Nett hier – aber waren Sie schon mal in Baden Württemberg?

Der Werbespruch – zuletzt auf einem Aufkleber gelesen, der an einem VW-Bus klebte, der neben mir auf der Fähre Meersburg-Konstanz stand – geht durch mir den Kopf. Sofort bereue ich ihn, aber die Gedanken sind ja bekanntlich frei, und so lässt sich auch dieser nicht einfangen. Gekommen ist er mir beim Schnorcheln an den Tobago Cays, laut Revierführer einer der absoluten Höhepunkte der Unterwasserwelt in diesem Eck der Karibik. Aber Schnorcheln habe ich auch schon mal besser erlebt, wenn auch nicht in Baden Württemberg, sondern in Indonesien und Thailand. Deswegen ist mir der Gedanke ja auch so peinlich – meckern auf unglaublich hohem Niveau. Und die Tobago Cays sind schon fein, etwas überlaufen vielleicht. Wir haben einen guten Zeitpunkt erwischt – die Boote, die heute noch Strecke machen wollen sind abgefahren, und die Boote voller fauler Langschläfer sind noch nicht da. So finden wir noch einen guten Ankerplatz, soll doch der Rest sehen wo er bleibt. Ab ins Wasser – die auf ebay ersteigerte Unterwasserkamera (Ersatz für die, die in Indonesien ausgestiegen ist, nur weil ihre Maximaltiefe um 110% überschritten wurde) will ausprobiert werden. Ein paar Pufferfische, ein paar Schwämme winken in der Strömung. Nett hier. Immerhin gelingt mir beim Schnorcheln das optimale Foto eines karibischen Strandes: Türkisblaues Wasser, weißer Sand, Palmen am Strand. Man sieht zwar ein paar andere Badende, aber nicht das volle Ausmaß der touristischen Auswüchse. Imbiss- und Souvenirbuden am Strand, Kajaks zur Vermietung, ständig fahren Motorboote umher um den ankommenden Yachten Fisch, Hummer, Bananenbrot, ein BBQ am Strand oder auch nur T-Shirts anzubieten. Zurück am Boot kaufen wir Sidney dann doch ein Bananenbrot ab – der Kollege sieht wie ein authentischer Rasta-man aus, dass aus seinem Ghettoblaser Bob Marley quäkt, unterstützt den Eindruck.

Doch wie sind wir hierhergekommen? Am Dienstagmorgen hat uns Frank noch in Tyrell Bay ausklariert. Mit vier Reisepässen in einer wasserdichten Tasche mit dem Dinghy an Land gefahren, und bei der Passkontrolle der Hafenbehörde uns alle aus dem unabhängig Staat abgemeldet. Frank flucht zwar, dass er unglaubliche Mengen an Dokumenten jedes Mal von Hand ausfüllen muss, aber immerhin bleibt uns das Schicksal der Engländer erspart, die wir am Vortag beim Abendessen getroffen hatten – die hatten ihre Ausreise im Internet vordeklariert, scheitern aber am Morgen daran, dass die Beamten kein Papier für ihren Drucker haben, während deren Skipper versucht in dem Ort Papier aufzutreiben setzen wir die Segeln mit Ziel auf den nächsten unabhängigen Staat unserer Reise – St. Vincent and the Grenadines. Die Einreisebehörde sitzt auf Union Island, und nehmen Frank als letzten Einreisenden des Tages an – der Crew hinter Frank wird beschieden, am nächsten Tag wiederzukommen. Wir haben sogar noch genug Zeit um uns eine Bucht auf Mayreau zu suchen – der nächsten kleinen Insel, und der ideale Absprungspunkt für die Cays am nächsten Morgen. Als wir mit Ankern fertig sind – der windige Ring hält noch – kommt ein junger Segelprofi von einem fetten Catamaran zu unserem Schiff gebraust und informiert uns, dass unsere untere Steuerbordsaling ziemlich verbogen ist, und im völlig falschen Winkel steht (eine Tatsache, die man nur mit genügend Abstand zum Schiff überhaupt erkennt), und dass wir bei genügend Belastung Gefahr laufen würden, unseren Mast zu verlieren. Der Grant der Crew auf das Schiff wächst weiter. Mit Rumpunsch besänftigen wir den Ärger, schaffen es aber dennoch am nächsten Morgen leidlich früh aufzustehen.
Die Tobago Cays sehen auf einer Seekarte wie ein weitläufiges Lagunensystem – mit einem großen Hufeisenförmigen Stück Land als Schutz gegen den Atlantik, doch die Seekarte täuscht. Tatsächlich sieht man von den Cays bei normalen Wasserständen nur vier kleine Inselchen – das gelbe Hufeisen ‚könnte‘ bei Spring-Niedrigwasser (also Ebbe bei Vollmond) mal kurz zwischen den Wellen zu sehen sein, bei dem vorherrschenden Wasserstand erkennt man das Riff nur durch die sich dort brechenden Wellen. So ergibt sich aus bestimmten Perspektiven auch ein unwirkliches Bild. Da ankern Segelyachten mitten im Meer, scheinbar ungeschützt vor den wilden Fluten des Atlantiks. Hinter den Booten tobt das Meer (die Brecher am Riff), und sie sind dem vorherrschenden Nordostwind eher ungeschützt ausgesetzt. Eine ruhige Nacht werden die wohl nicht haben. Olaf und ich sind auf die Jagd nach den hier zahlreich vorhandenen Meeresschildkröten gegangen. Aber auch in deren beliebtesten Revier erschnorchelt sich Olaf keine der Schildkröten. Ich schätze, es liegt am perfiden Humor der Schildkröten: ich habe einige gesehen; sie tauchen auf um Luft zu schnappen, beobachten einen dabei ganz genau, warten, bis man die Kamera in ihre Richtung hält, und tauchen dann schnell unter. Ähnlich werden sie wohl mit Schnorchlern verfahren.
Am Donnerstagmorgen müssen wir die Rückreise antreten. Unter Motor fahren wir noch ein wenig durch die Cays. Mit zwei GPS Kartenplotter, die sich nur unwesentlich widersprechen, ist das für uns Hobby Segler spannend – sorgfältig stecken wir unsere Route ab, links und rechts vom Schiff lauert das Verderben in der Form von versteckten Riffen (und wenn nicht das Verderben, so zumindest der Verlust der Kaution). Mehrmals denken wir in Respekt an die Entdecker vor einem halben Jahrtausend, die hier noch gänzlich ohne Seekarten unterwegs waren, immerhin haben die sich für so etwas ordentlich Zeit genommen – erst mal Ankern, und dann mit dem Beiboot einen Weg durch den Riff erkunden. Wir umrunden noch die kleine Insel Petit Tabac – Fans von ‚Pirates of the Carribean‘ könnte sie ein Begriff sein; hier wurde Capt. Jack Sparrow ausgesetzt – und machen uns wieder auf den Weg nach Union Island, um auszuklarieren. Dann geht’s weiter nach Carriacou, wo wir am nächsten Morgen die letzte Etappe starten wollen.

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