Vitória

Vitória ist für mich der Höhepunkt des Ausfluges in die Weinbaugebiete des Douro. Anmutig, wunderschöne grün-graue Augen, weiches braunes Haar. Vitória ist die Rezeptionistin des Casa dos Barros / Vintage Theory Weingutes in Sabrosa. Sie begrüßt uns alle freundlich, aber ich bin mir sicher – mich mag sie besonders. Sie ist freundlich aber auch fordernd, nahbar und anschmiegsam. Nicht sehr groß, aber das macht sie auf patente Art wett. Sie springt mit einem Satz auf das Weinfass neben mich und kuschelt schnurrend weiter. Vitória ist die Sommeliatze des Weingutes, und begleitet die offiziellen Tour.

Wir haben von Porto aus einen Tagesausflug gebucht: Minibus ins Douro-Tal, Weintasting, Bootfahrt, und nicht selber zurückfahren müssen. Wir sind zu fünft im Auto, und Silvia, die fahrende Führerin. Ein holländisches Mutter-Tochter Gespann, deren Namen ich mir mit Antje und Femke gemerkt habe. Antje kann nicht so gut Englisch, Femke übersetzt. Femke ist ein beeindruckender Anblick – muskelbepackt und sieht insgesamt hart aus. Ich möchte ihr nicht in einer dunklen Gasse begegnen. Außerdem dabei: Giulia aus Italien. Giulia ist sehr kommunikativ, und erkennt schnell Muster. Bei den meisten Erklärungen von Silvia zieht sie sofort eine Parallele zu Ihrer Heimat (Modena, die Heimat von Ferrari) und teilt sie erfreut der Gruppe mit. Ja – solche Hügel gibt es in ihrer Heimat auch, nur etwas anders. So entwickelt sich ein interessanter Dialog vorne im Minibus, Frank und ich rollen nur noch mit den Augen. Kurz hinter Porto erklärt Silvia, dass hier sehr viel Eukalyptus wächst, da dieser recht schnell wächst, und vor einem Jahrhundert schleunigster Aufforstungsbedarf vorlag. Der Eukalyptus wurde aus Australien eingeführt, aber – und hier nimmt Silvia meine Frage vorweg – es gibt trotzdem keine Koala-Bären.

Um die Weintour auf neun Stunden aufzublasen gibt’s am Vormittag noch einen Stop in Almarante. Die Stadt wäre bei Sonnenschein bestimmt recht malerisch, aber es regnet. So mümmel ich mich unter meine Kapuze, und wir nutzen die ‚Stunde zur freien Verfügung‘ für ein Kaffee und ein Test der dort berühmten Süßwaren. Silvia erzählt, dass die Nonnen in früheren Zeiten eine Kuppelproduktion betrieben: Sie wuschen Wäsche, die sie dann mit Eiweiß stärkten, und aus dem Eigelb fabrizierten sie durch die Zugabe von Zucker und wenig sonst Süßwaren. Offensichtlich gibt es davon fünf Modelle, wir bestellen sie alle und ein Messer. Puh, Zeit für ein Leberwurstbrot. Aber die Nonnengeschichte ist nicht die wichtigste zu Almarante. Laut Silvia wurde die Stadt von einem São Gonçalo gegründet, der in Portugal ein Heiliger ist. Er brachte das Christentum in die Stadt, verheiratete die in wilder Ehe lebenden Paare und kümmerte sich um deren Seelenheil. Allerdings, so die Legende, kümmerte er sich auch intensiv um unverheiratete Damen, und deshalb ist er NUR in Portugal ein Heiliger. Wegen diesem Teil der Geschichte wird ein Gedenk-Kuchen angeboten, dessen Form nicht gerade subtil auf die Manneskraft des Heiligen hinweist.

Das erste Weingut ist in Sabrosa, und dort begegne ich Vitória. In Sabrosa steht das Geburtshaus von Fernão de Magalhães, uns als Magellan bekannt, der als erster die Welt umrundete. Frisch aus Sevilla gebildet, frage ich, ob das nicht eigentlich Juan Sebastián Elcano wäre, da Magellan sich von irgendwelchen Eingeborenen umbringen hat lassen? Ja meint Silvia, aber die Expedition geführt hätte immerhin Fernão, und Elcanos Geburtshaus könnte sie halt hier nicht bieten.

