Ende gut, alles gut

Mit einer leichten Linkskurve nimmt die ATR 72-600 von Wings Air Kurs auf den Flughafen von Ende auf Flores. Neben dem Bürzel der Landebahn, welches ins Meer ragt, liegt malerisch ein Schiffswrack am Strand, ein schönes Symbol der Hybris der Menschheit, sich beim Reisen die Erde Untertan zu machen. Von meinem Fensterplatz aus sieht die Landebahn verdammt kurz aus. Sicher nur eine perspektivische Täuschung, und dass der Pilot nach der Landung sehr kräftig bremst bilde ich mir sicher auch nur ein. Aber dennoch, wir sind sicher hier angekommen.
Ende, bzw. Mt Kelimutu in der Nähe der Ortschaft Moni, ist das Ziel dieser Etappe, ein klassischer spontaner Entschluss. Lara und Adam hatten davon was erzählt, und ich erinnere mich dunkel, von dem Berg und seinen drei unterschiedlich farbigen Seen mal im Internet was gesehen zu haben. Durch Buchungszwänge habe ich hier nur zwei Nächte und einen Tag, bin aber dennoch frohen Mutes, das ganze organisiert zu bekommen (Moni liegt ca. 90 Minuten von Ende entfernt). Dementsprechend fange ich beim Aussteigen aus dem Flugzeug an, mich nach anderen Reisenden umzusehen, mit denen man zB ein Taxi teilen könnte. Ich sehe ein französisch sprechendes Paar, und frage sie – ganz der Weltbürger – in ihrer Landessprache ob sie auch Englisch könnten. Sie können, und mit Anna und Matthias mache ich einen Glücksgriff – Anna wohnt auf Flores, kann Indonesisch, und wird abgeholt, um nach Moni zu fahren. Klar, im Bemo (ein Kleinbus) ist noch Platz, auch wenn sie schon ein paar Andere eingesammelt hat, die die gleiche Idee wie ich hatten. Am Ende ist es zwar nur ein Auto statt des Buses, aber magisch gesellt sich ein zweites dazu, und so bricht eine Gruppe Reisende Richtung Moni auf. Es gibt Gerüchte, dass ein Erdrutsch die Straße blockiert hat, aber erstmal losfahren, dann weitersehen. Moni ist ein Bergdorf im Landesinneren, die kurvige Straße geht steil bergauf durch ein imposantes Tal. Nebelschwaden steigen aus dem Dschungel auf, das ist Wildnis. Links neben der Straße geht’s steil bergauf, ein Gipfel ist nicht zu sehen, rechts neben der Straße erkenne ich weit unten einen tosenden Fluss. Mit Haarnadelkurven fahren wir in seitliche Einschnitte des Tals. Dann sehe ich den Erdrutsch, die Hälfte der Straße ist blockiert, aber der Fahrer navigiert problemlos durch das Hindernis. Einen Kilometer weiter ein Erdrutsch mit Baum, aber es geht ohne zu zögern weiter. Es wird halt doch nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird. Ein paar Kurven weiter stehen einige Autos am Straßenrand, unser Fahrer fährt an ihnen vorbei, hält dann aber an, um sich mit einem entgegenkommenden Mopedfahrer zu unterhalten. Dann parkt er das Auto in der kleinen Siedlung. Hier ist wohl DER Erdrutsch. Anna resümiert, was an Informationen erhältlich sind. Die Straße da vorne ist definitiv blockiert, nicht nur ein bisschen, wann sie geräumt wird ist unklar, aber zur Zeit arbeitet jedenfalls niemand, es ist Karfreitag auf einer katholischen Insel, und wir sollten erstmal warten. Es versammeln sich die ganzen Touristen aus dem Flieger, einige erkennen die Sinnlosigkeit der Lage und kehren nach Ende zurück, welches wohl stinklangweilig ist. Wir warten, essen ein paar Kekse. Die Kiosk-Besitzerin macht das Geschäft ihres Lebens. Offensichtlich kennt Anna die meisten Fahrer und hat gute Connections. Es kristallisiert sich die Möglichkeit heraus, dass ein weiteres Auto von Moni aus zum Erdrutsch kommt, und wir zu Fuß das Hindernis passieren. Offensichtlich wird das gerade organisiert. Langsam dämmert es. Neben uns steht noch ein weiteres Auto, mit zwei älteren Italienern. Wir stellen fest, dass ich tolle Fotos von Komododrachen habe, die ich ihnen mailen kann, und dass sie am Sonntag den gleichen Flug wie ich haben, und ein Auto für die Rückfahrt organisiert haben. Wir