Phnom Penh – ich finde das hört sich weniger nach Asien an, als nach Comic… Tom haut Jerry: PHNOM!!! Jerry lässt ein Bügeleisen auf Tom fallen: PENH!!! Nicht annähernd so klangvoll für meine Ohren wie zB Mandalay. Phnom Penh ist die Hauptstadt von Cambodia, laut Reiseführer auch noch mit reichlich kolonialem Charme, aber da bin ich wohl von Luang Prabang verwöhnt. Mittelgroße asiatische Stadt halt. Chaotische Kabelführung von Strom und Telefonleitungen, viele Baustellen, einige eher unappetitliche Häufchen in der Ecke, und dann mal wieder ein Oase von Style und Luxus wo eine internationale Boutique ihre Pforten geöffnet hat.
Hergekommen bin ich mit dem Schiff. Es hörte sich einfach so viel geiler an, als wieder sieben Stunden mit dem Bus zu fahren, ist zwar teurer, aber dauert gleich lang. In meiner Naivität hatte ich ein Bild vor Augen: Ich sitze in einem Teakstuhl auf dem Sonnendeck, ein Butler serviert Champagner, die Ufer des Tonle Sap See und Flusses ziehen gemächlich vorbei, hübsche Frauen und Kinder winken zu uns herüber. Krrrsch, wieder in die Realität zurück. Um gleich schnell zu sein, braucht es halt ein ‚Speedboat‘. Das kann man sich wie folgt vorstellen: Regionalflugzeug-Rumpf mit vier Sitzen nebeneinander, etwas schiffförmiger Rumpf mit ca. 40 cm Deck außen, das hintere Drittel mit zwei riesigen Dieselmotoren füllen, und los geht’s, mit knapp 45 km/h. Wir runden das Bild noch ab: Die Fenster sind größer als beim Flugzeug, aber aus hässlich orange-getöntem, halb-blindem Plexiglas, und die Sitze sind weitaus primitiver. Auf den Kapverden habe ich mich noch über zu spät gewartete Rettungsfloße aufgeregt, hier gibt’s gar nichts – keine Rettungsinseln, keine Schwimmwesten; und die Hälfte der Strecke geht mitten über den See. Wenn die das Ding vollbekommen, leide ich genauso wie im Bus, für den fünffachen Preis. Ich verfluche mich innerlich. Es kommt nicht so schlimm. Maximal zur Hälfte besetzt, alles Touristen. Einige davon verzupfen sich gleich auf’s Dach, und so behalte ich meine Sitzreihe für mich. Die Türen bleiben offen, und wenn man sich nicht an der fehlenden Reling stört, kann man um’s Schiff laufen. Das Wetter ist auch erfreulich, und so kommen wir um 14:00 in downtown Phnom Penh an. Hotelempfehlung aus dem lonely Planet gefolgt, 15 USD für Einzelzimmer mit Dusche und Klimaanlage, was will man mehr?
Ich plane meine Zeit hier: Khmer-Kochkurs, Nationalmuseum, und die Überbleibsel der Terrorherrschaft der Roten Khmer. Zur Begriffsklärung: Khmer ist der Volkstamm, der über 95% der Bevölkerung ausmacht, und das seit Jahrhunderten. Mit dem Adjektiv ‚Roten‘ sind die Kommunisten aus dem gleichem Volkstamm gemeint, die hier von 1975-79 mit einem Steinzeitkommunismus Amok gelaufen sind. Der Kochkurs ist für den 24. ausgebucht, also muss ich ihn vorziehen, und am Heiligabend S-21 und die Killing Fields machen – auch mal apart für die Weihnachtsstimmung.
