Great Barrier Reef

Auch James Cook wollte das Great Barrier Reef bei seiner Erkundung von Australien wohl aus der Nähe betrachten, jedenfalls ist er ihm am 10 Juni 1770 sehr nahe gekommen, zu nahe. Die HMB Endeavour lief auf das Riff auf, und konnte erst  befreit werden, als ca. ein Viertel der gesamten Masse des Schiffes über Bord geworfen wurde. Kanonen, Anker, Ballast, Wasservorräte und angegammelte Lebensmittel (obwohl das Füttern von Fischen am Riff doch streng verboten ist). Danach wurde ein Loch im Schiff geflickt, indem ein Segel unter den Rumpf gezogen wurde, und das Leck so bremste, und man ruderte einige Tage lang bis man endlich einen geeigneten Ort fand, um das Schiff besser zu flicken, nämlich an der Mündung des Flusses Endeavour (was ja in Anbetracht des Schiffsnamens ganz gut passte). Da Lieutenant Cook -damals war er noch nicht Captain – sicher nicht mitruderte, verbrachte er die Zeit damit, den verschiedenen Landmarken an der Küste Namen zu geben, wie beispielsweise Cape Tribulation, Kap Beschwerlichkeit oder Widerwärtigkeit. Das sagt wohl einiges über seine Stimmung zu dem Zeitpunkt aus.

Einschub: Ich hab mir schon öfters auf der Fahrt überlegt, wie die Siedler damals zu den ganzen Namen gekommen sind. Das muss doch irgendwie schwierig sein, wenn man in eine ganz neue Gegend kommt, und plötzlich alles benennen will. Stellen wir uns vor, wir sind in den Alpen, und die ganzen Berge brauchen Namen, jetzt. Ein paar sehen vielleicht aus wie etwas bekanntes, den nennen wir Fischflossenberg, den nennen wir nach dem Wetter Nebelspitze, aber dann: vielleicht alle ehemaligen Partner verewigen? Insofern profitierten die frühen Siedler wohl von ihrer eher geringen Mobilität – sie mussten nicht so viele Landmarken auf einmal benennen.

Cape Tribulation ist jedenfalls der nördlichste Punkt meiner Reise in Australien, ich gehe dort etwas am Strand spazieren. Das Kap selber ist nicht besonders spektakulär, und niemand hat darauf einen adretten Leuchtturm gebaut, nicht mal einen Aussichtspunkt. Nur Strand, und direkt dahinter der Regenwald, hier in seiner tropischen Ausprägung. Auf der Fahrt hierher habe ich einen wilden Cassowary gesehen, ein endemisch australischer Vogel, den ich vorher noch nicht kannte: Eine Art Strauss, aber mit leuchtend blau/rotem Kopf. Wahrscheinlich hätte ich ihn übersehen, wenn da nicht das Auto auf der Gegenspur gewesen wäre. Was hält dieser Volltrottel mitten auf der Straße, frage ich mich, aber dann sehe ich den Fahrer durch die Windschutzscheibe hindurch mit einem Foto blitzen. Also blockiere ich auch meine Spur, und gucke mich nach seinem Motiv um. Ach ja, neben der anderen Straßenseite, keine vier Meter entfernt, steht der mannshohe Vogel. Fenster runterlassen, der Cassowary schaut irritiert, vielleicht mag er kein U2, und ich mache die Musik leiser. Foto geschnappt, schnell abgedrückt, aber es ist recht dunkel, und die Kamera steht auf dem falschen ISO-Wert. So hat das Foto zwar Beweischarakter, ist aber recht unscharf. Bis ich die Einstellungen korrigiert habe, dreht sich der vom Aussterben bedrohte Vogel ohne Hast um und verschwindet im Wald.
Mir gelingt danach auch noch ein scharfes Foto, aber da ist der Vogel halb von Regenwaldgestrüpp verdeckt. Egal, ein gutes Foto habe ich im Zoo gemacht. Gleich um die Ecke gibt es noch einen kostenpflichtigen Walkway durch Regenwald und Baumwipfel, dafür werden 21€ aufgerufen, obwohl sie nicht einmal eine Cassowary Sichtung garantieren. Ich verzichte, es ist schon etwas spät, und so eine Baumwipfeltour habe ich im bayrischen Wald sowieso schon einmal gemacht. Jetzt fehlt mir noch ein wildlebendes Krokodil, doch obwohl an allen Stränden und sonstigen Wasserwegen vor ihnen gewarnt wird, schwimmt mir keines vor die Linse.