einigen uns. Win-Win. Anna erklärt, dass wir am besten nur mit leichtem Gepäck weiterfahren, und das schwere Zeug hier im Auto lassen, meines gleich bei Marisa und Pio im Auto. Ich packe Zahnbürste und frische Wäsche in meinen Rucksack, verabschiede mich von meinem großen Gepäck, und im letzten Tageslicht klettern wir auf dem Trampelpfad über den Erdrutsch. Immer wieder bröckeln Steine herab, vielleicht ist der Erdrutsch noch nicht fertig? Jedenfalls beeilen wir uns, versuchen nicht zu viel Krach zu machen. Indonesier kommen uns entgegen, auch sie etwas angespannt. Es erinnert mich an Filme, wo ein geduckter Flüchtlingstrek im Schutze der Dunkelheit hofft, nicht entdeckt zu werden. Auf der anderen Seite entspannen wir deutlich, und nach zehn Minuten kommt unser Bemo, bunt LED-blinkend. Anna organisiert noch für die Italiener und mich, dass uns der Bemo am nächsten Morgen zum Berg fährt, und am Nachmittag wieder zum Erdrutsch in Richtung Ende. Dann empfiehlt sie mir eine Unterkunft und wo man noch etwas zu essen bekommen könnte. Glück muss man haben. Ich bekomme tatsächlich noch ein paar Nudeln und ein Bier, unterhalte mich länger mit Sophie, einer Architektin aus Wien, über alte Porsche und falle dann erschöpft ins Bett.
Wie offensichtlich hier üblich muss auch dieser Berg zum Sonnenaufgang genossen werden. Um kurz nach 4:30 werde ich abgeholt, Marisa und Pio steigen zu, und wir fahren ca. 45 Minuten auf den Berg. Dort beginnt der ‚Trek‘, ca. zwanzig Minuten Spazierweg über Stufen. Auf dem Gipfel des Kelimutu treffen wir die Hälfte der Gruppe aus dem Flugzeug wieder, wir kommen gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang. Ich bin zwar stolz auf mich, mal wieder einen Sonnenaufgang zu erleben, aber eigentlich ist er nicht außergewöhnlich. Die Attraktion in dem Nationalpark sind die drei Kraterseen, die man vom Gipfel aus sieht: einen mit braunen Wasser, einen mit türkisem Wasser und einen weiteren mit dunkelgrünem/blauem Wasser. Die Seen bekommen erst eine Stunde später Sonne ab, vorher sehen zwei davon eher schwarz aus, der dritte ist in seinem Krater völlig vernebelt, was aber auch toll aussieht. Ich unterhalte mich mit Sophie, Femke und Sjoerd aus Holland. Auch die beiden fliegen mit mir wieder zurück Bali, wir können dort ein Taxi teilen. Um halb acht einige ich mit Marisa und Pio auf „Andiamo“, und wir machen uns auf den Rückweg, sehen dabei noch einige Affen. Zurück in meiner Lodge dusche ich, es gibt den typischen Bananen Pfannkuchen, und ich schreibe ein paar Zeilen – auch wenn’s mit dem veröffentlichen noch bis zum Internet dauern wird – da ist hier eher schwach ausgeprägt.
In Anbetracht der möglichen Komplikationen bei der Rückreise haben wir entschieden, nach dem Mittagessen wieder nach Ende zu fahren. Bei einem Abflug um 7:00 morgens (schon wieder nicht ausschlafen) fühle ich mich in der Nähe des Flughafens sicherer, besonders bei den Unwägbarkeiten der indonesischen Infrastruktur. Erstmals sehe ich Moni bei Tag: ein Straßendorf mit ein paar Wellblechhütten, und dazwischen Lodges für die Besucher des Kelimutu Bergs. Wir machen uns auf den Weg, und nach zwanzig Minuten fängt es an zu schütten – das kann ja heiter werden, in dem Schlamm des Erdrutsches auf die Haut durchnässt zu werden. Aber überraschenderweise – für mich – ist die Straße geräumt, und wir kommen in neunzig Minuten in Ende an. Ich miete mich einfach in dem Hotel von Marisa und Pio ein, mit 33€ zwar doppelt so teuer wie meine üblichen Unterkünfte, aber nicht doppelt so gut. Mit den beiden gehe ich noch Essen, Pio kann leidlich Indonesisch und erweitert meine eh schon weit gesteckte Komfortzone um ein paar seltsame Speisen. Nun ja, denke ich mir für diesen Ausflug: Ende gut, alles gut, auch wenn die Stadt sonst wirklich langweilig ist.

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