So much to eat, so little time. Ich schwör’s, ich könnte einen Japanurlaub nur aus Restaurantbesuchen machen. Schade, dass sich Essen, anders als zB Erinnerungen und nette Fotos auf den Körper auswirken.
Von Bine und Ebi habe ich für Kyoto eine Restaurant-Empfehlung bekommen – scheinbar wirklich exzellent. Ob es mit Kobe-Steak wäre? Nein, Kaiseki Style. Das sind dann ungefähr 20 Teller wo man bei jedem denkt – das kann doch nicht alles gewesen sein; und am Ende doch aus dem Restaurant rollt. Gut, das ist jetzt für die letzte Nacht gebucht, also muss ich sehen, dass ich noch einmal so ein Kobe-Steak bekomme. Meine Erwartungshaltung dafür: Mindestens 100€, nur für ein Steak, und das auch homöopathisch von der Größe. Als ich in Osaka ankommen, sehe ich mir die Restaurants in Nähe an. Einige bieten so etwas (ähnliches) offensichtlich an. Meine Wahl fällt auf das 焼肉・ホルモン 家蔵一平 – gute Bewertungen, vertrauenserweckende Fotos von fein marmoriertem Fleisch an der Tafel vor der Tür, und ein stilisierter Stierkopf über der Tür. Nur Mut, denke ich mir. Jeder Gast hat seinen kleinen Tischgrill; ich habe mich doch gegen Do-it-Yourself Essen ausgesprochen. „It’s easy, meint die freundlich lächelnde Bedienung“; Konsequenz ist Glücksache. Die Preise sind gar nicht so schockierend. 4.500 ¥ für die teuerste Platte „assorted 3 kinds of special selection“, das sind grob 27€. YOLO denke ich mir (für die älteren: You only live once). Her damit. Schuhe hat man an Tür gelassen, es hat ca. 30cm hohe Tische über den Tatami-Matten. Damit das auch ältere Leute mit Knieproblemen schaffen, ist unter dem Tisch aber ein Loch, deshalb sitzt man nicht im Schneidersitz, sondern einfach auf der Kante der Tatamimatte am Loch. Die Platte kommt. Was da an Rind drauf liegt, hat NICHTS mit einem Steak von der Theke bei Vinzenz Murr zu tun. Superdünne Scheiben, vielleicht 5mm dick. Das Fleisch liegt auf einem kleinen Reisig-Bündel. Der Bedienerich meint: „one minute, one minute, finished“. Mir fällt auf, dass ich NUR Fleisch habe, keine Pommes dazu. Ich bestelle noch ein paar „Sides“: Gesalzenes Kraut, Zwiebel, und etwas „Chorizo (spicy sausage)“. Als die kommt, muss ich laut lachen, der Bedienerich schaut mich verwirrt an – wenn Ihr das Foto seht, lacht Ihr auch. Wenn es einen Hüter der Produktmarke „Chorizo“ gab, der dreht sich jetzt mit 5000 Umdrehungen im Grab. Der Bedienerich erklärt zu dem Fleisch „Kobe“, aber ich bin a bisserl skeptisch.* Aber Kobe-Rind ist auch nur die Rasse Wagyu aus dem Gebiet D.O.C. Zu dem Fleisch gibt es zwei Tunke-Saucen, eine davon etwas schärfer.







Doch nun der Versuch einer einordnenden Schilderung. Man hatte mich gewarnt: „Wenn Du ein Kobe-Steak isst, bist Du für normales Steak komplett versaut“. Jein. Es ist unglaublich lecker, keine Frage. Aber es ist kein Steak. Es sind klitzekleine Scheiben, die man auch gut auf einem Raclette-Grill machen könnte. Sie bestehen gefühlt so zu 60% aus Fett, also lauter Geschmacksträger (Ich muss dabei immer dran denken, was ich für ein krasser Geschmacksträger bin), was ein wenig zu kurz kommt ist das Hämoglobin, also letzten Endes Blut. (Ich habe mal in einer Sendung über veganes Fleisch gehört, dass es tatsächlich der Hämoglobin-Geschmack ist, was darüber entscheidet, ob eine Wurst aus Erbsen und Chemie als Fleischersatz akzeptiert wird). Am Ende wird mich der Abend ca. 45€ kosten, eigentlich sehr akzeptabel. Und ich musste es selbst grillen – vielleicht habe ich alles versaut, und es hätte ganz anders zubereitet gehört. Anyway, das probiere ich nochmal…
…nämlich am nächsten Abend in Kyoto, im Restaurant Yamadaruma, direkt neben dem Hotel. Hier kostet der „most popular plate“ ¥ 2.980, also ca. 18€. Dass in der Karte auch „about for 2 Persons“ steht, ignoriere ich geflissentlich. Auch hier bestelle ich Kraut und etwas Zwiebel dazu, und ein Glas Rotwein. Rotwein in Japan: don’t do it. Er kommt eiskalt. Dass ich ihn ein wenig neben dem Tischgrill auftauen lasse, tut ihm aber auch nicht unbedingt gut. Kein Rotwein mehr in Japan. Hier empfiehlt der Maître, das bessere Fleisch von den fünf verschiedenen Cuts ähnlich wie Sushi, mit Soja und Wasabi, zu genießen. Da ich hier einen Thekenplatz habe, kann ich mich gegen Ende mit dem Chefkoch etwas unterhalten. (Mehr etwas als unterhalten). „Kobe?“ frage ich. Nein, wehrt er ab, mit einem Blick der zu dem Gedanken passen würde ‚Bist Du behämmert, das würde sonst doppelt so viel kosten‘, das ist Miyazaki. Was denn das Gesamtfleischgewicht des Ensembles wäre? Er zückt den Taschenrechner, 210 Gramm (gedacht für zwei, ein Schelm wer meine Mengen daheim kennt). Ich hab‘ dann mal Miyazaki gegoogelt, hauptsächlich um die Schreibweise zu bestätigen. Von einem Händler in Deutschland 400-540€ pro kg im Versand für eine Qualität A5+. Also entweder ist das Fleisch in Japan im Vergleich wirklich spottbillig, oder die servieren hier in den Spelunken nur das billige Zeug, was sich nicht für den Export eignet. Und um ehrlich zu sein: das Yamadaruma ist wirklich spelunkig, mit seinen laminierten Karten und… seht die Fotos. Am Ende meinte ein Australier neben mir noch, dass ich unbedingt diesen einen Sake probieren müsste – hilft ja nix.




Fazit: Lust auf Steak á la Chris ist nicht vergangen; das ist einfach was ganz anderes. Aber hier in Japan sollte man auf alle Fälle mehrmals davon probieren. So much to eat so little time.
*Anmerkung 2 Tage später: no fucking way war das echtes Kobe Rind. a) nur ca. 0,3% der geschlachteten Wagyu Rinder sind „Kobe“ Rinder, und b) aus einem echten Kobe-Rinder-Restaurant geht man nicht nur mit 45€ weniger raus – für Dich getestet.