Wir hatten eigentlich gehofft, dass die Weintour sich auch mit ’normalem‘ Wein beschäftigt, aber in und um Porto dreht sich alles um Portwein. Vintage Theory bietet neben etwas Käse (der für Vitória interessanter ist) drei Portweine, zehn, zwanzig und dreißig Jahre alt. Er erklärt das Verfahren, und damit ihr merkt, dass ich aufgepasst habe, gebe ich es hier schnell wieder. Die Trauben werden normal angebaut, allerdings Sorten, von denen ich noch nie gehört habe (das gilt aber auch für den normalen Wein). In mühsamer Handarbeit werden sie geerntet – das Douro Tal besteht hauptsächlich aus Steillagen – und danach noch einmal besonders ausgelesen. In großen Granitbecken – Lagar genannt – werden sie dann von Fuß zertreten, mit einer kleinen Pause dazwischen zweimal. Beim zweiten Mal haben die menschlichen Weinpressen wohl schon bessere Laune (vielleicht eine Brotzeit mit Wein bekommen), die ernste Arbeit wird dann von Musik und Tanz im Lagar begleitet. Der Wein vergärt spontan, mit den Hefen die sich auf den Trauben finden. Ich habe noch eine weitere Theorie, woher biologische Gärbeschleuniger kommen könnten, aber die teile ich jetzt mal nicht mit Euch. Der Wein darf zu einem Teil vergären, aber bevor der ganze Zucker abgebaut wird, wird er mit einem Fünftel Weingeist mit 77% versetzt, welcher den Hefen den Garaus macht. Der Portwein hat dann 20% Alkohol, und wird je nach Qualität unterschiedlich gelagert. Am Ende hat man dann einen süßen Desertwein, der aber tatsächlich recht lecker ist, wenn man sich auf ihn einlässt.

In dem Weingut bekommen wir auch Mittagessen, und dazu je einen weißen und roten ’normalen‘ Wein. Danach geht die Fahrt weiter durch eine kurvige Straße nach Pinhão direkt am Douro. Der Regen hat sich mittlerweile verzogen, die Sonne scheint. In dem kleinen Ort besteigen wir ein umgebautes Boot, mit dem früher der Portwein nach Porto zum Versand gebracht wurde. Der Etappenreiseführer bietet uns verbotenerweise (Corona-Regel, eigentlich) etwas Portwein im Pappbecher an, der aus einer eher inoffiziellen Flasche kommt. Wir sitzen in der Sonne im Bug des Bootes, und wir erfahren warum Femke so gebaut ist, wie sie ist. Sie war beim Militär, und dort Sportausbilderin. Nun wohnt sie mit Ihrem Mann in England, und stellt Lieferungen vom Supermarkt zu. Sie hat ihre Mutter seit über einem Jahr nicht gesehen, deshalb sind ihr jetzt die 10 Tage Quarantäne in England wurscht. Giulia erzählt, dass sie Projektmanagerin sei, und von überall auf der Welt arbeiten könne. Scheinbar aber nicht besonders erfolgreich, sie wohnt in Porto im Hostel. Nach einer Stunde an Bord ist die Fahrt fertig, und Silvia bringt uns zum zweiten Portweingut, der Firma Croft. Wieder die gleiche Erklärung, aber etwas andere Weine. Auf dem Rückweg nach Porto wird es dann still im Minibus, die letzte Stunde haben wohl alle geschlafen.

Zurück in Porto um 18:00 ziehen Frank und ich noch los, um ein herbes Bier nach dem süßen Wein zu zischen. Zum Essen treffen wir zufällig Antje und Femke, und unterhalten uns noch ein wenig. Danach versuchen wir, noch ein konventionelles Wein-Tasting zu organisieren. Unser eigentlicher Gedanke war ja, verschiedene Weine zu probieren, und von besonders guten Angeboten ein paar Flaschen an Bord zu nehmen, um nicht ständig Wein nach Etikett zu kaufen. Ganz geht der Plan nicht auf – aber Wein trinken wir trotzdem. Dann wieder mit dem öffentlichen Bus nach Leixões zurück.

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