Leixões

Trip-Advisor schlägt vor, in Leixões eine Stunde zu bleiben. Wir sind letztlich über eine Woche dort geblieben. Nicht, weil Leixões so viel zu bieten hat, aber wir haben auch noch ein paar Sachen am Schiff zu erledigen, Porto ist letzten Endes nicht weit (die Busfahrt dorthin und zurück kostet weniger als die Mehrkosten der Marina von Porto selber). Die Marina Douro in Porto selber ist wegen Tiden schwieriger zu erreichen, und auch nicht wirklich zentral. Die letzten vier Tage halten uns auch die Wellen im Hafen – mehr dazu später.  

Wir fahren in die Marina am Morgen ein, nachdem wir die Nacht vor Anker verbracht haben. Das Boot neben uns ist die Zara, belgisch beflaggt. An Bord ist Patrick und seine englische Frau Louise. Die beiden sind mit erheblich strafferem Zeitplan unterwegs, und überführen ihr Schiff von Sardinien nach Belgien. Wir laden sie am ersten Abend auf ein kleinen Schluck Wein bei uns ein, der letzten Endes etwas größer wird. Wir sehen die beiden immer wieder, sie sind es auch, die uns den Tipp mit dem Markt geben – mit lebend Vieh. Insgesamt sind die Tage, die wir in und vor Porto verbringen, nicht mit dem besten Wetter gesegnet. So verbringen wir neben zwei Kultur-Tagen im Dourotal und in Porto selber auch ein paar recht faule Tage. Wer mich kennt, weiß wie sehr mich solche Untätigkeit stört, aber ich trage es mit Fassung, bleibe lange im Bett, lese viel.

Eigentlich hatten wir ja auch noch viel größere Pläne: Albert hat sich angekündigt. Wir kannten uns aus Osram-Zeiten, und Albert verfolgt meinen Blog. Dabei kamen wir ins Gespräch, und er gab zu erkennen, dass er gerne mal segeln würde. Gesagt, getan. Albert landet am Samstag in Porto, trotz Ryanair-Flug. Er will bis Vigo mitsegeln, also nach Spanien. Am Telefon hatten wir besprochen, dass er hofft, drei Tage mitzusegeln. Das würde nach Vigo problemlos reichen, und vielleicht noch zu etwas mehr. Dass es nur drei Tage ins Spiel bringt, hatten wir so verstanden: Wer weiß, ob ihm Segeln Spaß macht, oder wir uns überhaupt verstehen. Also planen wir sofort nach seiner Ankunft. Zuerst die schlechten Nachrichten von uns: Das Wetter, besonders die Wellen, sehen nicht so aus dass wir am Montag loskämen. Einem Anfänger gleich mal auf drei Meter große Atlantikwellen und Gegenwind loszulassen ist nicht fair, und Spaß macht es uns auch nicht. Wann hätte er denn sein Rückflug gebucht? Ach, noch gar nicht? Wann muss er denn wieder zurück sein? Donnerstag abend, spätestens. Wie bitte? Wir hatten mit einer Woche gerechnet. Hmmm. Das wird jetzt nicht einfach, denn wir zweifeln auch daran, dass eine Weiterfahrt am Dienstag sinnvoll ist, und dann müsste er sich noch in Vigo um einen PCR-Test für den Rückflug kümmern. Vielleicht macht es mehr Sinn, in Leixões zu bleiben, und das Segelerlebnis mit einfachen Ausfahrten zu gestalten? Keine tollen Aussichten für Albert, aber immerhin. Wir beschließen, erstmal am Sonntag nach Porto selber zu fahren. Frank und ich sind ja Blitzbesichtigungen von Städten schon gewohnt. Dieser Ausflug, und die Bilder davon, im Beitrag vor diesem.

