Oh Leute von Baiona, lasst Euch von unseren Abenteuern erzählen! So muss sich Kapitän Pinzón von der Pinta gefühlt haben, als er am 28. Februar 1493 in Baiona einlief. Er kam tatsächlich vier Tage vor Kolumbus (der in Lisboa) an, und somit waren die Leute von Baiona die ersten, die von „Amerika“ erfuhren. Unsere Ankunft in Baiona wird mit weniger Aufmerksamkeit und mehr Routine begangen, keiner fragt uns nach neuen Entdeckungen. Stattdessen werden wir nach Schiffspapieren und Ausweisen gefragt, und die Marinagebühr kassiert. Dafür müssen wir uns auch nicht lange feiern lassen, sondern können gleich durch die Altstadt zu einer geeigneten Kneipe gehen. Wir sind wieder in Spanien! Ich kann die Sprache wieder – also so etwas; in Galizien wird auch Galego gesprochen, eine Mischung aus Portugiesisch und Spanisch. Galizien ist die Region nördlich von Portugal, und die untere Hälfte hat an der Atlantikküste vier große Rías, die Rías Baixas. Eine Mischung aus Flussmündung und Fjord, jedenfalls tiefe Einschnitte ins Land mit viel Ankermöglichkeiten. Der Revierführer preist die als eines der besten Segelreviere an der Westküste der iberischen Halbinsel an, und ich würde ihm zustimmen. Wir machen in knuffigen Orten fest, die jeweils ihren unspektakulären Charme haben. Es hat Ankerbuchten, schöne Strände, Nationalparks auf vorgelagerten Inseln, viele Restaurants und Kneipen, Muscheln und andere Spezialitäten. Ich muss zugeben, ich kann jetzt für keinen einzelnen Ort oder Sehenswürdigkeit ein flammendes Plädoyer halten, aber um mal die Seele baumeln zu lassen…
In Baiona ist die markanteste Sehenswürdigkeit ein Nachbau der Pinta. Das Schiff war gar nicht so groß – größer als die Seestern, aber ein Ausflugsdampfer auf dem Tegernsee ist ein größeres Kaliber. Der Eintritt für die Pinta kostet 2€ (3€ mit einem kleinen Museum in der Stadt), und ist somit angemessen. Wie gesagt, wer extra deswegen aus Deutschland angeflogen käme, der wäre enttäuscht, aber auf dem Rückweg vom Mittagessen eine kurzweilige halbe Stunde. Am nächsten Tag fahren wir in den Cies Archipel, ein Nationalpark vor der Ría de Vigo – ein kurzer Schlag von Baiona aus. Die Isla Cies – wo wir zwei Nächte bleiben – bekommt einen eigenen Artikel, der eher fotolastig wird.
Danach fahren wir weiter – wir wollen nach Pontevedra. Die Stadt hat im (Land-)Reiseführer einer der beiden Sterne von Galizien, und hat eine eigene Ría. Schnell stellen wir allerdings fest, dass die Stadt selber verlandet ist, und die näheren Häfen sind auch nicht so attraktiv. Am Ende fahren wir nach Portonovo, in eine preiswerte Marina. Noch preiswerter wird die Marina, indem wir in der Bucht daneben ankern, und erst am nächsten Tag in die Marina fahren. Hier wird wirklich für die Nacht gezahlt, und so können wir kurz nach dem Anlegen um neuen frisch duschen und unseren Tag gestalten. Unser Plan, dort einen Mietwagen zu nehmen und nach Pontevedra und Santiago de Compostela zu fahren, geht mangels Mietwagenangebote nicht auf. Wir disponieren um, und fahren mit dem Bus. Wir haben uns extra erkundigt, wann der letzte Bus zurück geht, aber das wird dann irrelevant. Pontevedra ist zwar nicht hässlich, aber eigentlich sind wir nach zwei Stunden und drei Sehenswürdigkeiten durch. Wir fahren dann noch in den benachbarten Ort Combarro, der für seine Kornspeicher berühmt ist, trinken auch dort noch ein Bier, und erwischen dann den Bus – wir haben Glück, wir bekommen die letzten zwei Plätze, ganz hinten in der Mitte einer Horde Schulkinder in der Pubertät. Es läuft schlechte Musik, und wir sorgen uns um Maskenpflicht und Mindestabstände.
Vor der nächsten Ría liegt wieder eine Nationalpark-Insel. Sie heißt Ons, und erfordert auch wieder eine Anmeldung, eine Genehmigung zur Einfahrt, und eine separate Ankergenehmigung. Auch das absolvieren wir brav, und auch dazu gibt es einen separaten Eintrag.
Vor der nächsten Ortschaft probieren wir wieder eine Ankermöglichkeit, diesmal in der Ría Arousa. Diese Ría ist weltweit bekannt für ihre Muscheln – die sogar eine anerkannte Herkunftsbezeichnung haben, und diese Muscheln werden auf großen Farm-flößen, Viveros genannt, gezüchtet. Anfangs halten wir uns noch von den Farmen fern, aber nachdem wir ungefähr zehn Motorboote kreuz und quer durch die Flöße haben fahren sehen, biegen wir auch ein, und segeln auf direktem Weg zum Ankerplatz. Auch etwas spannend, wenn man nicht nur nach Wind und Kurs fährt, sondern tatsächlich Hindernis-Slalom. Am nächsten Morgen geht es weiter nach Muros. Das Wetter brüllt nicht gerade „Sommerurlaub“, als wir Muros in Sicht bekommen, denke ich mir, dass wir auch in Irland sein könnten. Alles schön grün, und graue Steinhäuser. Wir haben uns mittlerweile im Internet über Muscheln schlau gemacht – die Region, isb. Ría Arousa, hat sogar eine geschützte Herkunftsbezeichnung für ihre Muscheln. Die Muscheln sind auch erstaunliche Tierchen – sie können einen Polymer-Kleber herstellen, mit dem sie sich an diversen Objekten anheften können, und sind deshalb auch für die Wissenschaft interessant. Das Tolle ist wohl, dass sich biologisches an anorganische Materialien kleben kann. Ich dachte nicht, dass das so besonders ist. Sekundenkleber kann doch auch Finger zusammenkleben? Als wir am Abend Hunger bekommen, interessieren uns allerdings andere Facetten der Schalentiere. Also finden wir in Muros ein entsprechendes Restaurant, und probieren uns durch ein paar verschiedene Arten durch. Muros wurde uns von Louise und Patrick wärmstens empfohlen, und wir nutzen die Stadt, um am nächsten Morgen nach Santiago de Compostela zu fahren – auch das soll ein separater Beitrag werden. Am Sonntag, den 4. Juli, verlassen wir Muros. Der Spaß hört auf, ab jetzt nennt sich das Segelrevier ‚Die Todesküste‘.