Cape Tribulation und der Cassowary sind beide im Daintree National Park. Eine kurze Fährfahrt über den gleichnamigen Fluss, und dann sind’s noch etwa fünfzehn Kilometer asphaltierte Straße nach Norden. Ab da gibt es zumindest an der Küste nur noch eine unbefestigte Straße, die Geländewägen vorbehalten ist. Der Daintree NP ist für seinen tropischen Regenwald bekannt, der sich von hier bis an die rechte obere Spitze Australiens, Cape York, zieht. Verschiedene kurze Nature Walks bringen dem Touristen den Regenwald näher. Heute hat es zwar nicht geregnet, aber heiß und schwül ist es dennoch. Hier herrscht eine grandiose Fruchtbarkeit, die aber gleichzeitig zerstörerisch ist. Alles ist grün, wächst, strebt himmelwärts, was es allerdings nicht schafft landet auf dem Boden und wird bald zu einem schwarzen Moder zersetzt. Etwas näher am Meer wird der Regenwald von Mangroven abgelöst. Diese bilden abenteuerliche Wurzelwerke, die versuchen den Baum in alle Richtungen zu stablisieren, aber auch ab und an Schnorcheln bilden, damit der Baum in dem sauerstoffarmen Schlamm nicht zugrunde geht. Aber auch hier – kein Krokodil. Mit Einbruch der Dämmerung mache ich zurück auf den Weg nach Cairns. Am nächsten Morgen ist mal wieder früh aufstehen angesagt, das Schiff fährt um 8:00 morgens.
Die Tusa T6 ist ein großer Katamaran, von der Information als das Top-Angebot angepriesen. Es finden maximal 60 Leute darauf Platz, heute sind wir schätzungsweise zu vierzigst, eine bunte Mischung aus Schnorchlern, Tauchern ohne Schein (maximal sechs Meter Tauchtiefe, immer schön an der Hand eines Ausbilders, und doppelt so teuer), und die touristische Oberklasse, „certified Divers“. Sarah macht für unsere Gruppe von fünf Gästen eine Einführung, nimmt mich als unerfahrensten wieder unter ihre Fittiche, und los geht’s. An der Magic Wall des Saxon Reef geht’s hinab. Die Sicht ist nicht perfekt, aber dennoch komme ich mir vor wie in einem gigantischen Aquarium. Toll, aber das Tauchen in Thailand kann da durchaus mithalten. Ich komme mit dem Tauchen ganz gut zurecht, ich brauche immer weniger Luft um meine Tiefe zu halten. Was mich eher überrascht sind zwei Mädels aus meiner Gruppe, einer davon geht ziemlich schnell die Luft aus, und sie müssen nach knapp 25 Minuten wieder nach oben. Wo hat die eher zierliche die ganze Luft überhaupt hingeschnauft? Ich komme mit meiner Luft immerhin vierzig Minuten aus, im letzten Tauchgang sogar 48. Es scheint, als gäbe es unter Tauchern einen unausgesprochenen Ethos, dass – da man bis auf 18 Meter Tiefe tauchen kann – man es auch tut. So kann ich meine neu gefundene Kamera jeweils nicht mitnehmen, denn die ist nur für 10 Meter Tiefe geeignet. Schade, denn ich finde es in Tiefen von zwei bis fünf Meter eigentlich am schönsten, hier kommt noch viel Sonne hin, die Farben sind brillianter. Es ist zwar eine Welt, die man beim Schnorcheln auch sieht, man kann ja auch kurz so weit runter tauchen, aber halt nicht entspannt bleiben. Und wenn man einfach mal in drei Meter Tiefe vor einer Anemone ausharren kann, bis sich die Clownfische wieder entspannt hervortrauen, das würde schon schönere Fotos geben. Irgendwie wittere ich auch eine Verschwörung mit der bordeigenen Fotografin – wenn die ganzen Taucher mit preiswerten Digicams Fotos von sich selber machen, dann bekommt die ja nie ihre Fotoserie verkauft. Und sie möchte immerhin über 60€ für Ihre Fotos, dafür bekommt man dann alle auf denen man zu sehen ist. Ich verzichte, und finde statt dessen nach dem letzten Tauchgang noch eine Viertelstunde Zeit zum Schnorcheln. Außerdem buche ich für den nächsten Tag eine Überfahrt nach Fitzroy Island – eine preiswerte Lösung um von dort vom Strand aus zu schnorcheln. Hier verbringe ich entspannte zweieinhalb Stunden im Wasser, auch wenn die Sicht nicht so toll ist, fotografiere nach Herzenslust (die Fotos sind ja schon etwas länger online), und sehe sogar eine Schildkröte. Auch an den Ganzkörperanzug gewöhnt man sich nach einiger Zeit – hier oben sind sehr schmerzhafte Quallen mittlerweile für einige Monate im Jahr eine Plage. Wieder an Land muss ich noch mein Auto ausräumen – an den Passat habe ich gut gewöhnt in den Wochen. Der Schlafsack darf noch mit nach Uluru, meine Kühlbox schenke ich dem Hausmeister vom Holiday Inn, der ist begeistert, erklärt mir gleich wie toll er die auf seinem Boot brauchen kann. So beschließe ich meine Zeit in Cairns, morgen geht’s wieder nach Süden; der Flug nach Tasmanien ist mittlerweile gebucht.

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