Der Flughafen von Olbia ist südlich des Hafens. Um 21:24 hört man Triebwerke hochlaufen, und Flug EN8309 hebt nach Westen ab. Mit an Bord: Tatjana, die uns vor zwei Stunden verlassen hat. Schniff. Wir machen noch einen Wein auf. Hinter uns liegen vier schöne Segeltage in Sardinien. Erst eine kleine Bucht südlich von Olbia, Porto Brandinchi, dann Puerto Cervo, das Archipelago di Maddalena, Cala di Volpe, und dann zurück. Das Wetter halb-gnädig, der Wind dafür gut.
Am Donnerstag sind wir ja nach Süden ausgewichen, da im Norden etwas arg viel Wind war, und das wollten wir nicht am ersten Tag ins Programm nehmen. Wir hatten überlegt, wieder in die Bucht zu fahren, wo wir Mittwochabend vor Olbia genächtigt hatten, aber dann war der Wind gut, und als Tatjana nicht grün im Gesicht wurde, sind wir noch etwas weiter gesegelt. Natürlich haben wir sie gleich ans Steuer gestellt, und ihr eingebläut, dass unser Leben jetzt davon abhängt, dass sie keinen Fehler macht. Wer die Last dieser Verantwortung trägt, hat keine Zeit darüber nachzudenken, ob einem vielleicht schlecht werden könnte, außerdem hat man vom Steuer aus einen guten Blick auf den Horizont, sieht die Wellen (dann versteht der Körper besser, warum’s schaukelt) und viiiiiiel frische Luft von vorne. Wer jetzt wieder erschreckt, wie hart wir mir Gästen umgehen – ich habe mich dahinter gesetzt, hab alles beobachtet, hätte auch eingegriffen und habe in regelmäßigen Abständen in meiner tiefsten Stimme beruhigende Worte und Lob von mir gegeben. Um 18:00 haben wir dann das Schlammhakerl ins Wasser geworfen, ein Ankerbier vor der untergehenden Sonne getrunken, und unseren Gast bekocht. Das Menú di Capitano: Caprese und danach Nudeln mit Soße.
Am Freitagmorgen ist erstmal wenig Wind, dafür Sonne. Schuhe aus, Bikini an – erstmal eine Runde schwimmen. Schon etwas kühl, aber wir müssen ja Neidphotos machen, in München hat’s sieben Grad und Regen. Danach machen wir uns auf den Weg nach Norden; die nächsten Tage hat’s etwas weniger Wind, und wir hatten ja das Maddalena-Archipel versprochen. Auf Kursen mit halben Wind (von der Seite) und am Wind (schräg von vorne) Frank und ich hatten etwas länger überlegt, ob wir nach Porto Cervo fahren sollten. Habt ihr schonmal von Porto Cervo gehört? Heimat des Costa Smeralda Yacht Club, ist Porto Cervo so ziemlich der teuerste und edelste Hafen in Sardinien, durchaus im gleichen Atemzug mit Monaco zu nennen. Wir haben Geschichten gehört, „Jahresliegegebühr für ein Schiff etwas größer als unseres 57.000€“, „Bojen im Hafenbecken für 150€ die Nacht“ oder „mittlerweile überlegen sich selbst die Superreichen, ob sie sich das leisten wollen“. Vieles davon gilt allerdings nur in der Saison, und die ist – wie wir schon öfters bemerkt haben – vorbei. Ist natürlich auch ein zweischneidiges Schwert. Noch glaubt Tatjana, dass wir ein edles und schönes Schiff haben (in Olbia hat mir ein Italiener an der Hafenmole gleich den Gefallen getan – während ich erkläre wie man unseren Motor startet und ausmacht hält eine Signore an, stellt ein paar Fragen, und lobt unsere Hallberg-Rassy. Wirklich, ich hab ihn nicht bestellt). In Porto Cervo sind wir vielleicht das kleinste und schimmeligste. Aber Wind und Wetter für die Nacht lassen einen Hafen durchaus opportun erscheinen, und da hinten kommen Regenwolken, also rein nach Porto Cervo. Oha, hier ist mehr Service. Beim Anlegen hilft ein Gummiboot und einer an Land. Das Gummiboot fungiert ein wenig wie ein Hafenschlepper, in der Konsequenz ist man auch nicht mehr Herr des Manövers. Trotzdem blamieren wir uns nicht beim Anlegen. Zum Witz hatte ich vor ein paar Tagen mal angerufen, mich nach dem Preis erkundigt, und mir zweiundsechzig Euro gemerkt. Leider nix schriftliches, könnten also auch zweihundertsechzig sein. An der Rezeption werden wir freundlich empfangen. Der Preis hat gestimmt. Ich frage vorsichtig, ob Landstrom inklusive ist. Hm, meint der freundliche Engländer an der Theke – es gibt zwei Preise, mit und ohne Strom inklusive – Nachtigall, ich hör Dir trapsen. Ohne Strom inklusive kostet die Nacht nur 32,50. Grins.