Als ich zum Kochkurs erscheine, sehe ich nur Asiaten – das kann ja heiter werden. Aber hier muss ich ein paar Vorurteile beerdigen, einen häufiger Fehler von mir. Etwas ähnlich sehen sie sich ja alle, die Asiaten; ich kann zwar erahnen, ob es Japaner oder Chinesen sind, aber wetten würde ich darauf nichts. Ich hab auch schon öfters zB im Hotel zwei Asiaten Englisch miteinander reden hören, und mir dabei gedacht: „Ach wie süß, die üben!“ Von wegen. Über die drei Länder hinweg musste ich jedesmal ein Hallo und Danke lernen, dass nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun hat (Mingalabar, Sabaidee, Suesday) – gleiche Augenform bedeutet noch lange nicht ähnliche Sprache. Und diese verschiedenen Asiaten, die sind ganz anders drauf, leiden aber meist unter dem schlechten Ruf der Mainland-Chinesen.
Unsere Chinesinnen kommen aus Hong Kong und Singapur. Die aus Singapur fremdeln am Markt mehr mit den hygienischen Bedingungen als mittlerweile ich, wenden sich angewidert von Innereien ab. Tatsächlich sind die drei Singapur-Chinesinnen Teil einer Gastronomie-Dynastie dort, sprechen gepflegtes Englisch, und ich habe eine Voranmeldung für einen Kochkurs in Singapur bei Shin. Es ist übrigens noch eine Familie mexikanischer Wurzeln, wohnhaft in Singapur, und ein Paar Australier mit spanischen bzw. malayischen Wurzeln aufgetaucht, und so wird der Tag ein Erfolg auch der Völkerverständigung – neben den erlernten Kochkünsten. Der Gänsebraten nimmt dieses Jahr übrigens die Form eines Hühnersalates mit Bananenblüten an. Außerdem machen wir Fisch-Amok, eine Art Curry im Bananenblatt gedämpft, und Frühlingsrollen.
Nach dem Kochkurs bleibt noch Zeit für den Royal Palace. Wieder Touristen-Chaos, es wird fotografiert wie wild. Der Palast ist traditionell, aber proper gepflegt und frisch gestrichen. Dadurch wirkt das ganze ein wenig wie Disneyland. Ich teile meine Vorbehalte mit zwei Südafrikanern, und wir unterhalten uns danach noch fast zwei Stunden bei einem Bier.
Heute dann das aparte Weihnachtsprogramm. Ich halte mich nicht ganz an meinen Vorsatz, um acht schon unterwegs zu sein, schließlich möchte ich drei Programmpunkte absolvieren, aber kurz vor neun bin ich auf der Straße. Wie üblich sofort umringt: „Tuc-Tuc, Sir?“. Nein, ich habe das heute anders geplant. Den ersten fünf kann ich noch ein freundliches „No thank you“ erwidern, aber dann beginne ich Varianten auszuprobieren: „No, Mercedes-Benz Limousine, please“. Dabei kommt mir das Lied von Janis Joplin in den Sinn und begleitet mich auf meinem Fußmarsch durch die Stadt. Mittlerweile – das haben mir auch die Südafrikaner bestätigt – komme ich gut klar mit dem Straße überqueren. Anhalten wird hier keiner, auch Zebrastreifen haben eine eher dekorative Funktion als eine praktische. Der Trick ist wie folgt: Verkehrslage überprüfen, man muss ja nicht im dichtesten Verkehr oder vor Bussen herlaufen. Dann raus auf die Straße, und mit konstantem Schritt geradeaus rüber. Die weichen schon aus, die Motorräder und die Tuc-Tucs. Am besten schräg gehen, und dem Verkehr den Rücken zukehren. Denn das ist dem fließenden Verkehr klar, dass man sie nicht sieht, und sie fahren einfach entspannt um einen herum. Man wird nicht mal angehupt.
