Mittsommer in Hösåra

Also ganz ehrlich – so ein bayrischer Maibaum ist schon beeindruckender. Wird auch vor dem Aufstellen besser bewacht, und das damit verbundene Brauchtum ist mit mehr Gerstensaft verbunden. Aber ein bisschen haben sich die Schweden bei uns abgeschaut.

Die traditionelle Feier findet auf Högsåra in dem Ort Keysarhamnen statt, ein weiterer Hafen an der Nordseite der Insel, zu Fuß vielleicht 40 Minuten entfernt. Ab 12:30 wird der Baum geschmückt, ab 14:00 aufgestellt und gefeiert. So der Plan. Der Hafen hier ist nett, unserer hat aber eindeutig eine bessere Kneipe. Der „Baum“ ist eine vielleicht 8m lange Stange mit zwei Querbalken. Der zweite Querbalken verhindert, dass es zu sehr nach Kreuz aussieht, er bricht aber während des Schmückens ab und wird hurtig mit einem neuen ersetzt. Das Schmücken besteht daraus, dass Farne, Birkenzweige und Blumen an den Baum gebunden werden, am Ende noch eine billige Girlande aus Plastikwimpeln. I am not very impressed. Derweil bauen zwei Musiker ihre Anlage auf, einschließlich einer Art tragbaren Orgel, wo die Spielerin hektisch auf zwei Blasebälgen trampelt, um den notwendigen ‚Wind‘ zu erzeugen. Ein kleiner Tisch wird aufgebaut, wo es später „Saft och Bulle“ gibt, einen Pappbecher Saft mit einem Gebäckteilchen. Nirgendswo ein zünftiges Fass Bier. Bis 14:00 sammeln sich etwas hundert Leute auf dem Platz, einige festlich gekleidet, viele Mädels in weißen Kleidern, und die kleinen Mädchen (und ältere Spaßvögel*innen) mit Blumenkranz auf dem Kopf.

Und dann der große Moment: ein paar Männer packen den Baum, und stecken ihn in ein vorbereitetes Loch auf dem Platz, fixieren ihn mit ein paar Keilen. Die Musik wird angestimmt, eher traditionelles Liedgut. Das Ganze scheint fast nur auf Schwedisch stattzufinden. Die Musiker fordern irgendwann zum Tanz auf, und eine bunte Mischung aus Frauen bildet einen Ring um den Baum. Männer tanzen kaum, nur ein paar Väter, die ihren kleinen Töchtern emotionale Unterstützung leisten. Offensichtlich werden die Tänze nicht oft getanzt, die Musiker erklären meist die Schrittfolge und anderes; dann tanzt sich die Gruppe händehaltend um den Baum. Es wirkt jetzt nicht ernst und erhaben, ein Tanz könnte ein Tier beschwören (ich rate: ein Hase), da abwechselnd die Hände an die Ohren gehoben werden und winken, und dann hinter den Rücken. Am interessantesten finde ich eigentlich, dass auch ein paar ca. 13-16 Jahre alten Mädels mitmachen, die eigentlich so aussehen, als wäre so ein Kinderkram völlig unter ihrer würde. Eigentlich sehen sie so aus, als wäre ihr Platz am Rand des Schulhofes wo sie die Jungs gleichzeitig locken und abblitzen lassen.

Nach einer dreiviertel Stunde geht es zum Paartanz für Ältere über, das Publikum lichtet sich und auch wir gehen zurück nach Byviken zum Boot. Wir halten noch an Farmor’s Café, der Restauranttipp auf der Insel, um eine Reservierung für den Abend zu ergattern, und dann ein kleines Nickerchen auf dem Schiff.

Es ist alles deutlich voller als die Tage zuvor, aber es ist auch Freitag. Die ‚Rumpan Bar‘ in unserem Hafen ist nach dem Essen gut gefüllt, einige der Leute haben ordentlich getankt. Ein Alleinunterhalten spielt Covers von beliebten schwedischen Pop-Songs. Wir unterhalten uns mit einer angetrunkenen Finn-Schwedin, und fragen sie über das Verhältnis der beiden Volksgruppen aus. Sichtlich um Neutralität bemüht, blitzt doch manchmal eher durch, dass man sich nicht gaaaaanz grün ist. Ich hatte erwartet, dass an diesem längsten Tag durch die kurze Nacht durchgefeiert wird, aber um 22:00 wird die letzte Runde eingeläutet. Nun ja – immerhin sehr viel besser als vor zehn Jahren in Westschweden.

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