Am Montag macht sich Albert auf, in Porto einen PCR-Test und einen Rückflug zu organisieren. Dabei offenbaren sich ein paar Probleme, das größte davon, dass Ryanair am Donnerstag nicht nach München West (Memmingen) fliegt. Nach langem Überlegen bucht Albert geknickt einen Flug für Dienstag früh, und der geht morgens um sechs und über London. Optimal ist anders. Also besteht Alberts Segelerfahrung aus einer sehr ausführlichen technischen Einweisung in die Seestern: „Also, wenn wir jetzt segeln würden, dann ziehen wir an dieser Leine, und das Vorsegel rollt sich aus“, und „Das ist unser GPS-Navigationsgerät – guck mal: da sieht man die AIS Signale der anderen Schiffe“.

Es kommt noch schlimmer: Opodo als Portal bestätigt den gesamten Flug Porto-London-Memmingen, Ryanair tut das nicht. Kurz vor Mitternacht (also sieben Stunden vor Abflug) kommt dann ein Mail, dass Ryanair ihn nicht mit nach London nehmen wird. Ein Anruf bei der Opodo Hotline führt wie üblich an einen Computer „Geben Sie Ihre 75-stellige Buchungsnummer ein“, und Opodo behauptet: „Your reservation is confirmed“. Am nächsten Morgen um vier setzen wir Albert in ein Taxi und wünschen ihm viel Glück. Er wird nicht über London fliegen. Aber immerhin ergattert er einen Ryanair-Flug am Abend um 18:00, nonstop nach Memmingen. Warum ihm der nicht gleich angeboten wurde? Heaven knows. Immerhin ist Albert ein positiver Mensch. Er beteuert mehrmals, dass es ihm trotzdem Spaß gemacht hat, und es ok ist, so wie’s war. Nun ja, ein paar Tage den Kopf ganz woanders, und das bei wahrscheinlichem Urlaubsentzug.

Es wird bis Donnerstagmorgen dauern, bis wir Leixões verlassen. Am Ende ist die Marina voll; lauter Segler, die weiter nach Norden wollen. Man tauscht sich aus, keiner will bei den Wellen gegenan raus. Dass mir die Tage dennoch nicht als Katastrophe in Erinnerung bleiben, hat mehrere Gründe. Ein paar Elemente:

Auch wenn Leixões nicht aufregend ist, der Markt war wirklich witzig. Frischer Fisch (wir haben den Thunfisch probiert), Unmengen Gemüse, und extrem frische Kaninchen und Hühner. So frisch, dass sie einen aus dem Käfig noch treuherzig ansehen. Wie verzichten auf das Angebot der Verkäuferin, eines für uns zu schlachten.

Das Restaurant A Margarida. Gegenüber der Marina ist eine Gasse mit Restaurants Wand an Wand. Alle haben Tische auf der Straße, die meisten einen Holzkohlegrill. Es duftet nach Röstaromen, Fisch und Fleisch. Auf gut Glück suche ich eines aus, um ein Bier zu trinken. Das Bier kam in einer Minute, die Rechnung dauerte eine Viertelstunde. Gut, besser als anders herum, aber überzeugt bin ich dennoch nicht. Derweil hat Frank auf Google in der gleichen Gasse eine Empfehlung aufgetan, eben das „A Margarida“. Wir beschließen endlich die berühmten sardinhas grelhadas – gegrillte Sardinen – zu probieren. Ich persönlich Teile Fische in vier Gruppen ein, je nach Verspeisungsaufwand:

4 – Steak: wie Thunfisch, eben wie ein Steak zu grillen, kein Thema mit Gräten
3 – echter Fisch: wie Forelle, es  liegt etwas auf den Teller, welches wie ein Fisch aussieht, man muss sich mit der Fisch-Anatomie und Gräten auseinandersetzen.
1 – Winzlinge: wie Chanquetes oder Anchovies, einfach essen und kauen.