Tatjana freut sich, will sich gleich auf die Suche nach einem der Superreichen machen. Aber es ist wirklich Nebensaison – keine Superreichen, auch keine wahnsinnig beeindruckende Yachten. Na meinetwegen denkt sie sich, dann halt doch nur ein Bier mit Frank und Chris auf deren altem Schiff. Wir teilen uns die Marina noch mit einer Regatta: das Audi Sailing Champions League Final, organisiert vom YCCS. Zehn Boote mit jeweils einer Crew von vier, und ungefähr genausoviele Motorboote, die um sie herumwuseln, mit Wettkampfrichtern und Fotografen. So ist Abends in der einzigen noch offenen Pizzeria wenigstens etwas Betrieb, und danach im Lord Nelson Pub auch etwas Stimmung. Das mit dem Hafen war eine gute Idee – während wir essen schüttet es wie aus Kübeln.
Samstag schaffen wir immerhin etwas Sightseeing im Nationalpark. Wir kreuzen bei gutem Wind zur Isola San Stefano, legen uns dort in eine Bucht, die ich von einem vorherigen Urlaub noch kannte, und machen dort Mittag. Leider können wir nicht über Nacht bleiben, das wäre am Sonntag doch ein etwas weiter Weg zurück nach Olbia. Wir lassen Tatjana die ganze Zeit steuern, denn wir sind im Kern ja faule Säcke. Sie wird auch immer besser; aus der machen wir noch eine Seglerin. Die passende Helly Hansen Jacke hat sie schon seit ein paar Jahren. Während am ersten Tag das Geradeausfahren noch volle Aufmerksamkeit erfordert (das geht allen so), sind wir jetzt schon bei Ausweichregeln und Segeltrimm. Zurück fahren wir vor dem Wind, schön faul nur mit Vorsegel, und steuern die Cala di Volpe, eine schöne Bucht mit Sandstrand, an. Hier teilen wir die (sehr große) Bucht mit ein paar größeren Schiffen. Mit dabei: die „Irisha“ und die „Irisha Chase“. Das ist dann schon echter Reichtum/Dekadenz, wenn es ein Begleitboot gibt, was sogar eigenes AIS hat. Wir spekulieren ein wenig über die Besitzer*in, und nur zum Spaß google ich mal nach der Yacht. Uii – eine „Luxury Yacht built for Charter“. Es gibt auf der Website sogar einen Preis: 280.000€. Die Woche. Wir trösten uns – die haben auch keinen besseren Ausblick als wir.
Am Sonntagmorgen – nach intensivem Ausschlafen – ist es sonnig und windstill. Badespaß und gute Laune sind angesagt. Danach treten wir den Rückweg nach Olbia an. Jemand muss am Montag arbeiten – zu dumm. Aber offensichtlich haben wir etwas richtig gemacht – Tatjana ist nicht total verschreckt und würde wiederkommen, vielleicht sogar noch ein paar andere Freundinnen überzeugen. Blöd ist’s halt mit Corona – ich fürchte, in Spanien will uns jetzt niemand besuchen kommen. Wir fahren wieder an die alte Handelsmole in Olbia, trinken noch etwas Bier und Wein zusammen, und dann muss Tatjana uns verlassen. Schnief.
Porto Cervo my ass! In München nennt man sowas Großkopfert! und dann auch noch Complimenti für’s Schiff – tststs, wo soll das noch hinführen?
Schade dass Tatjana nicht noch 2 Tage dranhängen konnte, dann könnte sie heute – – – MITFEIERN! Alles Gute zum Geburtstag, Chrissi!
kurze technische Frage noch – was ist denn das für ein Spoiler bei euch am Heck? Für ein Sonnendach etwas sonderbar positioniert. Ein Solarpanel?
Genau. drei Solarpanele mit ca. 300 Watt Peak. Wir sind stromtechnisch recht autark. Außerdem sind das Davits, and die man das Beiboot hängen könnte, aber dann kann man nur schlecht rückwärts anlegen. Und so, wie die Dinger montiert sind, bleibt man gelenkig. A pain in the ass to duck under…