Ja bin ich im Wald hier?

Ach ja, Segeln: das weite offene Meer, bis an den Horizont und weiter. So stellt Ihr Euch das auch vor, oder? Hier in Finnland, da kommt mir öfters in den Sinn: “ 🎶Ja bin ich im Wald hier? 🎶 Wo bleibt denn mein Altbier? 🎶“. Ach ne, kein Trinklied, hier geht’s ja wirklich um den Wald. Im Allgemeinen ist der Wald nicht das klassische Revier des Segelboots. Wenn ich mich jetzt so umsehe, dann ist rund um die Seestern nur Wald. Es hängt ein wenig von der Perspektive ab – von der ersten Stufe am Niedergang aus sieht man kein Wasser, vom Steuerstand aus erkennt man natürlich, dass man hier vielleicht in einem größeren Waldsee unterwegs ist. Aber tatsächlich, der Rundblick offenbart nirgendswo das große, weite Meer. Das ist Schärensegeln in Finnland.

Wir folgen mit der Seestern sklavisch einer betonnten Route. Dafür gibt es zwei Systeme – Lateralzeichen und Kardinalzeichen. Lateralzeichen sind rote und grüne Tonnen die links bzw. rechts neben dem Fahrwasser stehen (wenn man in Richtung Hafen fährt, beim Rausfahren muss man umdenken). Kardinalzeichen sind einzelne Tonnen, die an bestimmten Seiten von Gefahrenstellen stehen. So steht zB im Westen einer Untiefe eine Westtonne, und bedeutet dem Schiffsführer, dass er noch weiter im Westen daran vorbeifahren sollte. Sie sind farblich markiert; eine Westtonne ist zB oben gelb, in der Mitte schwarz, und unten wieder gelb. Theoretisch haben beide Tonnensysteme noch Topp-Zeichen, aber auf die verzichtet man in Finnland, obwohl sie bei Gegenlicht recht sinnvoll wären, weil man die Farben gegen die Sonne nicht mehr erkennt. Praktisch kann man auch mit Kardinalzeichen Fahrwasser markieren; dann stehen eine West- und Osttonne 20 Meter auseinander, und man muss halt dazwischen durchfahren. Wann welche Systeme zum Einsatz kommen, das haben wir noch nicht kapiert. Meine Theorie: größere und durchgehende Fahrwasser werden mit Lateralzeichen gekennzeichnet, kleinere eher mit Kardinalzeichen. Vielleicht sind die Lateralzeichen auch ausschließlich eine Hoheitsaufgabe des Staates, und mit Kardinalzeichen dürfen die Finnen auch ihre Hofeinfahrt markieren.

Natürlich gibt es noch andere Navigationshilfen, wie Landmarken (zB ein weiß angepinselter Steinhaufen) oder Peilmarken. Mit Peilmarken, da sind sie in Finnland gaaaanz groß unterwegs. Auf einem Stein im Wasser steht eine rot-gelbe Tafel, auf der Insel dahinter (und höher) steht eine zweite rot-gelbe Tafel. Wenn beide genau übereinander sind, dann ist man auf der richtigen Strecke. Man muss nur den richtigen Absprung schaffen, sonst stößt man an die untere Tafel, und das Boot ist kaputt.

Natürlich hilft es wenig, wenn man keine Seekarte hat – es ist schon eine wertvolle Information, dass nach der langen Strecke nach Norden ein Knick nach Westen kommt; Man schaut dann nach der neuen Peilmarke auf der linken Seite des Schiffs. Unsere Seekarte ist eine elektronische, auf einem Navigationsgerät kann man hin- und her-zoomen. Das ergibt auch immer ein ganz neues Bild – wenn man plant, zwischen zwei Städten an der Küste einen Weg zu finden, ist das meiste Inselgewirr nah an der Küste einfach hellblau, und das ist meistens zu flach. Also weit raus auf’s offene Meer, vier Stunden nach Norden segeln, dann irgendwie in die Stadt rein. Man hält sich dabei an große Seefahrtsstraßen, die auch für Frachtschiffe und Fähren geeignet sind. Sobald man unterwegs ist, zoomt man natürlich weiter rein. Dabei stellt man fest, dass die solide blaue Fläche eher gepunktelt ist. Inseln, blaues flaches Wasser, und dazwischen weiß (Wasser, 10m tief). Hmmm. Aber da jetzt nur mit GPS durchschlängeln? Wirkt riskant. Man zoomt weiter rein, und plötzlich zeigt das Gerät auch die kleinen Fahrwasser an. „Recommended Track, 2,4m Deep“ – das reicht für uns. Man fährt dann konzentrierter – in engen Passagen ist zwischen den Tonnenpaaren vielleicht 10m Platz, und auch wenn mir mehrmals versichert wurde, dass man sich auf die Fahrwasser verlassen kann, so wird der Blick doch bang, wenn einem nur noch 50 cm Wasser unter dem Kiel auf dem Tiefenmesser gezeigt werden. Und natürlich muss der Wind passen – Kreuzen geht da nicht mehr.

Jedenfalls sind wir so unterwegs von der Replotbron nach Mickelsörarna Kummelskäret, und kurz vor der Ankunft sind wir dann auf dem eingangs erwähnten Waldsee. […und ein paar Fotos habe ich dann auf der schwedischen Seite bei Umeå gemacht]

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