All is Lost

[Hinweis: dieser Beitrag könnte für Segler interessanter sein als für Nichtsegler]

Wenn ich mal pensioniert bin, kaufe ich mir ein Boot und segle Einhand um die Welt. Das offensichtlich hat sich der von Robert Redford dargestellte Mensch in dem Film „All is lost“ gedacht. [wer den Filmen sehen will – hier wird verraten, wie er ausgeht!] Ich sitze in einer 737-800 der Queensland And New Territories Air Services. Drei Stunden sind es von Melbourne nach Alice Springs, da lohnt sich auch auf einem Kurzstreckenjet das On-Board Entertainment. Über den Film habe ich im Autoradio in Bundaberg gehört, da wurde er sehr gelobt. Charakterdarstellung von Redford, der Film den er schon immer machen wollte. Ich meine: Der Film, über den Segler lachen. Lachen müssen. Der Film ist irgendwie schon beeindruckend. Robert Redford spielt gut, keine Frage. In dem ganzen Film wird kaum geredet, praktisch bei den eher herausfordernden Tonverhältnissen im Flugzeug. Aber die Details, nein wirklich. Und ich meine nicht wegen der Einschränkungen, dass es wohl impraktikabel ist, in einem echten Sturm zu drehen, und deshalb die Wellen zwar hoch sind, die Gischt aber völlig fehlt. Der Film fängt mit dem Hinweis an 1700 Seemeilen von der Sumatra-Straße entfernt. Also weit weg vom Land, im indischen Ozean. Robert Redford liegt in seiner Koje und wacht auf, als plötzlich Wasser ins Schiff läuft. Er hat einen schwimmenden Container gerammt, direkt am Navi-Tisch, so dass die ganze Elektronik hin ist. Mit einer Wende legt er das Schiff auf den anderen Bug, das Leck ist nun über der Wasseroberfläche, er hat Zeit. Dann setzt er Prioritäten: er sucht sein Reparaturset für Fiberglas und flickt das Loch mit einem Viertel Meter Kantenlänge, während das Wasser weiterhin Hüfttief im Boot steht. Klar, würde ich auch so machen. Erst dann fängt er an zu lenzen (Wasser auspumpen). Er verwendet dazu die kleine Handlenzpumpe, das ist schon erschöpfend. Der Eimer bleibt hingegen im Schrank. So erschöpfend ist es, dass er sich zwischendrin zum Schlafen legt, in einer Hängematte einen halben Meter über dem Wasser.
Danach widmet er sich der Elektronik, bringt das Funkgerät an Deck, versucht es mit Süßwasser auszuspülen, holt auch eine Batterie rauf, alles oben auf Deck unter dem Baum (da wo das Deck in alle Richtungen abschüssig ist). Kurz krächzt das Ding, und er setzt einen völlig falschen Notruf ab. „This is Virginia, sending an SOS…“ (Richtig: „MAYDAY….“). Es hört ihn keiner, und dann stirbt die Funke wieder. Eine EPIRB (Notrufbake, die 100% wasserdicht ist) hat er auch nicht an Bord – warum auch bei einer Ozeanüberquerung? Nun ja, das Loch ist mittlerweile geheilt und ausgehärtet, und der Regisseur schickt unserem Helden eine weitere Prüfung – ein Sturm. Robert bleibt brav unter Deck, so können die Wellen besser mit dem Boot spielen, und er kentert zweimal durch. Tja, man hätte halt in die Welle steuern sollen. Aber jemand, der sich zutraut alleine über den Indischen Ozean zu fahren, weiß das wahrscheinlich nicht. Der Mast bricht, schlägt ein Loch ins Deck, durch dass der Regen sintflutartig eindringt. Er schlägt seinen Kopf an ist eine Zeit bewusstlos, und wacht auf als das Boot knietief unter Wasser ist. Obwohl bei dem Loch Panzerband zum Flicken gereicht hätte, bringt er schnell das Rettungsfloß aus und springt hinein, Vorräte nimmt er keine mit. Der Merkspruch: „Verlasse nie Dein Schiff, bevor es nicht Dich verlässt“ ist sicher nur auf Deutsch erhältlich, dieser großen Seefahrernation. Gottseidank vergisst er die Leine zum Schiff zu kappen, die das Floß beim Sinken mit in die Tiefe gezogen hätte, und schläft wieder erschöpft ein.
Am nächsten Morgen ist die See wieder komplett ruhig. Sein Schiff schwimmt stabil, ca. ein Meter tiefer als normal. Er spurtet an Bord und holt ein paar Gegenstände. Neben dem sinnvollen 25 Liter-Kanister Wasser (welches sich dann als ungenießbar erweist, aber McGyver-mäßig wird er daraus eine Einrichtung basteln, um Kondenswasser zu gewinnen) taucht er mehrmals, um einen Sextanten zu retten, das Buch „Navigation nach den Sternen für Anfänger“, und eine Seekarte. Mühsam bringt er sich die astronomische Positionsbestimmung bei, als würde sein Leben davon abhängen. Tut’s nicht. In einem kreisrunden Floß ohne Paddel, ohne Möglichkeit seine Position mitzuteilen, hilft es nicht, diese zu wissen. Außer natürlich dem Zuschauer. Mitten im indischen Ozean soll nämlich ein Verkehrstrennungsgebiet ein, für die Seestraße von der Sumatra Straße nach Madagaskar, mit einem Knick drin, damit der nicht segelaffine Zuschauer die Ähnlichkeit zu einer Autokarte erkennt. (Verkehrstrennungsgebiete gibt es an den Ausfahrten von großen Häfen, im Ärmelkanal, in stark befahrenen Meeresengen, aber nicht mitten im Meer, und dort geknickt schon gleich gar nicht) Die Positionen, die Robert freihand in die Karte einträgt suggerieren, dass er bald an eine befahrene Ecke des Meeres kommt. Tatsächlich fahren auch zwei große Containerschiffe nur wenige hundert Meter an ihm vorbei, was ich wiederrum für realistisch halte, so ein kleines Rettungsfloß ohne Radarreflektion kann man sicher leicht übersehen. Auch seine Raketen werden übersehen.
Robert verliert langsam die Hoffnung, er treibt wieder aus der Seestraße raus, unter seinem Floß schwimmen Haifische und deren Futterfische einträchtig im Kreis – Robert ist am Arsch. Doch dann, es ist Nacht, sieht er in der Entfernung noch ein Boot. Er zündet in dem leeren Wassertank ein Feuer mit den Seiten seines Tagebuchs an, welches natürlich auf das ganze Floß überspringt. Robert springt ins Wasser, welches mittlerweile haifrei ist, winkt und schreit noch ein wenig, und geht dann unter. Die Kamera folgt ihm, wie er mit geschlossenen Augen untergeht. Immerhin, denke ich mir wenigstens kein Happy End. Doch halt – er öffnet die Augen, sieht ein Bootsrumpf über sich, und schwimmt mit kräftigen Zügen die fünfzehn Meter hoch, die er mittlerweile gesunken ist. In der Schlusseinstellung ergreift er – noch vor dem Auftauchen, die nach unten gestreckte Hand des ungesehenen Retters. Ich könnte kotzen. Was mich besonders ärgert: Man hätte den Film realistisch machen können, ohne ihm die Spannung zu nehmen. All is lost, besonders Hopfen und Malz bei dem Film.