Sardinen gehören in Gruppe 2. Zu groß, um sie einfach zu kauen, aber auch zu klein, um sie sorgfältig zu zerlegen. Zur Sicherheit fragen wir den Kellner. Er empfiehlt, sie einfach mit den Fingern zu essen, „Entschuldigung, darf ich? „; greift sich eine der Sardinen, rupft das Filet mit den Fingern frei, und legt sie auf Franks Teller.

Diese pragmatische Art wird uns in dem Lokal mehrmals begegnen. Vorspeisen werden nicht bestellt, sie kommen einfach. Wird euch schon schmecken. Kotelett mit Reis bestellt? Egal. Scheibenpommes waren gerade da, und passen eh viel besser. Und das Gemüse mit Knoblauch? Passt auch super dazu. Zwei Gläser Wein zum Essen? Hier ist die Flasche, wir schaun mal. Differenzierte Bestellung mittags, mit Bier und Wein? Die Rechnung weist „ein Stück Mittagessen, 20€“ aus. Ich mag solche Läden. Bei Mama wurde auch nicht a la Carte bestellt. Außerdem machen sie eine leckere Nachspeise: wie Creme Brulée, aber auf einem größeren, flacheren Teller – mehr karamellisierter Zucker. So futtere ich mich glücklich durch Leixões.

Außerdem sehen wir in dem Ort die beiden letzten Gruppenspiele Deutschlands in der EM. Beim Sieg gegen Portugal bin ich mal gebremst jubelnd unterwegs (außerdem ist der Bildschirm klein und nur durch’s Fenster zu sehen – ich bekomme die Tore nicht wirklich mit, bis sich der Spielstand ändert und die Wiederholung zu sehen ist). Beim letzten Spiel – Unentschieden gegen Ungarn – braucht es länger, bis ich kapiere warum Deutschland Gruppenzweiter ist, und besonders warum die Gruppendritten Portugiesen nicht total unglücklich sind. Moderne Kommunikationsmedien erklären es mir.

Am Ende verbringen wir einige Zeit mit Louise und Patrick, die auch ein guter Gradmesser bezüglich der Sinnigkeit den Hafen zu verlassen sind. Patrick versteht wohl Englisch, spricht aber lieber Französisch, und unterstreicht seine Aussagen mit viel Mimik. „Ihr wollt da raus? Oh la la“, und wackelt dabei demonstrativ mit den Händen. Viel zu viel Welle, das macht keinen Spaß. Am Donnerstagmorgen gibt es dann einen echten Exodus aus dem Hafen. Wir stehen früh auf, verlassen um sechs den Hafen, und kurz nach uns sehen wir auf AIS eine komplette Flotille an Segelyachten den Hafen nach Norden verlassen, mit dabei die Zara von unseren beiden Belgiern. Hier an der portugiesieschen Westküste ist guter Wind auch manchmal einfach ‚kein Wind‘, also keine großer Widerstand während wir nach Norden dieseln. Wir hatten an einem der Abende zuvor vereinbart, dass wir – wenn möglich – mal Fotos unserer Schiffe unter Fahrt machen, und die dann austauschen. Kurz vor der Ría de Vigo, wo wir die Ortschaft Baiona ansteuern, holt die Zara bei unseren kläglichen Segelversuchen auf, und wir erhalten ein paar Fotos der Seestern, mit gesetzten Segeln. Wir wünschen den beiden – die ein paar Tage später den Sprung über die Biskaya wagen – viel Glück, und werden in Kontakt bleiben. Am Ende des Tages sind wir jedenfalls in Spanien, ein paar Tage später wird Portugal wieder zum Virus-Varianten-Risikogebiet erklärt.

3 Gedanken zu „Leixões

  1. Diese schwarzen Viecher hab ich schon mal gesehen, das ist glaub ich Degenfisch oder so, den gibt’s auch in Madeira. Und warum habt ihr euch kein Huhn oder Kaninchen gekauft? Feiglinge…
    Euer Schiff unter Segeln schaut ja wirklich prachtvoll aus… Da kriegt man richtig Lust, mal mitzusegeln.

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