. Und der Beton wird hier noch selber gemischt – wer braucht schon einen Mischer, wenn es ein paar kräftige Leute mit Schaufel auf der Strasse auch tun. Der Beton wird dann auf einer Art Trage ins Gebäude gebracht. Es wundert mich nicht mehr, warum hier alles bröckelt – wahrscheinlich hatte der letzte Buchhalter nach drei Minuten Betonquirlen keine Lust mehr, und so wurde’s eingebaut. Selber machen ist hier überhaupt angesagt – Auch Dichtungen für Maschinenteile werden nicht für Pfennige zugekauft sondern selbst geschnitzt.
Auch wenn das Lebenszeichen nicht sehr persönlich war – ich freu mich riesig über eine Antwort.
Bis dann, Chris
Pingback: Mal was neues – etwas ganz altes. | Torfprogramm – Geschichten von unterwegs