Mein Ziel ist das Tuol Sleng Cambodian Genocide Museum, auch S-21 genannt. Ich kann selber nicht genau erklären, warum das auf mich so eine Faszination ausübt. Berichte über den Vietnamkrieg und die Machenschaften von Pol Pot in deutschen Illustrierten wie dem ‚Stern‘ zählen mit zu dem, was meine ersten bewussten Erinnerungen an internationale Konflikte als Kind darstellten. Und wenn man dann heute ein wenig durch Wikipedia stöbert, entkommt man der morbiden Faszination nur schwer. Kurz: S-21 war ein Foltergefängnis der Roten Khmer, hier mussten tausende Cambodianer Geständnisse formulieren, und wurden danach hingerichtet. Der Grundgedanke war: wenn Dich die allwissende Partei verhaften hat lassen, bist Du schuldig, also gib’s zu, und nenne/erfinde Deine Komplizen. Säuberlich wurden alle Gefangenen bei der Einlieferung fotografiert, deren ausgestellten Portraits sind das beeindruckendste an dem Museum. Die meisten Quellen sprechen von nur sieben Überlebenden des Gefängnisses. Um das besinnliche Programm abzurunden, will ich danach weiter nach Choeung Ek, den ‚Killing Fields‘ außerhalb von Phnom Penh. Hier wurden die Insassen von S-21 munitionssparend mit Schaufeln und Äxten erschlagen. Normalerweise sind für die Fahrt mit dem TucTuc ca 20 Dollar fällig, und ich habe mir vorgenommen, diese nicht alleine zu zahlen. So spreche ich wahllos Leute an, die mit dem Museum fertig sind, und werde schließlich mit zwei Finninnen einig – die haben vom Hotel ein klimatisiertes Taxi gemietet, wie dekadent. Wir landen in einem Stau, und der Fahrer hat darauf keine Lust. Er beginnt engagiert andere Sehenswürdigkeiten in Phnom Penh aufzuzählen. Mittels einer Karten-App weise ich ihn auf Alternative Routen dorthin hin, aber er will nicht. Mein Verdacht: er kennt nur den einen Weg, und was weiß der Falang schon, mit seinem komischen Telefon. So kehren wir um, meine finanzielle Beteiligung an der Fahrt entfällt. Immerhin werde ich so klimatisiert bis kurz vor’s Hotel gefahren.
Als Alternative gehe ich ins National Museum, immerhin im Gegensatz zu den Killing Fields eine „Top Choice“ im Lonely Planet. Als Kunstbanause erkenne ich den ganzen Krims-Krams von den Touri-Märkten wieder, mit dem Unterschied, dass diese hier historisch wertvoll sind. Doch wer weiß – vielleicht sind auch die Artefakte auf den Märkten wertvoll, und stammen aus diversen Plünderungen archäologischer Stätten. Das immerhin wundert mich, an all den Ländern die ich hier bislang sah – jahrelang von menschenverachtenden, meist atheistischen Regimes brutal regiert, die ihr Land hemmungslos ausbeuteten, aber dennoch ist viel von der Kultur übrig – obwohl, wie hat das wohl so ca. 1900 ausgesehen?
Den Heiligabend verbringe ich mit PC im Hotel am Pool. Thai Beef Salad, und professionell zubereitetes Fish Amok, mein selbstgekochtes war besser. Dazu ein paar Bierchen, mittels 50% Weihnachtsdiscount auf konkurrenzfähige 50 Cent gebracht. Durch das Ausstecken einer der blinkenden Lichtketten habe ich auch Strom für den Rechner. Am Weihnachtsfeiertag werde ich Cambodia verlassen, in Richtung Vietnam.