3 Gedanken zu „All is Lost

  1. Lol….Danke für die Vorwarnung…den muss man dann nicht sehen…ausser als Alternative zu einem Monthy Python Film 😉
    Aber ehrlich gesagt habe ich grundsätzlich noch nicht viele gute Seefahrerfilme gesehen…ausser „Das Boot“ und die BBC-Hornblower DVDs…..daher übetrascht es eher weniger. Leider.

    Zum Thema Einhandsegeln gibt es ein paar sehr gute Bücher von Menschen die dies auf den verschiedenen Routen sowie mit oder gegen die vorherrschende Windrichtung gemacht hatten. Besser wie jeder Film, insbesondere wenn man sein Vorstellungsvermögen durch eigene Seefahrer-Erfahrung anreichern kann 🙂

    Fair winds and following seas, mate!

  2. Chris, hier hast Dich aber schon a weng in ein Wendeduell mit den Machern des Films reingesteigert… 😉

    Den Film habe ich vor zwei Monaten im Flugzeug gesehn und er hat mich auch in einem Wechselbad der Gefühle zurückgelassen. Es ist schon ein sehr schönes Kammerstück, toll mal einen Film ohne Dialog zu sehen der nicht langweilig ist, aber seemännisch läßt er einem alle fünf Minuten mit einem komisch weltfremden Gefühl zurück und fragt man sich schon immer wieder, ob man selber zu wenig weiß, weil RobertR des öfters mal anders macht als man es instinktiv selber tun würde…
    Aber zB das mit dem unter Bord gehn im gischtlosen (stimmt, des sah irgendwie komisch aus) Sturm könnte schon seinen Sinn haben, da gibt es schon sinnvolle Konzepte, die nach Vorbereitung in der Kajüte durchgeführt werden.

    Auch hat er doch auch schön mit dem Seeanker gespielt um ins (nicht vorhandene) Schiffsgebiet zu kommen.
    Aber so ganz hat sich mir RobertRs Handeln mit dem hin- und wegmachne nicht erschlossen.
    Und ne EPIRB ist halt dramaturgisch ne echt fade Nummer, ein Verkehrstrennungsgebiet im Ozean aber schon. Da musst Du mit Hollywood etwas nachsichtiger sein, ist halt keine Doku auf dem Nat’l Geographic Channel.
    BTW Wo ist denn eigentlich die EPIRB von MH370….?

    Summa Summarum: Also das Ganze bietet schon noch reichlich Gesprächsstoff für den ein oder andern Abend in der Plicht…

    HIer ein paar Seiten zum Thema Sturm von Leuten, die auch sehr gute Weltumsegelungsbücher geschrieben haben, die sicher besser sind als des Buch zu „all is lost“:
    http://www.wilfried-erdmann.de/seemann/tip34_sturmsegeln.htm

    http://www.yacht.de/schenk/n005/segelklasse13.html

    BTW2 Beim a bisserl rumgooglen hab ich grad gefunden, dass des Star/Port bei Titanic doch korrekt sei, mehr dazu in der Plicht…..

    • Ich glaub, in die Kajüte geht man, wenn man nimmer aktiv Steuern kann. Dann Treibanker und Festmacher hinten raus, und hoffen, dass das den Bug gegen die Welle hält. Aber nicht wenn noch Segel steht.
      Und ich hätte als Drehbuchautor die EPIRB in den ersten Minuten zu Muß gemacht. Etwas schweres drauffallen lassen.
      Statt Verkehrstrennungsgebiet macht RR einen Strich von Singapur nach Suez, oder Mumbai-Kapstadt. Die Haie würde ich Hollywood durchgehen lassen.

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