Als sich die Bewohner des Viertels Ba Dinh nach den schweren amerikanischen Luftangriffen vom 27.12.1972 wieder ans Licht trauen, stellen sie fest, dass Ihr Huu Tiep See um eine Touristenattraktion reicher ist. Mitten in dem kleinen Teich ragen die Reste des Hecks eines B-52 Bombers aus dem Wasser. Wahrscheinlich haben die Bewohner das damals nicht bezüglich seines touristischen Wertes beurteilt, auch das B-52 Café dürfte erst viel später eröffnet worden sein – sie sahen es wohl als Bestätigung der vietnamesischen Propaganda, die von tausenden abgeschossenen Flugzeugen spricht. Die Amerikaner sehen das natürlich ein wenig anders.
Mein Plan für den Tag sieht einen Ausflug nach Westen vor, wo das Regierungsviertel liegt, und unzählige Erinnerungen an Onkel Ho, wie Ho Chi Minh in Vietnam genannt wird. Ich nehme ein Taxi an den entferntesten Punkt, um danach wieder in Richtung Hotel zurückzulaufen. Unter dem Vorwand fieser Einbahnstraßenregelungen fährt der Taxifahrer viel weiter westlich als nötig, aber am Ende hält er vor einem schwimmbadgroßen Tümpel mit ein paar olivgrünen Flugzeugteilen in der Mitte. Alleine hätte ich das nie gefunden. Da die Stimmung auf seiner Fahrt durch die westlichen Vororte eine wenig gesunken ist, bietet er mir nicht an, mich weiter zu fahren, sondern verzupft sich still. Immerhin bin ich so in einem Viertel, was nicht allzu viel Tourismus im Allgemeinen sehen dürfte. Ich gehe nach den Pflichtfotos der Wrackteile durch die verwinkelten Gassen des Viertels, komme an Märktständen vorbei, die nicht so fotogen sind wie die großen Märkte, aber wahrscheinlich das echte Leben besser widerspiegeln. An einem Stand erstehe ich Pho-Brühwürfel – das ist zwar Schummeln, aber auf einem Segelboot praktikabler als ein paar Kilo Rindsknochen auszukochen. Mit Hilfe einer Karten-App befreie ich mich aus dem Labyrinth, und finde das Ho Chi Minh Museum. Ich habe eigentlich beschlossen, mir das Museum nicht anzusehen, über den allgegenwärtigen Onkel Ho möchte ich mich zwar informieren, aber vielleicht etwas neutraler. Auf dem gleichen Gelände sind aber noch andere Sehenswürdigkeiten, wie das Wohnhaus von HCM, sein Mausoleum und eine Pagode die auf einer einzigen Säule ruht. Es ist ruhig – zu ruhig. Andere versprengte Touristen sind dem bereits auf den Grund gegangen – fast alle Sehenswürdigkeiten im Regierungsviertel sind zu. Onkel Ho hat am Montag keine Sprechstunde. Mein Programm für den letzten Tag wird immer voller, und für heute muss ich umdisponieren.