Aus den Fehlern der Vergangenheit habe ich gelernt: Ich will Slow-Boat fahren. Beschaulich den Mekong hinab, dass muss doch wohl gehen. Ich finde auch ein Angebot, 12$, mit „only one hour drive outside Phnom Penh“. Ein TucTuc holt mich vom Hotel ab, macht eine längere Irrfahrt durch die Stadt, und setzt mich und einen Dänen vor einem Büro ab. Hier steigen wir in einem gelben Minibus, fahren weiter etwas wirr durch die Stadt, und dürfen dann kurz im Büro des Reiseveranstalters unseren Pass abgeben. Dann geht’s weiter, dankenswerterweise bleiben wir im Minibus zu zweit (kurzzeitig zu dritt, der Fahrer hat eine junge Dame für drei Dollar mitgenommen), da ist es dann nicht so schlimm, dass aus der Fahrt zweieinhalb Stunden werden. Meine App sagt mir, dass wir nun an der Grenze zu Vietnam sein müssen. Wir halten kurz am Straßenrand an, der Fahrer bedeutet uns mit Pass mitzukommen. Wir laufen durch einen Obsthain, kommen an armseligen Hütten vorbei – so wird man also in Cambodia ausgeraubt? Doch dann sehen wir das parkähnliche Areal der Cambodia Border Police, werden ausgestempelt, und laufen wieder zum Minibus. Ich könnte jetzt ebenso gut wieder zurück ins Land gehen, soviel zu umfassenden Grenzkontrollen. Aber nein, wir fahren noch einen Kilometer auf staubiger Straße, und sind dann an den Befestigungsanlagen der vietnamesischen Grenze. Durch kleine Bestechungen – der Fahrer hat aus der Hauptstadt vier Zeitungen mitgebracht und verteilt sie an die richtigen Leute – fahren wir ins Niemandsland. Dort steigen wir mit Gepäck aus und laufen an bewachten Schlagbäumen vorbei, ohne auch nur angesprochen zu werden. So laufen wir ein wenig durch Vietnam, mir ist etwas flau ob dieser undokumentierten Einreise. Doch dann stehen wir am Ufer des Mekong, hier ist eine schwimmende Grenzstation. Hier warten wir ca. eine Stunde, immerhin gibt es ein Café, wo wir mit Reisenden in die andere Richtung Geld tauschen, so werde ich cambodianische Riel und laotische Kip los.
Dann kommt ein fast zahnloser – wenn auch fröhlich grinsender – Vietnamese und führt uns zum Slow-Boat. Sehr nett. Zwei Liegestühle stehen in dem hölzernen und gnadenvoll überdachtem Langboot, und wir tuckern los. Very slow. Nach 50 Metern verlassen wir den Mekong – und fahren über einen Seitenfluss nach Chau Doc. Sehr idyllisch, das Tuckern des Motors ist extrem einschläfernd. Mir wird langsam bewusst, dass mir allgemein flau ist – auch in dem Café hatte ich keinen Hunger. Als wir anlegen, merke ich, dass ich jetzt schleunigst ein Zimmer möchte, und lasse mich bereitwillig von dem zahnlosen Vietnamesen zu dem Hotel führen, von dem er eine Provision bekommt. Bitte, bitte, lass das Bett sauber und die sanitären Anlagen OK sein. Ich bin positiv überrascht, und das für zehn Dollar. Ich beginne eine intensive Beziehung mit einer Porzellanschüssel; mein festliches Weihnachtsessen ist eine Handvoll Erdnüsse. Keine Feier heute Abend. Doch 24h später geht’s mir wieder gut, jedenfalls habe ich Hunger. Time to eat.
Lol, ich glaube an der Grenzstation waren wir auch…..
Chao Doc..nicht wirklich sehenswert aber dennoch gute Erinnerungen…memories…von da sind wir entegen Deiner Reiserichtung mit dem boot, ja speedboot, bis phnom penh gefahren….und sassen abends vor der abfahrt in einer bar gegenüber unseres hotels noch ein paar cocktails schlürfen..
Hat’s dich doch kurz mit dem Magen erwischt?
Was ist eigentlich ein Bierchen?
O,33 oder 0,66?
Und sind dann wohl doch immer 4 pro Tag.
Aber ist ja Urlaub….ö
Mei, der eine Tag, 18h später war der Spuk vorbei, und jetzt ist die Verdauung noch ein paar neue Bakterien gewohnt.
Bierchen sind hier unterschiedlich, meist zwischen 0,33 0,425 0,640. Hier in Vietnam eher Draught von ca 0,4.
Bier ist wichtig, verhindert Dehydrierung, und die Hopfenzugabe macht es haltbar 🙂