Things that go bump in the night – die Seestern lebt

Seefahrer waren schon immer abergläubisch – klar, dass wir uns in diese Tradition einreihen müssen. Bekannte Aberglauben sind: „wenn man eine Zigarette an einer Kerze anmacht, dann stirbt ein Seemann“ oder „Ein Schiff umzubenennen bringt Unglück“. Woher kommen diese Aberglauben? Das mit der Kerze liegt daran, dass Seeleute in ihrer Freizeit Streichhölzer herstellten, nutzte man zum Anzünden der Kippe eine Kerze dann machte der Seemann keinen Umsatz und verhungerte irgendwann. Der Schnack mit dem Umbenennen kommt davon, dass ein Seemann immer wissen wollte, wo er anheuerte. Wenn die letzte Fahrt der „SY Unglück“ unter Käptn Prügelpeitsch das Leben der Hälfte der Mannschaft gefordert hatte, wollte da niemand mehr mitfahren, so lag der Gedanke nah, das Schiff in „SY Alles Super“ umzubenennen, und so das Arbeitgeberstanding auf dem HR-Markt für Matrosen zu verbessern. Wenn der Matrose den Namenswechsel aber spitz bekam, so war er sofort misstrauisch. Beides trifft auf uns nicht zu – wir schnitzen Abends keine Zündhölzer, und unsere Namensänderung ist nachvollziehbar und mit allen Voodoo-Tricks begleitet worden.

Wo wir langsam abergläubisch werden, das sind andere Sachen:

  • Das unsere Leinen, Kabel und Schläuche leben. Jedesmal, wenn wir sie aufräumen werden sie ordentlich ‚aufgeschossen‘ (sorgfältig in Schlaufen gelegt, der so gebildete Ring ordentlich zusammengehalten). Aber jedesmal wenn man die Leine braucht und hervorholt hat sie sich auf übernatürliche Weise verknotet – wir vermuten Paarungsversuche in der Backskiste. Ich hatte mal ein nettes Bild gesehen, welches ich aus Copyright-Gründen nicht hier zeigen möchte. Was aussah wie eine klassische Knotentafel entpuppte sich bei näherem Hinsehen als jeweils verknotete Kopfhörer für’s Handy – „Kannst Du diese Knoten? Deine Hosentasche schon.“
  • Überhaupt ist so ein Schiff laut, da muss man sich erstmal dran gewöhnen (Gut, wenn man ehrlich ist, so kann’s auch daheim laut sein – Autobahn, feiernde Nachbarn, streitende Nachbarn, Martinshorn, Regen an der Scheibe), aber das kann man mit jahrzehntelanger Erfahrung besser einordnen. Eine kleine Auswahl am Schiff: Der Wind, wie er durch die Takelage pfeift – noch beeindruckender im Hafen, wenn er das bei vielen Schiffen tut. Klappernde Fallen – das sind Leinen (meist die Falle, mit denen die Segel hochgezogen werden), die vom Mast weggeweht werden, und dann zurückklappern. Das Knistern am Rumpf, als würden kleine Fische unser Schiff wegknabbern – dazu gibt’s wilde Theorien im Internet, u.a. das dieses durch Knallkrebse  https://de.wikipedia.org/wiki/Knallkrebse verursacht wird. Das Knarzen wenn – im Hafen – Zug auf die Festmacher kommt, und sowohl die Taue als auch die Klampen auf dem Schiff stöhnen. Das Rumpeln des Ankers, wenn sich beim Schwojen (Pendeln des Schiffes) die Kette etwas anders legt. Das leise Klatschen der Wellen an dem Rumpf. Und dann auch gerne noch – Autobahn, feiernde Nachbarn, streitende Nachbarn, Martinshorn, das prasseln von Regen auf den Luken, und die Geräusche der Stadt im Hafen. Das alles, wenn das Schiff liegt. In Fahrt, da gibt’s dann ganz andere Geräusche (vgl. Puh! – Rev 2). Das sind übrigens alles Geräusche, die man mittlerweile erwartet.
  • Dazu kommt noch die Kategorie ‚unerwartetet Geräusche‘, bei denen man aus dem Schlaf auffährt und sich mit Frank im Salon trifft. Das kann dann alles mögliche sein – eine Boje rumpelt an den Rumpf, oder die Wasserflasche auf dem Esstisch ist bei einem Wellen-Schaukler umgefallen. Wenn man nicht durch das Geräusch selber aufwacht – die Seestern hat ein gewisse Ähnlichkeit mit japanischen Palästen von paranoiden Samurais – auch wir haben im Schiff einen Nachtigallenboden (jap. 鴬張り, uguisubari), der bei jeder Bewegung des anderen knarzt. So kann sich keiner anschleichen.
  • Die Wein-Geister auf dem Schiff – hier haben wir verschiedene. Einmal die Trink-Geister, die unsere ganzen Weinflaschen leeren; wir sind das bestimmt nicht. Und als Gegenpol der Heidegeist in der Flasche – dieser war ein Geschenk von Karin und Ramsi, übertragender Aberglaube von der Peer Gynt und unserem Ostertörn – Ramsi ist überzeugt, dass unser Dieselpest-Unglück darauf zurückzuführen ist, dass wir den Heidegeist beim Trinken aus der Flasche ließen.
  • Der Datendieb – ein mystisches Gerät verfuttert unser Datenvolumen. Das, so glaube ich allerdings, ist mein iPhone, welches gerade versucht meine Fotos in die iCloud zu sichern.
  • Unser Kartenplotter im Cockpit – dessen Funktionsbereitschaft schien sehr von der Mondphase abzuhängen. Hier hat Frank allerdings einen Exorzismus betrieben (Komplett zerlegen, alles trocknen lassen, korrodierte Kontakte gereinigt, leitende Ausblühungen mit der Zahnbürste entfernt, viel Kontaktspray, wieder zusammenbauen), seitdem geht er wieder zuverlässiger.
  • Unser Leck- und Lukenkobold – verzieht die Luken, und lässt Wasser an verschiedenen Ecken des Schiffes reintropfen.

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