Ein engagierter, potenzieller Moped Chauffeur schlägt mir Alternativen vor, darunter auch die Long-Bien-Brücke. Die wurde mir auch schon von Poul vorgeschlagen, der im gleichen Hotel wohnt. Ich lehne das Angebot der Mopedfahrt ab, gebe vor laufen zu wollen. Eigentlich will ich mir ein Taxi nehmen, aber am Ende bewältige ich die Strecke doch zu Fuß, durch ein Viertel mit alten Villen, die den kolonialen Glanz der Franzosen widerspiegeln. In einer Garküche, die ich vor acht Wochen nicht einmal betreten hätte, stärke ich mit einer Pho, und mache mich auf den Weg über die Brücke. Die Long-Bien-Brücke wurde vor 114 Jahren von dem Architekturbüro Dayde & Pille aus Paris gebaut, und das Jahrhundert merkt man Ihr auch an. Die zentrale Kastenkonstruktion führt ein Eisenbahngleis, auf Ausleger links und recht haben Mopeds und Fußgänger Platz. Das Trottoir besteht dabei aus dünnen Betonplatten, die zwischen zwei Eisenträgern liegen. Beton als Baustoff, das weiß ich als Ingenieur, ist spröde. Das find‘ ich blöde. Aussparungen zwischen den Platten geben den Blick nach unten frei, ganz nach unten. Manche Platte haben fehlende Ecken, manche kippeln zwischen den Trägern. Ich fühle mich nicht wohl, und bleibe auf dem Asphalt für die Mopeds, die mir hupend entgegenkommen. Manchmal bleibe ich stehen, dann spüre ich, dass die ganze Brücke schwingt, und das noch ohne vorbeifahrenden Zug. An manchen Stellen ist das Geländer so durchgerostet, dass längere Eisenprofile frei in der Luft hängen – denen sieht man das Schwingen mit bloßem Auge an. Ich fühle mich nicht wohler. Mir wird klar, dass ich auf dem Rückweg nicht auf dem Fahrweg der Mopeds laufen kann; im Rücken will ich die nicht haben. Und immerhin, von hier aus habe ich einen Blick auf den Roten Fluss, besser wird’s doch nicht, oder? Also Foto, und todesverachtend auf den Betonplatten (an deren Rand) zurück. Dass hier täglich hunderte Vietnamesen laufen beruhigt mich nicht – diese ganzen Fliegengewichte…
Um die Brücke dann vom Flussufer aus zu fotografieren, muss ich eine Art Stadtautobahn (viel langsamer, aber ähnlich breit) überqueren. Als Aufmunterung dient ein Poster vor der Polizeiwache, auf dem 24 recht grafische Fotos von Verkehrsunfällen abgebildet sind. Ob diese nun zu vorsichtigerem Fahren oder Helmtragen animieren soll, ist mir nicht klar, vielleicht soll es auch nur Mitleid für die Polizisten wecken: Schaut her, was wir für Schweinereien wegräumen müssen! Meine bisherige Erfahrung kann ich beim Überqueren voll einsetzen, auf dem Rückweg schließt sich mir eine verängstigte vietnamesische Familie an.
Dann kurz ins Hotel, und wieder hinaus in die Stadt. Mein Freund Roland hatte auf ein Facebook ein Foto von einer chaotischen Kreuzung gepostet; ich erkenne, dass das von mir auserkorene City-View-Café sein Standpunkt war. Ich trinke dort ein Kaffee, und versuche das Chaos als Video festzuhalten, bevor ich mich dann auf den Weg ins Wasserpuppentheater mache. Wasserpuppen sind eine nordvietnamesische, folkloristische Theaterform, wie Marionetten, die aber nicht hängend an Fäden geführt werden, sondern von unten mit Bambusstangen, die Bühne ist dabei die Oberfläche eines Sees. Die Stangen sieht man wegen des trüben Wassers nicht. Eignet sich natürlich besonders zur Darstellung vom Leben am Wasser. Nach dem Essen nehme ich ein Taxi zum Hotel, wieder fährt der Fahrer ein Spiralmuster – glauben die, dass ich blöd bin? Blöd nicht, aber nicht kommunikationsgewandt genug um mit dem Fahrer nachträglich über das Maß des vom Taxameter einwandfrei belegten Betruges zu verhandeln. In dem Fall sind’s auch nur 30 Cent an geschätzten Mehrkosten. Aber: Mit Dir fahr ich nimmer – merk‘ Dir das! Morgen geht’s in die Halong Bucht, und das Wetter soll besser werden.
Bester Spruch :
In einer Garküche, die ich vor acht Wochen nicht einmal betreten hätte, stärke ich mit einer Pho, und mache mich auf den Weg über die Brücke.
Lol…so true….
Schildkrötensuche in Thang Long beendet?
Grüß mir die Vinh Ha Long….viellecht taucht der Drache bei Dir wieder Auf?…da haettet Ihr Segeln gehen sollen….
Die Schildkröte habe ich gesehen. Sie hat sich ein Schwert geschnappt, einen kleinen Tanz aufgeführt, und ist dann im Chiemsee verschwunden, äh im Hoan Kiem See